Nawalnys Rückkehr und die russische Rüstungsindustrie

Nawalnys Rückkehr und die russische Rüstungsindustrie

Es ist interessant, wie die deutsche FAZ das Urteil gegen Nawalny nach seiner Rückkehr nach Moskau wahrnimmt: Als Konkurrenz zwischen dem autoritären Osten und dem liberalen Westen. Dies wird umso mehr der Fall sein, wenn sich die neue Biden-Regierung stärker auf demokratische und Menschenrechte konzentriert und eine „Allianz der Demokratien“ aufbauen würde.

Nawalnyj verurteilt : Putins Wettbewerb

Ein Kommentar von Nikolas Busse

Der Kreml sieht den Fall Nawalnyj als Teil einer Konkurrenz mit dem liberalen Westen. Das sollte man in Deutschland ernst nehmen.

So richtig durchdacht wirkt Alexej Nawalnyis Rückkehr nach Russland nicht. Er konnte sich ausrechnen, dass das Regime ihn mit hoher Wahrscheinlichkeit verhaften würde; immerhin hat es erst vor kurzem versucht, ihn zu töten. Ist das wirklich so viel besser, als vom Ausland aus weiter Aufklärungsarbeit über Putins Machtapparat zu leisten?

Nawalnyi hat das Exil vermutlich gescheut, weil es in die Bedeutungslosigkeit führen kann. Sollte er aber nicht nur für die jetzt verhängten dreißig Tage, sondern für mehrere Jahre im Gefängnis verschwinden, dann wäre seine politische Arbeit fürs Erste beendet. Die russische Opposition hätte ihren wichtigsten Anführer verloren.

Dass das Regime einen prominenten Kritiker selbst dann noch im Eilverfahren aburteilen lässt, wenn die halbe Welt auf ihn blickt, ist nicht zuletzt ein Signal nach außen. Außenminister Lawrow stellt den Umgang mit Nawalnyj als Teil eines Systemwettbewerbs dar, in dem sich der Kreml mit dem liberalen Westen sieht.

Das sollte man nicht als Gerede abtun.Putin hat Russland als Gegenentwurf zur demokratischen Welt neu definiert, und das berührt nicht nur die Strafjustiz, sondern inzwischen fast jedes Feld von der Rüstung bis zur Außenpolitik. Mit so einem Land kann man nicht so eng zusammenarbeiten, wie sich das viele deutsche Politiker immer noch wünschen. Das wird auch der neue CDU-Vorsitzende noch zu lernen haben.“

https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/nawalnyj-verurteilt-putins-wettbewerb-17152700.html

Die Frage ist jedoch, ob Nawalny wirklich politisch tot wäre, wenn Putin ihn für eine lange Zeit inhaftieren würde. Putins Plan nach der gescheiterten und erfolglosen Vergiftung, Navalny ins Exil und in die Bedeutungslosigkeit zu treiben, ging nicht auf. Navalny ins Gefängnis zu sperren, könnte ihn auch zu einem russischen Nelson Mandela auf Robben Island machen. Wenn er durch Gerichtsverfahren zermürbt werden soll, erhält er ein Forum und weitere Aufmerksamkeit, insbesondere die Kampagnen werden über soziale Netzwerke fortgesetzt, sofern Putin die Zensur nicht verschärft.

Nawalny setzt seine Propaganda nach dem heutigen Urteil fort, wie die deutsche Massenzeitung BILD berichtet: Ein Video in den sozialen Medien über Putins angebliche luxuriöse und teure Villa im Wert von 1,1 Milliarden Euro, die er durch Korruption erworben hätte. Das gleiche Muster wie in Medjewdes Villa, einschließlich YouTube-Video mit Drohne.

https://m.bild.de/video/clip/news-ausland/teuerste-villa-der-welt-ist-das-putins-geheimer-super-palast-74984110,pAi=true.bildMobile.html

