Joshua Wong, das nationale Sicherheitsgesetz und die deutsche Indo-Pazifikstrategie

Joshua Wong, das nationale Sicherheitsgesetz und die deutsche Indo-Pazifikstrategie

Schon einige Monate ist es her, dass die westlichen Medien ausführlich über die Demokratieproteste in Hongkong berichteten. Diese Proteste fielen nicht vom Himmel, sondern sind auch der liberalen politischen Sonderstellung und demokratischen Kultur und dem Rule of Law zu verdanken, die die Briten in der Spätzeit zuliessen, auch wenn die Kronkolonie Hongkong Ergebnis des imperialistischen und China demütigenden Opiumskriegs und seiner Ungleichen Verträge und auch unter den Briten keine echte Demokratie war, zumal der Gouverneur von London eingesetzt wurde. Doch auch nach der Rückgabe 1997 war Hongkong neben den USA Zentrum der chineischen Exilopposition, hielt die Falungong Demonstrationen ab, gab Gewerkschaftsaktivist Han Donfang seinen Labour Bulletin heraus und fanden auch alljährlich Großdemonstrationen zur Erinnerung an das Massaker am Platz des Himmlischen Friedens 1989 statt, wie auch KP-kritische Literatur publiziert wurde, die auch in Festlandchina ihre Leser fand. Ebenso fand schon im Vorfeld zu den Demokratieprotesten 2019 die ähnlich geartete Regenschirmbewegung statt. Die Demokratiebewegung speiste sich neben politischen Freiheitsforderungen auch aus wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Quellen: Rückgang des Wirtschaftswachstums, horrende Miet- und Immobilienpreise, Wohnungsnot, zunehmende Einkommensunterschiede, Zuzug von Festlandchinesen, Ängste vor wirtschaftlicher, politischer und kultureller Überfremdung, Hongkonger Lokalpatriotismus, der bis zu marginalen Extremforderungen nach einer Unabhängigkeit Hongkongs reichte und zum Teil auch generationsmäßig eine Art Jugendprotest war, der sich über Hongkong hinaus auch mit jugendlichen Protestbewegungen in Thailand und Taiwan in Form der Milktea Alliance in sozialen Medien zusammenschloss.

Doch unter Xi Jinping wurde die kollektive Ein-Parteien-Diktatur der KP China in eine Ein- Mann-Dikatur auf Lebenszeit mit sozialem Bonussystem und Xi- Jinping- Gedanken in der KP- und Staatsverfassung umgewandelt und stand zu erwarten, dass dieser neototalitäre Trend auch vor Hongkong nicht halt machen würde. In diesem Umfeld kam es dennn auch zu den bislang heftigsten und massenhaftesten Demonstrationen 2019 und Anfang 2020.Es war schon beachtlich, wie sich über Wochen Hunderttausende Hongkonger an den Protesten beteiligten und auf die Strasse gingen. David gegen Goliath, zudem auch mit einer extrem jungen Truppe, die sehr kreative und flexible Widerstandsformen entwickelte. Dennoch schwante den meisten, dass die Protestbewegung angesichts der klaren Machtverhältnisse wohl kaum eine reale Chance hatte.

Zumal es anfangs noch um ein Hongkonger Sicherheitsgesetz ging, das Carrie Lam dann zurückzog, was die Bewegung jedoch nicht als ihren Erfolg betrachtete, es damit gut sein liess, sich zurückzog, um eine Strategiediskussion für die weitere Zukunft zu führen, sondern ihren Forderungskatalog ausweitete, wobei die Forderungen plötzlich auch demokratische Wahlen in Hongkong beinhalteten.

