Interview mit Prof. Van Ess zum 100ten Jahrestag der Gründung der KP China: “ Insofern glaube ich, dass auch das 2049- Ziel für China erreichbar ist“
Global Review hatte die Ehre, ein Interview mit Prof. Dr.van Ess, Sinologe und Präsident der Max Weber Stiftung, über China, die KP Chinas und ihre Beziehung zum Kommunismus und Marxismus-Leninismus und themenverwandten Fragen, einschließlich Ökologie zu führen.
Global Review: Prof. van Ess,die KP China feiert ihr 100 jähriges Gründungsjubiläum , aber wie kam eigentlich der Marxismus nach China? Gab es vor der Oktoberrevolution in Russland schon unter der ausländischen Manchu- Qing- Regierung neben den Nationalisten Sun Yatsens Intellektuellenzirkel, die Marx studiert hatten, mit der weltweiten kommunistischen Bewegung im Ausland in Kontakt standen, eigene Vordenker hatten oder eher Nachbeter waren und inwieweit war die Kommunistische Internationale hier konstituierend? War der Marxismus in China mehr ein Import oder ist er als Gegenreaktion auf die feudalistische und monarchisch-dynastische Qing-Herrschaft und der sozialen und politischen Widersprüche im Land gewachsen?Wer waren eigentlich die Gründungsväter der KP China 1921 in Shanghai und woher kamen sie und hatten sie alle dieselbe Vorstellung von Marxismus und Kommunismus?
Professor van Ess: Karl Marx wurde über den Umweg japanischer Übersetzungen schon vor der Gründung der KP in China rezipiert. In Japan setzte nach den Meiji-Reformen, die 1868 begannen, eine intensive Beschäftigung mit deutscher Philosophie ein. In China verzögerte sich eine Rezeption, weil man lange auf Reformen aus der Kraft des eigenen Denkens setzte, aber ab den 1890er Jahren begannen die japanischen Übersetzungen westlicher Philosophieklassiker Spuren auch im chinesischen Denken zu hinterlassen. Das verstärkte sich nach der gescheiterten 100-Tage-Reform des Jahres 1898, nachdem zahlreiche junge Intellektuelle das Land verlassen mussten und nach Japan flohen. Diese Bewegung verstärkte sich dadurch, dass in der Folgezeit viele Studenten auch ohne Verfolgung zum Auslandsstudium nach Japan gingen, bald aber auch nach Europa oder in die USA: Gleichzeitig gab es eine Reihe traditionell gebildeter Intellektueller, die sich für die europäischen Denkströmungen zu interessieren begannen und diese in traditionell chinesisches Gedankengut integrierten. Ein gutes Beispiel dafür ist der Intellektuelle Zhang Taiyan (auch Zhang Binglin, 1869-1936), der schon um die Jahrhundertwende russische Anarchisten studierte.
Wichtige Gründungsmitglieder der kommunistischen Partei hatten in der zweiten Dekade des zwanzigsten Jahrhunderts mit verschiedenen westlichen Gedankenmodellen experimentiert. Auch das amerikanische Vorbild war für sie sehr wichtig. Die beiden bedeutendsten Namen sind wohl Chen Duxiu und Li Dazhao, die beide zwischen 1910 und 1920 Zeitschriften herausgaben, deren Rolle in keiner Weise auf den Marxismus beschränkt waren. Gemeinsam war ihnen der Wille, nach dem Zusammenbruch des chinesischen Kaiserreichs zu neuen Ufern aufzubrechen. Es waren Plattformen für literarische, politische und intellektuelle Überlegungen, denen gemeinsam war, dass sie von der chinesischen Tradition wegwollten (Zeitschriften konservativeren Zuschnitts gab es natürlich auch, die waren aber nicht im selben Maß bedeutend). Da standen erst einmal viele Wege zur Verfügung.
Die Oktoberrevolution und dann vor allem die Vierte -Mai-Demonstrationen von 1919, die sich daran entzündeten, dass die Siegermächte von Versailles die deutsche Kolonie in Shandong nicht an China zurückgaben, sondern den Japanern überantworteten, hatten einen wichtigen Anteil daran, dass sich Teile dieser Modernisierungsbewegung radikalisierten und sich einer kommunistischen Weltrevolution anschließen wollten. Ihre weltanschaulichen Ansichten divergierten allerdings zu diesem Zeitpunkt noch erheblich. Die Ausrichtung an der Kommunistischen Internationale und an Russland führte allerdings in den zwanziger Jahren dazu, dass Mao Zedong für einen längeren Zeitraum in der KP nicht die Hauptrolle spielte, denn er scheint die Anlehnung an Russland zunächst abgelehnt zu haben, bevor er später zu einem Anhänger Stalins wurde.
