Afghanistan: Nordallianz 2.0?

Afghanistan: Nordallianz 2.0?

Nordallianz 2.O oder nicht. Dagegen spricht,dass die meisten Warords schon Afghanistan verlassen haben,die Taliban bewusst und präventiv schon Teile des Nordens und eben nicht nur Süd,-Mittelafghanistan und Kabul erobert haben.Dennoch versucht nun der Sohn des ehemaligen Nordallianzführers Massud, der einen Tag vor 911 von Al Kaida ermordet wurde, und andere in Pandschir eine befreite Zone zu gründen und als Rückzugsgebiet zu etablieren.Also doch Versuche eine Nordallianz 2.0 zu forcieren.

Der in San Francisco lebende US-afghanische Schriftsteller und Historiker Tamim Ansary ,der durch sein Buch „Die unbekannte Mitte der Welt: Globalgeschichte aus islamischer Sicht“ bekannt geworden ist,meint, dass die Sache mit der Machtergreifung der Taliban noch „nicht vorbei“ sei und skizziert die Potentiale eines möglichen Widerstands und einer Wiedererringung der Macht:.

„Lese ich, was die Weltpresse über Afghanistan schreibt, klingt es so, als sei die Geschichte zu Ende, als hätten die Taliban gewonnen. Alles, was bleibt, ist die Schuldzuweisung: Wer war für Amerikas Niederlage verantwortlich?

Schaue ich mir allerdings die Informationen an, die aus Afghanistan selbst kommen, frage ich mich: Ist die Geschichte wirklich vorbei? Als die Taliban in Kabul einmarschierten, sagte ihr Sprecher einem CNN-Reporter, sie hätten sich geändert, die Taliban unterstützten jetzt den Schulunterricht für Mädchen, sie wollten eine inklusive Regierung und so weiter. Viele meiner Freunde und der Großteil der internationalen Medien reagierten mit einem Aufschrei: dass der Mann lüge, dass die Welt ihm kein Wort glauben könne. Und sie haben natürlich Recht: Die Taliban haben nichts getan, um das Vertrauen der Menschen außerhalb ihrer eigenen Gruppe zu gewinnen.

Als ich mir das Interview anhörte, fragte ich mich, warum der Mann diese Dinge überhaupt sagt. Den internationalen Medien zufolge versuchte er die Welt dazu zu bringen, die Taliban in einem positiven Licht zu sehen. Aber ehrlich gesagt denke ich, dass es den Taliban egal ist, was die Welt über sie sagt. Diese Äußerungen waren nicht an die Weltöffentlichkeit gerichtet, sondern an Kräfte und Gruppierungen innerhalb Afghanistans. Ich glaube, die Taliban wissen, dass die Geschichte noch nicht zu Ende ist. Ein paar Tausend von ihnen versuchen, ein Land mit 39 Millionen Einwohnern zu regieren. Von einem Hauptquartier aus in einer Stadt mit fünf bis zehn Millionen Einwohnern, von denen die meisten die Taliban und den Talibanismus hassen. Wie lange werden sie sich in Kabul halten können?

Massoud hat das Charisma seines Vaters

In Pandschir, einem nördlich von Kabul gelegenen Tal, formiert sich jetzt glaubwürdiger Widerstand. Einer seiner Anführer ist der Sohn des legendären Ahmad Schah Massoud. Massoud war der afghanisch-muslimische Guerillakommandant, der die Sowjets bekämpfte und wahrscheinlich mehr als jeder andere zum Sturz des Sowjetimperiums beigetragen hat. Er wurde zwei Tage vor dem 11. September von Al-Kaida ermordet. Sein Sohn Ahmad scheint mir heute der Richtige zu sein, er hat die Eloquenz und das Charisma seines Vaters geerbt. Ob er auch das militärische Genie seines Vaters hat, wird sich zeigen.

Und dann ist da noch Hamid Karsai. Niemand weiß, welchen Weg er einschlagen wird. In den Jahren, in denen er Präsident Afghanistans war, wusste er, dass die Taliban eines Tages wieder in der Hauptstadt sein würden. Er verbrachte diese Zeit damit, eine Machtbasis nach afghanischem Vorbild aufzubauen, ein Patronagenetz, das tief in der Gesellschaft verwurzelt ist. Karsai ist immer noch in Kabul, obwohl er schon seit Jahren kein offizielles Amt mehr innehat. Auch Amrullah Saleh ist noch da, vor dem Fall von Kabul der Vizepräsident des Landes. Er hat verkündet, dass er nach der Flucht von Aschraf Ghani nun der Präsident Afghanistans sei.