Ein Artikel des Politikwissenschaftlers Pavel Luzin „Russlands Militär in den 2020er Jahren“ behauptet, dass die Modernisierung des russischen Militärs nach anfänglichen Erfolgen in den 2010er Jahren, nun in den 2020ern enormen Herausforderungen gegenübersteht, da die russische Rüstungsindustrie sehr defizitär und hoch verschuldet ist, weshalb wirtschaftliche und politische Reformen durchgeführt notwendig wären, um sie zu retten, ansonsten müsse Putin ein radikales Kürzungsprogramm bei Rüstungsindustrie und Militär- oder ein Austeritäts- und Sparprogramm gegenüber der Bevölkerung initieren.

Russlands Militär in den 2020er Jahren

 von Pavel Luzin · Spezialist für internationale Beziehungen, Experte für die russischen Streitkräfte. Politikwissenschaftler (PhD). 06.01.2021

Die Leistung, Trends und Probleme der vergangenen Jahre haben die russische Armee auf ihrem Marsch in die 2020er Jahre geprägt. Zu den Problemen zählen die Kluft zwischen der deklarierten und der tatsächlichen Anzahl der Truppen, angespannte Beziehungen zwischen den Regimentern und ungelöste Probleme mit Kommando- und Kommunikationssystemen. Das sagt noch nichts von den wirtschaftlichen und technischen Problemen staatlicher Verteidigungsunternehmen.

Die Truppenmobilität wird jedoch ständig verbessert. Dies wurde zuletzt im November 2020 gezeigt, als ein friedenserhaltendes Kontingent nach Berg-Karabach entsandt wurde. Innerhalb weniger Tage kamen fast 2.000 Mann zusammen mit Autos, leichten gepanzerten Fahrzeugen und Hubschraubern an. Im Jahr 2020 gab der Kreml offiziell bekannt, dass er die Ziele der Modernisierung der Anfang der 2010er Jahre zurückgeworfenen Streitkräfte erreicht hatte.

Nach Angaben der Behörden ist es jetzt an der Zeit, voranzukommen. Einerseits muss Moskau weiterhin neue Waffen, Verteidigungstechnologien und Militärfahrzeuge beschaffen und seine vorhandenen Lagerbestände aufrüsten. Andererseits gibt es immer noch das Problem der begrenzten Ressourcen, das sich in den letzten fünf oder sechs Jahren verschlechtert hat. Bis 2020 wurde dies eher zu einem qualitativen als zu einem rein quantitativen Problem. Es geht nicht mehr nur darum, wie viel der Kreml für die Verteidigung ausgibt und wie er Verteidigungsaufträge verteilt.

Die Aussicht auf höhere Armeeausgaben

Die russische Regierung gab im Jahr 2020 rund 3,1 Billionen Rubel im Rahmen des Haushaltsposten „Nationale Verteidigung“ aus. Dies waren Mittel, die für die Aufrechterhaltung der Streitkräfte sowie für den Kauf von Waffen, Verteidigungstechnologie und Militärfahrzeugen vorgesehen waren.

Haushaltsposten „Nationale Verteidigung“ * zu aktuellen Preisen in Milliardenhöhe

 2011201220132014201520162017201820192020**
1,5161,812.42,103.62,479.13,181.43,775.32,852.32,8272,997.4~3,100
$51.658.366.064.451.956.548.945.146.442.9

* Die Zahlen des Haushaltsposten „Nationale Verteidigung“ sind niedriger als die gesamten Militärausgaben Russlands, da letztere zusätzlich die Finanzierung paramilitärischer Dienste beinhalten. Weitere Informationen finden Sie in der SIPRI-Datenbank für Militärausgaben. Der derzeitige Unterhalt der russischen Streitkräfte macht etwa 40% bis 50% der zugewiesenen Mittel aus, während die Waffenbeschaffung 50% bis 60% ausmacht. (…)