Global Review: Anfangs hatte der später unterhinterfragbare Mao ja kaum Unterstützung in der KP China oder von Stalin. Wie kam es dazu, dass sich die KP China nach dem Shanghai- Massaker 1927 immer mehr zu einer Mao-Partei entwickelte? Was unterschied Mao von den anderen Kommunisten, Trotzki und Stalin? War es die Orientierung auf die Bauernklasse und den Guerillakrieg im Gegensatz zu den klassisch kommunistischen Vorstellungen von einer urbanen Arbeiterrevolution?
Professor van Ess: China war ein Agrarland (und ist es bis in die neunziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts geblieben, mit 80% der Bevölkerung auf dem Land). Die einzige echte Industriestadt, die es gab, war das im Grunde von Ausländern aufgebaute Shanghai, vielleicht noch Tianjin und Wuhan, in denen ebenfalls Vertreter von Kolonialmächten saßen. In Shanghai lebten Intellektuelle, die eine andere Sicht auf die Welt hatten als der Rest Chinas. Mao Zedong kam aus Hunan. Dies war unter der Qing-Regierung neben dem unteren Yangze-Tal die wirtschaftlich prosperierendste Region gewesen. Sie war aber abgelegen und wurde langsam abgehängt, was dem Selbstbewusstsein der dortigen Elite, die auch darauf stolz sein konnte, zahlreiche wichtige Persönlichkeiten der Geistesgeschichte der späteren Kaiserzeit hervorgebracht zu haben, sicherlich abträglich war und sie empfänglich machte für die Ideen von jemandem, der versprach, den Bedeutungsverlust aufzuhalten. Das führte dazu, dass die KP in Hunan eine der größten KP-Zellen in China wurde. Auf diese konnte sich Mao stützen. Eigentlich war übrigens zunächst gar nicht so klar, dass es sich um KP-Zellen handelte, denn die kleine kommunistische Partei hatte sich – auch auf Rat der Komintern – dazu entschlossen, mit der Guomindang eine Einheitsfront zu bilden, in der die Idee des Sozialismus nur eine untergeordnete Rolle spielte.
Mao kam eher aus einer Großbauernfamilie, hat aber später das „groß“ dabei immer weggelassen, weil er stolz auf seinen Draht zum einfachen Volk war. Und in gewisser Weise ist sein Denken dem bäuerlichen tatsächlich verwandt geblieben, auch wenn er natürlich ein studierter Intellektueller war, der zunächst als Bibliothekar an der Universität gearbeitet hat. Mit der urbanen Arbeiterrevolution konnte er sicherlich wenig anfangen. Die wäre in China auch nicht durchzuführen gewesen. Wichtig dürfte tatsächlich gewesen sein, dass er sich gegen die intellektuellen städtischen Eliten in seiner Partei durchsetzen konnte, nachdem Chiang Kai-shek die kommunistischen Strukturen in Shanghai zerschlagen hatte. Er selbst war ja nur sporadisch dort gewesen. Danach gewann Hunan für die KP ganz natürlich an Gewicht.
Global Review: Wie oft stand die KP China vor dem Machtverlust oder dem Scheitern? Shanghai-Massaker, Langer Marsch als Ausbruchsversuch und Flucht vor Chiang Kai-scheks Umkreisungsstrategie, Einmarsch der Japaner, innere Machtkämpfe und Hungersnöte und Chaos nach der Machtergreifung samt Großen Sprung nach vorne und Kulturrevolution -. warum überlebte die KP China und versank China nicht im Bürgerkrieg oder kam es zu einem regime change? In der offiziellen Version der KP China in der Global Times und der Xi-Rede wird dies dadurch erklärt, dass die KP China immer einen harten Führungskern hatte, der alle Krisen überwand und überwinden wird. Aber war gerade nicht dieser dogmatische Führungskern gerade die Ursache, dass solche fatalen Fehler gemacht wurden, die über ein bis zwei Jahrzehnte Zerstörung erst korrigiert wurden und nachdem Deng dies korrigierte, nun unter Xis Umgestaltung der kollektiven Parteidiktatur in eine potentiell lebenslange Ein-Manndiktatur nun wieder zu dieser eisernen Personenführung zurückkehrt, die die Expansion Chinas und den Aufstieg zur Weltmacht vor den USA sichern soll?
Professor van Ess: Die genannten Faktoren wie Shanghai-Massaker oder Langer Marsch waren einerseits eine Bedrohung, haben aber andererseits auch geholfen, weil sich Unzufriedene hinter Mao scharten und Konkurrenten aufgeben mussten. Die Guomindang musste aus Shanghai nach Chongqing fliehen, wo es auch etwas Industrie gab, war aber damit praktisch genauso auf das Hinterland angewiesen wie die KP. Nach dem langen Marsch setzte sich die KP im Nordwesten Chinas fest, einer Hinterlandregion, die militärisch schwer zu erreichen war. Traditionell sagt man in China seit zweitausend Jahren, dass das Land nur vom Nordwesten aus zu erobern ist, und vielleicht hat sich Mao daran gehalten. Der kannte ja die alten Geschichtswerke sehr gut. Randnotizen mit seiner Handschrift in den Texten, die er las, beweisen das. Ein wichtiger Faktor war die Niederlage der Japaner, nach der er das Rennen um die zurückgelassenen japanischen Waffen in der Mandschurei machte. Sonst wäre die Sache möglicherweise ganz anders ausgegangen. Man sagt auch immer, dass das Guomindang-Regime so korrupt gewesen sei, dass er die Herzen der Bevölkerung gewann. Das mag allerdings nachträgliche Propaganda sein. Es ist anhand der einsehbaren Quellen so leicht nicht zu verifizieren, auch wenn seine Zusammenarbeit mit Triadenbossen in Shanghai legendär ist.
