Reformislam versus Islamismus: Khorchide gegen Ambiguitätsideologe Thomas Bauer und Milli Görus- Mete

Reformislam versus Islamismus: Khorchide gegen Ambiguitätsideologe Thomas Bauer und Milli Görus- Mete

Im folgenden dokumentierten wir eine Grundsatzdiskussion zwischen dem islamischen Reformtheologen Khorchide, dem deutschen Islamwissenschaftler Thomas Bauer und dem Milli-Görus- Muslimbruder Ali Mete, die in dem Magazin Islami Q der verfassungsfeindlichen islamistischen Organisation Millis Görus ausgetragen wird, die Vorläufer des türkischen Islamismus unter Erbakan , dann der AKP Erdogans war, diesen hochleben lässt und den Muslimbrüdern im Greater Middle East nahesteht. Die Vordenker eines sunnitsch- neoosmanischen Reichs, wie es Erdogan nun mit seinen Kriegen in Syrien. Lybien und Irak, sowie seinen Militärstützpunkten im Nordirak, Nordsyrien, Somalia, Sudan. Katar und darüberhinuas in der MENA-Region erschaffen will und kriegerisch voranttreibt, ja nun auch in den Kaukasus und Zentralasien Kontakte aufbaut und gegen Griechenland und den Westen Konflikte anzettelt—wohl gemerkt in Konkurrenz zum wahhabitischen Saudiarabien und den Salafisten, die auch in dieser Diskussion als der alleinige böse Islamismus gesehen werden. Viele datieren die Entsehung des modernen Islamismus auf die iranische Revolution 1979. Als noch behauptet wurde,dass Khomeini nur Schiiten als Vorbild dienen könnte und diese eine Minderheit in der islamischen Welt sind, während der Großteil der muslimischen Welt Sunniten und daher nicht ansteckbar seien. Das übersah, dass es islamistische Vordenker und Massenorganistaionen islamistischer Provinienz schon lange vor Khomeini auch im sunnitischen Raum gab, vor allem auch die Muslimbrüder, die sich auf die Lehren ihres Gründers Hassan Al-Banna seit 1928 beriefen und sich verfeinerten und radikalisierten  in dschihaddistischen Elaboraten ala des Vordenkers Qutb.

Hamed Abdel Samad spricht im Zusammenhang mit der Muslimbrüderschaft auch von Islamofaschismus, da Strategie und Wahl der Mittel sich an denen der Faschisten orientiert. Samad weist darauf hin, dass die Muslimbrüder über einen eigenen Geheimdienst wie auch Milizen verfügen. Sie können jederzeit von mehr pseudodemokratischer Taktik auf gewalttätigen Putschismus umstellen – alles nur eine Frage des zeitgemäßen Einsatz des jeweiligen Mittels. Sie zielen aber mehr auf eine parlamentarische Machtübernahme einer Massenpartei, sowie der breiten Verankerung in der Gesellschaft durch zivilgesellschaftliche und karikative Organisationen ab.

Auch Hitler erkannte nach seinem Putsch im Jahre 1923, dass der militärische Weg nicht zielführend war, sondern man über die Parlamente, SA-Suppenküchen und außerparlamentarische Massenaufmärsche und Demonstrationen wirken müsse.Selbiges beherzigen auch die Muslimbrüder inzwischen, aber man sieht, dass sich aus ihren Reihen auch schnell Absplitterungen ergeben, die eben auch die Form der Al Kaida annahmen. Al Kaida rekrutierte sich nicht nur aus Saudis und Salafisten, sondern eben auch aus ehemaligen Muslimbrüdern aus Ägypten und anderen sunnitischen Staaten. Die Übergänge zerfliessen bei der Radikalisierung.

Erst nach 9 11 da begann ein Umdenken, wurden aber plötzlich Menschen verschiedener Staaten wie Lybien, Irak, Syrien, Iran, Afghanistan, Pakistan, Sudan, die sich mehr national oder ethnisch verstanden alle unter eine Kategorie des “Muslim”gepresst, egal, ob sie säkular waren oder nicht. Dazu wurde Islamismus nur in der Form des Dschihaddismus und Konzentrierung auf Al Kaida definiert, aber nicht gesehen, dass es eben genauso evolutionäre Islamisten gab, die nicht auf Terrorismus setzten, sondern auf Machtergreifung mittels einer Massenbewegung und Massenpartei, vor allem die Muslimbrüder im sunnitischen Raum, die aber bei Widerstand seitens Assads sich schnell wieder zu bewaffnen wussten, um ihren Kampf für eine islamistische Diktatur aufzunehmen. Zumal in den ganzen nordafrikanischen Staaten, wie auch auf dem arabischen Kontinent die Muslimbrüder und andere Islamisten schon ganz am Anfang dabei waren bei dem sogenannten “arabischen Frühling”, während unsere liberalen Mainstreammedien uns nur etwas von der Machtgewaltheit der so hippen „Twitterrevolutionäre“ erzählten, die schon sehr schnell mangels Diszipliniertheit, Erfahrung und Massenorganisation so schnell marginalisiert wurden von den Islamisten, wie sie aufgetaucht waren. Aber in unseren westlichen Medien wurde nie über die entscheidende Massenbewegung der Islamisten, die sich dann auch schnell mittels Wahlen in Ägypten oder Waffengewalt in Syrien durchsetzen wollten, berichtet

So wie viele Transatlantiker und Liberale in Europa erklären, dass Trump und Steve Bannon, die ein US-faschistisches System herbekommen wollen, durch die Kraft des Liberalismus, der US-Verfassung und der check and balances eingehegt werden würden, so haben diesselben Kräfte dies auch schon in Bezug auf den Islamofaschismus erzählt und meinten die islamistische AKP könne durch de EU-Beitrittsprozess moderiert werden. Die westlichen Liberalen und Großteile der Linken hatten die Utopie, dass sich reaktionärer Islamismus ala Muslimbrüder oder AKP/Erdogan mit säkular-demokratisch-liberalen System verbinden lasse. Hinzu kam eben, dass nach der islamistischen Refah-/Wohlfahrtspartei Erbakans, die durch Eingriff des Militärs abgesetzt wurde, nun als Nachfolger die AKP Erdogans kam.Erdogan war genauso ein Islamist und Muslimbruder, gab sich aber moderater als Erbakan.Jedenfalls wurde er der neue Hoffnungsträger grüner, sozialdemokratischer und liberaler EU-Erweiterungsfanatiker, die in diesen Islamisten die erste muslimische Demokratie reinphantasierten, zumal auch mit Unterstützung aller US-Regierungen von Clinton, Bush jr und Obama. Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder verlieh ihm auch noch den Preis “Europäer des Jahres”–für solch einen lupenreinen Demokraten hielt ihn die Sozialdemokratie wie auch ihre grünen und liberalen  Adlaten. Das türkische Militär überlegte 2007 diese durchsichtige Farce zu beenden und drohte Erdogan mit einem Militärputsch wie schon unter seinem Vorgänger Erbakan. Doch die EU wie auch die USA samt NATO machten Druck aufs türkische Militär keinen Militärputsch zu vollführen, was Erdogan im Amt liess und die ganze systematische Machtergreifung vom Ergenekonprozess bis heute ablaufen liess.

