Wolfskriegerdiplomatie-nur eine Frage der Rhetorik und eine Generationenfrage?

Wolfskriegerdiplomatie-nur eine Frage der Rhetorik und eine Generationenfrage?

In letzter Zeit ist ein neues Schlagwort aufgetaucht: Wolfskriegerdiplomatie (Wolf warrior diplomacy). Es bezeichnet eine wesentlich offensivere Form, ja vom Westen als aggressiv wahrgenommene Form der chinesischen Diplomatie, die sich von der bisher gewöhnten Diplomatie unterscheide. Als Erklärung wird oft genommen, dass eine neue Generation chinesischer Diplomaten an die Macht dränge, die sich profilieren wolle und da die normalen diplomatischen Umgangsformen vermissen lasse. Faktisch ist es aber so, dass die bisherige chinesische Diplomatie keinen Trump als Gegenspieler kannte, bei dem keiner von wolf warrior diplomacy redete, sowie eben diese neue Form der Diplomatie vor allem Ausdruck objektiver geopolitischer Machtverschiebungen zugunsten Chinas ist, das wirtschaftlich, politisch und militärisch erstarkt und dementsprechend auch seine Interessen offensiver und machtbewusster vertritt.

Die Global Times widmete dem Thema denn auch einen eigenen Kommentar, in der sie fragte, was denn an der Wolfskriegerdiplomatie so kriegerisch sei, da China nur seine legitimen Interessen offen benenne, die es auch zu früheren Zeiten schon so formuliert hätte. Man sollte also festhalten, dass die sogenannte Wolfskriegerdiplomatie Indikator objektiven Machtzuwachses für die KP China und ihrer damit einhergehenden Ansprüche an die Welt zu verstehen ist, die der Westen bisher noch nicht gewohnt war oder als solche wahrgenommen hatte. Die jungen Diplomaten Chinas exektuieren nur das, was auch die KP China vertritt und nun eben auch aufgrund ihres Machtzuwachses offensiver vertritt. Sei es Hongkong, Südchinesisches- und Ostchinesisches Meer oder eben Taiwan, wie auch die Vision einer multipolaren Welt und die einer neuen Weltmacht, die die alte Größe Chinas wiederherstellt.

Dennoch ist die These vom Generationenwechsel auch nicht ganz falsch. Die frühere Generation von Chinesen war mehr in Zurückhaltung geübt. In westlichen Studentenwohnheimen galten die chinesischen Gast- und Austauschstudenten vor allem als schüchtere und kontaktfeindliche Mathematikstreber, die sich bei Diskussionen über Politik oder gesellschaftliche Fragen schnell ins Studierzimmer zurückzogen, solchen Diskussionen aus dem Wegg gingen und lernten. Inzwischen hat sich das geändert. Heutige chinesische Austauschstudenten suchen den Kontakt, sind offensiv, eloquent,über die MINTfächer hinaus gebildet, vertreten oft den Standpunkt der KP China recht offen, sind stolz auf ihr Land und haben ein völlig anderes Selbstbewusstsein aufgrund des Machtzuwachses ihres Landes. Das gilt auch für die Gegenseite. Junge Hongkongchinesen, Taiwanesen und Thailänder halten sich politisch nicht zurück, sind nicht mehr nur karriereorientiert, starten Demokratiebewgungen, die die Welt erschüttern, sind technikaffin, offensiv, laut, fordernd, leidenschaftlich bei ihrer Sache wie vielleicht noch junge Rotgardisten während der Kulturrevolution. In Asien braut sich eben auch ein Generationenwandel zusammen und auch eine sexuelle Revolution, ein Wertewandel in allen Richtungen, zumal auch sehr polarisiert.

