DGAP- Handlungsempfehlungen für die kommende deutsche Regierung: Smarte Souveränität

DGAP- Handlungsempfehlungen für die kommende deutsche Regierung: Smarte Souveränität

Die Deutsche Gesellschaft für Außenpolitik(DGAP) , neben der Stiftung für Wissenschaft und Politik, der größte und einflussreichste deutsche Think Tank für Außen- und Sicherheitspolitik hat ein Strategiepapier herausgegeben, das Handlungsempfehlungen für die kommende deutsche Regierung formuliert hat. Die Webseite German Foreign Policy fasst dies derfolgt zusammen:

Handlungsempfehlungen an die nächste Bundesregierung (I)

Berliner Denkfabrik fordert offensivere, risikobereitere Außenpolitik: „Die Grenzen zwischen Krieg und Frieden verwischen.“

BERLIN (Eigener Bericht) – Die nächste Bundesregierung soll eine Wende zu einer offensiveren, risikobereiten Außenpolitik einleiten und dafür „gesellschaftliche Akzeptanz“ schaffen. Das fordert eine Expertengruppe, die von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) über einen Zeitraum von zehn Monaten koordiniert wurde, in einem soeben publizierten Strategiepapier. Die internationale Politik werde auf absehbare Zeit vom „Machtkampf zwischen den USA und China“ dominiert, heißt es in dem Papier; „Verwundbarkeit“ sei „zum Normalzustand geworden“: „Die Grenzen zwischen Krieg und Frieden verschwimmen.“ Die Bundesrepublik habe dabei in den vergangenen Jahren an Einfluss verloren; Ziel müsse es daher nun sein, „ein weiteres strategisches Déclassement zu verhindern“. Als Beispiele für den Einflussverlust listet das DGAP-Papier die inneren Zerwürfnisse in der EU und die eskalierenden Krisen jenseits der EU-Außengrenzen auf. Berlin müsse künftig bereit sein, „auch unter großer Unsicherheit Entscheidungen zu fällen“. Wichtige Anstöße für das Papier kamen aus Ministerien und von Politikern von Union, SPD und Bündnis 90/Die Grünen.

„Smarte Souveränität“

Das Strategiepapier mit dem Titel „Smarte Souveränität“ ist in einem Ende 2020 gestarteten, rund zehn Monate währenden Prozess von einer Expertengruppe im Rahmen der „Ideenwerkstatt Deutsche Außenpolitik“ erstellt worden, eines Projektes der DGAP (Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik). Es enthält zehn „Aktionspläne“, die explizit als „Handlungsempfehlungen an die nächste Bundesregierung“ deklariert sind und für die deutsche Außenpolitik nicht nur Ziele vorschlagen, sondern auch Instrumente und Bündnisse, mit denen sie erreicht werden sollen. Die Expertengruppe tagte unter dem Vorsitz des DGAP-Forschungsdirektors Christian Möller und der ehemaligen (bis April 2021) DGAP-Direktorin Daniela Schwarzer; in ihr arbeiteten mehrere Hochschulprofessoren sowie Spezialisten verschiedener Denkfabriken aus Europa und den USA zusammen. Begleitet wurde die Tätigkeit der Expertengruppe von einem „Policy Board“, das, wie es heißt, „wichtige Denkanstöße“ geliefert habe.[1] Ihm gehörten unter anderem der Leiter der außenpolitischen Abteilung im Bundespräsidialamt, Thomas Bagger, der Leiter des Leitungsstabs im Bundesverteidigungsministerium Nico Lange sowie Politiker von CDU/CSU, SPD sowie Bündnis 90/Die Grünen an. Gefördert wurde das Projekt von der Stiftung Mercator.

„Weiteres Déclassement verhindern“

Wie die Expertengruppe in ihrem Strategiepapier konstatiert, wird „der Machtkampf zwischen den USA und China … auf absehbare Zeit die wichtigste internationale Entwicklung“ bleiben. China, aber auch andere Staaten wie Russland errichteten „eigene, zumeist regionale Ordnungsstrukturen, die es ihnen erlauben, ihre Macht zu erhalten und zu mehren“, heißt es in dem Papier. Gleichzeitig zeige sich: Zahlreiche andere Staaten – „so auch Deutschland – verlieren an Gestaltungsmacht“. Dieser Prozess solle nun gestoppt werden. „Ziel ist es, ein weiteres strategisches Déclassement zu verhindern“, erklären die Autoren: „Deutschland sollte in zentralen Bereichen nicht die Ziele anderer übernehmen müssen, sondern sich in die Lage versetzen, seine eigenen Ziele zu definieren und durchzusetzen.“ Dazu müsse die künftige Bundesregierung „die zunehmend begrenzten Machtressourcen gezielt so nutzen, dass sie einen weiteren Verlust an Gestaltungsspielraum und Einfluss verhindert“. „Durch Kooperationen“ müssten „neue Handlungsoptionen eröffnet“ werden. Die Methode, nicht als klassisch souveräner Nationalstaat, sondern in – durchaus wechselnden – Bündniskonstellationen den eigenen globalen Einfluss zu sichern, bezeichnet die DGAP-Expertengruppe als „smarte Souveränität“.

Von Krisen gezeichnet

Die Autoren des DGAP-Strategiepapiers deuten zunächst zwei konkrete Felder an, auf denen die deutsche Außenpolitik in den vergangenen Jahren zum Teil gravierende Rückschläge verzeichnen musste. So steht für die Expertengruppe gänzlich außer Frage, dass die Bundesrepublik in der internationalen Politik auf das Gewicht angewiesen ist, das ihr die EU verleiht. Allerdings sei „Europas Handlungsfähigkeit nach außen … direkt an die Handlungsfähigkeit im Inneren gekoppelt“. „Der Zusammenhalt in der EU“ aber habe „in den vergangenen Jahren abgenommen“: „In ihrem Inneren kämpft die EU nicht nur um wirtschaftliche Kohäsion, sondern auch um Rechtsstaatlichkeit und liberale Demokratie.“ Die nächste Bundesregierung müsse wegen der anhaltenden Auseinandersetzungen – nicht nur – mit Polen und Ungarn „den Zusammenhalt in der EU stärken“; „sowohl abweichende rechtsstaatliche Standards als auch Hürden bei der außen- und sicherheitspolitischen Entscheidungsfindung“ sollten auf ihrer Agenda stehen, heißt es in dem DGAP-Papier. Die EU sei ohnehin bereits „durch den Brexit … geschwächt“ worden. In der Tat hätte, abgesehen von der unmittelbaren Schwächung der EU durch den Brexit, etwa der AUKUS-Pakt, der Frankreich und mit ihm auch der EU schadet [2], ohne den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Union kaum geschlossen werden können.

Von Krisen umgeben

Hinzu kommt, dass die Bemühungen Berlins, rings um die EU eine sichere Pufferzone stabiler, kooperationswilliger Staaten zu schaffen, gescheitert sind. Vor acht Jahren hatte ein ebenfalls aus Anlass einer Bundestagswahl publiziertes Strategiepapier („Neue Macht, neue Verantwortung“, german-foreign-policy.com berichtete [3]) gefordert, die deutsche Außen- und Militärpolitik solle sich „in erster Linie“ auf das „zunehmend instabil werdende europäische Umfeld von Nordafrika über den Mittleren Osten bis Zentralasien konzentrieren“. Nun konstatiert hingegen die DGAP-Expertengruppe: „Der Konfliktbogen, der sich von Osten nach Süden um die EU zieht, hat sich in kürzester Zeit erweitert und intensiviert.“ Die „Zahl der Krisen, die heute oder in absehbarer Zeit die europäische Lebensweise und Sicherheit in Frage stellen“, sei „gestiegen“. Zudem stünden „viele Staaten in der unmittelbaren Nachbarschaft der EU … in immer größerer Abhängigkeit von Russland, China oder auch der Türkei“. Dies trifft auf immer mehr Länder Nordafrikas [4], des Nahen Ostens [5] und sogar Südosteuropas [6] zu. „In der Folge gehen Deutschland national und international immer mehr Handlungsspielräume verloren“, heißt es in dem Strategiepapier.

Mehr „Bereitschaft zum Risiko“

Die von der DGAP koordinierte Expertengruppe dringt auf „mutige politische Innovationen“ und urteilt, die bevorstehenden Koalitionsverhandlungen böten „eine Chance“, ihnen „den Weg … zu bereiten“. „Verwundbarkeit“ sei „zum Normalzustand geworden“, heißt es in dem Strategiepapier; „sektor- und grenzüberschreitende Schocks“ würden sich künftig „nicht vermeiden lassen“: „Die Grenzen zwischen Krieg und Frieden verwischen.“ Die Bundesrepublik müsse daher „weg von einer reaktiven ad-hoc-Politik“, die darauf bedacht sei, „Schaden einzugrenzen“, hin zu einer „proaktiven Politik“. Dies bedeute „auch eine Bereitschaft zu geteiltem Risiko und die Fähigkeit, auch unter großer Unsicherheit Entscheidungen zu fällen“. Gelingen könne dies allerdings nur, wenn „die gesellschaftliche Akzeptanz dafür gegeben“ sei. Deshalb sei es „eine der größten Aufgaben der nächsten Jahre, bei den Bürgerinnen und Bürgern, der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft für eine aktive deutsche Außenpolitik zu werben“ und diese dabei „gegen Angriffe“ zu verteidigen. „Verteidigt“ werden müsse die neue „aktive“ Außenpolitik nicht nur gegen „Angriffe von … außen“, heißt es in dem Strategiepapier, sondern auch gegen „Angriffe von innen“.

