Skripal 2, New START und Sputnik 5

Skripal 2, New START und Sputnik 5

Im Fall Nawalny, der nun wegen Nowitschoks Skripal 2 wurde, drehen die Russen argumentativ den Spieß um.Und zwar so dreist, dass es fast schon wieder komisch wirkt. Mal,dass keine Vergiftung vorliege, dann, dass er in der Charite vergiftet worden sei oder nun aber vom Westen.Und dass das Gift vielleicht nicht Novichok war und die Forschungsergebnisse des deutschen Bundeswehrlabors falsch waren (Bundeswehr ist NATO-Mitglied). Letzteres könnte man ja noch nochmals nachprüfen lassen, ansonten: Frechheit siegt. Und: Angriff ist die beste Verteidigung! Dem schließt sich nun Gysi von der Linkspartei an, der westliche Putin-Gegner und Nordstream 2-Gegner dahinter vermutet, da Putin kein Interesse an einem Konfikt mit dem Westen habe könne und wohl dann auch nicht Nawalny in die Charite ausfliegen lassen würde. Die einfache Erklärung, dass Putin systematisch russische Oppositionsführer ausschalten lässt, zumal dies ja nicht der erste politische Mord, Vergiftungsversuch oder Artverwandtes ist, scheidet für Putinfans von vorneherein aus, wie auch, dass Putin die Reaktionen des Westens, die meist recht moderat ausfallen, ziemlich egal sind, zumal wenn es auch um Fragen des inneren Machterhalts geht, die aussenpolitischen Erwägungen vorangestellt werden.

Putinfans betonen, dass Nawalny nicht nur Putin zum Feind hatte, sondern sich mit seinen Korruptionsermittlungen und Oppositionsbestrebungen viele Gouverneure, Oligarchen und sonstiges Umfeld der Putinclique zum Feind gemacht hat.. Daraus schliessen sie, dass es ein korrupter Oligrach oder Politiker war, der Nawalny vergiftet habe und nicht Putin. Dass Putin sich eines solchen Satrapen als Auftragskiller bedient haben kann, um Spuren zu verwischen, wird da schon ausgeschlossen. Bei Nemtzow waren es angeblich auch nur tschteschische Leute von Kadyrow und nicht Putin. Fraglich dann aber, wie diese an Nowitschok kommen können, zumal dies nur Geheimdiensten und dem Militär zugänglich ist. Dann wieder die Story, dass westliche Geheimdiente es waren. Als hätten CIA, MI6 oder andere Geheimdienste Narren- und Bewegungsfreiheit in Russland und könnten so frei opereiren, wo schon jede kleine NGO drakonisch observiert wird. Fehlt nur noch die Variante, dass es die Chinesen waren, um Putin in die Arme Chinas zu treiben.

Dass Putin einfach verhindern wollte, dass die Proteste im Osten Russlands und Belarus auf den Westen Russlands überspringen und er hier einen der wichtigsten Oppositionsführer enthaupten wollte, wird als unlogisch betrachtet.

Zumal Nawalny ja gerade Richtung Ostrussland geflogen war, um die dort nicht abreissenden Proteste gegen Moskau weiter anzufachen, für sich zu gewinnen und auch auf Westrussland ausweiten wollte, zumal der Kreml momentan auch noch mit Belarus beschäftigt ist. Dass Putin da aufgrund des schieren Machterhalts wegen, den er direkt bedroht sah, Nawalny ausschalten will und indirekte Rückwirkungen auf Nordstream 2, unintended effects in Kauf nimmt, zumal NS 2auch ewiger Zankapfel zwischen Russland und Trump ist, den man vielleicht auch um der guten Beziehungen opfern könnte, wird gar nicht in Betracht der Putinisten gezogen.