Genauso wie die KP China versuchte das 1 Land, 2 Systeme- Prinzip auszuhöhlen, wurde dieses Prinzip von demokratischer Seite nun ebenso infrage gestellt, wobei natürlich zu erwarten war, dass die KP China dies nicht unbeantwortetet lassen würde. Zudem das prominentestes Gesicht der Bewegung Joshua Wong dann auch ungehindert international rumreiste und bei einer von der Springer-BILD in Berlin veranstalteten Pressekonferenz lauthals forderte Hongkong wie damals Berlin im Kalten Krieg zu einer neuen Frontstadt eines Neuen Kalten Krieges zu machen. Zudem verliefen die Proteste zunehmend auch gewalttätig, weswegen einige Mahner meinten, die Bewegung drohe ihr gutes Image zu verlieren, während die KP China von Terrorismus sprach und zu den später stattfindenden bürgerkriegsähnlichen Ausschreitungen der Black-Live- Matters-Bewegung höhnisch bemerkten, dass die USA jetzt mal ihr eigenes Hongkong erleben würden, nun selbst Nationalgarde und Militär einsetzten, wobei sich aber Trump zumindestens nicht noch in die Behauptung verstieg, diese Unruhen wären von China initiert sondern von der terroristischen Antifa, den sozialistischen und kommunistischen Demokraten und ihrem „transistion candidate“ „Peking- Biden“.

Während die einen ein neues Massaker wie am Platz des Himmlischen Friedens erwarteten und andere hofften, dass „der Funke“ auf China überspringen würde, traten beide Fälle nicht ein. Die plötzlich eintretende Covidkrise nahm der Protestbewegung den Wind aus den Segeln und dann beschloss die KP China das neue Nationale Sicherheitsgesetz und setzt nun eine Verhaftungswelle ein. Die USA, die alte Kolonialmacht GB und Australien reagierten auf den offenen vorzeitigen Bruch des 1 Land, 2 System- Prinzips mit Sanktionen und wollten den Sonderstatus Hongkongs aufheben, weswegen die KP China die Protestbewegung auch als vom Ausland gesteuert ansah, die nur der Verhinderung der Integration der Finanzmetropole Hongkong in die Greater Bay Area und China sowie der Eskalation des sinoamerikanischen Konflikts dienen solle. Zumal auch große Poster bei den Demonstrationen aufgetaucht waren, die Trump mit Panzern in Richtung Peking marschierend darstellten und auch eine Einmischung der USA forderten, was so manchem Festlandchinesen wohl als Aufforderung zu einem modernen Opiumkrieg vorkommen musste.

Joshua Wong wurde nun vor Gericht gestellt und im Eilverfahren zu 13.5 Monaten Gefängnis verurteilt, was noch recht moderat ausfällt angesichts seiner exponierten Rolle und radikalen Forderungen. Wahrscheinlich erklärt sich das moderate Urteil gegen Joshua Wong dadurch, dass China momentan keine weiteren Vorwände für eine weitere Konfrontation mit den USA liefern will, zumal in der Transitionsphase der US-Präsidentschaft zu Biden und dem erhofften Investititionsschutzabkommens mit Deutschland und der EU. Joshua Wong wurde auch nicht nach China gebracht, dort verurteilt und wie Wei Jingsheng wegen seines Essays „Die fünfte Modernieiserung zu 18 Jahren oder wie der spätere Friedensnobelpreisträger und Autor der Charta 2008 Liu Xiaobo zu 11 Jahren verurteilt, noch in ein chineisches Konzentrationslager wie 1 Millionen nicht-Hanchineischen Uiguren gesteckt zu brutalen Haftbedingungen, die die China Cables publik machten , sondern in Hongkong der Prozess gemacht und mit einer moderaten Strafe in ein Hongkonger Gefängnis eingesperrt, aus dem er Briefe schreiben kann und von Isoaltionshaft bei 24 Stunden Licht und 15 Minuten Hofgang berichtet, insofern er sie geschrieben hat. Zumal hat die KP China auch die Erfahrungen Putins mit dem Schauprozess gegen die jugendliche Frauenpunkband Pussy Riots berücksichtigt , die zu Putins Erstaunen heftige Reaktionen und Sanktionen im Westen hervorriefen.