Aktionspläne

Die Expertengruppe hat insgesamt zehn „Aktionspläne“ erstellt, in denen sie zentrale Grundlinien für die künftige deutsche Außenpolitik skizziert. german-foreign-policy.com berichtet in Kürze.

https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8715/

Weitere Vorschläge, vor allem zur „inneren Formierung“ lesen sich fast etwas wie General Ludendorfs“Der totale Krieg“ oder erinnern an Xi Jinpings“protracted war“auf allen gesellschaftlichen Ebenen, eine innere Mobilisierung von Medien bis hin zu Kommunen, wobei ein Nationaler Sicherheitsrat oder eine vermehrte Dgesellschaftliche Debatte über Außen- und Sicherheitspolitik, die heutezutage eher marginal ist und eher auf die üblch-verdächtigen Insiderkreise beschränkt ist, ja durchaus sinnvoll ist.

. Handlungsempfehlungen an die nächste Bundesregierung (II)

Berliner Denkfabrik konkretisiert Forderungen für die deutsche Außenpolitik: Schaffung einer Art Nationalen Sicherheitsrats, radikaler Kurswechsel gegenüber China, innere Formierung der EU.

BERLIN (Eigener Bericht) – Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) legt konkrete Vorschläge zur Formierung Deutschlands und der EU für die bevorstehenden globalen Machtkämpfe vor. Die Vorschläge, die eine von der DGAP koordinierte Expertengruppe erarbeitet hat, richten sich an die nächste Bundesregierung, die unmittelbar mit ihrer Umsetzung beginnen soll. Die Expertengruppe greift Forderungen auf, die seit geraumer Zeit immer wieder vorgebracht werden, darunter die Einrichtung einer Art Nationalen Sicherheitsrats und der Aufbau einer EU-Interventionstruppe („European Joint Force“). Besondere Aufmerksamkeit gilt den digitalen Technologien, die etwa als „entscheidender Faktor“ für wirtschaftliche Stärke eingestuft werden. Einen radikalen Wandel verlangt das DGAP-Strategiepapier für die Chinapolitik. Eine bedeutende Rolle nehmen Pläne für eine umfassende propagandistische Formierung der Zivilgesellschaft ein. So soll etwa eine „Rating-Agentur“ geschaffen werden, die eine „Bewertung“ von Medien auf angebliche „Faktentreue der Berichterstattung“ vornimmt.

Eine „nationale Sicherheitswoche“

Zu den Maßnahmen, die die Expertengruppe vorschlägt, gehört zunächst die Etablierung spezieller Strukturen und Prozesse, die es ermöglichen sollen, selbst bei „parallelen, vielschichten Krisen“ in Zukunft „handlungsfähiger zu werden“.[1] Insbesondere soll der Bundessicherheitsrat, der aktuell etwa Rüstungsexporte genehmigen muss, „zum zentralen außenpolitischen Koordinierungsrahmen der Bundesregierung aufgewertet werden“. Dies entspricht der Forderung nach der Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrats, die seit Jahren immer wieder vorgebracht wird (german-foreign-policy.com berichtete [2]). Der Bundessicherheitsrat soll aus einem „Kabinettsausschuss“ und einem „Sekretariat“ gebildet werden, in dem wiederum Beamten sowie Experten versammelt sind. Er müsse, so heißt es, zu Beginn jeder Legislaturperiode eine „außen- und sicherheitspolitische Strategie“ vorlegen „und ihre Umsetzung begleiten“. Ergänzend plädiert die Expertengruppe dafür, der Bundesregierung „eine jährliche Berichtserstattung“ vor dem Deutschen Bundestag „zur ‚Lage Deutschlands und der Welt'“ zur Pflicht zu machen. Nicht zuletzt müssten neue „Anlässe zur Einbindung der Zivilgesellschaft“ geschaffen werden – so „beispielsweise in Form einer jährlichen nationalen Sicherheitswoche des Bundestags“.

Übungen mit Zivilisten

Darüber hinaus schlagen die Autoren des DGAP-Strategiepapiers konkrete Maßnahmen zur Aufrüstung wie auch zur Einstimmung der Gesellschaft auf weitere Krisen und Kriege vor. Zur Begründung werden „Gefahren und Bedrohungen für Deutschlands Sicherheit“ genannt, als deren erste das Papier „Chinas globale Dominanzstrategie“ und „Russlands territoriale[n] Revisionismus“ aufführt, des weiteren „Kriege, Krisen und interne Konflikte“ nicht nur unmittelbar jenseits der EU-Außengrenzen, sondern auch „in Europa selbst“ (Ukraine, östliches Mittelmeer).[3] Die Autoren plädieren dafür, nicht nur „einen qualitativen Sprung in der Verzahnung von EU und NATO [zu] ermöglichen“, sondern auch eine neue Militäreinheit („European Joint Force“, „EJF“) aufzubauen. Diese solle – als ein „sichtbare[r] politische[r], militärische[r] und technologische[r] Kristallisationspunkt“ – „50 Prozent der konventionellen Fähigkeiten bereitstellen, die für die kollektive Verteidigung in Europa und das militärische Krisenmanagement erforderlich sind“. Um die Gesellschaft krisen-, womöglich sogar kriegsfest zu machen, sollen „regelmäßige Übungen und Planspiele auf allen Ebenen (Bund, Länder, Kommunen) und mit allen Akteuren (zivil, militärisch, staatlich, privat) abgehalten“ werden. Für „Institutionen, die als kritisch eingestuft werden“, wird ein „regelmäßiger Stress- und Funktionalitätstest“ geplant.

Technologische Konfrontationen

Besonderes Augenmerk richtet das Strategiepapier auf ein Feld, das für die globalen Machtkämpfe immer größere Bedeutung erhält – auf Technologien. Technologien, „insbesondere im digitalen Bereich“, seien heute, so heißt es in dem Papier, nicht nur „Innovationstreiber“, sondern sogar „der entscheidende Indikator für (zukünftige) Wettbewerbsfähigkeit, wirtschaftliche Stärke und Resilienz“.[4] Es müsse alles daran gesetzt werden, die Entwicklung eigener Technologien in Deutschland und der EU zu stärken. Dies gelte nicht zuletzt, da „digitale Technologien … auch für Sicherheitsbehörden und Militär eine wichtige Rolle“ spielten. Die Expertengruppe warnt, die Angelegenheit sei äußerst heikel. So sei „ein Aufbau eigener technologischer Fähigkeiten, die die Abhängigkeiten von US-Firmen reduzieren, … kurzfristig nicht realistisch“ und zudem „mit hohen Risiken und Kosten verbunden“. Ein Versuch wiederum, „gemeinsam mit europäischen Partnern einen eigenen Weg zwischen den USA und China zu definieren“, werde „Deutschland und die EU dauerhaft zum Spielfeld der Konfrontation zwischen chinesischen und amerikanischen Interessen werden lassen“. „Ein stärkerer Schulterschluss mit den USA im Technologiesektor“ aber führe „zwangsläufig zu schärferen Konfrontationen mit China“.

„Pioniergruppe China“

Gegenüber Beijing fordert die Expertengruppe von Berlin einen radikalen Kurswechsel. „Die neue Bundesregierung sollte die deutsche Chinapolitik von Grund auf verändern“, heißt es in dem Strategiepapier; andernfalls drohe die Bundesrepublik einerseits „vom Innovator zu einem Markt für chinesische Zukunftstechnologien“ zu werden, andererseits aber auch „an Bedeutung für einen zentralen Bündnispartner, die USA, zu verlieren“. Künftig müsse die Chinapolitik „im erweiterten Bundessicherheitsrat behandelt werden“, verlangen die Autoren; „vor jeder Sitzung sollten sich Fachabteilungen der jeweiligen Ministerien beraten“. In der EU solle eine „Pioniergruppe China“ ein gemeinsames Vorgehen abstecken; jenseits Europas wiederum müsse Berlin sich mit „Gleichgesinnten“ abstimmen. „Gleichgesinnte“ fungiert dabei vor allem als Deckwort für Rivalen der Volksrepublik (Japan, Australien, Indien).[5] Das DGAP-Strategiepapier sieht außerdem eine umfassende propagandistische Formierung der Zivilgesellschaft für den Konflikt mit China vor. So sollen „China-Informationsbörsen“ geschaffen werden, die „gezielte Informations-, Beratungs- und Bildungsangebote für unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen erarbeiten“ – von kommunale[n] Verwaltungen, die mit chinesischen Investitionsangeboten konfrontiert sind“, bis hin zu Schulen. Die Propagandaoffensive soll auch „ein Informationsangebot“ für „Auslands-Chinesen“ enthalten – „zum Beispiel [für] Studenten“.