Bei allen EU-Mitgliedsgesprächen und angeblichen Demokratisierungsversuchen wurde immer nur das türkische Militär zusammengestutzt, während das türkische Wahlrecht, das eine 10%-Schwelle für Parteien hatte nicht in eine 5%-Schwelle umgewandelt wurde, was bedeutet hätte, dass der Parteienpluralismus, die Demokratie gestärkt und der unnatürliche Zustand, dass Erdogan mit 35% der Stimmen 60% der Parlamentssitze erhalten hatte, beendigt wurde.Zu sehr hatte die Linke und ihre liberalen Epigonen das Trugbild von Erdogans AKP als die Demokratiekraft für die Türkei und den ganzen Nahen Osten, die Islam und Westen vereinigen würde—auch in einer gemeinsamen EU, die keine Religionen und Unterschiede mehr kenne.Betrachtet man sich die heutige Türkei, wird klar, dass all jene Menschen und die wenigen Linken, die vor dem Islamisten Erdogan warnten, recht behalten haben.Doch dasselbe Muster wiederholte sich mit der Hamas und den Muslimbrüdern in den anderen sunnitischen Staaten. Auch diese wurden seitens linker Kräfte und liberaler Epigonen als eine islamsche CDU eingeschätzt, die diese Länder modernisieren könne und einen Ausgleich mit dem Westen bringen könne.

Islamismus sind zwei wesentliche Strömungen: Die offen-aggressive, militaristische, putschistisch.militante Variante des Islamischen Staats, der Boko Haram, der Al Shabab, der Al Kaida, der Al Nusra, der Ahrar al Sham, der Jayes el Islam, der Jayesh el Fatah, der Junus al Sham,etc. Die mittels militärischer Machtergreifung und Guerillakrieg die Macht und Territorium erlangen wollen. Islamisten sind für uns auch genauso die evolutionären Islamisten, die sich am Anfang friedlich und evolutionär geben, ihre eigenen Geheimdienst, Milizen, Zivilgesellschaft, karikativen Sozialstaatsorganisationen aufbauen, um dann als breit verankerte Massenpartei demokratisch gewählt zu werden und demokratisch legitimert auch Referenden abhalten zu können, die die Demokratie beseitigen und eine islamistische Diktatur ganz demokratisch herbeizubringen wie eben Millis Görus, die AKP oder die Muslimbrüder im Greater Middle East.

Auch bei der von Erdogan nun verfolgten Gülenbewegung handelt es sich um Islamisten. Der Unterschied zwischen Erdogan und Gülen ist, dass Erdogan mittels einer Massenpartei ganz wie die Muslimbrüder eine islamistische Diktatur errichten will, während Gülen in seinen Bildungseinrichtungen Eliten ausbilden will, die den Staat , die Wirtschaft und die Gesellschaft in Schlüsselpositionen infiltrieren und dann gleichschalten will, also eher das Konzept des Marsches durch die Institutionen vertritt.

Erdogan förderte in der Anfangszeit auch Gülen. Gülens Leute verfolgten sehr eifrig demokratische Oppositionelle mittels ihrer Netzwerke bei Polizei und Justizsystem. Aber nun sind Erdogan und Gülen so verfeindet wie Hitler und SA-Röhm. Da der eine in dem anderen einen Konkurrenten in Sachen Errichtung eines islamistischen Staates sieht, versucht Erdogan den anfänglichen Verbündeten auszuschalten.

Beide Strömungen, die militaristischen und die evolutionären Islamisten müssen bekämpft und nicht zugelassen werden, im Erntsfall auch dadurch, dass ein säkulares Militär putscht, wenn die säkular-demokratischen oder linken Kräfte deren Machtübernahme nicht mehr verhindern können.

Vor diesem Hintergrund sollte man die Grundsatzdiskussion zwischen dem islamischen Reformtheologen Khorchide lesen, der eher eine fortschrittliche Islamkritik vertritt und die Entgegnung des deutschen Islamwissenschaftlers Thomas Bauer, der vor lauter angeblicher Ambiguität des Islams nicht kapiert, dass er sich zum nützlichen Idioten der Islamisten der Milli Görus, Erdogans AKP und den Muslimbrüdern macht und Khorchide in eine quasifundamentalistische Ecke mit seinen Wahhabismus- und Salafistenvergleichen zu denunzieren sucht.

Khorchide verfasste flgende Schriften und Bücher, die auf wütendeste Reaktionen seitens der Islamisten stiessen, zumal er auch mit dem ehemaligen Muslimbruder Hamed Abdel Samad Texte verfasste, der die Muslimbrüder aus seiner iegenen Erfagrung und Kenntnisse ihrer Absichten besser durchblickt als iragnedwelche selbsternannten deutschen Orientalisten und Islamwissenschaftler. Khorchides Problem ist, dass er zwar ein islamischer Martin Luther sein möchte, ihm dazu aber die theologische Legimtzimität und amtlichen Weihen eines Imam oder ähnlichem fehlen. Khorchides Buch „Islam ist Barmherzigkeit“, in dem er einen menschenfreundlichen Gott und einen Allah der Barmherzigkeit psotuliertem,wurde seitens der Ilsmaisten heftig kritisiert, da sie eher einen Gott der Furcht und der Angst propagieren, der sich die Gläubigen eingeschüchtert unterordnen.Neuester Streitpunkt ist nun Khorchides neustes Buch „Gottes falsche Anwälte“:

Zuerst Khorchides Text:

Der Islam zwischen Theologie und Verkündigung

Das Buch des Münsteraner Theologen Mouhanad Khorchide, „Gottes falsche Anwälte“, ist umstritten. Unter anderem wurde es hier auf IslamiQ von Ali Mete rezensiert. Khorchide widerspricht der Kritik. Eine Replik.

Der islamischen Theologie, so wie ich ihre Rolle als Wissenschaft verstehe, geht es nicht um die Verkündigung von absoluten Wahrheiten. Als Wissenschaft arbeitet sie ergebnisoffen. Das Reflektieren über die Rolle der islamischen Theologie als Wissenschaft scheint dennoch zwischen den betroffenen Akteuren noch lange nicht abschließend diskutiert zu sein und sie gehört meines Erachtens daher noch viel stärker thematisiert. Ich versuche, dies in Form einer kurzen Replik auf die Besprechung meines Buches „Gottes falsche Anwälte“ durch Ali Mete hier auf IslamiQ.

Gegen eine selektive Lesart der Tradition

Ali Mete führt in seinem Beitrag „Die Sache mit dem Islam“ das Argument an, dass das Buch „Gottes falsche Anwälte“ eine gewisse Enttraditionalisierung des Islams beinhalte, da es Teile der islamischen Tradition ausblenden würde. Er versucht dies anhand des Themas „Frauen als Imaminnen“ und des Themas „das Verstehen der koranischen Aussagen über Paradies und Hölle“ zu verdeutlichen. Aber genau diese Enttraditionalisierung werfe ich denjenigen vor, die meinen, es gäbe eine einzig wahre Auslegung des Islams und alles, was dieser widerspreche, läge außerhalb der islamischen Lehre. Ich möchte hier die beiden genannten Beispiele aufgreifen, um meine Kritik zu erklären.