In China gibt es zwar in den sozialen Medien auch die unter der strengen Zensur der KP China stattfindende Diskussionen, aber ebenso sehr viele junge Netizens, die nationalistische und chauvinistische Kommentare verfassen, die vor Großmachtswahn und Hybris überschäumen und auch von der KP China versucht werden unter Kontrolle zu halten. Deng Xiaoping hatte noch die Devise, dass man die eigenen Stärken verstecken müsse,um das Ausland nicht gegen China aufzubringen, an einem friedlichen internationalen Umfeld interessiert sein müsse, um  friedlich und schrittweise zu Weltmacht aufzusteigen.Deng Xiaoping war auch ein guter Freund von Henry Kissinger, Lee Kuan Yew und Helmut Schmichdt, zumal er deren realpolitische Sichtweise der Balance of Power teilte. Damit ist es seit der sogenannten Wolfskriegerdiplomatie vorbei, da China eben inzwischen erstarkt ist, vor Kraft strotzt und nun auch weniger auf Zurückhaltung wert legt. Wahrscheinlich hätte dies Deng auch nicht wesentlich anders gemacht, wäre er heute an der Regierung, aber das ist Spekulation. Aber auch damals startete Deng zu seinem US-Besuch einen Krieg gegen Vietnam, wobei die Volksbefreiungsarmee aber noch so rückständig war, dass sie eine demütigende Niederlage erlitt, die Deng dazu veranlasste, die Modernisierung des chinesischen Militärs im Rahmen seiner 4 Modernisierungen zu forcieren. Deng sah halt, dass China damals noch ein 3. Welt-Land war, arm und militärisch schwach. Seine Zurückhaltung und Vermeidung scharfer Rhetroik erklärte sich durch die faktischen Machtverhältnisse, die er aber mittel-und langfristig ändern wollte, was nun zunehmend erreicht wird.

Zum einen schürt die KP China Nationalimus und Weltmachtbewusstsein, zu anderen versucht sie zu emotionale und überschäumende Stimmungen in der Bevölkerung auch wieder zu kontrollieren. Teile der chinesischen Jugend und nicht nur dieser  wie auch der jungen chinesischen Diplomaten würden gerne weitergehen als die KP China und Xi Jinping. Der ehemalige Bush-Mitarbeiter Yang Jiechi, der dann in der chinesischen Diplomatie aufstieg und als Unterhändler und Vermittler seitens Chinas geschickt wird, um sinoamerikanische Streitigkeiten zu klären ist da eher das Auslaufmodel, zudem auch Mike Pompeo meinte, dass Gespräche mit Yang nicht die Zeit wert seien und dieser auch keine Konpromissfähigkeit zeige., sondern die alten KP Parolen der Engagementzeit wiederkäue, auf die heute keiner mehr hereinfalle. Die Wolfskriegerdiplomatie ist auch zum Teil Reaktion auf die Trumpsche Rhetorik. Dass Xi Jinping nun eine mögliche lebenslange Amtszeit durchgesetzt hat, erklärt sich vielleicht auch dadurch, dass er sich wie Putin als Garant eines stabilen Chinas hält und Überreaktionen seitens jüngerer und feuriger Nachfolger verhindern will.

Denn man vergesse nicht die deutsche Geschichte, als der junge Kaiser Wilhelm 2 den alten eisernen Kanzler Bismarck absetzte. Dieser Genrationenwechsel hatte auch fatale aussenpolitische Wirkungen. Denn während Bismarck ein bekennender Anhänger von Realpolitik, Balance of power und Saturierung deutscher Interessen war sowie der Kolonialpolitik ablehnend gegenüberstand, so schwenkte der junge deutsche Kaiser auf Weltpolitik, deutsche Wolfskriegerrhetorik und desaströse außenpolitische Manöver um, die Deutschland zunehmend isolierten und dann in einen Weltkrieg stürzten.Von daher ist die Wolfskriegerdiplomatie vor allem Ausdruck des objektiven Machtzuwachses Chinas, der sich nun auch verbal niederschlägt, wobei eine junge chineische Generation von Diplomaten und Politikern heranwächst für die das der normale Umgangston ist und es vielleicht in Zukunft bei weiterem Machtzuwachs noch kriegerischer möchte.

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