Der Führungskern ist erst nach dem Sieg der KP 1949 wirklich wichtig geworden. Und die Führung war natürlich durchaus nicht immer einig. Mao warf nach dem Tod Stalins die sowjetischen Helfer aus dem Land, weil er mit dem Chruschtschowschen „Gulaschkommunismus“ nichts anfangen konnte. Die UdSSR hatte ja bereits einen gewaltigen Industrialisierungsschub hinter sich und galt damals als eine aufstrebende Industriemacht, genauso wie ja auch Nordkorea in den siebziger Jahren dem Süden noch überlegen war. Das haben wir alles verdrängt. Mao wollte auch seine Industrialisierung haben dürfen, und deshalb kam es zum Großen Sprung nach vorn. Wie die Kräfteverhältnisse in der KP damals waren, ist nicht leicht auszumachen, aber auf jeden Fall wurde Mao nach der großen Hungersnot aus allen wichtigen Staatsämtern gedrängt – nicht allerdings aus seinem wichtigsten Parteiamt, in dem er die Macht verteidigte. Der Führungskern um Liu Shaoqi versuchte, China in Chruschtschow-Manier auf einen rationaleren Kurs zurückzuführen. Die Kulturrevolution war ein Mittel, mit dem sich Mao gegen die anderen Führungsmitglieder an die Macht zurückputschte, was natürlich zu massiven Verwerfungen innerhalb der Partei führte, an denen das Land bis weit ins neue Millenium hinein laborierte. Die Herrschaft von Deng Xiaoping begann bekanntermaßen mit einer Säuberungsaktion gegen die Anführer der Kulturrevolution, und recht früh forderte er die Intellektuellen zur Kritik an der Kulturrevolution auf – wobei man natürlich nicht die KP als solche kritisieren sollte. Die Literatur der achtziger Jahre ist voll von Kritik an der Kulturrevolution. Das Thema wurde erst nach dem Tian’an men-Massaker wieder stärker tabuisiert.
Den Erfolg der Xi-Politik erkläre ich mir auch daraus, dass die Kulturrevolutionswunden nicht mehr so offen sind wie noch vor zwanzig Jahren und man deshalb mit dem Führer- und vor allem Einheitskult leichter spielen kann als früher. In wieweit es sich hier um eine lebenslange Einmanndiktatur handelt, wage ich nicht zu beurteilen. Zunächst einmal hat die Partei Xi die Möglichkeit zu einer dritten Amtszeit verschafft, die er in erster Linie deshalb haben wollte, damit die innerparteilichen Feinde, die er sich gemacht hat, seinen Kurs nicht anhalten und ihn nicht beseitigen können.
Global Review: Inwieweit würden sie Xi-China als neototalitäres System sehen? Ist es, was zwischen der KP China und dem Westen tobt ein systemischer Kampf ? Kai Strittmatter schreiben seinem Buch „Die Wiederentdeckung der Diktatur“, dass China unter Xi eine Art Mischung zwischen Orwells 1984 wegen der massiven Überwachung und Unterdrückung infolge des sozialen Kreditsystems und Aldous Huxleys Brave New World in Sachen Konsumtrottelei sei. Also schon eine modernisierter Neototalitarismus, der nicht zu Maos Kasernenhofkommunismus zurückgeht, sondern sich auch Elementen sozialer Internalisierung bedient, auch anders als Nordkorea, das eher ein klassischer Totalitarismus ist. Wie Sie das, zumal ja die meisten Sinologen sich nicht einmal trauen von China als Diktatur zu sprechen, sondern lieber verharmlosend von einem autoritären System?
Professor van Ess: Natürlich ist China eine Diktatur! Die Diktatur des Proletariats steht ja schon in der Präambel der chinesischen Verfassung. Daran kann man gar nicht zweifeln, sonst würde man die Grundfesten des chinesischen Staates anzweifeln. Ich glaube, dass die KP China unter Xi Jinping die Zügel massiv angezogen hat und dass dies zusätzlich zur Selbstbeschreibung der VR China zu einer Reihe von Phänomenen führt, die über das hinausgehen, was westliche Politologen so feinsinnig als autoritäres Regieren bezeichnen – aber das ist akademische Spitzfindigkeit. Anweisungen, bestimmte Themen in universitären Doktorarbeiten nicht zu behandeln, gehören für mich zu diktatorischen Allüren; und das gibt es in China wirklich, auch, dass man missliebige Personen ins Gefängnis steckt. Jede Diktatur braucht dieses Mittel, auch die des Proletariats, sonst würde sie ihre eigenen Ziele infragestellen. Nordkorea allerdings würde ich von China doch schon unterscheiden wollen. Das ist nach allem, was ich dort – vor langer Zeit – gesehen habe, eine völlig andere Dimension der Abschottung gegen Einflüsse von außen, und um die geht es ja maßgeblich, wenn wir von Diktatur reden. Die Leute sollen das glauben, was zu Hause gesagt wird, nicht das, was andere draußen behaupten.