Die Rezension von Ali Mete finden Sie hier: Die Sache mit dem Islam

Eine weitere Rezension von Prof. Dr. Thomas Bauer finden Sie hier: „Anders als politisch kann dieses Buch gar nicht diskutiert werden“

In Bezug auf die Frage nach der Rolle der Frau als Imamin verweise ich in meinem Buch auf mehrere anerkannte klassische muslimische Gelehrte, die kein Problem darin sahen, dass Frauen vor den Männern als Imaminnen beten. Diese Gelehrten, wie Ibn Taymiyya, berufen sich auf den Propheten Muhammad (s) selbst. Dieser habe einer Frau erlaubt, als Imamin vor den Männern zu beten. Nun meine kritische Rückfrage: Wieso werden diese Positionen aus der islamischen Tradition nicht rezipiert, ja zum Teil sogar verdrängt/verschwiegen? Sind sie nicht auch Teil der islamischen Tradition? Mir leuchtet nicht ein, warum die Rezeption solcher Positionen und Argumente aus der klassischen islamischen Theologie, die zum Teil auf den Propheten selbst zurückgehen, als eine Form der Enttraditionalisierung des Islams abgetan wird. Wer bestimmt, was Tradition ist und was nicht? Ist nicht alles, was in der islamischen Ideengeschichte gesagt/geschrieben wurde, unabhängig von deren Bewertung, Teil der islamischen Tradition, mit der wir Theologinnen und Theologen uns auseinanderzusetzen haben?

Dass das heutige Patriarchat aus der Tradition selektiert, um seine Sicht als die einzig richtige darzustellen, ist in meinen Augen eine Form der Enttraditionalisierung des Islams. Ich appelliere vielmehr dafür, auch im Sinne von Thomas Bauers Kultur der Ambiguität, die islamische Tradition in ihrer gesamten Breite und ganzen Fülle ernst zu nehmen, ohne einseitig und unreflektiert bestimmte Positionen als die einzig richtigen auszugeben. Thomas Bauer sieht in diesem Versuch des Vereindeutigens der islamischen Lehre eine moderne Erscheinung, die dem Islam fremd ist. Die islamische Tradition war nämlich stets vielfältig, in ihr existierten verschiedene, auch sich widersprechende Positionen nebeneinander. Das soll nicht heißen, dass alle Positionen aus der islamischen Tradition heute tragbar und vertretbar sind. Als Theologe muss man sich jedoch diskursiv mit allen Positionen und Argumenten auseinandersetzen, also das Pro und Contra kritisch reflektieren.

Für das oben angesprochene Thema würde dies bedeuten, sich heute diskursiv mit der Frage auseinanderzusetzen, ob nicht auch Frauen in Moscheen als Imaminnen tätig sein können. Was spricht dafür, was dagegen? In vielen Fällen geht es nicht um eine einzige vermeintlich wahre Position, sondern um ein Nebeneinander von Positionen und Argumenten. Nicht alle Moscheen müssen akzeptieren, dass bei ihnen Frauen als Imaminnen tätig sind. Wichtig ist allerdings, dass man weiß, dass die Position, Frauen als Imaminnen in den Moscheen zuzulassen, im Islam eine Position ist, die auch zu der klassischen islamischen Tradition gehört und daher die islamische Theologie etwas angeht.

Doch nicht nur der Aspekt der Tradition scheint mir in Bezug auf Metes Rezension relevant, sondern auch sein Gegenargument, warum Frauen nicht als Imaminnen in Moscheen tätig sein dürfen. Hier bestätigt Mete zwar die Sicht Ibn Taymiyyas, der dies erlaubt hat, merkt jedoch an, dass Ibn Taymiyya dies nur in Notfällen erlaubt habe. Aber dieser war eben ein Theologe und verwendete daher eine theologische Sprache, die man kennen muss, bevor man seine Aussagen beurteilt; er sprach im Rahmen seiner Erlaubnis für Frauen als Imaminnen vor den Männern zu beten von Hadscha (Bedarf) und nicht, wie Mete meint, von Zarûra (Notfall). Der Rahmen dieses kurzen Beitrags erlaubt es nicht, auf diese fachliche Unterscheidung näher einzugehen, aber ein Theologe weiß, dass, wenn Ibn Taymiyya von Hâdscha/Bedarf spricht, hier kein Notfall gemeint ist, denn das ganze Tarâwîh-Gebet, auf das sich Ibn Taymiyya in seinen Ausführungen bezieht, ist kein Pflichtgebet und somit kann von vornherein nicht von Zarûra die Rede sein. Das Argument Ibn Taymîyyas ist sehr stark, denn statt zu sagen, für den Fall, dass es keinen Mann gibt, der die Kompetenz besitzt, Imam zu sein, solle jeder das Tarâwîh-Gebet alleine beten bzw. das Gebet ausfallen lassen, weil es sich nicht um ein Pflichtgebet handelt, bevorzugt er, dass eine Frau vorbetet, wohlgemerkt bei Bedarf, nicht im Notfall.

Ehrfurcht statt Furcht vor Gott

Leider übersetzt Mete das koranische Prinzip Hawf, von dem auch die klassischen Gelehrten sprachen, fälschlicherweise mit Furcht vor Gott. Dabei geht es im Koran um Ehrfurcht und nicht um die Kategorie der Angst. Denn wie man Gott aus Furcht lieben soll, leuchtet nicht ein. Das Gesetz der Liebe ist die Freiheit. Gott zu lieben bzw. sein Angebot anzunehmen, muss in Freiheit geschehen, Angst/Drohung als Motiv widerspricht der Freiheit. Das hat die islamische Mystik stark thematisiert. Gazâlî bezeichnet daher in seinem Buch „Ihyâʾ“ diejenigen, die an Gott glauben und ihn nur deshalb anbeten, weil sie sich eine materielle Belohnung erhoffen oder Angst vor einer Bestrafung haben, als Polytheisten. Denn was sie wollen, ist nicht Gott alleine, sondern sie folgen ihren materiellen Gelüsten. Auf diese Haltung zielt auch die Mystikerin Râbia al-Adawiyya mit ihrer berühmten Aussage ab, sie würde so gerne das Höllenfeuer löschen und das Paradies anzünden, damit die Menschen nicht aus Angst vor der Hölle oder der Hoffnung auf das Paradies handeln, sondern aus aufrichtiger Liebe zu Gott. Leider wird heute gerade diese Sufi-Tradition stark marginalisiert und kaum rezipiert, was in meinen Augen auch eine Form der Enttraditionalisierung des Islams darstellt.

Ein weiterer Aspekt in diesem Zusammenhang ist die kategorische Ablehnung Metes der Aussagen Gazâlîs, nach denen dieser das Paradies und die Hölle metaphorisch liest. Die Ablehnung beruht darauf, dass Mete einen Übersetzungsfehler vermutet, da ich in den Quellen auf die deutsche Übersetzung von Richard Gramlich verweise. Selbstredend findet sich diese Aussage Gazâlîs auch im arabischen Original. Ein Vergleich der deutschen Übersetzung mit dem arabischen Original hätte dies sehr schnell deutlich gemacht. Gazâlî hat in der Tat an manchen Stellen vom Paradies und der Hölle als real existierende Orte gesprochen, denn je nach dem, an wen die jeweilige Schrift adressiert war, hat Gazâlî unterschiedliche Positionen dargestellt. Er schrieb sogar ein Buch („Ildscham al-awamm an Ilm al-Kalâm“), in dem er davor warnt, mit den Laien über bestimmte theologische Themen zu sprechen. An der Stelle im Ihyâ, an der Gazâlî über eine metaphorische Lesart von Hölle und Paradies spricht, bezeichnet er die Laien als intellektuell nicht in der Lage, sie anders als wortwörtlich aufzufassen, daher würden diese das Paradies und die Hölle als materielle Räume verstehen. Dies schreibt er allerdings als Kritik an den Laien.