Mitglieder der alten Nordallianz kommen jetzt auch nach Pandschir, um sich einer nationalen Einheitsfront anzuschließen. Seit vielen Monaten macht dort der junge Massoud „Afghanistan gehört den Afghanen“ zum zentralen Thema seiner Reden. Als Sohn des „Löwen von Pandschir“, wie sein Vater genannt wurde, verfügt er über tadellose islamische Referenzen, ohne die niemand in Afghanistan regieren kann. Massoud und seine Verbündeten handeln nicht nur unter dem Banner des Islam – sie tun es unter dem des afghanischen Islam.  

Als jemand, der in Kabul aufgewachsen ist und in London studiert hat, verfügt Massoud zudem über die notwendige globale Erfahrung, um die Generation gebildeter Afghanen anzuführen, die nach dem 11. September 2001 in Kabul aufgewachsen ist. Jene Millionen junger Menschen, die heute um die mitten in ihrer Hauptstadt verschanzten Taliban herum leben.

Die Armee nicht abschreiben

Massoud und andere haben angedeutet, dass Teile der nationalen Armee nach Pandschir kommen, um auch ihre Dienste anzubieten. Manch einer mag fragen: Wozu sind Angehörige der nationalen Armee gut? Sind das nicht jene Soldaten, die sich nicht gewehrt haben, als die Taliban Anfang August im ganzen Land Städte einnahmen?

Aber halt: Alles, was wir über diese Armee wissen, ist, dass sie nicht für die Regierung in Kabul kämpfte. Für eine Regierung, die für sie Stellvertreterin der Amerikaner im Besonderen und des Westens im Allgemeinen war. Aber werden sie kämpfen, wenn sie sich als Afghanen wahrnehmen? Als Afghanen, die für ihr Land gegen eine Horde von Außenseitern kämpfen, deren Agenda nichts mit dem Wohlergehen der Landsleute zu tun hat? Wir wissen es nicht, aber wir sollten diese Möglichkeit nicht vorschnell ausschließen.

Die Aussicht auf einen neuen Bürgerkrieg erfüllt mich, wie die meisten Afghanen, mit Schrecken. Ein Teil von mir hegt jedoch Fantasien von einem Tag – in einem Monat, in zwei Monaten, vielleicht in drei –, an dem die ganze Taliban-Chimäre zusammenbricht und sich eine echte Regierung Afghanistans bildet. Eine Regierung, die das Land repräsentiert, sowohl in der Stadt als auch auf dem Land, die sowohl modern ist als auch stammesorientiert. Ein endlich geeintes Afghanistan, das in der Lage ist, wieder an die großen Fortschritte anzuschließen, die durch den Einmarsch der Sowjets und 40 Jahre grausamen Krieges zunichte gemacht wurden. „

https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-08/widerstand-taliban-afghanistan-machtuebernahme-pandschir-tal

Dennoch sind solche Einschätzungen der Exilopposition immer mit Vorsicht zu geniessen, wenn man an die triumphalen Erfolgspropaganda etwa der in den USA lebenden irakschen Opposition vor dem Irakkrieg 2003 oder der iranischen Opposition oder der chinesischen Opposition denkt, die sich allesamt als falsch erwiesen.Würde man den Informationen der iranischen oder chinesischen Opposition oder der Falungong vertrauen, würden die Mullahs und die KPCh seit Jahrzehnten nicht mehr existieren. Zu viele Geschichten über einen bevorstehenden Zusammenbruch dieser Regime wurden schon verbreitet. Und ob die afghanische Armee in Zukunft besser kämpfen würde als während ihres Zusammenbruchs, ist auch fraglich.

Die Frage wird sein,ob die Taliban dann eine Grossoffensive starten,um das im Keim zu ersticken, wer sich dieser Keimzelle anschließt, ob es gelingt eine schlagkräftige Organisation zu gründen ,ob die USA ,der Westen und andere asiatische Länder wie Indien  eine solche mit Waffen und Finanzen ausstatten,zumal auch unklar ist,inwieweit diese transportiert werden sollen,wenn Tadschikistan und Russland da nicht die Augen zudrückt ?Airdrop? Auch ist die Frage ob Russland auf die Taliban setzt oder vielleicht doch an einer Pufferzone einer Nordallianz Interesse hätte oder vielleicht sogar beide in einer divide et impera-Strategie gegeneinander ausspielt.Moeglich aber auch,dass Russland,China,Pakistan,Katar,Erdogan-Tuerkei die Taliban unterstützen und der Westen und Indien nebst anderen Staaten die Nordallianz .Aber momentan ist alles in Fluss und noch viel zu früh zu beurteilen.