Die Xi-Politik ist ganz klar eine Reaktion auf die Unzufriedenheit in großen Teilen der chinesischen Bevölkerung mit dem sozialen Auseinanderdriften der chinesischen Gesellschaft unter Hu Jintao (2002-2012). Ich beobachte mit einiger Verwunderung wie diese Hu Jintao-Jahre bei westlichen Journalisten und anderen Beobachtern immer wieder quasi als „goldenes Zeitalter“ glorifiziert werden. Das verkennt total, dass eine Bevölkerung, von der große Teile zuvor zu den Idealen von sozialistischer Gleichheit (was niemals geheißen hat, dass alle vollständig gleich sind) erzogen worden ist, in dieser Zeit plötzlich feststellte, dass das Ideal der Gleichheit in China nichts mehr zählte. Wir sehen als Ausländer zumeist die Schokoladenseite, ein China, in dem viele reicher geworden sind, und das Regime deshalb stützen. Aber wer die offiziellen Parteiverlautbarungen der ersten Dekade des Milleniums auch nur ansatzweise studiert hat, musste bemerken, dass es in der KP ein wachsendes Unwohlsein mit den Entwicklungen im eigenen Land gab. Die überall grassierende Prostitution, mit der, wenn ich das richtig sehe, Xi in großem Maßstab aufgeräumt hat, ist da nur ein Beispiel. Die chinesische Akzeptanz für das, was Sie als „Neototalitarismus“ bezeichnen, ist übrigens nicht so viel anderes als in Ländern des ehemaligen europäischen Ostblocks, wo der große Enthusiasmus für viele Ausprägungen der neueren Entwicklung der westlichen Demokratie ebenfalls abgeflaut zu sein scheint (vermutlich geht diese Skepsis bis nach Weißrussland, auch wenn das in Deutschland natürlich niemand wahrhaben möchte). Die Reaktionen auf die zügige Einführung von immer mehr Veränderungen eines alten Systems gesellschaftlichen Zusammenlebens sind im Detail unterschiedlich, aber im Großen und Ganzen ähnlich.
Die „Konsumtrottelei“ haben wir im Westen natürlich auch. Wir – oder vielmehr die USA – sind sogar eigentlich das Vorbild für die schöne neue Welt. Aber wir bringen anderen Gesellschaften auch noch eine ganze Reihe anderer Neuerungen des Lebens, die in traditionelleren Gesellschaften (und die chinesische ist eine solche), ja sogar in modernen wie der französischen, durchaus über Sprengkraft verfügen. „Political Correctness“ und die dahinterliegenden ideologischen Prämissen sind selbstverständlich ein gewaltiger Spaltpilz, den man dort nicht so leicht propagieren kann. Sie stärken die Herrschenden in anderen Systemen, weil diese sich das Argument des gesunden Menschenverstands zunutze machen können.
Das chinesische System der Sozialanrechnungspunkte ähnelt in seinen Grundzügen erst einmal der deutschen Schufa. Es hat in erster Linie etwas mit Finanzen zu tun und erst in zweiter mit dem, was bei uns durch die Presse geistert. Ich erinnere mich noch gut daran, auf welch massiven Widerstand die vollständige Elektronisierung der Schufa in meinen Studentenkreisen (mich selbst natürlich eingeschlossen) in den 80er Jahren stieß. Der Bürger werde durchleuchtet, er müsse sich vor den Vermietern finanziell ausziehen etc. Das ist dann relativ schnell abgeflaut. In China gibt es eine Schufa bisher nicht. Und das System stößt deshalb auf einige Akzeptanz (zumindest bisher), weil viele Chinesen damit Bekanntschaft gemacht haben, dass solche Lücken in einer modernen Gesellschaft eben nicht nur ein heimeliges Gefühl schaffen, sondern manchmal auch massiv ärgerlich sind, denn Vergehen können oftmals nicht geahndet werden, weil die Rechtsgrundlage und die Transparenz fehlen. Das Sozialanrechnungspunktesystem wird erst einmal von vielen als positiv angesehen, weil es mehr Sicherheit verspricht – und das ist in China ein extrem wichtiges Argument. Dass gleichzeitig jede Menge Überwachungsmechanismen mit eingeführt werden, ist unbenommen.