Kritikabwehr und innere Formierung

Einen hohen Stellenwert misst das DGAP-Strategiepapier schließlich der inneren Formierung der Gesellschaft bei, die unter dem Stichwort „Resilienz“ (Widerstandskraft) beschrieben wird. Dabei geht es vorrangig um Maßnahmen, die „gezielte Desinformations- und Propagandakampagnen“ abwehren sollen. Was als eine solche „Kampagne“ zu gelten hat, hängt vom Standpunkt der definierenden Person bzw. Institution ab. Die Autoren des Strategiepapiers schlagen zum Beispiel vor, eine „nicht-staatliche Rating-Agentur“ zu schaffen, die – „ausgerichtet an Kriterien wie etwa der ‚Faktentreue der Berichterstattung'“ – eine „Bewertung der Medienangebote“ vornimmt. „Eine solche Agentur“, heißt es, müsse selbstverständlich „den Eindruck“ vermeiden, als Orwell’sches „Wahrheitsministerium“ aufzutreten; sie solle daher „staatsfern und unabhängig ausgestaltet sein“. Auch die Bundesregierung solle allerdings „in Zukunft verstärkt die Möglichkeiten und die Reichweite der sozialen Netzwerke nutzen“ – freilich nur, „um die Bürger mit vertrauenswürdigen Inhalten zu versorgen“. Nicht zuletzt könne „eine der EU East StratCom vergleichbare Struktur in Deutschland“ geschaffen werden, deren Ziel die „Aufdeckung und Bekämpfung ausländischer Desinformation und Propaganda“ sei. Die East StratCom Task Force hat die Aufgabe, angebliche „russische Propaganda“ offenzulegen sowie zu bekämpfen. Sie hat in der Vergangenheit bereits Kritik an der EU als energisch abzuwehrende „Desinformation“ eingestuft (german-foreign-policy.com berichtete [6])“

https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8717/

Global Review wird sich demnächst einmal die gesamte Studie und ihre 10 Aktionspläne genauer ansehen. Der DGAP- Bericht ist lesbar und downloadbar unter:

https://dgap.org/de/forschung/publikationen/smarte-souveraenitaet

Es ist anzunehmen, dass das DGAP-Strategiepapier einigen Einfluss haben wird, zumal es auch auf Vorarbeiten der Union, der SPD und der Grünen zurückgreift, sowie in Kooperation mit dem Mercator-Institut erfolgte, das wohl sehr einflussreich bei den Handlungsempfehlungen gegenüber China sein dürfte. Wenngleich man beim erste Überfliegen erst einmal den Eindruck gewinnt,dass man mal wieder überall mitmischen will und die eigenen Kapazitäten weniger bedenkt.Trotz dem etwas martialischen Kriegsgetrommel, gibt es aber auch überlegenswerte Gedanken. Z.B.Aufnahme des Westbalkans in den EU-Binnenmarkt, Schaffung einer südosteuropäischen Wirtschaftsgemeinschaft ohne sofortige politische EU-Mitgliedschaft. Als 2-Stufenmodell .Damit könnte wahrscheinlich auch Macron und Frankreich leben.Demnächst mehr. Kurz zur Gliederung:

Smarte Souveränität

10 Aktionspläne für die künftige Bundesregierung

Wie die neue Bundesregierung Deutschlands und Europas Handlungsfähigkeit stärken und internationale Gestaltungskraft zurückgewinnen kann.
 

Dr. Christian Mölling

Prof. Dr. Daniela Schwarzer

Prof. Dr. Christian Calliess

Serafine Dinkel

Dr. Stefan Heumann

Anna-Lena Kirch

Dr. Friederike Otto

Dr. Claudia Major

Gerald Knaus

Dr. Tim Rühlig

Dr. Constanze Stelzenmüller

Dr. Kira Vinke

Dr. Guntram B. Wolff

PDF

Die nächste Bundesregierung nimmt ihre Arbeit in einer Zeit schneller und mehrdimensionaler internationaler Veränderungen auf. Neue Bedrohungen, transnationale Risiken und eine immer stärkere Verwebung äußerer und innerer Entwicklungen fordern die Handlungsfähigkeit der Regierungen heraus. Die meisten Staaten – so auch Deutschland – verlieren an Gestaltungsmacht. Gleichzeitig wird es immer wichtiger, auf internationale Entwicklungen Einfluss nehmen zu können, um die klassischen innenpolitischen Staatsziele zu erreichen: Sicherheit, Wohlstand und politische Ordnung.

Der vorliegende Bericht ist im Rahmen des DGAP-Projektes „Ideenwerkstatt Deutsche Außenpolitik“ entstanden, das von der Stiftung Mercator gefördert wird. In einem zehn-monatigen Reflexions- und Strategieprozess hat die DGAP gemeinsam mit einer Gruppe namhafter außenpolitischer Expertinnen und Experten diskutiert, wie handlungsfähig die deutsche Außenpolitik zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist und wie sich die nächste Bundesregierung aufstellen sollte, um zukünftig mit den komplexen außenpolitischen Chancen und Herausforderungen bestmöglich umzugehen.

Dieser Onlinetext ist die Einleitung und Zusammenfassung der zehn Aktionspläne. Laden Sie sich den kompletten Bericht hier herunter. 

Aktionspläne zu zentralen Herausforderungen und Chancen deutscher Politik Strukturen deutscher Außenpolitik Sicherheits- und Verteidigungspolitik Wirtschaft und Außenpolitik China und Außenpolitik Technologie und Außenpolitik Resilienz und Demokratie Klima und Außenpolitik Klimawandel und Sicherheit Migration und Außenpolitik Westlicher Balkan und EU-Nachbarschaft

Wir empfehlen der neuen Bundesregierung den Ansatz der smarten Souveränität: Sie sollte die zunehmend begrenzten Machtressourcen gezielt so nutzen, dass sie einen weiteren Verlust an Gestaltungsspielraum und Einfluss verhindert und durch Kooperationen neue Handlungsoptionen eröffnet. Ziel ist es, ein weiteres strategisches Déclassement zu verhindern: Deutschland sollte in zentralen Bereichen nicht die Ziele anderer übernehmen müssen, sondern sich in die Lage versetzen, seine eigenen Ziele zu definieren und durchzusetzen. Ebenso sollte es die Ziele seiner Partner unterstützen können, wenn es dies für wichtig hält.

Das Souveränitätsverständnis, das seit dem 19. Jahrhundert vor allem auf der Trennung von Innen- und Außenpolitik basiert, muss dafür weiterentwickelt werden. Vier Aufgaben bestehen dabei:

  • Ziele und Lösungen für politische Probleme zu bestimmen und politisch beschließen zu können
  • Strukturen und Prozesse zu entwickeln, die eine Problemanalyse der inneren und äußeren Entwicklungen erleichtern und politische Entscheidungen und ihre Umsetzung ermöglichen
  • Ressourcen, Fähigkeiten und Instrumente für die Umsetzung der Ziele bereitzustellen
  • In allen drei Bereichen – also in Bezug auf Ziele, Strukturen und Ressourcen – Kooperationsangebote an Partner zu machen

Wie die Handlungsfelder und Probleme, so sind auch die Lösungen interdependent und wirken in verschiedene Bereiche hinein. „Smart“ bedeutet, dass die ergriffenen Maßnahmen und Aktionen nicht nur eine vergleichsweise große Wirksamkeit bei der Problemlösung in verschiedenen Feldern haben sollen, sondern auch geringe negative Effekte durch unbeabsichtigte Folgen. Dies ist ein Kriterium, das auf die Effizienz des Machteinsatzes achtet. Das zweite Kriterium ist Suffizienz. Es gibt Maßnahmen, auf die nicht verzichtet werden kann, auch wenn man meint, mit gleichem Einsatz in anderen Bereichen mehr erreichen zu können. Diese Konkurrenz um Ressourcen trifft verstärkt die Sicherheitspolitik, zum Beispiel als Forderung, mehr Geld für Klimaschutz auszugeben und weniger für Verteidigung. Argumente dieser Art implizieren, es gäbe eine Wahl. Der Staat hat aber die Pflicht, in allen Bereichen existentieller Bedrohung Sicherheitsvorsorge zu leisten.

Vor einigen Jahren wurde viel über die deutsche Rolle in der Welt diskutiert. Angesichts der gewachsenen Macht der Bundesrepublik innerhalb der Europäischen Union und im internationalen Gefüge solle die Bundesregierung mehr Verantwortung und auch Führung übernehmen, hieß es damals. Diese Forderung wird auch heute noch erhoben. Aber das internationale Umfeld hat sich so verändert, dass Deutschland allein immer weniger ausrichten kann.

Deutschland ist aufgrund seiner wirtschaftlichen Offenheit und internationalen Vernetzung von globalen Entwicklungen, transnationalen Risiken und dem fortschreitenden Systemkonflikt besonders betroffen. Als Handelsmacht in der Mitte Europas ist die Bundesrepublik auf internationale Vernetzung und politische Zusammenarbeit mit der Welt angewiesen. Die EU ist in all dem essenziell. Sie ist Deutschlands engste politische Partnerschaft, die seine Macht und seinen Wohlstand mehrt und zugleich den politischen Rahmen setzt: Deutschlands geopolitische Position ist eingebunden in Europa.

Die große Zahl von gleichzeitig auftretenden regionalen, transnationalen und globalen Risiken und Herausforderungen, denen sich Deutschland und die EU heute gegenübersehen, erfordert präventives, umfassendes und vor allem rasches Handeln. Die neue Bundesregierung trägt die Verantwortung dafür, Deutschland zu solchem Handeln zu befähigen. Das ist eine umfassende Aufgabe, denn Deutschland und seine Partner in der EU haben sich auf die fundamentalen Veränderungen des internationalen Umfeldes noch nicht so eingestellt, dass sie ihre grundlegenden Interessen schützen können.

