Krieg im Kaukasus und Mesut Özil- die Armenierfrage erreicht die Türkei und Deutschland

Krieg im Kaukasus und Mesut Özil- die Armenierfrage erreicht die Türkei und Deutschland

In der Diskriminierungshierarchie türkischer und türkisch-völkischer Nationalisten gibt es noch eine Ethnie, die in der Türkei weit unter den Kurden steht: Die Armenier. Historisch wirkt da der Genozid an den Armeniern nach,der türkischerseits als verunglückter, nicht beabsichtigter Hungermarsch dargestellt wird und vom damaligen Verbündeten des Osmanischen Reichs Deutschland toleriert und teilweise unterstützt wurde. Auch unter Attatürk, der zwar prowestlich und säkular war, aber nichtsdestotrotz ein völkisch-nationalistischer Autokrat und bis heute änderte sich dies nicht. Wann immer es im Ausland eine Resolution zu dem Armeniergenozid gibt, stehen die meisten stolzen Türken in dieser Frage parteiübergreifen zusammen. Im gegenwärtigen Kaukasuskrieg zwischen dem von der Türkei unterstützten Aserbeidschan und dem vom Russland unterstützten Armenien kocht diese Frage nun auch in der Türkei wieder hoch und als Armenier lebt man gefährlich in der Türkei:

„Es sei eine wirklich schreckliche Erfahrung, als Armenier in der Türkei geboren zu sein, schreibt Robert Koptas auf Twitter. „Wir machen diese Erfahrung durch, um verdammt zu sein, und wir nennen es Leben.“ Koptas ist eine der wichtigen Stimmen der Armenier in der Türkei. Und aktuell klingt er erschöpft. Er sei „sehr müde, traurig, verärgert und wütend“, schreibt er weiter. Der 1972 in Istanbul geborene Koptas war von 2010 bis 2015 Chefredakteur der in Istanbul erscheinenden armenischen Zeitung „Agos“, die der 2007 von einem türkischen Nationalisten ermordete Hrant Dink gegründet hatte. Auch sein Nachfolger Yetvart Danzikyan beklagt die aktuelle Situation. Wann immer, wie jetzt, ein Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien ausbreche oder ein Parlament in der Welt eine Resolution zum Genozid an den Armeniern verabschiede, stünden die Armenier in der Türkei im Scheinwerferlicht – und unter ihnen gehe die Angst um.

So wie bei dem türkischen Parlamentsabgeordneten Garo Paylan. Von zwei Seiten wird er derzeit bedrängt. Zum einen gerät Paylan in das Fadenkreuz seiner Widersacher, weil er ein prominenter Vertreter der Armenier in der Türkei ist. Er hat sich für eine friedliche Lösung des Konflikts im Kaukasus ausgesprochen. Türkischen Nationalisten gefiel das nicht. Die nationalistische Denkfabrik Asam plazierte ganzseitige Anzeigen: In ihnen wirft sie Paylan „Verrat“ vor und fordert „die unabhängige Justiz“ der Türkei und das Parlament auf, die „nötigen Schritte“ gegen Paylan einzuleiten. Der ist aber bekannt dafür, sich nicht einschüchtern zu lassen.

Besorgniserregende Vorgänge“

Zum anderen ist Paylan einer der sieben Abgeordneten der prokurdischen Partei HDP, deren Immunität nach dem Willen der Staatsanwaltschaft in Ankara aufgehoben werden soll, um sie strafrechtlich verfolgen zu können. Paylan wird zur Last gelegt, dass die HDP 2014, als er ihrem Vorstand angehörte, zu Kundgebungen aufgerufen hatte, um die von der Terrormiliz „Islamischer Staat“ angegriffene syrisch-kurdische Stadt Kobani zu unterstützen.

Raffi Kantian, der Vorsitzende der Deutsch-Armenischen Gesellschaft, nennt die Vorgänge um Paylan „besorgniserregend“. Noch schützt ihn seine parlamentarische Immunität bedingt. Die würde ihn aber nicht vor paramilitärischen Gruppen im Untergrund wie der ultranationalistischen „Türkischen Rachebrigade“ schützen, auf deren Konto zahlreiche Attentate und Morddrohungen gehen. Den Zorn türkischer Nationalisten hat sich Paylan jüngst zugezogen, weil er einen hupenden Autokonvoi als „Provokation“ bezeichnet hatte, der mit aserbaidschanischen Flaggen um das armenische Patriarchat in Istanbul gefahren war. Hassreden schlügen in Hassverbrechen um, warnte Paylan. Einer seiner Kollegen in der HDP-Fraktion, Ömer Faruk Gergerlioglu, fragte, wie die Behörden eine solche Kundgebung überhaupt erlauben konnten.“

https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/die-armenier-in-der-tuerkei-geraten-wieder-ins-fadenkreuz-17001586.html