Ich will nichts verharmlosen (und ich bin selbstverständlich durchaus nicht begeistert, wenn alles, was ich tue gefilmt wird oder jede finanzielle Transaktion sichtbar ist, wobei wir uns über diese Themen im Westen natürlich bei uns zu Hause viel zu oft Illusionen machen), und ich gestehe, dass mir nach zwei Jahren China-Abstinenz auch ein wenig die Kompetenz fehlt, um zu sehen, wie sich dieses System im Moment auf das Alltagsleben des Einzelnen in China wirklich auswirkt. So etwas kann man nämlich von außen sehr schwer beurteilen, weil man von Deutschland aus kaum ungefilterte Informationen über China hat. Es gibt Chinesen, die eine neue Kulturrevolution heraufziehen sehen und sich in ihrem Land unwohl fühlen, und es gibt andere, die meinen, dass all diese Maßnahmen zur weiteren Stärkung beitragen und notwendig sind, damit das Land im Konkurrenzkampf mit den USA bestehen kann. Wie die Kräfte verteilt sind, kann ich nicht sagen.
Tatsächlich denke ich, dass die ganze Situation und die ideologische Politik von Xi Jinping ohne diesen Konkurrenzkampf zwischen China und den USA unverständlich bleiben muss. Zu ihm ist es dadurch gekommen, dass in den USA – schon unter Obama und jenseits von Trump, aber durch ihn stark beflügelt – ein Umdenken hinsichtlich China stattgefunden hat. Lange hat man im Westen, besonders aber in Amerika, gedacht, dass China sich irgendwann anpassen und das europäisch-amerikanische politische System übernehmen und ein normaler Partner werden würde, der sich irgendwie eingliedert (auf einem ehrenvollen zweiten Platz natürlich). Nun wacht man auf und stellt fest, dass dies nicht der Fall ist. Deshalb haben die USA die Strategie geändert. Das erste Mal, dass China in den USA massiv Geld verloren hat (so wie der deutsche Sparer), war in der Finanzkrise 2008/09, als Unternehmen plötzlich quasi verstaatlicht und entschuldet wurden, bei denen chinesische Unternehmen und zum Teil wohl dahinter auch der chinesische Staat die Hauptgläubiger waren. Das war ein Warnschuss, den wir nicht vergessen dürfen. Die Finanzkrise hat auch in Europa das Vertrauen in die USA als Führungsmacht massiv erschüttert, gleichzeitig aber auch die Euroskepsis verstärkt. Die USA versuchen ihre Rolle im Moment zurückzugewinnen und kämpfen mit harten Bandagen darum. In der KP ist dadurch ein Bedrohungsgefühl entstanden, das in den Augen ihrer Führung viele Mittel rechtfertigt.
Ich habe in der Tat viele Chinesen gehört, die sehr deutlich gesagt haben, dass die westliche Demokratie kein besonders gutes Bild abgibt und dass man sich deshalb die Frage stellen müsse, ob das chinesische Modell nicht besser sei. Unser eigenes Modell hat seit dem Beginn des Milleniums eine ganze Reihe von Kratzern abbekommen. Am Ende glaube ich, dass viele chinesische Intellektuelle dennoch lieber in den USA als in China leben würden, wenn man ihnen dort gute Konditionen böte (was nicht immer der Fall ist), aber ganz so eindeutig, wie das Sigmar Gabriel neulich für die Atlantikbrücke behauptete, ist diese Sachlage nicht, besonders wenn man sich ins Gedächtnis ruft, dass die Welt nicht nur aus Bleichgesichtern mit runden Augen besteht.
Global Review: Inwieweit nimmt die KP China bei ihrer Hinwendung zu einem Neototalitarismus auch ideologische Anleihen an den historischen Materialismus, wonach die Geschichtsentwicklung automatisch den Sieg der KP bringen werde? Ähnlich wie dies westlicherseits durch Fukuyama mit seiner endzeitlichen Schrift „Das Ende der Geschichte „auf Basis eines historischen Materialismus einer sich globalisierenden weltweiten Mittelklasse, die kosmopolitisch und demokratisch sei, den Endsieg der liberalen Demokratie und des Kapitalismus bringen werde, was sich auch nicht erfüllte. Und inwieweit könnte man die gegenwärtige Geschichtsschreibung der KP China unter Xi als Reaktion auf solche westliche Heilslehren von Neoliberalismus, Liberalismus und seinen angeblichen Endsieg in der Weltgeschichte sehen, zumal die KP China wohl auch die Entwicklungen in der Sowjetunion und Jugoslawien auf dem Radar gehabt haben dürfte?
Professor van Ess: Der historische Materialismus ist natürlich nach wie vor Grundvoraussetzung für die politische Legitimation in China, denn im Sozialismus gilt er als wissenschaftlich gesicherte Doktrin. Dafür braucht es gar keinen Fukuyama. Natürlich hat der Zerfall der Sowjetunion und Jugoslawiens, an dessen Wirtschaftsreformen sich die KP ja lange orientiert hat und mit dem eine enge Freundschaft bestand, die KP-Führung zusammengeschweißt. Der Verweis auf das Schicksal der Sowjetunion, die Harvard-Professoren Glauben geschenkt hat und dann in den neunziger Jahren zehn bittere Jahre durchmachen musste, hat natürlich auch dazu beigetragen, dass die VR China anders als der europäische Ostblock nicht zusammengebrochen ist. Das Versagen dieses Liberalisierungsmodells war einfach zu offensichtlich. Ewig kann die KP aber davon natürlich niemand profitieren. Man muss sich etwas Neues einfallen lassen.