Um die neuen Handlungsoptionen und den Einfluss zu entwickeln, die im Sinne smarter Souveränität erforderlich sind, muss die neue Bundesregierung:

  • den Konflikt, auch den systemischen Konflikt zwischen autoritären Staaten und Demokratien, als Grundton der internationalen Beziehungen für die nächste Dekade akzeptieren. Dennoch sollte sie versuchen, Konfliktaustragung zu begrenzen,
  • es als ihre Aufgabe begreifen, in diesem Konfliktumfeld die deutschen und europäischen Interessen zu schützen und durchzusetzen,
  • und den dafür notwendigen internationalen Einfluss dadurch schaffen, dass sie klassische Mittel der Außenpolitik mit neuen Instrumenten verbindet und systematisch einsetzt.
Smarte Souveränität und die Diskussionen um strategische Autonomie und europäische Souveränität.
Die stärkere Fokussierung und verbesserte europäische Zusammenarbeit, die dem Ansatz der smarten Souveränität zu Grunde liegen, zielen nicht auf die Schwächung des Nationalstaats ab. In einigen Bereichen wird der Staat sogar mehr gestalten müssen, etwa in der Digitalisierung und der Klimapolitik. Es gilt, mit anderen Regierungen eng zu kooperieren, um die Durchsetzungskraft auf der entscheidenden internationalen Ebene zu erhöhen. Der frühere Ansatz der Trennung von Innen- und Außenpolitik beeinflusst zwar oft noch die politische Debatte, etwa als Motiv der Brexiteers: „Take back control“. Doch der Wirklichkeit entspricht das heute nicht mehr. Deshalb muss sich das Souveränitätsverständnis weiterentwickeln: Das Ziel ist Handlungsfähigkeit, die sowohl unter heutigen als auch zukünftigen Bedingungen Sicherheit, Wohlfahrt und demokratische Ordnung sicherstellt. In vielen Bereichen kann diese Handlungsfähigkeit nur gemeinsam mit anderen Staaten erreicht werden. Die EU spielt dabei aus deutscher Sicht eine entscheidende Rolle. Doch ihr allein diese Handlungsfähigkeit als Aufgabe anzutragen und dies gleichzusetzen mit der Notwendigkeit zur Distanzierung oder sogar Trennung von den USA, wie es immer wieder in der Debatte um strategische Autonomie und europäische Souveränität anklingt, geht zu weit. Nach heutigem Verständnis sind Akteure oder Akteursgruppen souverän, die die politischen Probleme jener Menschen lösen, die ihnen ihre Macht übertragen haben. Es gilt, dies auf kluge Art und Weise zu tun.

DIE NEUE STRATEGISCHE LAGE

Der Machtkampf zwischen den USA und China, in dem sich machtpolitische, systemische und wirtschaftliche Interessen vermengen, bleibt auf absehbare Zeit die wichtigste internationale Entwicklung. Eine wachsende Zahl von Autokratien steht im Systemkonflikt mit dem politischen Westen. Staaten wie China und Russland üben im Inneren eine zunehmend technologiebasierte Kontrolle über ihre Gesellschaften aus. Nach außen hin stellen sie die bestehende globale regelbasierte Ordnung in Frage und unterlaufen das Völkerrecht. Sie errichten eigene, zumeist regionale Ordnungsstrukturen, die es ihnen erlauben, ihre Macht zu erhalten und zu mehren.

Diese Konfrontation stellt Deutschland und die EU vor essenzielle Herausforderungen. Die Stabilität und Resilienz des eigenen politischen Systems, der Gesellschaftsformen und Lebensstile, die sich in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg herausgebildet haben, wird in Frage gestellt.

Externe Akteure haben sich längst in die kritischen Infrastrukturen von Politik, Verwaltung, Sicherheit und Verteidigung, Gesellschaft und Ökonomie vorgearbeitet. Länder wie China und Russland setzen gezielt Instrumente hybrider Kriegsführung wie etwa Desinformationskampagnen ein, um demokratische Staaten zu schwächen.

Der Zusammenhalt in der EU hat in den vergangenen Jahren abgenommen, obwohl die internationale Lage den Europäern allen Anlass gibt, eng zusammen zu arbeiten. In ihrem Inneren kämpft die EU nicht nur um wirtschaftliche Kohäsion, sondern auch um Rechtsstaatlichkeit und liberale Demokratie. Die Beispiele Ungarn und Polen zeigen, wie sich persönliche, autoritäre Macht Schritt für Schritt zu Lasten der demokratischen Institutionen ausweiten lässt. Transnationale Risiken wie die COVID-19-Pandemie lassen die politische Ordnung zusätzlich fragil und angreifbar erscheinen, weil sie den Eindruck verstärken, dass die politische und wirtschaftliche Offenheit Europas eine Schwäche statt einer Stärke ist.

Viele Staaten in der unmittelbaren Nachbarschaft der EU stehen in immer größerer Abhängigkeit von Russland, China oder auch der Türkei. Der Konfliktbogen, der sich von Osten nach Süden um die EU zieht, hat sich innerhalb kürzester Zeit erweitert und intensiviert. Die Zahl der Krisen, die heute oder in absehbarer Zeit die europäische Lebensweise und Sicherheit in Frage stellen, ist gestiegen. Hinzu kommen ethnische Konflikte, Ressourcenknappheit und ein Brain-Drain, die zu der politischen und wirtschaftlichen Destabilisierung einzelner Staaten und ganzer Regionen in der europäischen Nachbarschaft beitragen. In der Folge gehen Deutschland national und international immer mehr Handlungsspielräume verloren.

In dieser geopolitischen und geoökonomischen Gemengelage ist es eine besondere Herausforderung, Kollektivgüter wie Klimaneutralität oder globalen Impfschutz bereit zu stellen oder die immensen politischen, wirtschaftlichen und humanitären Kosten zu tragen, die entstehen, wenn die Weltgemeinschaft an beiden Aufgaben scheitert. Von großer Bedeutung ist die Frage, wie es Deutschland und Europa angesichts der wirtschaftlichen Dominanz amerikanischer und chinesischer Akteure gelingen kann, eine so aktive Rolle zu spielen, dass sie nicht zur Übernahme der Standards anderer verdammt sind. Besonders wichtige Bereiche sind hier die Herstellung von Batterien oder grünem Wasserstoff oder das Cloud Computing.

Insgesamt muss Deutschland versuchen, kluge Strategien zu formulieren, sie mit Gleichgesinnten innerhalb und außerhalb der EU abzustimmen und dann gemeinsam durchzusetzen. Eine zentrale neue Herausforderung ist es, die globale Transformation in den Bereichen Klima und Digitalisierung ausreichend schnell und zugleich inklusiv, innerhalb liberaler, multilateraler Strukturen zu gestalten. Gleichzeitig sollte Deutschland den Zusammenhalt in der EU stärken. Sowohl abweichende rechtsstaatliche Standards als auch Hürden bei der außen- und sicherheitspolitischen Entscheidungsfindung sollten auf der Agenda der nächsten Bundesregierung stehen. Denn Europas Handlungsfähigkeit nach außen ist direkt an die Handlungsfähigkeit im Inneren gekoppelt.

Außenpolitik beginnt im Inneren
Die deutsche Bundesregierung reflektiert im Aufbau ihrer Ressorts und in der Organisation des Regierungshandelns bislang eine strikte Trennung von Innen- und Außenpolitik. Dies hat historische und verfassungsrechtliche Gründe. Die heutigen politischen Herausforderungen lassen sich in dieser Innen-Außen-Dichotomie allerdings immer weniger bewältigen, denn die meisten Handlungsfelder deutscher Politik haben eine internationale Dimension. Deutschland befindet sich mitten in einer Transformation: Angesichts der politischen Herausforderungen haben die politischen Akteure die Notwendigkeit einer 360-Grad-Perspektive längst erkannt. Die Grenze zwischen Innen und Außen verschwimmt.
Zunehmend rückt die internationale Wirtschaftspolitik, internationale Sicherheitspolitik oder internationale Technologiepolitik in den Vordergrund. Die historisch gewachsenen und staatsrechtlich begründeten politischen Institutionen und die über die Jahrzehnte entwickelte politische Kultur haben bislang jedoch einen dem Problem angemessenen neuen Lösungsansatz verhindert. Die Koalitionsverhandlungen sind eine Chance, den Weg für mutige politische Innovationen zu bereiten.

NEUE RISIKEN ERFORDERN NEUE ANSÄTZE

Die neue Bundesregierung muss die inhaltlichen und organisatorischen Voraussetzungen dafür schaffen, unter den folgenden Rahmenbedingungen erfolgreich agieren zu können:

  1. Innen- und außenpolitische Entwicklungen lassen sich nicht mehr trennen. Die Herausforderungen sind so komplex, dass die politischen Antworten notwendigerweise vernetzt sein müssen. Die großen gesellschaftlichen Herausforderungen – Klimatransformation und Digitalisierung – können nur bewältigt werden, wenn ihre internationale Dimension einbezogen wird.
     
  2. Vernetztem Handeln nach außen, in dem alle relevanten Akteure zu einem politikfeldübergreifenden Ansatz beitragen, muss vernetztes Denken und Planen zwischen den Akteuren und über Politikfelder und Zuständigkeiten hinweg im Inneren zugrunde liegen. Darauf sind die Strukturen deutscher Außenpolitik jedoch in vielerlei Hinsicht noch nicht ausreichend ausgelegt.
     
  3. Aufgrund Deutschlands gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Offenheit, gepaart mit seiner internationalen Vernetzung und Interdependenz, ist Verwundbarkeit zum Normalzustand geworden. Sektor- und grenzüberschreitende Schocks – auch durch gezielte externe Interventionen – werden sich nicht vermeiden lassen. Die Grenzen zwischen Krieg und Frieden verwischen. Das staatliche Handeln muss darauf abzielen, die Resilienz von Gesellschaft, Wirtschaft und Demokratie zu stärken, im Inneren wie im Äußeren.
     
  4. Dies erfordert auch eine entschiedenere und effektivere Europapolitik. In einem Zustand ideologischer Systemkonkurrenz, globaler Vernetzung und fortschreitender Technologisierung kann kein Staat mehr allein die Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger garantieren. Resilienz für Europäer bedeutet daher Resilienz als Europäer.
     