Die KP China kümmerte sich auch nicht um westliche Reaktionen und Sanktionen, als sie 1989 die ihre Macht direkt bedrohenden Massenproteste am Platz des Himmlischen Friedens mit Panzern niederwalzen liess. Putin wollte da eben solch eine Ausweitung der Proteste in eine russlandweite Massenbewegung, die dann auch nach Westrussland, Moskau und St. Petersburg überspringt und eine offene und blutige Zuspitzung und Repression, die vielleicht auch westliche Sanktionsforderungen nach sich gezogen hätte, vermeiden und eine elegantere, auch geheimdienstlichere Methode ist da die verdeckte Enthauptung der russischen Opposition und deren wenigen charismatischen Führer mittels eines Giftanschlags, eine Art individueller preemptive strike, dessen Urheberschaft man ableugnen kann.

Und selbst wenn es zu Protesten für den Märtyrer gekommen wäre, würden die sich so folgenlos verlaufen wie bei den Protesten nach der Ermordung von Boris Nemtzow, wären auch mehr spontan und ohne charismatische Führung mehr. Professor Rahr behauptete ähnlich, westliche Putingegner hätten ja ein Interesse an einem Märtyrer Nawalny, da dies Massenproteste der russischen Opposition initieren könnte. Aber dazu ist es seither nicht gekommen. Bisher scheint Nawalnys Vergiftung eher eine abschreckende Wirkung zu haben, was von Putin wohl gewollt sein dürfte. Einschüchterung durch Terror und Angst. Mit Ausnahme halt der Proteste in Ostrussland.

Gazpromberater Prof. Rahr versucht nun eine andere Variante. Andere russische Kräfte hätten Nawalny vergiftet, die chemischen Waffen seien vielleicht nicht mehr unter Putins Kontrolle. Eine elegante Variante, denn in der Konsequenz würde dies bedeuten, dass Putin mehr Macht bekommen müsste, um sie wieder unter Kontrolle zu bekommen.Wenn er es geschickt anstellen würde,würde er nicht nur Machtzuwachs bekommen, sondern vielleicht noch finanzielle Zuwendungen des Westens,damit er die C-Waffen wieder unter Kontrolle bekommt. Die USA haben ja damals Russland 13 Mrd.US-$ gegeben, um die A-Waffen zu kontrollieren. Bei dieser Variante könnte dies aber an die Bedinging einer internationalen Kontrollgruppe geknüpft werden,was Putin dann doch ablehnen würde.

Momentan ist das Gespräch von einer deutsch-russischen Untersuchungsgruppe, bei der wohl nichts herauskommen würde, die Putin daher einer internationalen Untersuchungsgruppe bevorzugen würde. Zudem sind diese Aufklärungsversuche lächerlich. Putin kann ja gar nicht zugeben, dass er für den Giftanschlag verantwortlich ist, höchstens könnte man sich auf ein paar Bauernopfer wie im Fall Nemtzwo einigen. Wie mir Prof. Rahr sagte, möchte Russland aber , dass auch in den USA und GB ermittelt wird. Das wäre dann wohl ein Treppenwitz der Geschichte,wenn Putin russische Ermittler in Fort Detrick ermitteln lassen wollte. Das würden wohl die USA dankend ablehnen. Sollten die USA ablehnen, würde die russische Propaganda wohl herausstellen, dass Putin good will gezeigt hätte, es an den USA und GB gescheitert sei, die wohl etwas zu verstecken hätten und ihre C-Labors in Fort Detrick. Porton Down samt der aus der Sowjetunion emigrierten C-Waffenforscher vor dem Licht der Aufklärung im Dunklen belassen wollten. Nowitschok wurde nicht nur im Labor in Shikhany bei Wolgograd im Rahmen des Chemiewaffenprogramms Foliant entwickelt, sondern genauso im NATO-Westen und Putin könnte gar noch als Friedenskämpfer datsehen. Gegen diese Variante spricht aber auch, dass Putin wohl nur ungern einen Kontrollverlust zeigen will, der ihn als schwachen Herrscher , Weichei und nicht mehr starken Mann erscheinen lässt.