Mir geht es nicht darum, zu sagen, eine metaphorische Lesart der koranischen Vorstellungen des Paradieses und der Hölle sei die einzig wahre, sondern um ein innerislamisches Bewusstsein für Vielfalt. Es geht mir darum zu zeigen, dass wer heute den Koran nicht literalistisch, also nicht wortwörtlich lesen, sondern in seinem historischen Kontext verorten und entsprechend auslegen will, genügend Grundlagen dafür innerhalb der islamischen Tradition finden würde, auf denen er seine weiteren Überlegungen aufbauen kann. Denn eine Reform ist nur dann authentisch, wenn sie nicht aufgesetzt, sondern von innerhalb der eigenen Tradition begründet wird und an dieser anschließt.

An einigen Stellen der Besprechung durch Ali Mete konnte ich nicht nachvollziehen, wieso er meine Ausführungen falsch wiedergibt. Ich würde zum Beispiel den Propheten „entpolitisieren“ wollen, dabei ging es mir darum, zu hinterfragen, ob Muhammad (s), wie oft behauptet wird, wirklich Staatsoberhaupt war. Das ist eine völlig andere Fragestellung als die nach seiner politischen Rolle. Es ist wichtig, zwischen Herrschaft und Politik zu unterscheiden. Nicht jeder, der Politik betreibt, will per se herrschen. Ich verstehe den Islam so, dass er einen politischen Auftrag hat, sich für Gerechtigkeit, Solidarität mit Armen und Bedürftigen, für Bewahrung der Schöpfung usw. einzusetzen. Dies hat jedoch nichts mit einem Herrschaftsanspruch zu tun.

Mit einigen Aussagen Metes, wie die Behauptung, ich würde das Fastengebot im Islam relativieren wollen, kann ich mich absolut nicht identifizieren. Beim Thema Fasten bin ich lediglich auf die Fatwas eingegangen, die Muslimen erlauben, im Sommer, wenn der Tag sehr lang ist, das Fastenbrechen zum Beispiel am Sonnenuntergang in Mekka zu orientieren. Das ist eine alte klassische Position. Als Theologe ist es mir wichtig, verschiedene Positionen und Möglichkeiten innerhalb der islamischen Lehre aufzuzeigen, ohne allerdings einen Absolutheitsanspruch zu erheben.

Was macht die islamische Theologie zu einer Wissenschaft?

Wer islamische Theologie betreiben will, muss sich diskursiv auf Argumente einlassen. Das endgültige Ergebnis dieser Auseinandersetzung müsste erst am Ende und nicht schon zu Beginn des Reflexionsprozesses stehen. Diskursivität bedeutet aber zugleich, sich auf möglichst viele Argumente, Gegenargumente, Methoden und Disziplinen, die mittel- oder unmittelbar den Reflexionshorizont erweitern können, einzulassen. Das heißt aber auch, dass sich die islamische Theologie auf Forschungsergebnisse benachbarter Disziplinen, wie die der christlichen und jüdischen Theologie, aber auch der Islamwissenschaft einzulassen hat.

Ich habe in den Ausführungen von Herrn Mete zum Teil diese offene Haltung vermisst. Zum Beispiel gibt es zur Frage der koranischen Hermeneutik (hier ging es um das Beispiel der Paradies- und Höllenbilder im Koran) eine Reihe von moderner Literatur, so dass man sagen kann, dass das Beharren auf eine literalistische (wortwörtliche) Lesart des Korans (zum Beispiel Paradies und Hölle als materielle Räume) kaum mehr im akademischen Diskurs vertreten wird.

Hier nun die Entgegnung von Thomas Bauer:

„Anders als politisch kann dieses Buch gar nicht diskutiert werden“

Mouhanad Khorchide stellt in seinem neuen Buch „Gottes falsche Anwälte“ einen nach seinem Verständnis „aufgeklärten Islam“ vor. Thomas Bauer, Professor für Islamwissenschaft und Arabistik, übt scharfe Kritik.

Wer reformieren will, muss auch manches einreißen, wer aber einreißt, muss auch wieder aufbauen. Etwas dieser Art hätte man, ausgehend von seinen bisherigen Schriften, auch von Mouhanad Khorchides neuem Buch erwartet. Doch schon der ungewöhnlich aggressive Titel lässt wenig Aufbau erhoffen, und tatsächlich wütet auf diesen 236 Textseiten die Abrissbirne sehr gründlich, ohne dass aus den Ruinen Neues erstünde.

Der erste Teil ist zunächst nicht etwa eine Kritik an der einen oder anderen Fehlentwicklung in der islamischen Geschichte, sondern deren Totalvernichtung. Schon bald nach dem Tod des Propheten fiel nämlich, meint K., der Islam zur Gänze machtversessenen Schurken in die Hände, die Muhammads Botschaft der „Befreiung der Menschen zu selbstbewussten Subjekten“ in ein Instrument verwandelten, die Menschen zu gehorsamen Objekten zu machen. Vom Ende des 7. Jh.s an soll der Islam dann fast 1400 Jahre ein Unterdrückungsinstrument geblieben sein, sonst nichts. Ein erster großer Fehler sei schon die frühe Expansion gewesen, weil sie den Islam mit dem persischen und dem oströmischen Reich in verderbenbringenden Kontakt brachte. Solches zu behaupten, ignoriert nicht nur die Tatsache, dass diese beiden Reiche und ihre Religionen längst vor dem Islam auf der arabischen Halbinsel höchst präsent waren, sondern auch, dass der Islam eine kurzlebige Sekte geblieben wäre, wäre er nur defensiv geblieben und nur auf die „Befreiung des Subjekts“ bedacht gewesen (was er ebensowenig war wie alle anderen vormodernen Religionen und Philosophien auch). Hätten die Muslime nicht ihre Rolle zwischen den Großmächten ihrer Zeit gesucht und gefunden, gäbe es den Islam schlichtweg nicht mehr.

Eine zuvor veröffentlichte Rezension von Ali Mete finden Sie hier: Die Sache mit dem Islam

Willkürliche Fakten und eigenwillige Interpretation

Um die Geschichte der folgenden 1300 Jahre möglichst düster erscheinen zu lassen, werden nicht nur Fakten willkürlich herausgegriffen, sondern, weitestgehend ohne Rückgriff auf historische und islamwissenschaftliche Fachliteratur, auch höchst eigenwillig interpretiert. Dazu nur wenige Beispiele: Die Thronnamen der Abbasidenkalifen (zwischen die auch schon einmal ein Fatimide hineinrutscht), also Namen wie z. B. al-Mutawakkil ʿalā llāh „Der auf Gott vertraut“, sollen, anders als vom Vf. behauptet, keineswegs suggerieren, dass des Kalifen Wort unfehlbar und dem Wort Gottes gleichzusetzen ist, sondern Devotion bezeugen und versichern, dass der Kalif sein Amt nicht im Eigeninteresse führen, sondern Gottes Gesetz folgen will. Tatsächlich waren viele Abbasiden kultivierte, gottesfürchtige, oft sogar asketische Männer, die ihr Bestes gaben, aber nicht einmal Gesetze erlassen konnten, geschweige denn die Möglichkeit hatten, den „bedingungslosen Gehorsam“ all ihrer Untertanen zu erzwingen, selbst wenn sie gewollt hätten. Übrigens blieb das Kalifat auch unter den Abbasiden ein (wenn auch dynastisch gebundenes) Wahlamt, und kaum einem Kalifen ist es gelungen, seinen Wunschnachfolger zu installieren. Auch haben die Abbasiden nie ihre ursprüngliche Farbe Schwarz durch das Grün der Sassaniden ersetzt (so S. 55), sondern bis an ihr Ende 1517 das abbasidische Schwarz beibehalten. Das auf die Abbasiden folgende halbe Jt. findet dann bei K. erst einmal gar nicht statt, obwohl gerade für das Verhältnis zwischen Politik und Religion in den islamischen Großreichen, die sich nach 1500 etabliert hatten, eine umfangreiche Sekundärliteratur vorliegt.