Die chinesische Geschichtsschreibung der letzten siebzig Jahre ist immer teleologisch gewesen. Ein Fortschrittsideal durchzieht alles, was an thematisch übergreifender Geschichtsliteratur auf den Markt kommt. Interessanterweise ist das natürlich auch bei uns der Fall. Den Gedanken, dass es keinen echten Fortschritt gibt, sondern dass man sich mit einem gesellschaftlichen Fortschritt fast immer auch einen Nachteil auf der anderen Seite einhandelt, kann man auch hier kaum mehr äußern. Es geht ja auch bei uns ständig um das „was wir alles schon erreicht haben“, und wo wir noch viel weiterkommen wollen. Insofern sind Marx und Fukuyama nur zwei Seiten ein und derselben Medaille. Das offizielle Narrativ in Deutschland ist heute recht sozialistisch geprägt, auch wenn die gesellschaftliche Realität dem nicht entsprechen mag.
Aber es geht ja nicht um uns, sondern um China. Unterhalb des Fortschrittsnarrativs gab es dort in der Vergangenheit im Detail sicherlich vor zwanzig Jahren mehr Interpretationsfreiheit, als das im Moment der Fall ist. Das lag allerdings auch daran, dass man das Thema Geschichte weniger ernst genommen hat als heute – zumindest solange es nicht die Parteigeschichte war. Die war immer wichtig und massiv unter Kontrolle.
Global Review: Worin sehen sie die weitere Entwicklung der KP China seit Deng, also unter Jiang Zemin, Hu Jintao und nun Xi? Was sind die Neuerungen und Weiterentwicklungen und was bedeuten die offiziellen Slogans von 3 Repräsentationen zu harmonischer Gesellschaft bis hin zu Xis chinesischem Raum, 五位一体 ”the Five-sphere Integrated Plan und四个全面 ”Vier Alle? Was macht speziell die Xi Jinping- Gedanken aus?
Professor van Ess: Das ideologische Ziel der KP ist immer die Hinarbeit auf die Einführung einer kommunistischen Gesellschaft irgendwann in Zukunft gewesen, das praktische Aufschließen Chinas zu den führenden Industrienationen und am Ende die Erreichung einer Führungsstellung, die der Größe des Landes entspricht und ihrem historischen Anspruch. Die offiziellen Slogans die dafür ausgerufen wurden, entsprechen den einzelnen Etappen auf dem Weg dorthin. Deng Xiaoping sprach von den vier Modernisierungen, einem recht bescheidenen Anspruch, der eigentlich aussagte, dass man industriell, landwirtschaftlich, militärisch und wissenschaftlich-technologisch massiv ins Hintertreffen geraten war. Gleichzeitig hat Deng – unter Rückgriff auf eine altchinesische Formel – das Ziel des „Kleinen Wohlstands“ ausgerufen, der bedeutete, dass jeder einzelne Bürger ein angenehmes Leben in bescheidenen Verhältnissen führen können solle. Das geschah vor dem Hintergrund dessen, dass Armut weiter Bevölkerungsteile nach der Kulturrevolution und der Bevölkerungsexplosion ein drängendes Problem war.
Sein Nachfolger Jiang Zemin sprach von den Drei Repräsentationen der Kommunistischen Partei, mit denen gemeint war, dass die Partei gleichzeitig darauf achten müsste, dass fortschrittliche Produktivkräfte etabliert würden, man also industriell zum Westen aufschlösse, dass eine fortschrittliche Kultur Chinas vorangetrieben würde, man also den kulturellen Sektor an die Weltentwicklungen anpassen müsse, ohne dabei die Interessen des Sozialismus aus den Augen zu verlieren, und dass die KP die grundliegenden Interessen des Volkes zu vertreten hat, also nicht aufgrund der Interessen einzelner das große Ganze vernachlässigen dürfe. All dies war bereits eine Reaktion auf die rasante Entwicklung Chinas im Zeichen der Globalisierung. Hintergrund war auch der Beitritt zur World Trade Organisation, im Rahmen dessen man sich ja auf neue Spielregeln einlassen musste.