  5. Viele Veränderungen der politischen, ökonomischen, gesellschaftlichen und ökologischen Systeme, in die Deutschland eingebettet ist, sind irreversibel. Risiken sind bereits zu Schäden (beispielsweise der Klimasysteme) oder handfesten Bedrohungen (beispielsweise des gesellschaftlichen Friedens) geworden. In vielen Fällen entziehen sie dem System die Grundlage zur Regeneration. Eine Rückkehr zum Status quo ante ist in vielen Fällen nicht oder kaum mehr möglich.
     
  6. Im vergangenen Jahrzehnt sind Politik, Ökonomie, Gesellschaft und Ökologie so sehr in eine gegenseitige Abhängigkeit geraten, dass selektive Politikansätze nicht den nötigen Erfolg haben können. Im Zusammenspiel einzelner Politikfelder müssen nicht nur die jeweils angestrebten Ergebnisse aufeinander abstimmt werden, sondern es müssen auch positive oder negative Rückkopplungen in den Blick genommen werden.

HANDLUNGSFÄHIGKEIT STÄRKEN UND GESTALTUNGSSPIELRÄUME ZURÜCKGEWINNEN

Um handlungsfähig zu sein, muss Deutschland den Charakter seiner Außenpolitik verändern: weg von einer reaktiven ad-hoc Politik, die darauf bedacht ist, Schaden einzugrenzen; hin zu einer proaktiven Politik, die systematisch und begründet gestaltet und Chancen nutzt. Dazu braucht die neue Bundesregierung Führungsfähigkeit: Als Partner in der internationalen (Krisen)diplomatie muss Deutschland international anschlussfähige Ziele identifizieren können und mit gutem Beispiel vorangehen. Dies bedeutet auch eine Bereitschaft zu geteiltem Risiko und die Fähigkeit, auch unter großer Unsicherheit Entscheidungen zu fällen.

Ein deutlich proaktiveres und antizipierendes Regierungshandeln kann jedoch nur gelingen, wenn die gesellschaftliche Akzeptanz dafür gegeben ist. Es ist eine der größten Aufgaben der nächsten Jahre, bei den Bürgerinnen und Bürgern, der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft für eine aktive deutsche Außenpolitik zu werben und sie gegen Angriffe von innen und außen zu verteidigen.

Deutschland muss auch besser darin werden, Chancen zu erkennen, zu nutzen und sogar zu schaffen, sei es zur Konfliktlösung und -vermeidung, in der Innovationsförderung und Steigerung von Wettbewerbsfähigkeit oder in der multilateralen Zusammenarbeit. Wichtig ist, dass die neue Bundesregierung ein realistisches und verantwortungsvolles Selbstbild und Rollenverständnis entwickelt. Deutschland ist und bleibt der ausschlaggebende europäische Akteur für die Chance auf eine bessere Politik in Europa und in weltweiten Partnerschaften. Sein Machtpotenzial ist immer noch so groß, dass seine Handlungen zählen – nicht, weil es allein Probleme lösen kann, sondern weil Deutschlands Entscheidungen und Handlungen gravierende Folgen für seine Partner und Opponenten haben, manchmal sogar gravierender als für Deutschland selbst. So betrachten auch seine Partner und Rivalen die Bundesrepublik.

Auch für die nächste Bundesregierung ist die EU der konstitutive politische, rechtliche und ökonomische Rahmen Deutschlands, den es zu stärken und gegen Angriffe von innen und außen zu verteidigen gilt. Darüber hinaus sollte Deutschland bewährte und essenzielle Partnerschaften und Allianzen, die über die EU hinaus gehen, pflegen – etwa mit Großbritannien, den USA und den Ländern der europäischen Nachbarschaft. Mindestens genauso wichtig wird es sein, ergänzend neue, möglicherweise themenspezifische Netzwerke und Allianzen zu etablieren, um den globalen Politikherausforderungen begegnen zu können. Die deutsche Außenpolitik war immer dann erfolgreich, wenn sie Anknüpfungspunkte bot an die Außenpolitik wichtiger Partner und Gleichgesinnter, sei es bei der Ausgestaltung europäischer Integrationsschritte, der EU-Osterweiterung oder der Verhandlung des Iran-Abkommens (JCPOA).

Verharrt Berlin weiterhin in einer abwartenden Haltung, wird Deutschland als Partner innerhalb der EU, im transatlantischen Verhältnis, in der NATO, der WHO oder anderer Organisationen und Allianzen zunehmend unattraktiv. Deutschlands Handlungsspielräume würden durch eine solche Selbstverzwergung schrumpfen. Das Auftreten der neuen Bundesregierung sollte durch eine Kombination aus Handlungswillen, Weitsicht und kontrollierter Risikobereitschaft bestimmt sein.

Empfehlungen

Bundestagswahlen als Gelegenheitsfenster

Eine Politik der kleinen Schritte – also ein Weiter-wie-bisher – in den nächsten vier Jahren wird nicht ausreichen, um Deutschlands Handlungsfähigkeit zu stärken und neue Handlungsspielräume zu eröffnen. Die Bundestagswahlen und anschließenden Koalitionsverhandlungen sind die Chance, den Status quo kritisch zu überdenken und die deutsche Außenpolitik zu erneuern.

Um Impulse zu liefern, wie eine solche Erneuerung gelingen kann, haben unter Leitung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik von Ende 2020 bis Sommer 2021 eine Reihe namhafter deutscher Expertinnen und Experten in einer Strategiegruppe Handlungsempfehlungen an die neue deutsche Bundesregierung entwickelt. Die folgenden Empfehlungen decken nicht alle für Deutschland wichtigen Politikfelder ab, sondern stellen eine Selektion dar. Der Ansatz, der den Empfehlungen zu Grunde liegt, hat jedoch Implikationen für das gesamte außenpolitische Handeln der Bundesrepublik und für die Art und Weise, wie alte und neue Partnerschaften gestaltet werden sollten. Aus unserer Sicht sollten folgende Aufgaben Priorität haben:

Wir unterbreiten konkrete Vorschläge, wie in den genannten Themenfeldern die deutsche und europäische Handlungsfähigkeit verbessert werden kann. Für jedes Thema analysiert ein Aktionsplan die zentralen Herausforderungen und Chancen für die deutsche Politik. Diese Aktionspläne unterscheiden zwischen Analyse-, Koordinierungs- und Umsetzungsproblemen. Sie enthalten konkrete Empfehlungen, welche Ziele die deutsche Außenpolitik mit welchen Instrumenten und Partnern kurz, mittel- und langfristig verfolgen sollte. Diese Vorschläge bewegen sich im Spannungsverhältnis zwischen dem unbedingt Notwendigen und dem kurz- und mittelfristig Umsetzbaren. Angesichts der internationalen Herausforderungen darf der deutsche Wunsch nach Perfektion nicht der Feind des Guten sein.

Aktionsplan Strukturen Deutscher Außenpolitik

Wie Deutschland außenpolitische Entscheidungen besser treffen, vermitteln und umsetzen kann

Deutschland ist außen- und sicherheitspolitisch zunehmend mit Querschnittsthemen konfrontiert, die die Zuständigkeiten einzelner Ministerien überschreiten. Strategieprozesse vergangener Jahre haben diese Vernetzung und Komplexität zwar bereits erkannt, Strukturen und Prozesse der Entscheidungsfindung aber nicht ausreichend reformiert. Um handlungsfähiger zu werden, muss die nächste Bundesregierung die Strukturen des Regierungshandelns dahingehend modernisieren, dass sie mit parallelen, vielschichtigen Krisen und langfristigen Entwicklungen besser umgehen kann und außenpolitische Chancen und Herausforderungen früher erkennt. Sie muss nicht nur ihre institutionelle Vernetzung stärken, sondern auch aktiv – gemeinsam mit Wissenschaft und Zivilgesellschaft – strategische Debatten stärker in den politischen und öffentlichen Raum tragen.

Der Aktionsplan formuliert folgende Empfehlungen:

  • Um Koordinierung auch auf höchster politischer Ebene in komplexen und ressortübergreifenden außen- und sicherheitspolitischen Fragen zu gewährleisten, sollte der Bundessicherheitsrat (BSR) zum zentralen außenpolitischen Koordinierungsrahmen der Bundesregierung aufgewertet werden. Der BSR sollte sich in einen Kabinettsausschuss und ein Sekretariat, das aus Beamtinnen und Beamten und Expertinnen und Experten besteht, gliedern. Am Anfang der Legislaturperiode sollte ein Prozess zur Definition einer deutschen außen- und sicherheitspolitischen Strategie stehen, dem ein breiter Sicherheitsbegriff zugrunde liegt und der sowohl die Öffentlichkeit als auch internationale Partner einbezieht. Im Anschluss an diesen Prozess sollte der BSR die neue Strategie vorlegen und ihre Umsetzung begleiten.
     
  • Die Bundesregierung sollte außenpolitische Debatten stärker in den Deutschen Bundestag tragen, etwa durch eine jährliche Berichtserstattung der Bundesregierung zur „Lage Deutschlands in Europa und der Welt“. Außerdem sollten Bundesregierung und Parlament Anlässe zur Einbindung der Zivilgesellschaft schaffen, beispielsweise in Form einer jährlichen nationalen Sicherheitswoche des Bundestages.
     
  • Foresight-Kapazitäten sollten ressortübergreifend besser vernetzt und in die Regierungspraxis integriert werden. Ein ressortübergreifender Foresight-Prozess sollte angestoßen werden, dessen Ergebnisse in die Arbeit des BSR einfließen. Die Bundesakademie für Sicherheitspolitik dient dabei als Plattform zum methodischen Austausch.
     