„Aberwitziger Umgang mit Geschichte“

K.s Abrechnung mit der Geschichte ist total. Während selbst die radikalsten Reformatoren noch den einen oder anderen Kirchenvater gelten ließen und muslimische Reformer in der rationalistischen Theologie der Muʿtaziliten oder in philosophieaffinen Denkern Vorbilder sahen, von denen man später leider abgekommen sei, bleibt bei K. niemand bestehen. So ist ausgerechnet al- Ǧāḥiẓ, der große und bezaubernde Denker und Literat des 9. Jh.s, sonst everybody’s darling, der erste, der K.s Geschichtsbashing zum Opfer fällt. Auch der 1030 verstorbene, allgemein hochgeschätzte Ethiker Miskawayh (der so ein einflussreicher Klassiker auch nicht gewesen sein kann, wie K. behauptet: Brockelmanns Standardwerk listet gerade einmal sechs Handschriften auf) fällt aus einem einzigen Grund der Verachtung anheim: Beide waren Perser, und Persien scheint nichts anderes gewesen zu sein als das Ursprungsland von Despotismus und Sklavenmoral. Wie in salafistischen Diskursen auch, spielen die kulturellen Leistungen islamischer Gesellschaften, die – man denke nur an das Mogulreich Indiens – der persischen Tradition so viel verdanken, keine Rolle. Ob wohl auch Dichter wie Rūmī und Ḥāfeẓ nichts als manipulierte Objekte eines politischen Islams waren?

Sonst sind es eigentlich weniger die Perser, die für alles Schlechte verantwortlich gemacht werden, sondern die Türken, die aber hier bis S. 123 warten müssen, bis sie an die Reihe kommen. Die vielen „Gräueltaten“, die die Osmanen den Arabern angeblich antaten, heißt es da, hätten nämlich zur Herausbildung des arabischen Nationalismus geführt. Als Quelle wird ein gewisser Muḥammad al- Ḥanafī angeführt, den allerdings niemand unter diesem Namen kennt. Es handelt sich aber um keinen anderen als um Ibn Iyās, der die osmanische Eroberung Syriens und Ägyptens des Jahres 1517 in seinem bekannten Geschichtswerk beschreibt und um 1524 gestorben ist. Die dort geschilderten Taten sollen dann ganze 350 Jahre später zum arabischen Nationalismus geführt haben? Ein solch aberwitziger Umgang mit Geschichte ist allerdings symptomatisch für das ganze Buch.

„Nicht der Salafist ist gefährlich, sondern der muslimische Kinderarzt“

In seiner Darstellung der Geschichte verschont der Vf. niemanden. Kein einziger Herrscher, Theologe oder Literat erscheint in positivem Licht: Überall nur Schufte und Schurken, niemand, auf den man sich heute berufen könnte. Doch in der Gegenwart scheint es nicht viel besser auszusehen, sind doch die allermeisten Muslime durch 1400 Jahre Gängelung manipuliert und in einem, wie Adorno sagen würde, Verblendungszusammenhang gefangen. Deshalb ist der Islam, „wie er sich heute den meisten Muslimen wie Nichtmuslimen präsentiert […], eine manipulierte Version dieser Religion“ (7). Dieses Beharren auf einer einzigen Wahrheit – der eigenen – und die Verneinung der Geschichte sind Merkmale des Fundamentalismus, in denen sich K. mit Wahhabiten und Salafisten einig ist. Deshalb gelten ihm auch nicht diese als die gefährlichsten Muslime, sondern die Vertreter des „politischen Islams“: „Allerdings sind wir jetzt mit einer viel gefährlicheren Ideologie konfrontiert: der des politischen Islams. Sie ist deshalb gefährlicher, weil sie versucht, die Gesellschaft subtil zu unterwandern. Bekennt sich der Salafist zu seiner salafistischen Ideologie […], zeigt sich der Anhänger des politischen Islams als gut integriert, ist meist gut ausgebildet, modebewusst, trägt, wenn er ein Mann ist, nicht selten Anzug, spricht von Integration […]. Er distanziert sich von Salafismus und Extremismus, beteiligt sich sogar aktiv an Aktionen und Projekten gegen den Extremismus und zeigt nicht selten Zivilcourage.“ (99) Mit anderen Worten: Nicht der Salafist mit dem Zauselbart ist gefährlich, sondern der muslimische Kinderarzt im Anzug, der für den Integrationsrat kandidiert. Was soll mit einem solchen Pauschalverdacht bezweckt werden, der leicht in Verschwörungstheorien münden kann? Und tut er dies nicht schon hier, wenn auch bei K. unmittelbar darauf die Warnung folgt, dass der politische Islam ja die Weltherrschaft anstrebe (101)?

Solche wissenschaftlicher Argumentation letztlich nicht mehr zugänglichen Behauptungen lassen keinen Raum mehr für Differenzierungen. Doch trifft es schlechterdings nicht zu, dass es „im Islam“ per se keine „Trennung von Politik und Islam“ gegeben habe – das Verhältnis war, wie der Münster’sche Exzellenzcluster „Religion und Politik“ seit vielen Jahren aufzuzeigen versucht, ein sehr komplexes. Studien professioneller Historiker und Islamwissenschaftler, die K. fast gänzlich entbehrlich zu sein scheinen, hätten ihn eines Besseren belehren können. Ebensowenig ist es richtig, dass es einen politischen Islam als einheitliches Phänomen gibt. Im Islam kann, wie in jeder anderen Religion auch, politisches Engagement sehr unterschiedliche Formen annehmen. Der politische Katholizismus etwa hat vom Kaiserreich über die Weimarer Republik bis hin zur frühen Bundesrepublik Großes für die Demokratie Deutschlands und die Herausbildung des Sozialstaats geleistet. Vom Austrofaschismus rechts bis zur Befreiungstheologie links kann „politischer Katholizismus“ allerdings vieles sein, manches gut, manches schlecht, und das wird sich mit dem Islam kaum anders verhalten. Aber für solche Ambiguitäten hat K. nichts übrig.

Alternativkonzept zum „politischen Islam“?