Jugendliche Grünschnäbel und Hitzköpfe in ihrem Sturm und Drang für Jugendsünden zu drakonischen Strafen zu verurteilen, macht sich gar nicht gut und würde sie zu Märtyrern machen. Zumal die KP China auch der definitive Gewinner in dieser Auseinandersetzung ist und sich da der Welt gegenüber als guter Gewinner, gnädig, gemäßigt und nachsichtig zeigen will. Im Westen ist man vorerst noch mit Covid beschäftigt und fand auch in BILD und anderen Medien die Verurteilung Joshua Wongs keine grössere Resonanz mehr. Dennoch kann man die westliche Reaktion auch als Lackmustest für die neue Indo-Pazifik-Strategie der deutschen Regierung sehen, die in Zukunft ja auch die Blaupause für die EU werden soll.

Interessant ist, dass es sich bei dem neuen Nationalen Sicherheitsgesetz der KP China nicht nur um ein nationales Gesetz handelt, dass das 1 Land, 2 Systeme-Prinzip infrage stellt, sondern auch um eine Art internationales Gesetz, das über das Gebiet Chinas und Hongkongs hinaus wirkt, also auch eine Frage des Völkerrechts wird. Lea Deubner von der Süddeutschen Zeitung verdeutlicht diesen Sachverhalt in ihrem Kommentar „Das Exempel gegen Wong steht für die Zerstörung Hongkongs“ vom 3.12. 2020:

„Das Sicherheitsgesetz bedeutet nicht nur das Ende der Wirtschaftsmetropole, in der Bürger und Unternehmen einst sicher waren vor den Zugriffen und der Willkür des chinesischen Systems, wie es bisher nur in Festlandchina existierte. Sondern das Gesetz ist auch ein Novum, das weit über das chinesische Strafgesetzbuch hinausgeht.

So erlaubt es, auch Handlungen außerhalb der Sonderverwaltungszone strafrechtlich zu verfolgen. Bestraft werden können auch Menschen, die keinen Wohnsitz in Hongkong haben. Womöglich nie da waren. Also auch Journalisten, die außerhalb Hongkongs über die Stadt schreiben.

Wer künftig nach Hongkong reist oder in ein Land, das ein Auslieferungsabkommen mit der Sonderverwaltungszone unterhält, dem droht die Verhaftung. Es widerspricht internationaler Praxis, ist ein Angriff auf die Freiheit von Menschen weltweit. Und doch haben bei der Generaldebatte der Vereinten Nationen jüngst mehr Staaten das Sicherheitsgesetz als innere Angelegenheit Chinas unterstützt als kritisiert. Die liberalen, demokratischen Staaten sind im Umgang mit Peking längst in der Unterzahl, Chinas Schergenpolitik entfaltet seine Macht.

Das Gesetz steht einmal mehr für Pekings Vorhaben, weltweit eigene Spielregeln zu etablieren und internationales Recht zu schwächen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat das Sicherheitsgesetz im Juli einen doppelten Völkerrechtsbruch genannt. Auch in Brüssel zeigte man sich unzufrieden. Der deutsche Außenminister Heiko Maas traf sich vor Inkrafttreten des Gesetzes sogar mit Wong. Passiert ist seitdem empörend wenig.

Auch Wongs Inhaftierung dürfte keine größeren Konsequenzen nach sich ziehen als ein paar mahnende Worte Richtung Peking. Dabei steht kaum jemand so für Hongkongs Widerstand gegen den autokratischen Parteienstaat – und für den Glauben daran, dass allen Menschen Grundrechte zustehen. Unabhängig davon, in welchem Hoheitsgebiet, unter welcher Regierung sie geboren wurden. Wong hat Chinas Vorgehen in Hongkong als das beschrieben, was es ist: nicht ein Sonderfall, sondern ein Symptom für das Verhalten des chinesischen Parteienstaats, wie es sich an immer mehr Orten der Welt zeigt.