  • Der Personalaustausch zwischen Politik und Forschung sollte intensiviert werden, um außenpolitische Expertise in den ministeriellen Apparaten und die Praxisnähe wissenschaftlicher Politikberatung zu stärken.

Den ganzen Aktionsplan „Strukturen deutscher Außenpolitik“ finden Sie hier.

Aktionsplan Sicherheits- und Verteidigungspolitik

Was Deutschland für Sicherheit, Verteidigung und Frieden tun muss

Für das offene und global vernetzte Deutschland hängen die Sicherheit der Welt und die der europäischen Nachbarschaft untrennbar mit der eigenen zusammen. Doch das geostrategische Klima verschlechtert sich drastisch. Neue Faktoren – Chinas globale Dominanzstrategie, Russlands Revisionismus, Amerikas Ambivalenz gegenüber seiner Rolle als Sicherheitsgarant, neue Waffentechnologien sowie Informationsoperationen wie Propaganda und Desinformation – machen Deutschland verwundbarer. Während Europas Nachbarschaft zunehmend Schauplatz der Konkurrenz von Groß- und Regionalmächten ist, ist Europa selbst längst zum Austragungsort und Objekt des globalen Systemwettbewerbs geworden. Die neue Bundesregierung muss die deutsche Sicherheits-, Verteidigungs- und Friedenspolitik erneuern, um Handlungsspielräume aufrechtzuerhalten und strategischen Herausforderern entgegenzutreten.

Der Aktionsplan formuliert folgende Empfehlungen:

  • Die Bundesregierung sollte die nationale Strategiefähigkeit über drei Schritte stärken: einen handlungsfähigen Bundessicherheitsrat schaffen, eine sicherheitspolitische Kommission neue Grundlagen vorschlagen lassen und die Zivilgesellschaft in die Gestaltung ihrer Sicherheit einbeziehen.
     
  • Die Bundesregierung sollte bis Sommer 2022 einen qualitativen Sprung in der Verzahnung von EU und NATO ermöglichen. Grundlage sollte eine zwischen den Organisationen kohärente Analyse der europäischen Sicherheit sein. Hieraus ließe sich ein europäisches Ambitionsniveau ableiten, zu dessen Erfüllung NATO und EU mit ihren spezifischen Instrumenten und Stärken beitragen. Die europäischen Staaten sollten mehr zu den konventionellen Fähigkeiten der NATO beitragen – dies würde gleichzeitig auch die EU stärken.
     
  • Ein Kristallisationspunkt für europäische Beiträge könnte die European Joint Force (EJF) sein. Deutschland kann die Umsetzung der EJF fördern, indem es das Rahmennationenkonzept wieder aufleben lässt und um den Bereich Rüstung erweitert.
     
  • Deutschland sollte die Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels der NATO verbinden mit einer Initiative zur Anpassung der Ausgabenmetrik, etwa zur Stärkung von Klimasicherheit, Cybersicherheit, und Innovation und zur Förderung von Projekten mit Drittpartnern.
     
  • Ein Bundeswehrplanungsgesetz soll mehr Planungssicherheit in der Finanzierung von Bundeswehrprojekten erlauben. Der Bundestag soll außerdem eine Vollausstattungsinitiative starten.
     
  • Deutschland sollte bei seinen NATO-Verbündeten für eine Abrüstungsinitiative für nukleare Mittelstreckenraketen werben. Dafür muss es aktiv zur kollektiven Sicherheit beitragen und am NATO-Grundsatz der nuklearen Abschreckung festhalten. Der Einladung Frankreichs zu einem strategischen Dialog über die Rolle der nuklearen Abschreckung sollte es folgen und europäische Partner einbinden.
     
  • Ziele und Instrumente von Krisenprävention müssen neu sortiert werden. Hierbei sollten Vertreter und Vertreterinnen aus der Zivilgesellschaft eingebunden werden. Strategische Fähigkeitsentwicklung sollte integriert mit anderen Ministerien weiterentwickelt werden. Deutschland sollte den Aufbau eines europäischen Stabilisierungskorps anführen und fünfzig Prozent der benötigten Fähigkeiten beitragen.
     
  • Deutschland sollte sich im Verbund mit EU, NATO und G7-Partnern in die Lage versetzen den Zugang zu Technologien zu sichern und Rivalen notfalls den Zugang zu verwehren. Seine Exportpolitik sollte stärker in Länder- und Regionalstrategien eingebettet werden und einen systematischen Chancen-und-Risiken-Ansatz verfolgen.
     
  • Um Deutschlands Resilienz gegenüber hybriden und vielschichtigen Bedrohungen zu steigern sollte die Bundesregierung regelmäßige Übungen und Planspiele auf allen Ebenen (Bund, Länder, Kommunen) und mit allen Akteuren (zivil, militärisch, staatlich, privat) abhalten. Institutionen, die als kritisch eingestuft werden, sollten einem regelmäßigen Stress- und Funktionalitätstest unterzogen werden.

Den ganzen Aktionsplan „Sicherheits- und Verteidigunspolitik“ finden sie hier.

Aktionsplan Wirtschaft und Außenpolitik

Wie Deutschland seine Wirtschaft stärken und die Globalisierung gestalten kann

Die deutsche Außenwirtschaftspolitik wird durch zahlreiche Zielkonflikte geprägt – etwa zwischen Wachstumsförderung und der Wahrung universaler Werte, zwischen Umweltstandards und Handelsabkommen oder zwischen wirtschaftlichen Zielen und sicherheitspolitischen Interessen. In der Abwägung wirtschaftlicher und außenpolitischer Interessen wird Deutschlands Handeln insbesondere durch die steigenden Spannungen zwischen den USA und China beeinflusst. Beide Mächte nutzen wirtschaftliche Druckpunkte, um ihre geopolitischen Interessen durchzusetzen. Deutschland ist davon aufgrund der starken Exportorientierung der deutschen Volkswirtschaft besonders stark betroffen. Die nächste Bundesregierung sollte eine Strategie erarbeiten, wie Deutschland externem Druck auf die eigene und europäische Wirtschaft begegnen kann. Ebenso wird es darum gehen, in welcher Form Berlin zukünftig selbst die wirtschaftlichen Druckpunkte seiner Wettbewerber und Konkurrenten nutzen kann, um deutsche und europäische Interessen zu verfolgen. Um handlungsfähig zu bleiben, muss Deutschland eigene Schwächen – etwa in der öffentlichen Verwaltung und Nachwuchsförderung – beheben und die Globalisierung aktiv mitgestalten.

Der Aktionsplan formuliert folgende Empfehlungen:

  • Deutschlands wirtschaftliche Stärke ist direkt gekoppelt an die wirtschaftliche und politische Resilienz der Eurozone und der EU insgesamt. Neben der Diversifizierung von Wertschöpfungsketten sollte die deutsche Außenwirtschaftspolitik daher auf eine resilientere Eurozone und damit auch eine resilientere EU hinwirken. Wesentliche Bausteine umfassen die Vervollständigung der Bankenunion, die Integration von Kapitalmärkten und die Garantie einer größeren Menge an „Safe Assets“.
     
  • Kritische Technologien und insbesondere die digitale Infrastruktur können zum Ziel langfristig angelegter Übernahmestrategien werden, etwa durch gezielte chinesische Investitionen im Kontext der neuen Seidenstraße. Deutschland sollte sich gegen eine Zunahme solcher Angriffe wappnen. Um die Gefahr feindseliger Übernahmen von EU-Schlüsseltechnologien zu mindern, sollte Deutschland sich für Investitionskontrollen im europäischen Rahmen einsetzen. Außerdem ist es erforderlich, stärker in die Innovationsförderung zu investieren, die Diversifizierung von Wertschöpfungsketten voranzutreiben und Technologien zu priorisieren, die eine Abhängigkeit Deutschlands von einzelnen Staaten vermeiden.
     
  • Deutschland sollte zu einer europäischen Außenpolitik beitragen, die die Konsequenzen des Green Deal und der Dekarbonisierungs-Agenda für Europas Nachbarschaft antizipiert und aktiv gestaltet. So sollte die EU in Ländern, die von fossilen Energieträgern abhängen, die grüne Energiegewinnung fördern, um neue Einnahmequellen zu schaffen und die wirtschaftliche und politische Stabilität zu wahren. Deutschland und die EU sollten zudem ein Abkommen mit den USA über einen Mechanismus zum CO2-Ausgleich an den Grenzen anstreben. Dies würde auch Anreize für China schaffen, seine Emissionen zu reduzieren.
     
  • Deutschland und die EU sollten einen aktiven Beitrag zur globalen Pandemiebekämpfung und -vorsorge leisten, indem europäische Produktionskapazitäten für Impfstoffe und kritische Medizinprodukte erweitert werden. Nur wenn die COVID-19-Pandemie beendet werden kann, ohne dass Drittstaaten weltweit politisch und wirtschaftlich nachhaltig geschwächt sind, kann das deutsche Exportmodell weiterhin funktionieren und können Deutschland und die EU das disruptive Potenzial der chinesischen und russischen Impfstoffdiplomatie verringern.

Den ganzen Aktionsplan „Wirtschaft und Außenpolitik“ finden Sie hier.

Aktionsplan China und Außenpolitik

Was Deutschland tun muss, um im Systemwettbewerb mit China zu bestehen

China fordert Deutschland auf vielen Ebenen heraus, von der Wettbewerbsfähigkeit seiner Industrie bis zur Robustheit seiner demokratischen Institutionen. Zu lange haben Deutschland und die EU auf einen „Wandel durch Handel“- Ansatz gesetzt, der sich nicht erfüllt hat. Im Gegenteil bedroht China inzwischen die internationale regelbasierte Ordnung und die westlichen Demokratien. Nur im Verbund der EU kann Deutschland sich gegenüber China klar positionieren – doch Uneinigkeit macht die EU handlungsunfähig. Um die systemischen Herausforderungen durch Chinas Aufstieg und Verluste von Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit abzuwenden, muss die neue Regierung einen Kurswechsel in der China-Politik vollziehen.