In der Tat führte das anhaltende Feilschen um die Militärausgaben zwischen Oktober und Dezember 2020 zu einem öffentlichen Streit zwischen dem Verteidigungsministerium und dem Finanzministerium. Finanzbeamte schlugen vor, die Anzahl der Mitarbeiter der Armee (finanziert aus dem Haushaltsposten „Nationale Verteidigung“) von 1 Million auf 900.000 zu senken, eine Verlängerung der Dienstzeit, die erforderlich ist, damit ein Offizier Anspruch auf eine Militärrente hat, und Senkung anderer finanzieller Kosten. Diese Vorschläge stießen auf erbitterten Widerstand des Verteidigungsministeriums. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die tatsächliche Größe der russischen Streitkräfte auf 740.000 bis 780.000 Militärangehörige geschätzt werden kann, wäre eine formelle Verpflichtung, die Größe der Armee nicht auf 1 Million zu erhöhen, zweckmäßig.

Dies erfordert jedoch eher eine politische als eine technische Entscheidung. In der Tat würde es eine teilweise Überarbeitung der ideologischen Grundlagen des russischen politischen Systems beinhalten. Zu diesen Grundlagen gehören die Idee einer nie endenden Konfrontation mit dem Westen und die Kontinuität der sowjetischen Armeetradition sowie der Gedanke, die Putin-Ära der Perestroika-Zeit und dem ersten postsowjetischen Jahrzehnt gegenüberzustellen.

Eine Armee von weniger als einer Million würde eine große Verschiebung innerhalb des russischen Machtsystems bedeuten. Die vorzeitige militärische Altersrente ist einer der traditionellen Anreize zur Aufrechterhaltung der Moral und Loyalität des Offizierskorps. Die Loyalität wurde bereits bei der Abstimmung über Putins Verfassung im Sommer 2020 auf die Probe gestellt. Traditionelle alljährliche Erklärungen über die erfolgreiche Modernisierung der Streitkräfte sind daher nur eine Nebelwand für den wachsenden Mangel an Ressourcen, die für ihre Wartung und Modernisierung benötigt werden. Es werden jedoch keine Ressourcen vorhanden sein, die den Fähigkeiten Russlands und den objektiven externen Bedrohungen entsprechen. Die Lösung impliziert die Notwendigkeit, paramilitärische Agenturen zu verkleinern. Dies bedeutet jedoch eine Änderung des politischen Systems und des Wirtschaftsmodells Russlands. (…)

Militärisch-industrielle Komplexität

Die russische Verteidigungsindustrie schließt das Jahrzehnt unter dem wachsenden Druck neuer US-Sanktionen, die im November bis Dezember 2020 eingeführt wurden. Diese betreffen nicht nur die Waffenherstellung, sondern auch die zivile Produktion, insbesondere in der Luft- und Raumfahrt. Wie in den 2010er Jahren ist das Missverhältnis zwischen den Zielen und Bedürfnissen der russischen Führung spürbar. Eine prosaische Realität der Waffenentwicklung und -herstellung wird in den 2020er Jahren bestehen bleiben, wenn sich nicht sogar verschlechtern.

Schauen wir uns die auffälligsten Beispiele an. Angesichts der Wirtschaftskrise und der Fehler bei der Organisation der Militärproduktion im Zuge der Pandemie haben die Verteidigungsunternehmen im Jahr 2020 enorme Schulden angehäuft. Im Sommer 2019 beispielsweise hatten diese Unternehmen angeblich mehr als 2 Billionen Rubel Schulden gegenüber russischen Banken, von denen 600 bis 700 Milliarden uneinbringlich waren und abgeschrieben werden mussten. Im Januar 2020 wurde das Problem für gelöst erklärt, obwohl keine Details bekannt wurden. Im Dezember 2020 schien es jedoch, dass Verteidigungsunternehmen ihre Schulden auf fast 3 Billionen Rubel erhöht hatten, wobei Schulden in Höhe von 350 Milliarden vollständig abgeschrieben und andere in Höhe von 260 Milliarden umstrukturiert wurden. Kredite im Wert von weiteren 150 Milliarden Rubel werden für die Umstrukturierung vorbereitet. Das Problem der systemischen Unrentabilität staatseigener Verteidigungsunternehmen besteht daher weiterhin. (…)

