Belarus, Intermarium und die Europäische Sicherheitsarchitektur

Belarus, Intermarium und die Europäische Sicherheitsarchitektur

Ein Artikel der Jamestown Foundation über den geplanten Binnenwasserkanal vom Baltischen zum Schwarzen Meer , also vom Baltikum über Polen , Belarus in die Ukraine als Teil ihrer Intermariumstrategie zeigt die geopolitischen Ambitionen der osteuropäischen Frontstaaten ganz gut:

https://jamestown.org/program/the-geopolitical-link-between-the-baltic-and-black-seas-belarus-and-the-strategic-e40-waterway/

Das Transportvolumen würde nicht wesentlich erhöht. Aber Polen dürfte da seine alte Intermarium-Strategie, die es schon zu Zeiten Pilsudskis gab, vorantreiben wollen, um sich als bedeutende Regionalmacht in der NATO, EU wie auch gegenüber Moskau zu etablieren..Ist dieses Kanalbauprojekt von realer geopolitischer Relevanz? Würde Putin dies als Integration von Belarus oder Anbindung von Belarus an die EU und die mögliche Entstehung eines baltisch-polnisch-belarussischen- ukrainischen Regionalblocks gegen ihn akzeptieren? Würde Putin solch einen Kanal dulden oder als Provokation sehen, die er nicht hinnehmen würde?

Interessant ist auch Macrons Vorschlag, Lukaschenko mittels Putin stürzen zu wollen und ein demokratischse, blockfreies Belarus zu schaffen. Auch ein Lackmustest für seine europäische Sicherheitsarchitektur,die neben Macron auch in Deutschland seitens der Linkspartei und der AfD propagiert wird.Wäre Putin bereit eine demokratische Regierung in Belarus zu akzeptieren, wenn dieses nicht EU-und NATOmitglied wird?Ist diese Synthese aus Werte-und Geopolitik realpolitisch denkbar oder eine Schimäre? Oder befürchtet Putin,sollte er Lukaschenko opfern, dass dies auch innenpolitische Wirkungem in Russland und Signalwirkung für die russische Opposition haben könnte, als auch sein Vertrauen auf westliche Zusagen begrenzt sein dürfte?

Ein ehemaliger deutscher Diplomat, der auch schon lange Zeit in Moskau tätig war, schätzt dies so ein:

„Die Intermarium-Strategie Polens (und Litauens) bleibt virulent. Macrons Überlegung, mit Putins Duldung oder gar Förderung Lukaschenko durch ein demokratisches, blockfreies Weissrußland zu ersetzen, ist daher aus meiner Sicht ein non-starter. Aus Moskauer Perspektive wäre die von Macron skizzierte Lösung der aktuellen Krise nur ein Zwischenschritt, um die NATO und EU-Außengrenze bis in die Nachbarschaft von Smolensk vorzuschieben. Warschau und Vilnius wollen das! Und was wird dann aus Nordostpreußen? Eine EU-Sonderverwaltungszone?Das alles ist denkbar und wird in Moskau, Washington, Warschau und Paris sicherlich noch genauer durchdacht. In Berlin wohl eher nicht – oder doch?“

Neben der innenpolitischen Signalwirkung, die Putin sicherlich einkalkuliert, dürfte das Vertrauen Moskaus bezüglich Zusagen  des Westes und der belarusischen Opposition bezüglich Macrons Vorschlag eines demokratischen,blockfreien Belarus begrenzt sein.Wahrscheinlich dürfte dies Putin das eher als Zwischenschritt sehen für eine mögliche EU-und NATO-Anbindung. Da wurde zuviel Porzellan zerschlagen mit Kosovo, Ukraine und Libyen. Zumal falls Biden gewählt werden sollte,könnte sich die Konstellation wieder ändern. Selbst wenn man das vertraglich festlegen würde ,wäre dies wohl auch nicht nachhaltig. Dr.Kortunow hat auf RIAC auch  einen programmatischen Artikel geschrieben, in dem er davor warnt mit dem Westen Verträge über eine blockfreie Ukraine und Belarus als Brückenstaaten zu unterzeichnen, da Verträge seitens des Westens auch immer wieder schnell gebrochen werden könnten. A Pacta sunt servanda glaubt er nicht. Auf Völkerrecht setzt er schon gar nicht,sondern auf die machtpolitische Absicherung der eigenen Einflusssphären mittels harter Fakten. Hinzu kommt,dass Putin die Ostukraine und Belarus auch als Teil seines Greater Eurasia und der EAEU integrieren möchte und der Idee einer Brückenstaatenlösung nicht sonderlich zugeneigt sein dürfte.Also bleibt vielleicht auch eine Neue Ostpolitik,wie auch eine Europäische Sicherheitsarchitektur ein Phantom. .