Der Aktionsplan formuliert folgende Empfehlungen:

  • Die China-Politik muss als gesamtgesellschaftliche Querschnittsaufgabe wahrgenommen werden, nicht allein als Außen- oder Außenwirtschaftspolitik. Länder, Kommunen, Wirtschaft und Zivilgesellschaft sollten in die Lage versetzt werden, mit den neuen Gegebenheiten angemessen umzugehen.
     
  • Die China-Politik sollte im erweiterten Bundessicherheitsrat behandelt werden. Vor jeder Sitzung sollten sich Fachabteilungen der jeweiligen Ministerien beraten. Ein „China-Stab“ aus namhaften Vertretern von Wissenschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft sollte den Bundessicherheitsrat beraten.
     
  • Die Bundesregierung sollte „China-Informationsbörsen“ aufbauen und finanzieren, die gezielt Beratungs- und Bildungsangebote für Kommunen, Schulen, Unternehmen und andere gesellschaftliche Akteure bereitstellen.
     
  • Der strategische Ansatz gegenüber China sollte angepasst werden: Das Verhältnis sollte nicht je nach Politikfeld in die Trias „Partner, Wettbewerber oder strategischer Rivale“ eingeordnet werden. Stattdessen sollte in jedem Politikfeld geprüft werden, wie sich das Merkmal der systemischen Rivalität auch auf Partnerschaft und Wettbewerb auswirkt.
     
  • Auf EU-Ebene sollte sich die Bundesregierung für die Einführung des qualifizierten Mehrheitsvotums einsetzen. Gleichzeitig sollte sie gemeinsam mit Partnern eine Gruppe für vertiefte Kooperation schaffen – die „offene Pioniergruppe China“ – um Blockaden zu überwinden. Diese Gruppe, die auch Nicht-EU-Partnern offenstehen sollte, sollte die Interessen, Werte und Mittel einer prinzipiengeleiteten EU-China-Politik definieren.
     
  • In enger Abstimmung mit gleichgesinnten Partnern sollte sich Deutschland aktiv an der Schaffung einer Alternative zur Seidenstraßeninitiative beteiligen. Die gemeinsame Kommunikation zur Konnektivität der EU, das „Blue Dot“-Network und die „Build Back Better“-Initiative sind geeignete Ansatzpunkte.

Den ganzen Aktionsplan „China und Außenpolitik“ finden Sie hier.

Aktionsplan Technologie und Außenpolitik

Wie Deutschland sich im weltweiten Technologie-Wettbewerb behaupten kann

Technologien – insbesondere im digitalen Bereich – sind der Innovationstreiber und der entscheidende Indikator für (zukünftige) Wettbewerbsfähigkeit, wirtschaftliche Stärke und Resilienz. Der globale Technologie-Wettbewerb wird jedoch von den USA und China dominiert. Deutschland verliert seine frühere Führungsrolle in zentralen Schlüsseltechnologien, eine Entwicklung mit geostrategischen Folgen. Mit zunehmender Abhängigkeit von den USA und China steigt auch das Risiko, zum Spielfeld von Großmächtekonkurrenz zu werden. Die chinesische Tech-Dominanz birgt zudem zahlreiche Gefahren für die freie Meinungsäußerung und Wahrung der Menschenrechte. Trotz der bekannten Herausforderungen besteht in Berlin ein eklatanter Mangel an Digital-Expertise auf Ebene der Regierung und der Verwaltung. Außerdem fehlt es an Koordinierung der technologiebezogenen Politiken in der Regierung. Die Widersprüche und Interessenskonflikte in der deutschen Technologiepolitik nehmen zu.

Der Aktionsplan formuliert folgende Empfehlungen:

  • Die Technologiepolitik in Deutschland muss bei der Erkennung und Gestaltung technologischer Innovationen agiler werden. Die Bundesregierung sollte daher digitale Technologiepolitik zu einer Querschnittsaufgabe machen und systematisch politische Expertise und Netzwerke aufbauen. Ein mögliches Digitalministerium mit starker politischer Führung – als ein zentraler Baustein – sollte Kompetenzen in den Bereichen Breitbandausbau, Verwaltungsdigitalisierung, Forschungsförderung von Schlüsseltechnologien, Regulierungsfragen in der Digitalwirtschaft und Innovationsförderung erhalten. Es sollte außerdem auch für die außenpolitische Dimension der Technologiepolitik zuständig sein. Alternativ denkbar wäre eine Technologie-Task-Force mit eigenem Budget im Bundeskanzleramt.
     
  • Ergänzend müssen Tech-Themen in allen Ressorts systematisch mitgedacht und regierungsweit koordiniert werden. In vielerlei Hinsicht können (neue) Technologien als Drivers of Change fungieren und zu Lösungsansätzen in anderen Politikfeldern beitragen. Innovationsförderung ist auch nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht wünschenswert, sondern ebenso, um Klimarisiken vorzubeugen oder die Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen.
     
  • Im Auswärtigen Amt sollte auf höchster Leitungsebene ein Posten für Technologieaußenpolitik angesiedelt werden. Deutschland sollte sich insbesondere mit den eigenen Abhängigkeiten und Verwundbarkeiten befassen, die Interessen und Strategien Chinas besser verstehen und eine Strategie zum Umgang damit entwickeln.
     
  • Deutschland muss national und EU-weit Innovationen fördern. Dazu sind gezieltere Investitionen erforderlich: in Humankapital, in die Entwicklung von Schlüsseltechnologien und in die Übersetzung guter Ideen in am Markt erfolgreiche Produkte.

Den ganzen Aktionsplan „Technologie und Außenpolitik“ finden Sie hier.

​​​Aktionsplan Resilienz und Demokratie

Wie Deutschland Angriffe auf Demokratie und Gesellschaft abwehren kann

Die westlichen Demokratien sind zunehmend Cyber-Angriffen und anderen Formen hybrider Bedrohungen ausgesetzt, die ihrem Fundament Schaden zufügen. Zu den Bedrohungen zählen Hackerangriffe auf staatliche Institutionen wie den Bundestag, die bewusste Streuung von Falschinformationen in Krisenzeiten und die Sabotage von Wahlvorgängen. Immer größere Teile der deutschen Bevölkerung wenden sich online-basierten Medienangeboten zu und sind dadurch Desinformationskampagnen oder Deep Fakes verstärkt ausgesetzt. Deutschland sollte gemeinsam mit seinen EU-Partnern Lösungen für diese komplexe Bedrohungslage finden, damit die Demokratie keinen irreversiblen Schaden nimmt.

Der Aktionsplan formuliert folgende Empfehlungen:

  • Deutschland sollte aktiv Maßnahmen zur Resilienzförderung in der breiten Öffentlichkeit vorantreiben, um Cyberbedrohungen und Desinformation zu begegnen. Aus den Erfahrungen mit der COVID-19-Pandemie sollte die Konsequenz gezogen werden, dass das Risiko von Desinformationskampagnen systematisch in der deutschen Krisenmanagementplanung berücksichtigt werden sollte. Gleichzeitig sollte die Regierung ihre Kommunikation modernisieren und verbessern.
     
  • Auf EU-Ebene sollte ein Europäischer Öffentlicher Rundfunk zur Transparenz von Entscheidungen im Mehrebenensystem beitragen. Eine unabhängige Rating-Agentur könnte helfen, insbesondere auf sozialen Netzwerken den Faktengehalt von Nachrichtenmeldungen zu prüfen. Darüber hinaus sollte das Vertrauen in das Internet durch die Regulierung von Plattformen hin zu mehr Transparenz erhöht werden. Dafür sollte Deutschland in der Ausarbeitung von EU-Regularien auf feststellbare Identitäten hinwirken, insbesondere damit Personen und Bots auf sozialen Medien klar unterscheidbar sind.
     
  • Auf EU- und deutscher Ebene sollten Strukturen zum Umgang mit hybriden Bedrohungen gestärkt oder neu geschaffen werden. So sollte die Arbeit des Cyberabwehrzentrums auf die Bekämpfung hybrider Bedrohungen ausgeweitet werden und die Aufdeckung externer Desinformation und Propaganda (ähnlich dem Format EEAS StratCom) auf nationaler Ebene verbessert werden. Die Cybersicherheit kritischer Infrastrukturen, insbesondere Regierungsstellen, sollte gefördert werden. Gleichzeitig ist es wichtig, in wissenschaftliche Forschungsprojekte über hybride Bedrohungen zu investieren. Die EU-Netzagentur ENISA sollte als Austauschplattform unter EU-Mitgliedsstaaten für hybride Bedrohungen genutzt werden und nach einem gemeinsamen Prozess Leitlinien für den Umgang mit Hacking und Desinformation erarbeiten.

Den ganzen Aktionsplan „Resilienz und Demokratie“ finden Sie hier.