Nun erreicht der Kaukasuskrieg du die Armenierfrage auch Deutschland. Wie immer sorgt mal wieder der als Fußballspieler hoch geschätzte Erdoganfan und türkische Nationalist Mesut Özil für mediale Aufmerksamkeit:

„Rio-Weltmeister Mesut Özil hat im Konflikt um Nagornyj Karabach Partei für Aserbaidschan ergriffen. „Aserbaidschans Problem ist unser Problem, seine Freude ist unsere Freude“, schreibt der frühere Nationalspieler in den Sozialen Medien auf Türkisch: „Eine Nation, zwei Staaten.“

Dem Zitat, das dem türkischen Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk zugeschrieben wird, folgt eine Erklärung auf Englisch. „Mir ist es wichtig, dass jeder auf der Welt um die Tatsache weiß, dass die Nagornyj-Karabach-Region international rechtlich als Teil Aserbaidschans anerkannt, aber aktuell widerrechtlich besetzt ist“, schreibt der 31-Jährige.

Özil verweist auf eine Erklärung der UN aus dem Jahr 2008, in der Armenien aufgefordert worden sei, seine Truppen aus der Region abzuziehen. „Ich dränge darauf, dass diese Entscheidung (…) von allen anerkannt wird“, betont er. Özil beschließt seine Stellungnahme mit einem Aufruf zum Frieden und zu einer Zukunft „ohne Gewalt“. Jeder Tote, egal auf welcher Seite, sei „ein Verlust für alle“.

Özils Verweis auf die Besatzung durch Armenien greife „zu kurz“, sagteOmid Nouripour dem Sport-Informations-Dienst. Wenn sich Özil zu derartigen Themen äußere, „sollte er auch die aggressive Außenpolitik der Türkei kritisieren“, meinte der außenpolitische Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion. Außerdem habe Atatürk auch gesagt: „Frieden in der Heimat, Frieden in der Welt.“ Die Politik der türkischen Regierung sei jedoch „weder im Inneren noch nach außen friedlich im Moment“.

https://www.faz.net/aktuell/sport/fussball/mesut-oezil-ergreift-partei-in-nagornyj-karabach-konflikt-17001193.html

Nun völkerrechtlich hat Özil völlig recht. Das von Russland unterstützte Armenien hatte die mehrheitlich von arrmenischen Christen bewohnte Region Berg-Karabach in einem blutigen Krieg erobert, von Aserbeidschan getrennt und eine ethnische Vertreibung der dort wohnenden Aserbeidschaner betrieben. Das ehemalige Opfervolk gebärdete sich da auch nationalistisch wie ein neues Tätervolk. Umgekehrt besteht bei einem militärischen Sieg Aserbeidschans auch die Gefahr einer ethnischen Vertreibung der Armenier, wenn nicht gar eines neuen Genozids.Freunde und Apologeten des Völkerrechts, das zumeist mehr ein Berufungstitel ist, falls es in geopolitische Machterwägungen passt und im nächsten Moment von den Großmächten wieder gebrochen wird, wenn es ihnen nicht passt, kommen da in prinzipielle Erklärungsnöte. Özil stört sich auch nicht an Erdogans völkerrechtlichen Besetzung Nordsyriens oder dessen Agrressionskrieg in Lybien. Özil, der damals in der Trikotaffäre sich schon als Befürworter und Unterstützer des islamistischen Erdogans outete, unterstützt dessen neoosmanische Großmachtsträume. Dessen Völkerrechtsverletzungen interessieren ihn nicht und wenn das Völkerrecht mal günstigerweise auf der neoosmanischen Seite, in diesem Falle Aserbeidschans ist, dann passt das gut ins Image und Konzept. Umgekehrt idealisiert Omnipour Attatürk auch etwas, denn der Mann war durchaus ein völkischer Nationalist und Autokrat und hatte auch keine Hochschätzung für Kurden und Armenier, um das Mindeste zu sagen. So hat nun mit Mesut Özil der Kaukausus krieg auch die deutsche Fußballnation Deutschland erreciht, die sich bisher einen Dreck um Kriege von NATO-Partner Türkei kümmerte, sondern mehr über die Frage fieberte, wann die Stadien wieder für die Fans geöffnet werden. Aber wenn der Mesut Özil wieder Tore für Deutschland schießt, sind seine neoosmanisichen Anwandlungen und potentielle Inkaufnahme eines neuen Armeniergenozids auch schnell wieder vergeben.

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