Es stellt sich heraus, dass die russische Militärindustrie in den 2020er Jahren die Aussicht haben wird, entweder unter der Last von Schulden und unterfinanzierten Projekten zu leiden oder russische Steuerzahler auszuzehren. “

https://www.ridl.io/en/russia-s-military-in-the-2020s/

Unausgesprochen: Kanonen statt Butter, was zu einer weit verbreiteten Unzufriedenheit in der Bevölkerung führen könnten und möglicherweise könnten militärische Abenteuer im Ausland, mehr Rüstungsexporte. mehr Nationalismus und Unterdrückung der Weg sein, um Waffenausgaben zu legitimieren: Dies könnte der Nährboden sein, den die russische Opposition für ihre Zwecke nutzen könnte .

Sei es innere Elitekreise, die mit Putins Politik unzufrieden sind, seien es die Exiloligrachen in Little Russia in London und Oligrachen in Russland, sei es Nawalny, Schirinowskis Faschisten, der Oppositionsschamane in Fernost. Nawalny hat breite Unterstützung seitens des Westens und vielleicht sogar in einigen Teilen der russischen Elite, da er in einem Young Leadership Programm an der Yale-Universität in den USA war und auch von Geheimdiensten unterstützt zu werden scheint, wie das Outing seiner Attentäter und die You Tube-Videos über Medjedwes und Putins Villa zeigten.

Es scheint, dass Nawalny der bevorzugte westliche Oppositionsführer des Westens ist, da er als charismatischer Demokrat wahrgenommen wird. Es hängt von der Wahrnehmung, den Erwartungen und politischen Zielen ab, die die Unterstützer mit Nawalny verbinden.

Liberale sehen ihn als neuen pro-westlichen liberalen Demokraten und Kosmopoliten. Einige Kritiker haben jedoch Zweifel an diesem Bild, da Navalny einen rechtsgerichteten Marsch in Russland anführte, Gastarbeiter aus dem Kaukasus als Insekten betitelte, eine Wahlkoalition mit einer nationalistischen Wahlgruppe namens Grossrussland und der Allianz gegen Immigration bildete und aus der liberalen Yabloko-Partei ausgeschlossen wurde wegen seiner nationalistischen Weltanschauung. Seine Bewunderer glauben jedoch, dass dies auf die nationalistischen Atmosphäre zurückzuführen ist, die Putin in Russland schafft. Man müsse halt einige Kompromisse mit extrem nationalistischen Kräften und Parteien eingehen, um Massenunterstützung zu erhalten.

Niemand weiß genau, ob Navalny ein Nationalist, ein opportunistischer Zentrist ist oder ob er eine versteckte Agenda hat. Ob er nationalistische Unterstützung nutzen will, um Macht zu erlangen und um Putin zu stürzen, um dann diese Kräfte zu isolieren und ein demokratisches Russland aufzubauen. Oder vielleicht nicht. Es ist jedoch ein gefährliches Spiel, das Ergebnisse haben könnte, die möglicherweise nicht im Sinne des Erfinders sind.

Theo Sommer, Korrespondent dergliberalen deutschen Zeitung ZEIT, meint, Nawlany sei kein autoritärer Nationalist, sondern ein demokratischer Nationalist. Juan Cole glaubt sogar, er könnte auch ein russischer Trump mit Russia First werden. Geschäfts- und Militärkreise im Westen hoffen, dass Nawalny wirtschaftliche und politische Reformen durchführen, die russischen strategischen Industrien und den russischen Markt für westliche Investitionen öffnen, die russische Wirtschaft modernisieren, die Rüstungsindustrie, das Militär und die russischen ausländischen Abenteuer in ihrem jetzigen Umfang reduzieren würde, ja auch die Idee von Russland als Großmacht aufgeben könnte.