Doch während Wong seine Haftstrafe antritt und China vor den Augen der Welt das internationale Abkommen bricht, das es einst bei der Übergabe der früheren britischen Kronkolonie unterschrieben hat, die chinesisch-britische Gemeinsame Erklärung, arbeitet die EU unter deutscher Ratspräsidentschaft am Abschluss eines neuen Abkommens mit China. Bald könnte das „Investitionsabkommen“ unterzeichnet werden. Ein Wirtschaftsabkommen, das sieben Jahre am Widerstand Chinas scheiterte.

Pekings unmoralisches Angebot

Jetzt sei der politische Willen auf beiden Seiten da, sagte Kanzlerin Angela Merkel jüngst. Sie meinte: Chinas Wille. Die jüngsten Bemühungen Pekings sind weniger ein Zeichen guter Partnerschaft als vielmehr eines von Chinas Erkenntnis, dass der Wahl des neuen US-Präsidenten Joe Biden ungemütlichere Zeiten folgen könnten. Das Abkommen ist ein Angebot an die EU, Handel und Wirtschaft über Werte und demokratische Allianzen zu stellen.“

https://www.sueddeutsche.de/meinung/china-hongkong-wong-1.5135425

Zum einen ist da die Frage, ob es sich bei der britisch-chinesischen Erklärung wirklich um einen völkerrechtlichen Vertrag handelt oder eben nicht nur um eine Erklärung und dass diese Erklärung bei der UNO hinterlegt ist, ist noch kein Kriterium für einen völkerrechtlichen Vertrag, da dort auch andere Dokumente hinterlegt werden. Also die Frage, ob China die gemeinsame Erklärung mit ihren Anhängen als völkerrechtlichen Vertrag überhaupt anerkennt oder dies nicht mehr die westliche, respektive britische Interpretation der Erklärung ist. Dennoch bliebe dann aber grundsätzlich jenseits solcher sophistischer Abwägungen zu fragen, was dann solche Erklärungen ausser als unverbindliche Goodwillerklärungen wert wären. Zumindestens ist klar, dass das Nationale Sicherheitsgesetz versucht das 1 Land, 2 Systeme – Prinzip zugunsten der VR China und vor dem ausgemachten Zeitpunkt von 35 Jahren einseitig zu verschieben.

In „The Diplomat“ hat Dr. Simon Shen bereits am 9. September 2020 die gerichtlichen Möglichkeiten für die USA und den Westen dargelegt, wie auf das neue Nationale Sicherheitsgesetz reagiert werden könnte:

Die Herausforderungen, den Fall vor den Internationalen Gerichtshof zu bringen

In einem Artikel in Foreign Affairs widerspricht der ehemalige US-Generalkonsul in Hongkong, Kurt Tong, der Entscheidung Washingtons, den US-Hong Kong Policy Act aufzuheben. Er glaubt, dass dies nur die Menschen in Hongkong verletzen und die außenpolitischen Interessen der USA schädigen würde, ohne China zu bestrafen. Stattdessen schlägt er vor, die Angelegenheit wegen Verstoßes Chinas gegen die gemeinsame chinesisch-britische Erklärung vor den Internationalen Gerichtshof zu bringen. Obwohl China die Urteile des Gerichts wahrscheinlich ignorieren würde, schlägt Tong vor, dass der Fall selbst ein peinlicher Schlag für die Regierung sein würde. Der Vorschlag steht jedoch vor mehreren Herausforderungen. Man müsste dem Internationalen Gerichtshof den Nachweis erbringen, dass die Verstöße Pekings den USA unmittelbar systemischen Schaden zugefügt haben, da Washington die gemeinsame chinesisch-britische Erklärung nicht unterzeichnet hat.

Selbst wenn der IGH den Fall annehmen würde, müssten die beteiligten Länder einem verbindlichen Schiedsverfahren durch ein internationales Gericht zustimmen, um den Fall zu beginnen, dem Peking wahrscheinlich nicht zustimmen wird. Alternativ kann der IGH anstelle kontroverser Anhörungen auf Anfrage bestimmter US-amerikanischer Behörden beratende Stellungnahmen abgeben, wie beispielsweise im Fall von Souveränitätsstreitigkeiten über die Chagos-Inseln. Angesichts des heutigen Einflusses Chinas auf die Mitgliedstaaten in der Generalversammlung der Vereinigten Staaten könnte China jedoch nicht einmal besorgt sein, wenn der Fall Hongkong in der Generalversammlung aufgegriffen wird.