Europäische Sicherheitsarchitektur ist auch so ein Schwabbelbegriff. Hört sich gut an. Die Frage ist aber, ob dies nicht auch die Herauslösung Europas aus der NATO oder deren Spaltung einleiten könnte, ähnlich der Stalinnote in den 50er Jahren gegenüber Deutschland, mehr eine Schwächung des Westens und Anbindung an Eurasien gemeint ist und ala Carl Schmitt ein „Interventionsverbot für raumfremde Mächte“, ergo der USA bewirken möchte. Eine europäische oder eurasische Monroedoktrin: Europa den Europäern, Eurasien den Eurasiern. Was will, bzw, wollte Putin?

Putin hielt 2001 seine Rede vor dem Deutschen Bundestag und erklärte: „Niemand zweifelt an dem großen Wert Europas für die Vereinigten Staaten. Ich glaube jedoch, dass Europa seinen Ruf als mächtiges und unabhängiges Zentrum der Weltpolitik langfristig nur dann festigen wird, wenn es seine eigenen Möglichkeiten mit den menschlichen, territorialen und natürlichen Ressourcen Russlands sowie mit dem wirtschaftlichen, kulturellen und Verteidigungspotential Russlands kombiniert. “

(Emmanuel Todd: World Power USA – Ein Nachruf / Piper-Verlag, München-Zürich 2002, S.209).

Wohlgemerkt spricht Putin ganz offen vom Zusammenlegen europäischer Verteidigungspotentiale mitden russischen, was eben bedeutet: Rauslösung aus der NATO, Schaffung eines eurasischen Militärbündnisses, wahrscheinlich wohl gegen die USA. Ob mit oder ohne China bleibt da offen. So sah er damals die neue Europäische Sicherheitsarchitektur und die Frage ist, ob sich das bei ihm geändert hat.Jedenfalls ignorieren oder verschweigen viele Putinfans da den letzten, militärischen Teil der damaligen Putinrede und französische Eurasienanhänger und Antiamerikaner wie Emmanuel Todd sahen da auch eine neue eurasische Weltrodnung kommen, da die USA ohnehin nur noch verschuldet, im Niedergang begriffen und nur noch zu einem Mikromilitarismus in der Lage wären.

Gysis Antworten im Global Review Interview, wie er sich ein Europäische Sicherheitsarchitektur konkret vorstellt,sind ja ausweichend bis nichtssagend. .Und irgendwie mit Russland und irgendwie  die OSZE als Dach zu sehen,ist ja auch fragwürdig. Wenn man ein Haus Europa oder grösseses bauen will, dann will man schon konkrteres wissen, als irgendwie ein Haus mit irgendeinem Dach. Gysi meint zumal, dass Europäische Sicherheitsarchitektur bedeute, dass man keinen eurasischen Block gegen die USA schaffen wolle. Wie dies aber ohne NATO gehen soll, zumal ohne radikale Abrüstung des Militärpotential Russlands, erläutert er auch nicht. Russlandexperte, Valdaiclubmitglied und Gazpromberater Prof. Rahr hat da auch nur die vage Vorstellung eine solche Europäische Sicherheitsarchitektur auf Interessen zu bauen-ein liberal-demokratischer Westen,der sich in Sachen Werteorientierung in Russland zurückhält und einen Großwitrschaftsraum von Lissabon bis Wladiwostok oder gar euraisch von Lissabon bis Shanghai aufmacht. Von Wirtschaftsraum oder Sicherheitsarchitektur von Vancouver bis Wladivostok ist da schon nicht mehr die Rede. .Aber Herny Kissinger hat ja auch eine polemische Kritik kollektiver Sicherheitssysteme in seinem Standardwerk „Diplomacy“ formuliert,die durchaus auch Substanz hat und zeigt an vielen historischen Beispielen wie brüchig und instabil solche kollektiven Sicherheitsarchitekturen sind.

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