Manche denken sogar, selbst wenn Nawalny aufgrund der konservativen politischen Umgebung in Russland ein neuer autoritärer Politiker wäre, könnte er jedoch ein pro-westlicher Autokrat werden – was an sich schon ein Fortschritt wäre. Putin- und Gazprom-Berater Prof. Alexander Rahr ist jedoch der Ansicht, dass Nawalny von den meisten Russen als Verräter des Vaterlandes wahrgenommen wird und nur begrenzte Unterstützung hätte. Und es könnte auch passieren, dass der Westen anstelle von Nawalny einen noch nationalistischeren, repressiveren Führer und einen stärkeren Mann bekommt, da es auch Massen von Ultranationlaisten und noch mehr reaktionären Kräften geben würde. Die ganze Geschichte ist jedoch, dass Putin und seine Anhänger nicht nur auf nationalistischere und konservativere Kräfte reagieren, sondern auch den Nationalismus und die Hybris selbst kräftig schüren und mit etlichen dieser Kräfte zusammenarbeiten.

Prof. Rahr schildert noch die nach seinenr Einschätzung vorherrschenden Stimmung in Russland und mögliche weitere Optionen des Kreml:

„In Russland ist Nawalny kein Thema. Die Mehrheit der Russen hält ihn für einen westlichen Agenten, die Vergiftung als erfunden. Alles sei eine inszenierte Attacke auf Russland. In den sozialen Netzen fordern viele, Nawalny gehöre weggesperrt. Mich erinnert das fatal an die Stalin Zeit in Russland, wo Menschen willkürlich zu Volksfeinden erklärt, verprügelt und in den Gulag gesperrt wurden – unter freudigem Beifall der Massen. Letztere glauben nur ihrer Staatsmacht, diese ist hochheilig und unantastbar – so wie bei uns die Verfassung. Wir sehen, dass Russland, die Mentalität der Menschen, sich on den Jahrhunderten nicht geändert haben. Es wird auch so bleiben. Wir im Westen können das nicht ändern.Für Nawalny sind viele, aber trotzdem Minderheiten. Ich lese russische soziale Netze. Nawalny wird als Verräter bezichtigt, der für westliche Geheimdienste arbeitet und aus Deutschland extrahiert wurde. Merkel habe sich seiner entledigen wollen. So erzählen alle Kommentatoren rund um die Uhr. Die Aggressivität gegen den Westen  hat beängstigende Ausmasse angenommen. Ein Grossteil der Bevölkerung empfindet alles wie eine westliche Attacke gegen ihr Land. Aufrufe, es den Deutschen wieder zu zeigen sind auf der Tagesordnung. Die Bevölkerung fühlt sich glücklich in dem Narrativ, den es hört. Nawalny Case ist offen. Man überlegt in Russland ihn vielleicht nach Deutschland wieder abzuschieben, ihm die Staatsbürgerschaft abzuerkennen. Oder ihn vor die Wahl zu stellen – 8 Jahre Strafkolonie in Sibirien ohne Internetzugang, oder Ausreise. Eine Tötung Nawalnys durch einen anderen Sträfling im Lager ist auch möglich. Chodorkowski hat davor gewarnt. Die Stiftung von Nawalny wird der Kreml mit aller Kraft zerschlagen. Die Führungselite hat genug, die Nase voll, von Nawalnys Ermittlungen, die die Bevölkerung gegen die Macht aufhetzen. Ja, in RU ist die Gesellschaft gespalten,  in Krisenzeiten wird das Problem soziale Ungleichheit besonders brisant. „

Der Hass gegen den Westen wird aber erst richtig durch Putin und Lawrow und ihren Staatsmedien und sozialen Medien systematisch angefacht. Kein Wunder,dass da so eine giftige Stimmung im Laden ist. Nawalnys direkte Unterstützer dürften momentan eine Minderheit sein. Aber wenn es weiterbergab geht,dann kann sich da ein größerer Potential und auch andere Führungsgestalten ergeben,die sich als breit es Bündnis zusammentun.Und dass Putin verhindern wollte,dass Nawalny nach Ostfrssland fliegt,um die dortigen Proteste mit Westrussland zu vereinen,zeigt wie nervös das beobachtet wird.