Hu Jintao begann von der konfuzianisch inspirierten harmonischen Gesellschaft zu reden, weil sich im Zuge des Wirtschaftsaufschwungs in Wahrheit Risse im gesellschaftlichen Kitt bemerkbar machten und weil man diese auch durch einen Appell an die gemeinsame große Tradition schließen wollte. Die Einheit von fünf verschiedenen Zielen geht auf alte Parteidoktrinen zurück, bei denen man in den achtziger Jahren noch in recht sozialistischem Duktus von einer Einheit der Dreiheit des wirtschaftlichen Aufbaus, der Verwirklichung von Demokratie (sozialistischer Art) und kultureller Entwicklung gedacht hatte. Unter Hu Jintao wurden dann vier Ziele daraus. Der gesellschaftliche Zusammenhalt kam dazu, weil man den nach dem wirtschaftlichen Aufschwung als besonders gefährdet ansah. Im Jahr 2012 und mit Amtsantritt Xi Jinpings wurde dann als fünftes Ziel der „Aufbau einer ökologischen Zivilisation“ hinzugefügt. Dass man dieses Ziel festschrieb, war das eigentlich Neue an den Xi Jinping Gedanken, die ja sonst eher traditionell sozialistisch inspiriert sind und auch die Retraditionalisierung, die man unter Hu Jintao kommen sah, erst einmal zum Stoppen gebracht haben.
Global Review: Einige Experten sagen, dass Xi nur die Ökologie als Neuerung eingeführt hätte? Aber umfasst das die Xi Jinping- Gedanken ausreichend, da er ja Personenkult, eine neototalitäre Ein-Manndiktatur samt sozialem Bonussystem eingeführt hat? Und was versteht die KP China unter Ökologie und Klimaschutz? Inwieweit vertritt sie da überhaupt ökologische Ideen wie der Club of Rome, Friday for Future, Bidens Green New Deal oder dem Green New Deal der EU und der Dekarbonisierung? Was versteht die KP China unter Ökölogie und was hat sie gemeinsam und unterschiedlich mit dem Westen?
Professor van Ess: „Ein-Mann-Diktatur“ oder „soziales Bonussystem“ sind Mittel zum Zweck der Erreichung von Zielen, aber keine ideologischen Konstrukte. Mit dem Ökologiegedanken ist das etwas ganz Anderes. Der ist in erster Hinsicht – wie die allmählichen Ergänzungen der früheren ideologischen Ziele auch – eine Reaktion auf aus dem chinesischen Volk geäußerte Bedürfnisse. Der Smog in chinesischen Großstädten hatte in den ersten Jahren des Milleniums so zugenommen, dass sich vor allem die urbane Bevölkerung – aber nicht nur die – begann, sehr berechtigte Sorgen um ihre Gesundheit zu machen. Während die Angst vor Feinstaub außerhalb einiger Ballungsgebiete und großer Einfallstraßen bei uns in Deutschland eher abstrakter Natur ist und nur dadurch zustande kommt, dass man sich nicht mehr vorstellen kann, wie es früher war, war das Problem in China (genauso wie in Indien, Mexiko, Brasilien und vielen andern Ländern) an vielen Stellen fast buchstäblich mit den Händen zu greifen und zu riechen. Vor dem Unmut aufgrund dieses Effekts der Industrialisierung bekam die KP wirklich Angst und beschloss etwas zu unternehmen.
Tatsächlich wurde die Feinstaubbelastung durch mehrere sehr radikale Maßnahmen in großen Städten wie Peking oder Shanghai innerhalb recht kurzer Zeit verbessert. Nur so ist auch die Forcierung der Elektroantriebstechnologie in China zu verstehen, die natürlich dort beim Käufer genauso unbeliebt ist wie hier, die aber gleichzeitig auch die Möglichkeit bietet, eigene Industrien zu stärken und andere zu schwächen (die deutsche Automobilindustrie wird sich nach der Decke strecken müssen). Feinstaub ist der Hauptantriebsmotor für den chinesischen Ökologiegedanken.
Beim CO2 ist man, so schätze ich, noch dabei zu beobachten, wie sich die Sache weiterentwickelt. Das nimmt man zwar ernst, das Thema ist aber im Moment nachgeordnet, weil man noch nicht so genau weiß, wie groß das Bedrohungspotential wirklich ist. An der Akademie für Wissenschaften in Peking arbeiten international führende Klimawissenschaftler, die zum Teil auch Mitglied im IPCC sind. Sie haben Diagramme zur historischen Klimaentwicklung Chinas über einen Zeitraum von mehreren Jahrtausenden erstellt haben, die eine recht große Spannbreite an Interpretationen zur gegenwärtigen Klimasituation zulassen. Ich glaube nicht, dass es sehr viele chinesische Wissenschaftler gibt, die einen Temperaturanstieg und eine Veränderung des Klimas in den letzten 50 Jahren infrage stellen würden. Die Linearität der Kurven, der Zusammenhang von Klimawandel und CO2-Ausstoß sowie die Einzigartigkeit des modernen Klimawandels sind allerdings umstritten. Insofern glaube ich nicht, dass die chinesische Führung das Thema in derselben Form wie die europäische – aus allem raus, wo CO2 draufsteht – forcieren wird.
