Deutschland und Russland sind sich beim Gipfeltreffen nicht nähergekommen

Deutschland und Russland sind sich beim Gipfeltreffen nicht nähergekommen

Autor: Dr. Alexander Rahr

Merkel hat im Kreml einen Spagat vorgeführt. Sie hat einerseits die Menschenrechtslage in Russland angesprochen. Anderseits hat sie neue strategische Felder der Zusammenarbeit mit Russland aufgetan: Afghanistan, Nahost und Klima/Umwelt. Die Russen waren verwirrt: wenn Merkel eine konstruktive Zusammenarbeit mit Russland will, warum spricht sie dann im Kreml mehr über Nawalny als über Afghanistan. Und Putin schlug sofort zurück: Er verbat sich jegliche Einmischung in die inneren Angelegenheiten Russlands, aber auch von Belarus, und er griff den Westen wegen dessen Politik des Regime Change in der arabischen Welt an. In Deutschland wurde Merkel andersherum kritisiert: sie hätte Putin noch stärker in Menschenrechtsfragen unter Druck setzen sollen.

Deutschland und Russland sind sich beim Gipfeltreffen nicht nähergekommen. Für Deutschland liegt die Priorität der Russlandpolitik bei Menschenrechtsfragen. Deutschland will mit einem autoritären Russland keine strategische Partnerschaft eingehen. Merkel hofft auf einen politischen Wandel in Russland zu mehr Demokratie. Russland dagegen hofft darauf, dass die deutsche Politik von der einseitigen Orientierung auf Werteaspekte zu einer Politik zurückkehrt, die sich vermehrt nach Interessen richtet.

Gehen wir die einzelnen Konfliktpunkte einmal durch:

Nawalny. Merkels Wut über die Verurteilung des Kremlkritikers ist verständlich. Deutschland geht von einer Vergiftung Nawalnys durch staatliche russische Stellen aus. Bloß: Forderungen an Putin, er solle die Gerichte anweisen, Nawalny freizusprechen, führen ins Leere. Russland fordert von Deutschland Respekt für seinen Rechtsstaat. Merkel sollte sich an den Fall Chodorkowski erinnern. Jahrelang übten westliche Staatschefs Druck auf Putin aus, er möge Chodorkowski freilassen. Die Forderungen wurden überhört, bis Ex-Außenminister Genscher in seiner Geheimdiplomatie Putin um eine formelle Amnestierung des ehemaligen Oligarchen bat. Genscher hatte damit Erfolg.

Afghanistan. Merkel hätte hier stärker auf Russland eingehen müssen. Nicht Pakistan, sondern Russland ist der neue Stabilitätsanker in der Nachbarschaft Afghanistans nach dem Abzug der NATO. Deutschland hätte eine Sicherheitspartnerschaft zwischen NATO und der Organisation des kollektiven Sicherheitsvertrages (der GUS Staaten) sowie der Schanghai Organisation für Zusammenarbeit anvisieren müssen. Russlands Verbündete, die Länder Zentralasiens, werden künftig die Hauptrolle bei der Eindämmung des Islamismus und Flüchtlingsströme in bzw. aus Afghanistan spielen. Deutschland muss jetzt die Führung bei der strategischen Annäherung der EU an die Eurasische Union übernehmen. Doch Merkel zögert, überlässt diese Aufgabe ihrem Nachfolger.

Ukraine. Merkel fuhr nach Moskau, um das Minsker Abkommen zur Ostukraine zu retten. Außerdem wollte sie von Putin bestätigt bekommen, dass Russland seine Gaslieferungen nach Westen weiterhin durch die Ukraine leiten wird. Doch wie man die Sache auch dreht, bei der Erfüllung des Minsker Abkommens ist die Ukraine in der Bringschuld. Sie muss, so steht es in der Steinmeier-Formel, dem abtrünnigen Donbass eine Autonomie gewähren. Kiew hat sich dazu verpflichtet, will diese Verpflichtung aber jetzt nicht mehr wahrnehmen. Die Ukraine hofft, dass Deutschland und die USA ihr helfen, die Krim und den Donbass von Russland zurückzubekommen, wenn nötig mit Gewalt. Das ist realitätsfremd.

Nord Stream II. Die umstrittene Pipeline wird fertiggestellt, noch vor den Bundestagswahlen. Jede neue Bundesregierung wird mit diesem Faktum konfrontiert sein. Die andere Frage wird sein, wieviel Erdgas letztendlich durch diese Pipeline fließen darf. Hier ist Streit vorprogrammiert. Was den Transit durch die Ukraine angeht, so wird dieser bestehen bleiben, allerdings müssen sich Moskau und Kiew über Mengen, Dauer und Preis des Gastransits in bilateralen Verhandlungen einigen. Die Nord Stream 2 Pipeline war in den letzten Jahren zu einem Symbol für oder gegen die europäische Energieallianz mit Russland geworden. Wäre sie von den USA noch gestoppt worden, wäre auch der 50 Jahre andauernde Energiedialog zwischen Berlin und Moskau kaputt gewesen.

Belarus. Putin hat Merkel vor einer westlichen Einmischung und einer Regime Change Politik gewarnt. An ein Zusammenwirken Moskaus und Berlins ist nicht zu denken, solange im Kreml das Gefühl vorherrscht, der Westen wolle geopolitisch Belarus – wie seinerzeit die Ukraine – von Russland wegreißen. Die EU kann in Belarus wenig ausrichten, denn wirtschaftlich hängt Belarus an Moskau. Belarus ist auch Mitglied des von Russland geführten Militärbündnisses der eurasischer Staaten. Russland würde nicht zögern, in Belarus militärisch einzugreifen. Eine gemeinsame Lösung liegt nicht in der Konfrontation, nicht in der Forcierung der anti-russischen „östlichen Partnerschaft“, sondern in einer Annäherung zwischen EU und der Eurasischen Wirtschaftsunion. Das wäre der bessere Weg.