Nawalnya Putinvideo von der Luxusvilla ist natürlich die vorerst größtmöglichste Eskalationsstufe nach der Rückkehr, womit er wohl auch drohen will: Je mehr ihr gegen mich vorgeht, desto mehr Details lasse ich über euch raus! Und jetzt geht es erst richtig los! Zumal wahrscheinlich ist, dass er all dieses Wissen und die Logistik, auch jene investigativen Journalistenrecherchepools von Guardian und SZ gar nicht ohne die HIlfe westlicher Geheimdienste haben kann. Die von Rahr geschilderten Optionen sind da sehr wahrshcienlich, wobei die Abschiebung und die Aberkennung der Staatsbürgerschaft wahrscheinlich noch die humanste und aus Sicht des Kremls effektivste wäre.

Die Reaktionen auf Nawalnys Rückkehr sind gemischt. Einige bewundern den Todeswillen, den Mut sogar für seine Sache zu sterben, die Ausdauer den reinen Willen, den Kampfgeist, den Heldentum, den russischen Bushido und die Furchtlosigkeit, die den wahren Führer ausmacht, andere sprechen von Dummheit, Selbstüberschätzung, Selbstmordverhalten, und hegen sogar Zweifel an Nawalnys psychologischem Geisteszustand. Aber nur wenige kennen Nawalnys genaue politische Positionen, zumal in den russischen und westlichen Medien und von ihm selbst nichts Spezifisches und Detailliertes ausgestrahlt wurde. Nawalny ist irgendwie gegen Korruption und für Demokratie und gegen Putin und mehr muss man nicht wissen, um auf der guten Seite zu sein.

Bei der Carnegie Foundation behauptet Alexander Baunov in seinem Beitrag „Putin, Gift und selbstverschuldete Wunden: Nawalnys Rückkehr nach Russland“, Putin und der Kreml hätten Nawalny von einer einheimischen Oppositionsfigur „zum prominentesten politischen Gefangenen der Welt“ gemacht und zum neuen Fokus der internationalen Diplomatie und der Außenpolitik, während seine Frau auch eine neue Rolle gewinnt. Daher glaubt er, dass der Navalny-Hype alle Zweifel an den politischen Zielen und politischen Positionen oder jegliche Kritik an der Person von Navalny beseitigen wird:

„Navalnys Führungsrolle in der russischen Opposition und seine Autorität unter den Skeptikern des gegenwärtigen Regimes sind gewachsen. Vor nicht allzu langer Zeit stritt er sich mit unabhängigen Journalisten; Jetzt sind sogar einige Putin-Loyalisten, wenn nicht auf seiner Seite, dann sicherlich nicht auf der Seite seiner Giftmischer und Verfolger. Es ist jetzt schwieriger, Navalny zu kritisieren. Ausländische Politiker und Journalisten, die zuvor die früheren Experimente von Navalny mit dem Nationalismus fürchteten, sind jetzt bereit, all das zu vergessen, zusammen mit der Tatsache, dass er nach seinen Kommentaren immer noch kein typischer pro-westlicher Politiker in einem antiwestlichen Land ist und er hat nicht versprochen, die geopolitische Ausrichtung Russlands zu ändern.