Bei dem Thema muss man natürlich auch bedenken, dass die deutsche CO2 Bilanz massiv von der Auslagerung CO2 intensiver Fertigung nach China profitiert. Ohne China wären die deutschen CO2 Ziele Makulatur, und es ist deshalb etwas heuchlerisch, wenn nun die ganze Welt mit dem Finger auf das Land als größtem Klimasünder zeigt, nachdem sie zuvor einträchtig ihre CO2-intensiven Industrien dorthin verfrachtet hat. Die Xi Jinping-Gedanken und Formeln wie die oben genannten von der Einheit von fünf verschiedenen Zielen sind dahingehend zu deuten, dass man bei der CO2 Einsparung die wirtschaftliche und damit die gesellschaftliche Machbarkeit nicht aus den Augen verlieren möchte, weil man ja die weltweite Industrie (noch) nicht wieder aus dem Land vertreiben und auch der eigenen keine Wettbewerbsnachteile zumuten möchte. Mit der Vereinbarkeit von Wirtschaft und Ökologie macht ja auch eine ökologisch orientierte Partei in Deutschland mittlerweile Wahlwerbung. Die Dekarbonisierung wird China wohl erst einmal in Deutschland beobachten und sich dann überlegen, ob es Teile geben wird, die man hier lernen kann oder nicht. Die Erfahrungen mit der deutschen Energiewende stimmen allerdings nicht sehr optimistisch, denn von der hat bekanntlich selbst nach zwanzig Jahren noch niemand auf dieser Welt so richtig lernen wollen. Vermutlich wird sich China wie in so vielen anderen Dingen auch in der Ökologie eher an den USA orientieren als an Deutschland. Da Fracking in China nicht so gut funktioniert, wird man auf einen bewährten Mix aus Kohle (wenn möglich allmählich reduzieren), Atom (so man es sich in sicherer Form zutraut; der Anteil an Atomstrom ist bisher erstaunlich gering), Windkraft und Sonnenenergie vertrauen. Diese werden parallel entwickelt. Es gibt ja mittlerweile riesige Windparks in China, vor allem in Regionen wie Xinjiang, wo viel leeres Land ist und die Rotoren nicht so stören wie in dichter besiedelten Gegenden, wo sie niemand haben will.
Die EU ist dabei, ökologische Handelsschranken hochziehen, und insofern empfiehlt es sich für China, eine grüne Strategie zu entwickeln, um diesen begegnen zu können. Da das vor allem beim Endverbraucher Geld kosten wird, sollte sich die ökologische Komponente in den Xi-Ideen aber am Ende für China auszahlen und ist schon deshalb unverzichtbar.
Global Review; Wie hoch schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, das die KP China ihr Ziel bis 2049 die USA zu überholen, erreichen wird?
Professor van Ess: Großbritannien sollte zur Jahrtausendwende eingeholt werden. Das hat geklappt. Insofern glaube ich, dass auch das 2049- Ziel für China erreichbar ist. Man sollte aber nie vergessen, dass zum Einholen immer zwei gehören: Der Verfolger und der Einzuholende. Die Antwort auf die Frage wird also auch sehr stark davon beeinflusst, ob sich die USA etwas Vernünftiges einfallen lassen, um zu verhindern, dass sie eingeholt werden. Im Moment versuchen sie das hauptsächlich dadurch zu erreichen, dass sie dem Verfolger das Rennen erschweren. Chinesischen Technologiefirmen machen sie das Leben sehr schwer und glauben, ihren eigenen Marktführern Apple, Microsoft oder Google dadurch den Vorsprung sichern zu können, dass sie Huawei und andere aus dem Rennen nehmen.
Langfristig dürfte diese Strategie allerdings gefährlich sein, denn man muss sich die technische Führerschaft in Zukunftsgebieten sichern und nicht denen, die aktuell en vogue sind. Und es kann sehr gut sein, dass die technikverliebten Chinesen sich Dinge einfallen lassen, die man ihnen in den USA dann irgendwie abspenstig machen muss, weil sie dort aufgrund mangelnder Konkurrenz nicht entwickelt wurden. Es ist nicht sicher, ob das gelingen wird. Allerdings nimmt die KP ihre eigenen Digitalunternehmen an die Kandare, weil sie in ihnen die Gefahr eines Einfalltores für amerikanische Propaganda vermuten. Das kann China mindestens genauso sehr bremsen. Natürlich kann es auch sein, dass die Digitalisierung sowohl in den USA als auch in China einen Peak erreicht hat, und sich der Konkurrenzkampf ohnehin auf andere Gebiete verlagern wird. Gentechnik ist ein wahrscheinlicher Kandidat, bei dem sich die Führerschaft möglicherweise entscheiden wird. Da ist Europa weit abgehängt und der Kampf zwischen China und den USA alles andere als entschieden.
Ein militärischer Konflikt ist auch nicht auszuschließen, allerdings wäre er mit so vielen Risiken behaftet, dass ich denke, dass wir eher noch mehr diplomatischen Kleinkrieg auf dem Rücken von Einzelpersonen und größeren Firmen sehen werden, als dies bisher der Fall gewesen ist.