Nun fährt Merkel weiter in die Ukraine, auch dort muss sie einen Spagat vollbringen. Sie wird sich öffentlich nicht gegen die Ukraine stellen, um nicht den Eindruck zu erwecken, sie spiele auf der Seite Russlands. Andererseits muss sie der Kiewer Führung klarmachen, dass eine Kompensation der Ukraine für die Nord Stream 2 nicht bedeutet, dass Deutschland die Ukraine alimentiert. Die Ukraine wird von Merkel das Angebot erhalten, mit der EU einen „green deal“ abzuschließen. Statt weiter von russischen Gaslieferungen abhängig sein, sollte sich die ukrainische Wirtschaft modernisieren und auf grüne Technologien umsatteln. Deutschland würde dabei alle erdenkliche Unterstützung bieten.

Kommentar von Global Review: Interessant,wie das Treffen in den deutschen Medien wahrgenommen und flankiert wird. BILD redet von einer Bankrotterklärung einer “lahmen Ente“Merkel und wünscht sich scheinbar als neuen Bundeskanzler einen richtigen Falken. BILD, Focus und Münchner Merkur haben sich im Verbund zwar zu einer Kampagne gegen die Grünen und Baerbock zusammengeschlossen, wobei sie sich heuchlerisch von ihrem eigenen Tun distanzieren, indem sie nur Putin und die AfD dahinter sehen wollen . Wenn also die Grünen und Barbock nicht gewählt werden, dann lag dies nicht an ihnen oder den Fehlern der Grünen, sondern an Putin wie schon Hillary Clinton nicht an ihrer eigenen Politik und Trump, Fox News und Breitbart News von Steve Bannon scheiterte, sondern an Putin .Doch die harte LInie der Grünen und Baerbocks gegen Russland und China findet da doch Zustimmung und ein Robert Habeck mit Stahlhelm an der Ostfront in der Ukraine und Forderungen nach Waffenlieferungen an die Ukraine ist dann doch wieder ganz nach dem Geschmack dieser Sorte Qualitätsjournalismus. Aber dafür gibt es noch den Röttgen von der CDU und der wäre für diese Kreise wohl der passende Aussenminister und dazu braucht man die Grünen nicht, es sei denn als propgandistischen Katalysator. Gleichzeitig werden Berichte über angeblich russische Schallangriffe auf US-Beamte, die“schlimmer als der Mord im Tiergarten“seien kolportiert. Da zwei US-Botschaftsangestellte Kopfschmerzen haben, sei dies auf eine russische Geheimwaffe zurückzuführen. Wie heisst es in der Toyotawerbung: Alles ist möglich. Aber genauso auch, dass dies auch andere Ursachen hat und sei es auch nur nachhaltigerer Whiskeykonsum in der US-Botschaft. Und wie man BILD kennt, würde, wenn ein russischer Botschafter Flatulenzen hätte, dies auch noch als heimtückisch kombinierter C-und Schallwaffenangriff skandalsiert. Der SPIEGEL wiederum hat gegenüber diesen Berichten deutliche Skepsis. Zugleich wurde von BILD und ZEIT behauptet,dass Putin Deutschland das Gas abdrehen wolle und die Deutschen im Winter frieren werden. Die USA haben parallel dazu kleinere Sanktionen gegen Northstream 2 beschlossen. Überraschenderweise veröffentlichte der angeblich von der Aussenwelt in Isolierhaft völlig abgeschnittene Nawalny einen Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), in der er die Korruption des Putin-Regimes anprangerte, die den Staat schon so funktionsunfähig machte, dass dieser nicht einmal seine Vergiftung und Ermordung effektiv bewerkstelligen könne. Quod est demonstrandum.

Merkel stand da enorm unter Druck und Dr.Rahr weist auf den Spagat hin und bringt auch einmal die russische Sichtweise ins Spiel. Der Hinweis,den Fall Nawalny diskreter im Stile Genschers Geheimdiplomatie zu behandeln und Afghanistan und den Greater Middle East zum Schwerpunkt zu machen,ist durchaus berechtigt, zumal Rahr ja federführend damals die Verhandlungen zwischen Genscher und Putin vermittelte und dadurch die Freilassung Chodorkowskys ermöglichte. Will man die Freilassung Nawalnys erreichen oder diesen nur benutzen, um Putin immer wieder vorführen zu können? Merkel hätte bei ihrem Putinbesuch Afghanistan zur Chefsache machen sollen. Die Russen wissen gerade auch nicht,ob Taliban, Pufferzone mit einer möglichen Nordallianz, Abschottung der Grenzen im Verbund mit Tadschikistan ,erhöhte Truppenentsendungen zur Grenzzicherung und Islamismusbekämpfung innerhalb der SCO, zumal Russland wesentlich höhere Muslimanteile in seiner Föderation hat als China mit dem kleinen Xinjiang und inwieweit die Taliban ein Beitrag zu ihrem Eurasienkonzept und einer neuen multipolaren Weltordnung sein können. Natürlich hätte man keine klare Positionierung von Putin erwarten können,aber mal Optionen ausloten und diese als Message zu Biden zurückmelden können. Aber da der Westen und die USA in Schockstarre sind, von Umfragen getrieben, keine weiteren Engagements eingehen wollen, nicht strategisch denken und lieber über taktische und humane Fragen der Evakuierung reden,sich also provinziell gebärden,wird wahrscheinlich das Windows of opportunity für eine Nordallianz verstreichen und die Taliban auch noch den Norden ganz erobern und Fakten schaffen.

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