Wichtig wird auch sein, ob Nawanly wieder aus dem Koma erwacht oder als Märtyrer verstirbt und falls er erwacht, ob der dann wieder gesundet oder physisch und psychisch so geschädigt ist, dass er nicht mehr aktiv sein kann. Im anderen Falle wird auch ausschlaggebend sein, was er als eigentlicher Hauptbetroffener, Oppositionsführer und Kronzeuge zugleich zu dem Giftanschlag erklärt, ob er Putin verantwortlich macht, Sanktionen fordert oder sich zurückhält. Desweiteren ob er nach Russland als unzerstörbare Lichtfigur der Opposition zurückkehrt, die nun alle Repression von Schlägen, Gerichtsverfahren, Gefängnis bis hin zum Giftanschlag alles überlebt hat und an politischer Bedeutung als Superstar der Opposition sogar noch Bedeutung gewonnen hat oder ob Nawanlny eingeschüchtert im deutschen oder ausländischen Exil bleibt und von dort aus wie Chodorkowsky und andere seine Oppositionsaktivitäten steuert.

Trump sieht bisher keine Beweise gegen Putin, wenngleich er die deutschen Untersuchungsergebnisse nicht infrage stellt, schließt sich momentan Putin an, wird bei Sanktionsforderungen nur Nordstream 2 ins Visier nehmen und in diesem Fall wäre mehr Merkel und Deutschland im Zentrum der Kritik und nicht Russland. Röttgen, AKK , Manfred Weber (CSU/EVP) und die Grünen sind für ein Ende von NS 2, Laschet, Kretschmer und Söder momentan noch dagegen, Merz will einen 2-jährigen Baustopp. Ein anderer Vorschlag ist es, die Pipeline zu Ende zu bauen, aber erst in Betrieb zu nehmen, wenn Putin politische Zugeständnisse macht, die aber nicht näher definiert werden und wohl dann diplomatisch auszuhandeln wären. Gazpromberater Rahr meint, dass sollten die USA den beteiligten Firmen aber Sanktionen androhen, den Zugang zum US-Markt und zum Dollarzahlungsverkehr unterbinden, dass diese dann abspringen würden wie schon im Falle der Iran-Sanktionen.Vielleicht wäre die Nawalnyaffäre für viele auch der willkommene Anlass aus dem Projekt, das die transatlantischen und innerueropäischen Beziehungen belastet, auszusteigen mit Verwesi auf Demokratie und damit es nicht aussieht, als unterwerfe man sich Trump, sondern tue dies im Namen der Menschenrechte als Preis der Freiheit, den man dann angesichts der möglichen Schadensersatzforderungen seitens Russlands und der beteiligten Firmen an den Staat bereit ist zu zahlen.

Trump sind aber momentan die Rüstungskontrollabkommen mit Russland wichtiger als Nawalny. New START läuft nächstes Jahr 2021 aus und Trump hat durchaus ein Intetesse die ICBM-Oberzahl festzulegen. Auch ist die Frage,ob China seine Anzahl der Interkontinentalraketen erhöhen wird. Die RAND-Studie „Rethinking Armaggeon“ spielt ja schon mal den Fall durch, falls China seine Atommacht von 250 ICBMs auf 1000 erhöht. Dann wäre China auf Augenhöhe mit den USA und Russland, wäre es vorbei mit russischen Hoffnungen vom „nuclear strategic balancer“ zwischen den USA und China, wie auch der Idee des „global supplier for international security“, wie dies zuletzt der russische Stratege Karaganow formulierte. Auch müssten die USA und Russland ihre gesamten nuklearen Abschreckungsstrategien erneuern, insofern es nicht auch ein neues Wettrüsten einleiten würde.

Ebenso hofft Trump immer noch Russland gegen China auf seine Seite zu bringen, wie dies zuletzt sein Vorschlag einer antichinesischen G11 unter Einschluss Russlands deutlich machte. Auch bleibt abzuwarten, wie sich das mit dem Covid-Serum Sputnik 5 entwickelt. Sollte es ein Flop sein, steht Russland als hochkriminelles Land da, das nicht nur Nawalny vergiftet hat, sondern auch seine Bevölkerung. Sollte es entgegen Erwarten wirksam sein, wäre Putin der Retter der Welt in der Covidkrise und würde die internationale Weltgemeinschaft Schlange stehen für das russische Serum. So ist Putins Rationalität: No risk, no fun!

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