Mit anderen Worten, Nawalny mag ein Putin-Kritiker sein, aber er passt nicht zum Bild eines pro-westlichen Liberalen, der in den Augen heftig patriotischer Russen leicht verspottet und zerstört werden könnte. In der Zwischenzeit verwandelt sich Navalnys Frau Yulia selbst in eine einflussreiche Politikerin, ähnlich der unerwarteten und hartnäckigen Bedrohung, die Svetlana Tikhanovskaya für das belarussische Regime geworden ist. “

https://carnegie.ru/commentary/83680?utm_source=ctw&utm_medium=email&utm_campaign=buttonlink&mkt_tok=eyJpIjoiWkdFMll6aGtabUZsWkRSbCIsInQiOiJDdTRjR0c3

Irgendwie erinnert mich das an die Hoffnungen in den arabischen Frühling und die Demokratisierung des Greater Middle East. Alles wird besser sein als Saddam Hussein, Ghaddafi, Mubarak oder Assad. Jetzt heißt es: Ohne Putin wird alles besser. Die Gefahr besteht darin, dass jeder, der nach Navalnys politischen Zielen und Ambitionen fragt, als Moskaus 5. Kolumne und als Putin-Fan dargestellt wird. Hoffen wir, dass die Hoffnungen auf einen Moskauer Frühling nicht zur Verzweiflung eines russischen Winters oder noch Schlimmerem werden. Der Putin-Kritiker Boris Reitschuster schreibt über die russische Opposition, auch in Bezug auf Navalny:

Die Opposition ist eine demokratische Alternative

Leider stimmt das nur teilweise. Es ist ein bunter Haufen, dessen Spektrum von der überzeugten Linken bis zur extremen Rechten reicht. Liberale Oppositionsführer – wie der frühere Schachweltmeister Garry Kasparov – kritisieren Mitstreiter, dass sie in Wirklichkeit weniger Kritik an den autoritären System unter Putin als über Putin selbst haben. Die Opposition ist weit davon entfernt, „makellos demokratisch“ zu sein; Sollte sie an die Macht kommen, was nicht vorhersehbar ist, würde Russland keineswegs über Nacht zu einer konstitutionellen Demokratie nach westlichem Vorbild werden. Andererseits wäre ein friedlicher Machtwechsel ein entscheidender Schritt in Richtung Demokratie und Freiheit.

Die Opposition ist gegen Putins Nationalismus

Alexeji Navalny, der Organisator der gestrigen Proteste und Hoffnungsträger der Opposition, erregte mit seinen nationalistischen und fremdenfeindlichen Tönen Aufmerksamkeit. Seine Anhänger behaupten, dass diese vor einiger Zeit waren und nicht das Leitmotiv seiner politischen Äußerungen sind. Liberale Anhänger beschuldigen Navalny und andere prominente Mitglieder der Opposition wie Michail Chodorkowski, mit dem Nationalismus zu flirten – zum Beispiel indem er Verständnis für die Besetzung und Annexion der Krim zum Ausdruck bringt. Die leider recht zahlreichen nationalistischen Töne der Opposition müssen vor dem Hintergrund gesehen werden, dass Putin und seine Propagandamedien solche Stimmungen massiv befeuern. Im Kampf um die Sympathie des Volkes versuchen Teile der massiv geschlagenen Opposition, auf dieser Welle zu reiten . „

Vielleicht könnte er eine Art russischer Adenauer werden, ein Konservativer, der alle alten Nationalisten und Faschisten in ein demokratisches System integriert, oder er wird ein neuer Putin oder er wird in einer nationalistischen Welle ertrinken und noch nationalistischere Kräfte oder russische Nazis wie Schirinowski die Bewegung übernehmen und die Macht ergreifen. Aber die Welle des Nationalismus und eines Personenkultes zu reiten ist wie ein Tiger zu reiten und kann eine Dynamik erzeugen, an die niemand gedacht hat, als der arabische Frühling begann. Aber diesmal sprechen wir von einer atomar bewaffneten Großmacht.

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