Wie sieht nun sein Alternativkonzept aus? Es soll dies kein „politischer“, sondern ein „ethischer und spiritueller“ Islam sein. Im Buch war von einem solchen bisher noch nicht viel die Rede. Die wichtigste spirituelle Ausprägung des Islams wurde in einem Nebensatz abgetan: „Außerhalb der islamischen Mystik gelang es den Muslimen kaum, eine Theologie zu entfalten, die die Gott- Menschen-Beziehung als Freiheits- und Liebesbeziehung verstand.“ (76) Doch warum von der Mystik absehen? Sie ist keineswegs, wie gelegentlich angenommen, eine Richtung des Islams, sondern in allen Richtungen ein untrennbarer Bestandteil, ebenso wie Dogmatik und Recht, und zwar, wo nicht salafistischer Wahn wütet, bis heute. Tatsächlich hat die Mystik den Islam stärker geprägt als etwa das nachreformatorische Christentum. Viele Christen haben ihrerseits islamische Spiritualität in Gestalt des Sufismus intensiv rezipiert, und gerade die katholische Rezeption islamischer Mystik von Louis Massignon bis Richard Gramlich liefert wichtige Bausteine interreligiöser Theologie und Spiritualität. K. kann damit aber nichts anfangen. Für ihn besteht das, was er „Spiritualität“ nennt, schlicht darin, das „autonome Selbst“ zu entfalten. Es ist zwar hochgradig unplausibel, dass Muhammad (der „die Stoßrichtung vorgegeben hat“ [228]) das lehren wollte, und 1400 Jahre lang hat das auch niemand behauptet. K. aber deutet nun die erste Sure des Korans, eigentlich eine Art islamisches Gloria, zu einem Siebenpunkte-Programm der Selbstfindung um (154–173): „Der Koran beschreibt sieben Dimensionen der Selbstfindung als Angebot an jeden, der sich befreien und sich endlich als selbstbestimmtes Subjekt wahrnehmen will.“ (154) Das geht natürlich nicht ohne heftige Falschübersetzungen (befremdlicherweise findet sich auf S. 189 die richtige Übersetzung), aber anders lässt sich die „Kernbotschaft Muhammeds“ (135) nicht als eine Art Motivationstraining verstehen. Und so prasselt auf den Leser das ganze Vokabular der Ratgeberliteratur herab, gewissermaßen nach dem Motto „Durch den Islam zum Erfolg“: Wir sollen „achtsame Menschen“ sein und überall „nach dem Positiven“ suchen (159), denn es geht um „Räume für positive Erfahrungen“ (163). „Daher gehört zum Glauben, sich mit dem Positiven in seinem eigenen Leben und im Universum zu verbinden.“ (220) Es werden „Energien entfaltet“ und „Potentiale in uns“ aktiviert (165). „Und diese Energie steht jedem zur Verfügung, unabhängig davon, ob er an Gott glaubt oder nicht.“ (166) Merke: „Wer über eine starke Willenskraft verfügt und sich auf langfristige Ziele konzentriert, hat bessere Chancen, ein erfolgreiches und zufriedenes Leben zu führen.“ (169) Deshalb müssen wir auch unseren präfrontalen Cortex „trainieren und möglichst auf Hochtouren bringen, denn er ist der Wächter über unsere Handlungen und Entscheidungen“. Da hilft v. a.: „Die Kraft des positiven Denkens“, das uns „von allen negativen Emotionen“ befreit (171).

„Aufgeklärter Islam ohne religiöse Zumutungen“

So verbindet sich ein New Age-Islam, angelehnt an die Esoterik des ausgehenden 20. Jh.s, mit dem für das frühe 21. Jh. so typischen Konzept der „Achtsamkeit“, bei dem ja nicht die Rücksichtnahme auf andere gemeint ist, sondern das „achtsame“ Hineinhorchen in sich selbst. Deshalb kann K. auch mit der Mystik, der Prophetenverehrung (die einige der schönsten arabischen Gedichte hervorgebracht hat) oder dem Gebet wenig anfangen. Bei all diesen Formen der Spiritualität geht es schließlich darum, aus sich herauszuhorchen, auf etwas Anderes hinzuhören, ja, im Falle der Mystik (der islamischen wie der christlichen) gar bis hin zur Auslöschung des Ich. K.s Managerspiritualität besteht dagegen im Hineinhorchen in das vermeintlich wahre Ich, in die Stärkung des Ich und die „Befreiung des autonomen Subjekts“. Die ethische Dimension, die immer wieder erwähnt wird, besteht schließlich auch nicht in solchen Konzepten, wie sie Miskawayh entwickelt hat, sondern schlicht darin, anderen zur Entfaltung ihres Subjekts zu verhelfen: Selbstfindungstraining als Nächstenliebe.

Und das soll alles gewesen sein? Keine Geschichte, keine Mystik, kein Recht, keine Politik, keine Philosophie, keine Theologie, ja eigentlich überhaupt keine Kultur, nur subjektstärkende Selbstverwirklichung? Braucht man dafür überhaupt Religion? K. gibt selbst die Antwort: „Daher halte ich nichts von der verbreiteten Unterscheidung zwischen Gläubigen und Ungläubigen, Theisten, Atheisten und Agnostikern. Das sind irreführende und überholte Kategorien.“ (224) Kein Wunder, dass K. zu der wohl eher seltenen Spezies von Theologen gehört, denen es peinlich ist, dass die von ihnen zu lehrende Religion so viele gläubige Anhänger hat. Das „sorgt für Irritationen und bringt den Islam als Religion in Verruf“ (10). Auffällig ist, dass er auch nie vom liberalen Islam spricht, jener Richtung, der man ihn oft selbst zugerechnet hat. Doch während sich die Vertreter jenes liberalen Islams konstruktiv und kontrovers mit den kanonischen Texten des Islams, seiner Geschichte und seinen Denkern auseinandersetzen, ist davon bei K. kaum mehr etwas übrig. Deshalb spricht er auch nur von einem „aufgeklärten“ Islam, der von religiösen Zumutungen weitgehend gereinigt ist.

Das wird ihm viel Zustimmung verschaffen, von welchen Seiten auch immer. Über den Islam als Religion, seine Geschichte und Gegenwart, seine Theologie und Spiritualität, erfährt man darin nichts. Kaum denkbar auch, dass hiervon Impulse für innerislamische Diskussionen oder interreligiöse Gespräche ausgehen könnten. Anders als politisch kann und wird dieses Buch, das sich gerade gegen den politischen Islam richtet, gar nicht diskutiert werden.“

Während Bauer Khorchide vorwirft, unwissenschaftlich und theologisch unsauber zu arbeiten, die durchaus gewollte Politisierung in Richtung eines Reformislam anzuprangern, kritisert der Milli-Görus-Muslimbruder Ali Mete Khorchide dafür, vom Islam abzufallen, ihn zu ethnisieren und zu enttraditionalisieren. und diesen lügnerisch zu verfälschen:

Die Sache mit dem Islam

Wenn man das Buch „Gottes falsche Anwälte“ des Münsteraner Theologen Mouhanad Khorchide in wenigen Worten zusammenfassen müsste, könnte man sagen: Ethisierung und Enttraditionalisierung des Islams. Ethisierung deshalb, weil der Autor viele Gebote entweder für heute ungültig bzw. irrelevant erklärt und sich stattdessen auf die ethische Dimension des Islams beschränkt. Enttraditionalisierung deshalb, weil er die Tradition teils ausblendet, teils für verfälscht hält und sich nur in dem selbst festgesetzten Rahmen auf den Koran bezieht.