Merkel hätte bei ihrem Putinbesuch Afghanistan zur Chefsache machen sollen.Die Russen wissen gerade auch nicht,ob Taliban,Pufferzone mit einer möglichen Nordallianz,Abschottung der Grenzen im Verbund mit Tadschikistan,erhöhte Truppenentsendungen zur Grenzzicherung und Islamismusbekämpfung innerhalb der SCO, zumal Russland wesentlich höhere Muslimanteile in seiner Föderation hat als China mit dem kleinen Xinjiang und inwieweit die Taliban ein Beitrag zu ihrem Eurasienkonzept und einer neuen multipolaren Weltordnung sein können. Natürlich hätte man keine klare Positionierung von Putin erwarten können,aber mal Optionen ausloten und diese als Message zu Biden zurückmelden können.Aber da der Westen und die USA in Schockstarre sind,von Umfragen getrieben,keine weiteren Engagements eingehen wollen,nicht strategisch denken und lieber über taktische und humane Fragen der Evakuierung reden,sich also provinziell gebärden,wird wahrscheinlich das Windows of opportunity für eine Nordallianz verstreichen und die Taliban auch noch den Norden ganz erobern und Fakten schaffen.

Die Taliban könnten mit ihrem Islamischen Emirat Afghanistan und ihrem Islamismus so etwas wie ein geeinigtes Afghanistan ohne Warlords und Korruption herstellen wie dies Maos KP China damals mittels des Kommunismus auch tat und auch die chinesischen Warlords, Korruption, westlich-imperialistische urbane Dekadenz und Minderheitenseperatismus ausrottete und auch China von Bürgerkriegen und imperialistischer Herrschaft befreite. Mao versprach zudem eine Neue Demokratie, wie nun die Taliban sich auch offiziell gemässtigter geben, aber dann kam die Hundert- Blumenbewegung, die Anti-Rechtskampagne, der Grosse Sprung nach vorne, die Kulturrevolution gegen die capitalist roader Deng Xiaoping und Liu Shaoqi, bevor nach all dem China sich mittels der Öffnungspolitik und den 4 Moderniserungen, die die fünfte Modernisierung einer Demokratie ausschloss. zu einem ökonomisch starken und geeingten Land wurde. Möglicherweise durchleben die Taliban und ihre verschiedenen Fraktionen eine ähnliche Zukunft, wenn zwischen Talibanführern, die eher eine mittelalterliche feudalistische Gesellschaft ohne ausländische ökonomische Invasion und Kulturimport wollen und vieleicht mehr moderateren Taliban- Dengs Richtungsstreitereien und Kämpfe ausbrechen. Und die KP China war allemal zentralistisischer organisiert und materialistischer denkend als dies die Taliban sind.

Aber scheinbar glaubt China da viele Parallelen zwischen seinem eigenen Totalitarismus und dem der Taliban zu erkennen, dies vielleicht mittels des interkulturellen Dialogs und dem Angebot gegen den Westen gemeinsam zu sein zu vermitteln, wie schon Samule Huntington ein Zusammenwachsen des konfuzianischen und islamischen Kulturkrieisesin seinem Clash of Civilizations/ Kampf der Kulturen prophezeite. Aber ob das neue Talibanregime so stabil sein wird und einen Neubeginn nach dem Krieg herstellen kann mit seinem Steinzeitislamismus , ob es seinen Islamismus moderiert , bleibt da eben die Frage. Dieselben Verprechungen machte Mao ja auch 1949 bezüglich des Kommunismus und bis zu Deng brauchte es 30 Jahre. Und auch Erdogan-Türkei, Pakistan und Katar werden versuchen, die Talban auf eine gemäßigtere islamistische Position in Richtung der AKP oder der Muslimbruderschaft für eine neue Ummah zu bringen. Saudiarabien, das Pakistan gesponsert hat, und die Maddrassas, die die afghanischen Talibs geschaffen haben, werden auch versuchen, sie in die Richtung von Muhammed Bin Salmans neowahabistischer Version einer Vision 2035 zu bringen. Es bleibt abzuwarten, ob dies alles funktioniert.

Eine weitere ausgefallene Geschichte der Trumpisten ist, dass Trump mehrere Talibs aus Guantanamo und Pakistan befreite und mit Khalizaid Barada an die Spitze der Taliban brachte, der angeblich ein moderater Taliban-Deng sei und dann den Trump-Deal mit Erfolg gekrönnt hätte, wäre da Biden nicht gekommen. Dies macht Trump zu einem genialen langfristigen strategischen Denker, während andere behaupten, er sei ein spontanistischer Idiot. Diese Trumppropagnada ist jedoch auch fraglich und wir werden sehen, wie sich die Beziehungen zwischen Baradar und Achundsada und anderen Taliban-Führern entwickeln werden.

https://m.economictimes.com/news/defence/afghanistan-why-there-was-no-northern-alliance-2-0-this-time/articleshow/85393174.cms

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