Was ist mit dem Ständigen Schiedsgerich (Permanent Court of Arbitration) ?

Die verbleibende Option besteht darin, das Ständige Schiedsgericht (PCA) einzubeziehen, eine Organisation außerhalb des Rahmens der Vereinigten Staaten, die die einseitige Einreichung von Streitigkeiten akzeptiert (dies muss technisch als Dritter eingerichtet werden, der Rechtsberatung sucht, oder durch Verbindungen zu einem Vertrag). Das PCA ist kein konventionelles Gericht mit rechtsverbindlicher Befugnis, sondern versucht, internationale Streitigkeiten durch Schiedsverfahren beizulegen. Interessanterweise war China zuvor an der PCA wegen territorialer Streitigkeiten im Südchinesischen Meer beteiligt, ein Fall, den es an die Philippinen verlor (technisch gesehen haben die Philippinen den Fall zunächst in die Seerechtskonvention der Vereinten Nationen eingebracht, die ihrerseits an die PCA weitergegeben). China war während des gesamten Prozesses nicht kooperativ, weigerte sich, an den Anhörungen teilzunehmen, und nannte das Urteil „eine Farce“.

Die Geschichte hat also gezeigt, dass diese Strategie möglicherweise keine direkten Auswirkungen auf Chinas Maßnahmen hat. Ein PCA-Urteil kann jedoch noch andere Auswirkungen haben, insbesondere wenn die Vereinigten Staaten beteiligt werden. Obwohl die USA die gemeinsame chinesisch-britische Erklärung nicht unterzeichnet haben, können sie ihren internationalen Einfluss ausüben und anderen Ländern ein Beispiel geben, indem sie den Sonderstatus Hongkongs widerrufen (ein Prozess, den Washington bereits eingeleitet hat) oder entsprechende Sanktionen verhängen. Andererseits haben sich Großbritannien und andere europäische Länder aus mehreren Gründen lange gegen Sanktionen gegen China gewehrt: Erstens waren Sanktionen gegen China oder Russland historisch nicht wirksam; Zweitens hängen die eigenen Interessen Europas stark vom chinesischen Markt ab. Drittens hoffte Europa, sich von der unilateralistischen Politik der Trump-Regierung zu distanzieren. Dennoch können europäische Länder unter Rückgriff auf das Völkerrecht immer noch einen erheblichen Einfluss auf die Angelegenheiten Hongkongs haben.

Zum einen hat Großbritannien auf das nationale Sicherheitsgesetz mit einer scharfen Verurteilung Chinas und einem Angebot von Einwanderungsmöglichkeiten für viele Hongkonger reagiert. Dies stellt eine drastische Änderung des Tons gegenüber der zuvor passiven Haltung Londons dar und ist das Ergebnis der weitreichenden und schwerwiegenden Folgen des Sicherheitsgesetzes. Sollte sich Großbritannien als Mitunterzeichner der Erklärung dazu entschließen, seine Maßnahmen weiter zu eskalieren, kann es den Streit als letzte Maßnahme vor einem der internationalen Gerichte verhandeln. Inzwischen hat sich die EU auch gegen Chinas Behandlung von Hongkong ausgesprochen. Das Europäische Parlament hat eine Entschließung verabschiedet, in der der EU empfohlen wird, ein Arria-Formel-Treffen im UN-Sicherheitsrat durchzuführen. In der Entschließung wird auch ein Sonderbeauftragter der Vereinigten Staaten gefordert, der die Situation in Hongkong überwacht und erwägt, China vor den Internationalen Gerichtshof zu stellen, weil es nicht nur gegen die gemeinsame chinesisch-britische Erklärung, sondern auch gegen den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte verstoßen hat. Trotz der Unterstützung des Europäischen Parlaments für rechtliche Schritte verfügt es nur über begrenzte Umsetzungsbefugnisse.