Die Hauptthese des Buches ist eine umfassende Tahrîf-Theorie: Demnach sei der Islam nach dem Ableben des Propheten Muhammad (s) mehr oder weniger bewusst verfälscht worden. Infolgedessen seien in Lehre und Praxis „Unterwerfungsstrukturen“ entstanden. Diese bestünden bis heute fort und seien schuld an der heutigen Misere der Muslime und der islamischen Länder. Das Buch erweckt den Eindruck, als sei in der islamischen Geschichte und Lehre der Muslime so ziemlich alles falsch gelaufen. Nur ein aufgeklärter Islam könne Abhilfe schaffen.

Ich möchte in diesem Beitrag exemplarisch auf einige theologische und historische Aspekte eingehen, die mir überbetont bzw. verzerrt dargestellt erscheinen. Zudem möchte ich auf auffallende sprachliche Merkmale aufmerksam machen. Beginnen wir mit dem Letzteren.

In Gegensätzen denken

Wie schon in seinen vorherigen Büchern, verwendet Khorchide bewusst eine populäre Sprache, um mehr Leser zu erreichen. Das ist nachvollziehbar. Doch darüber hinaus ist die Sprache bestimmt von Dichotomien, unterstützt von tendenziösen Schlagwörtern.

Ein Merkmal des Denkens und der Sprache des Autors sind Gegensätze. In diesem Buch sind es z. B.: Gehorsam vs. Freiheit, barmherzig vs. restriktiv, Gebot vs. Ethik, konservativ vs. aufgeklärt, Argument vs. Zwang, Liebesbeziehung vs. Unterwerfungsbeziehung. Für das Ausloten von Positionen und Gedanken sind Dichotomien geeignet. Problematisch ist es, wenn es dabei bleibt. Denn das erschwert es, eine dritte oder vierte Position miteinzubeziehen. Im Buch entsteht der Eindruck als könne es nur einen aufgeklärten oder einen restriktiven Islam geben, Gott könne nur autoritär oder barmherzig sein, und ein gläubiger Mensch könne entweder Gebote befolgen oder ethisch handeln. Alles, was dazwischen ist, bleibt ausgeblendet. Dabei ist doch gerade dieses Dazwischen das Reale, Menschliche.

Ein Beispiel hierfür ist das von Khorchide entwickelte Gottesverständnis. Zum einen ist hier eine Dichotomie zu erkennen: Entweder glaubt man an einen restriktiven oder an einen barmherzigen Gott. Beides wird quasi absolut gesetzt. Zum anderen wird der Schöpfer und sein Geschöpf fast auf eine Stufe gestellt, was in Richtung „Vermenschlichung“ Gottes geht. Natürlich ist Allah, der Barmherzige, Gnädige, Vergebende usw., der dem Menschen näher ist als seine Halsschlagader, wie es im Koran heißt. Das bedeutet aber nicht, dass er in eine „Gemeinschaft“ mit seinen Geschöpfen tritt oder sogar treten muss.

Gewalt, Manipulation und Macht

Vielmehr ist das Verhältnis des Muslims zu Gott als eines zwischen „Hawf“ und „Radscha“, also zwischen Furcht und Hoffnung. So wird in der Sure Isrâ von denen gesprochen, die „auf Gottes Barmherzigkeit hoffen und seine Bestrafung fürchten.“ Dies ist dem Gelehrten Ibn Arabi so wichtig, dass er in seinem „Futuhât“ den Gläubigen als jenen bezeichnet, dessen Hoffnung und Furcht ausgeglichen sind. Dieses ausgewogene Verhältnis ist ebenso für Gazâli zentral. Im „Ihyâ“ beantwortet er die Frage, was wichtiger ist, Hoffnung oder Furcht, mit einer Gegenfrage: „Was ist wichtiger, Brot oder Wasser?“.

Die dichotome Sprache des Buches wird unterstützt durch tendenziöse Schlagwörter, die den ganzen Text durchziehen. So ist die Rede von „Herrschern“ und „Machthabern“ – nicht etwa von „Regierenden“ oder „Staatsführern –, die fast immer „autoritär“ oder „restriktiv“ sind, während ihr Gegenpart durchweg „kritisch“, „aufgeklärt“ oder „liberal“. Worum es in dem Buch geht, verdeutlicht nicht zuletzt auch die Häufigkeit bestimmter Wörter: In verschiedenen Variationen kommt „Gewalt“ 46 mal, „Manipulation“ 70 mal und „Macht“ 140 mal vor. Alles in allem findet man also eine sehr deutliche, aber deshalb auch sehr drastische und tendenziöse Sprache vor.

Geschichte des Islams – Macht, Macht, Macht!?

Im ersten Kapitel geht es um politisch-religiöse Macht. Es wird beschrieben, wie nach dem Ableben des Propheten innerarabische Stammesrivalitäten, aber auch die Adaptation sassanidischer, der islamischen Lehre widersprechender Herrschaftsvorstellungen, nach und nach zur Errichtung einer Erbmonarchie geführt haben. Hierhin spielt der Prophetengefährte Muâwiya eine unheilvolle Rolle. Dies sind, aus meiner Sicht, schmerzliche Erfahrungen, die Teil des kollektiven Gedächtnisses der Muslime sind. Heute gilt es selbstkritisch zu fragen, ob und was Muslime aus diesen Erfahrungen gelernt haben.

Der Autor geht aber weiter. Ihm zufolge haben die nachprophetischen Entwicklungen eine Gesellschaft und Theologie, ja eine „Kultur der Unterwerfung“, entstehen lassen, die über die Jahrhunderte bis heute bestehe. Muslime seien darin gefangen und reproduzierten sie sogar, oft ohne zu wissen, dass sie nicht frei sind.

Richtig hieran ist, dass die Politik – Khorchide bevorzugt die Bezeichnung „autoritäre Machthaber“ –, oft versucht, Einfluss auf Religionsgemeinschaften und deren religiöse Lehren zu nehmen. Früher wie heute. Die abbasidischen und umayyadischen Herrscher nutzten lediglich andere Mittel als heutige Regierungen. Eine religiöse Sprache und theologische Argumente waren und sind hierbei besonders beliebt. Übrigens gilt das nicht nur für Länder der islamischen Welt, sondern auch für säkulare Staaten, die direkt oder über Umwege eine bestimmte Lesart des Islams fördern. Nüchtern betrachtet, ist die dramatische und Jahrhunderte islamischer Geschichte ausblendende Darstellung des „Verrats am Islam“ relativ zu sehen, wenn nicht selbst als Verzerrung zurückzuweisen.

Zurecht wird auch festgestellt, dass die Bezeichnung des Gemeinwesens in Medina als „Staat“ irreführend und eine unzulässige Rückprojizierung eines modernen Konzepts sei. Allerdings ist es nunmal so, dass der Prophet vor allem in Medina viele Positionen in sich vereinte. Vermutlich war die Nachfolge auch deshalb so strittig, übernimmt der Kalif doch alle Ämter außer der Prophetenschaft.

Jedoch war es in der damaligen Zeit unmöglich und auch unnötig, „Staat“ und Religion zu trennen, wie es heute in säkularen Staaten, mit verschiedenen Staat-Religion-Beziehungsmodellen, der Fall ist. Der Prophet kann, um einen aktuellen Begriff zu benutzen, nicht nachträglich „entpolitisiert“ werden. Es ist historisch unrealistisch und theologisch nicht haltbar, dass der Gesandte Gottes, wie Khorchide meint, bloß Verkünder der Botschaft gewesen sei, und ansonsten keinen Einfluss auf die Gemeinde gehabt habe. Dabei war er doch die zentrale Figur, vor allem nach dem Abkommen von Medina. Was mit dieser zentralen Sonderstellung des Propheten in späteren Zeiten legitimiert wurde, ist eine andere Frage.

Seltsam klingt in diesem Zusammenhang zudem, wenn der Autor anscheinend demokratische Wahlen im siebten Jahrhundert erwartet. So etwa, wenn er feststellt, dass nur einige wenige in die Wahl Abû Bakrs einbezogen und „alle anderen Muslime“ nicht gefragt wurden, oder bei Muâwiya eine fehlende „Legitimation durch das Volk“ vermisst.

Das Unerwähnte

Was in diesem Kontext deutlich zu kurz kommt, sind die Gegenstimmen und -bewegungen, vor allem aus theologischer Sicht. Zum Beispiel weigerte sich Abû Hanîfa, auf den die heute weit verbreitete hanafitische Rechtsschule zurückgeführt wird, zeitlebens, in den Staatsdienst einzutreten. Er wurde festgenommen und gefoltert. Ahmad ibn Hanbal, „Begründer“ der hanbalitischen Rechtsschule und zentrale Referenz der Salafiyya, wurde wegen seines öffentlichen Widerspruchs gegen die vorherrschende Meinung der Mutazila über den Koran eingekerkert. Und auch die beiden anderen Imame der vier bekannten Rechtsschulen, Imam Schafiî und Imam Mâlik, standen im Konflikt mit den Regierenden.

Ebenso bleibt unerwähnt, dass die nachprophetischen Jahrhunderte die Zeit waren, in der Kunst, Kultur und Wissenschaft gefördert wurden und einen immensen Aufschwung erlebten. Diese beiden Aspekte entkräften die Fixierung auf das vom Autor eingebrachte, unterworfene Objektsein der muslimischen Untertanen. Ohne diese Aspekte bekommt der Leser den Eindruck als würde die muslimische Bevölkerung – damals wie heute –, weil sie ja nicht eigenständig denkende und handelnde Subjekte seien, alles über sich ergehen lassen.

Zwischenfazit: Die theologisch-politischen Diskussionen nach dem Ableben des Propheten Muhammad (s) haben sicherlich Spuren hinterlassen und teilweise Weichen gelegt. Aber eine direkte Linie von der nachprophetischen Zeit bis in die Gegenwart zu ziehen und zu folgern, dass „ein Großteil dessen, was wir Muslime heute als islamisch bezeichnen, lediglich Produkt eines politischen Missbrauchs“ sei, ist nicht haltbar. Deshalb hat sich bisher auch kein Wissenschaftler von Rang gemeldet, der diese These mitträgt. Übrigens kritisiert der Autor an anderer Stelle genau diese epochenüberspringende Sichtweise, wenn er schreibt: „Der postsalafistische Islamist versucht einen roten Faden zu ziehen vom einstigen Kolonialismus zu der heutigen Lage der Muslime in der Welt.“

Mehr als ein historischer Klacks: Kolonialismus

Manchmal ist das Verschwiegene wichtiger als das Gesagte. Vor allem, wenn es zu einer verzerrten Sichtweise des Sachverhaltes führt. So sieht der Autor in der „Rhetorik des Kolonialismus“ bzw. Postkolonialismus eine Ausrede, die von Muslimen oder dem „politischen Islam“ vorgebracht werde, um die Schuld bei anderen zu suchen und nicht bei sich selbst. Doch Kolonialismus als Mittel der Schuldzuweisung zu betrachten, ohne die breit belegten und wissenschaftlich erforschten, immensen Folgen für die kolonisierten Länder auch nur zu erwähnen, ist irreführend. Andere haben die Folgen von Kolonialismus und Dekolonisation zutreffend erkannt, weshalb z. B. langsam eine sehr selbstkritische Beschäftigung mit der kolonialen Vergangenheit Deutschlands begonnen hat, und zwar aus der Mitte der Gesellschaft und Forschung.

Ein anderes Beispiel für das Auslassen relevanter Informationen betrifft die Selbstverortung des Korans. Dieser versteht sich als Fortsetzung der göttlichen Offenbarung, also als Bestätigung von Thora und Evangelium. Wenn man das so versteht, sind Sätze wie „Mohammed sah seine Verkündigung in einer Linie mit dem Judentum und dem Christentum“ folgerichtig. Der Koran ist allerdings nicht nur Bestätigung, sondern auch Korrektur der vorherigen Offenbarungen. Er bestätigt nicht „das Christentum“ und „das Judentum“, sondern nur jene Teile davon, die im Laufe der Zeit nicht verändert wurden.

Klassische Gelehrte als Referenz

Obwohl der Autor die islamische Geschichte als eine Art strukturellen Machtmissbrauch zu sehen scheint, versucht er an verschiedenen Stellen, seine Positionen durch Zitate und Verweise auf anerkannte, klassische Gelehrte zu untermauern. Dass dies aber nicht gründlich gemacht wurde, zeigt ein Beispiel von Tragweite, geht es doch immerhin um Himmel und Hölle. Khorchide meint, dass Gazâli, einer der zentralen klassischen Gelehrten, die „koranischen Bilder von Paradies und Hölle nur metaphorisch und nicht wortwörtlich“ verstanden habe.

Hier scheint eine Verwechslung vorzuliegen. Gazâli war der Meinung, dass die Höllenstrafen nicht figurativ oder metaphorisch zu verstehen sind, sondern körperlich. Himmel und Hölle metaphorisch zu deuten, bezeichnet Gazâli am Ende seines bekannten Werkes „Tahâfut al-Falâsifa“ sogar als Unglauben. Gazâli behauptet also das Gegenteil dessen, was ihm der Autor zuschreibt. Der Grund der Verwechselung ist vermutlich, dass, wie man an den Fußnoten dieses Passus erkennt, nicht die arabischen Originalquellen genutzt wurden, sondern deutsche Übersetzungen.

Weitere problematische Positionen

Auch in der Frage, ob Frauen „Imaminnen“ sein können, beruft sich Khorchide, nachdem er Muslimen vorgeworfen hat, ihr eigenes Erbe nicht zu kennen, auf Gelehrte, darunter Ibn Tamiyya. Dieser sehe „kein Problem darin, dass eine Frau als Imamin vor Männern betet.“ Tatsächlich ist Ibn Taymiyya dieser Meinung. Allerdings beschränkt er dies nur auf Notfälle, wenn kein geeigneter Mann vorhanden ist. Eine unerwähnte, aber wichtige Einschränkung, die ein ganz anderes Licht auf die Frage wirft.

Neben der umstrittenen Frage, ob Frauen einer gemischtgeschlechtlichen Gemeinschaft als „Imaminnen“ vorstehen können, gibt es noch eine Reihe anderer theologischer Positionen, die problematisch sind, in diesem Beitrag aber nicht behandelt werden können. Dazu zählen die Relativierung des Fastens, des Kopftuchgebotes sowie anderer religiöser Praktiken und Normen, die Ablehnung der Gültigkeit einzelner Koranverse, die recht freie, lebensberatermäßige „Exegese“ der Sure Fâtiha, die Stellung von Juden und Christen im Jenseits und die Bezeichnung der Offenbarung als unabgeschlossene Kommunikation.“

https://www.islamiq.de/2020/09/05/khorchide-rezension-die-sache-mit-dem-islam/

Kommentare sind geschlossen.