Daher besteht die eigentliche Herausforderung darin, konkrete Maßnahmen der EU-Mitgliedstaaten zu mobilisieren. Selbst wenn der IGH oder das PCA gegen China regeln, wäre das wichtig? Nehmen wir hypothetisch an, dass ein internationales Gericht (ob PCA oder ICJ) den Fall aufgreift und gegen China entscheidet. Was dann? Erstens ist es unwahrscheinlich, dass China nachgibt, da die gemeinsame chinesisch-britische Erklärung ausschließlich auf der chinesischen Zusammenarbeit beruht und keine anderen Überwachungsmechanismen aufweist, selbst wenn ein internationales Gericht feststellt, dass gegen das Abkommen verstoßen wurde. Großbritannien hat nur wenige Möglichkeiten, außer Reparationen zu fordern. Als Reaktion darauf würde China solche Anfragen vorhersehbar „scharf verurteilen“ und ablehnen. Dieses Szenario würde jedoch das internationale Image Chinas drastisch untergraben und anderen Ländern eine Rechtfertigung bieten, ihre eigenen Abkommen mit China neu zu bewerten.

Zweitens akzeptiert das PCA im Gegensatz zum Internationalen Gerichtshof auch Anträge von Organisationen und privaten Parteien auf Streitbeilegung. Dies gibt einem Dritten oder einem driiten Land (außer den Chinesen oder Briten) die Möglichkeit, diesen Fall zum PCA zu bringen. Sollte das PCA gegen China regieren, würde es Druck auf Großbritannien ausüben, Maßnahmen zu ergreifen, obwohl die Briten zuvor nicht bereit waren, einen wichtigen Handelspartner zu provozieren. Dies könnte auch einen Präzedenzfall für andere Parteien wie z. B. zivile Gruppen darstellen, um der PCA ihre eigenen Fälle bezüglich des chinesischen Einflusses in Hongkong vorzulegen.

Drittens können PCA-Entscheidungen, obwohl sie nicht rechtsverbindlich sind, den völkerrechtlichen Rahmen als rechtliche Hinweise beeinflussen. Zum Beispiel gab das PCA-Urteil im Streit zwischen den Philippinen und China klare Empfehlungen dazu, was eine „Insel“ und was einen „Felsen“ ausmacht (was weitaus eingeschränktere Seerechte verleiht). Infolgedessen wird die von Taiwan gehaltene Insel Itu Aba im Südchinesischen Meer als „Fels“ neu definiert, was Taiwans territorialen Anspruch in den hart umkämpften Gewässern in Frage stellt. Nach der gleichen Logik kann das PCA auch Empfehlungen abgeben, wie die Situation nach der Ungültigmachung der gemeinsamen chinesisch-britischen Erklärung „behoben“ werden kann, was zu einer stärkeren Rechtfertigung potenzieller internationaler rechtlicher und politischer Maßnahmen führt.“

https://thediplomat.com/2020/09/the-sino-british-joint-declaration-and-international-law/

Zweitens war es jedoch auch nicht so, dass ein Investitionsschutzabkommen nur an Chinas Unwillen gescheitert wäre, sondern dies auch daran lag, dass die EU und Deutschland selbst vor der chinesischen Gorillaökonomie und den unfairen Konditionen, sowie erhöhter Abhängigkeit von der VR China Angst hatten. Insofern wird sich an dem Abschluss oder Nichtabschluss eines Investitionsschutzabkommens zeigen, inwieweit die neue Indo-Pazifik-Strategie samt ihrer Diversifizierung der Abhängigkeiten in Asien ernst gemeint sind. Zumal es nach Abschluss des chinesisch-asiatischen Freihandelabkommens Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP) wohl ein weiterer Rückschlag für die USA wäre, falls nun auch die Deutschen und Europäer nicht länger auf die USA und deren TTIP oder TPP warten, insofern es denn zustande käme oder dann wiederum unter einen anderen US-Regierung aufgekündgt werden würde.

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