Aktionsplan Klima und Außenpolitik

Wie Deutschland zu einer führenden Klimanation werden kann

Mit dem Pariser Abkommen hat sich Deutschland verpflichtet, eine führende Klimanation zu werden. Für die neue Regierung besteht dringender Handlungsbedarf, sowohl bei der Emissionsminderung als auch in Bezug auf die Klimaanpassung. Die Flutkatastrophe im Juli 2021 hat gezeigt, dass es um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger geht; Deutschland ist aber auch von Extremwetterereignissen im Ausland betroffen. Die Transformation der deutschen Wirtschaft wird die Außenbeziehungen beeinflussen. Für seine Glaubwürdigkeit nach außen muss Deutschland die eigene Emissionsreduktion und Klimaanpassung steigern und sich gleichzeitig in globaler Klima- und Entwicklungspolitik engagieren. Zudem muss es sich auf neue geopolitische Gegebenheiten vorbereiten, die sich durch die globale Energiewende ergeben und die Transformation in Drittstaaten mitgestalten.

Der Aktionsplan formuliert folgende Empfehlungen:

  • Die Bekämpfung der Ursachen und Folgen des Klimawandels sollte von der neuen Bundesregierung als Querschnittsthema behandelt werden. Klima-, außen-, sicherheits- und entwicklungspolitische Ziele sollten besser verknüpft werden. In allen Ministerien und staatlichen Stellen sollte die Klimafortbildung gestärkt werden. Darüber hinaus sollten politische Entscheidungen ressortübergreifend systematisch auf Klimarisiken geprüft werden, um die Grundlage für eine kohärente Klimaaußenpolitik zu schaffen. Diese sollte nicht nur darauf abzielen, dass Deutschland das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Abkommens erreicht, sondern auch Deutschlands Partner aktiv dabei unterstützen.
     
  • Damit verbunden sollte Deutschland mehr Ressourcen für Klimafinanzierung und Entwicklungshilfe bereitstellen. Im Koalitionsvertrag sollte die Verknüpfung von Entwicklung, Klima und Sicherheit anerkannt und ein höherer Haushaltsanteil für Entwicklungspolitik festgelegt werden.
     
  • Deutschland sollte sich für die Vereinheitlichung von Klimastandards und Offenlegung von Klimarisiken, insbesondere im Rahmen der Taskforce on Climate-Related Financial Disclosures (TCFD), einsetzen.
     
  • Deutschland sollte sich dafür einsetzen, dass Entwicklungsbanken und internationale Finanzinstitutionen wie die Weltbank und der IWF den Klimawandel stärker berücksichtigen. Zudem sollte die KfW beauftragt werden, Standards zur Offenlegung von Klima- und Transformationsrisiken zu entwickeln.
     
  • Deutschland sollte sich aktiv für EU-Klimapolitik einsetzen und den CO2-Grenzausgleich in seiner Diplomatie verteidigen.
     
  • Während es gute Metriken für Treibhausgas-Emissionen gibt, gestaltet dies sich für den Vergleich und die Bewertung von  Anpassungsmaßnahmen schwierige. Daher sollte Deutschland eine internationale Task Force für Anpassungsmetriken mobilisieren.
     
  • Deutschland sollte mehr in grenzüberschreitende Wissenschaftsfinanzierung investieren und sich für die Offenlegung von Klima- und Wetterdaten in Europa und weltweit starkmachen.

Den ganzen Aktionsplan „Klima und Außenpolitik“ finden Sie hier.

Aktionsplan Klimawandel und Sicherheit

Wie der Klimawandel Konflikte anheizt und was Deutschland dagegen tun kann

Als exportorientierte Volkswirtschaft hat Deutschland ein großes Interesse an Stabilität im Ausland. Klimafolgen – in der Form von Extremwetterereignissen oder Kippkaskaden im Erdsystem – verschärfen und begünstigen bereits jetzt Konflikte, wie das Beispiel der Sahelzone zeigt. Deutschland muss seine Fähigkeiten verbessern, Krisen früh zu erkennen. Außerdem sollte es einen größeren Beitrag zur Bewältigung sozial-ökologischer Krisen im Ausland leisten und dafür sorgen, dass das Thema Klima und Sicherheit mehr Priorität auf multilateraler Ebene erhält.

Der Aktionsplan formuliert folgende Empfehlungen:

  • Ansätze zum Themenkomplex Klima und Sicherheit in unterschiedlichen Ministerien sollten innerhalb der kompetenten Ministerien zusammengeführt werden. Dazu kann ein Ressortkreis Klima und Sicherheit beitragen, der aus Kanzleramt, Auswärtigem Amt und die Ministerien für Verteidigung, Wirtschaftliche Zusammenarbeit, Umwelt und Inneres besteht und sich regelmäßig auf Abteilungsleitungsebene austauscht.
     
  • Im Rahmen der Umsetzung und Weiterentwicklung der Leitlinien zur Krisen- und Konfliktprävention sollte die Bundesregierung neue Selbstverpflichtungen eingehen – mit dem Ziel der finanziellen und personellen Aufstockung in Ministerien und der Förderung von Wissenschaft und NROs zur besseren Identifikation von Risiken.
     
  • Auf EU-Ebene sollte Deutschland sich für Leitlinien zur Krisenprävention mit Schwerpunkt auf nicht-traditionellen Sicherheitsrisiken einsetzen. Ebenso sollte es auf UN-Ebene über die „Group of Friends“ die Priorisierung des Themas Klimasicherheit antreiben und sich für die die Ernennung eines Sondergesandten oder einer Sondergesandtin für Klima und Sicherheit stark machen.
     
  • Die Regierung sollte ihre Expertise in Fragen der Klimasicherheit stärken. Gleiches gilt für internationale Einsatzkräfte. Ein Expertenpool könnte die deutschen Auslandsvertretungen zu Klimarisiken vor Ort beraten. Die wissenschaftliche Forschung sollte stärker gefördert werden.

Den ganzen Aktionsplan „Klimawandel und Sicherheit“ finden Sie hier.

Aktionsplan Migration und Außenpolitik

Wie Deutschland die irreguläre Migration begrenzen und Flüchtlingen helfen kann

In den letzten Jahren konnte Deutschland seine Ziele im Politikfeld Flucht und irreguläre Migration nicht erreichen. Es fehlt an einer kohärenten europäischen Asyl- und Grenzpolitik. Ausreisepflichtige Ausländer werden nur selten abgeschoben; zugleich endet für viele Migranten der Versuch, nach Europa zu gelangen, tödlich. An den EU-Außengrenzen werden Asyl- und Menschenrechtsstandards verletzt. Die Asyldebatte in europäischen Mitgliedsstaaten wird von Ängsten und einem populistischen Narrativ einer „Massenmigration“ verzerrt. Die neue Bundesregierung sollte sich über Kooperationsinitiativen und Pilotprojekte für eine humane und realistische Asylpolitik in der EU und weltweit einsetzen.

Der Aktionsplan formuliert folgende Empfehlungen:

  • Deutschland sollte sich dafür einsetzen, dass Malta und Italien die Koordinierung der Seenotrettung wieder aufnehmen. Mit anderen EU-Staaten soll Deutschland eine Koalition aufnahmewilliger Länder bilden, sodass aus dem Mittelmeer gerettete Personen innerhalb von zwölf Wochen aufgenommen werden können.
     
  • An den EU-Außengrenzen sollte Deutschland ein Pilotprojekt mehrerer Binnen- und Außengrenzen-Mitgliedsstaaten mitaufbauen. Darin sollten die Grenzbehörden Deutschlands und der Niederlande mit Behörden der EU-Mittelmeerländer zusammenarbeiten und ein System zu Antragsprüfung innerhalb einer Frist von acht Wochen implementieren.
     
  • Die EU sollte neue Abkommen zur effektiven Rückführung von irregulär in die EU eingereisten und ausreisepflichtigen Personen schließen, insbesondere mit Marokko und Tunesien. Im Gegenzug sollte die EU legale Mobilitätswege eröffnen, insbesondere durch Visaerleichterungen.
     
  • Deutschland sollte Griechenland und der Türkei in einer neuen EU-Türkei-Erklärung anbieten, im Gegenzug zur schnellen Umsetzung von Asylverfahren in Griechenland und der Rückführung von Nicht-Schutzbedürftigen bis zu 40.000 Flüchtlinge pro Jahr in Deutschland aufzunehmen.
     
  • Im Rahmen des Globalen Paktes für Flüchtlinge sollte Deutschland sich für die Erneuerung und Weiterentwicklung des internationalen Asylsystems einsetzen und die Qualität und Aufnahmekapazität von Asylsystemen in Drittstaaten fördern. Es sollte ein mehrjähriges globales Budget für Flüchtlingshilfe in Erstaufnahmestaaten in Kooperation mit UNHCR, WFP und UNICEF initiieren. Darüber hinaus sollte es sich auf diplomatischem Weg dafür einsetzen, dass Schwellenländer mehr Schutzbedürftige aufnehmen.

Den ganzen Aktionsplan „Migration und Außenpolitik“ finden Sie hier.

Aktionsplan Westlicher Balkan und EU-Nachbarschaft

Wie Deutschland zu dauerhaftem Frieden auf dem Balkan beitragen kann

Seit dem Ende der Balkankriege setzt sich die deutsche und europäische Außenpolitik für Stabilität im Westlichen Balkan ein. Die Jahrzehnte des Friedens in der Region können als Erfolg gewertet werden, doch steigen die Risiken einer Rückkehr zu Instabilität, wie die neue Mobilisierung ethnischer Spannungen und wachsende Militärausgaben nahelegen. Die Umsetzung von Reformen in der Region hängt eng mit einer glaubwürdigen EU-Beitrittsperspektive zusammen. Mit der Erweiterungsskepsis in einigen EU-Mitgliedsstaaten ist diese jedoch unglaubwürdig geworden. Deutschland sollte mit einer neuen Initiative die Beitrittsperspektive stärken und zur Lösung von Streitfragen beitragen.

Der Aktionsplan formuliert folgende Empfehlungen:

  • Deutschland sollte für einen neuen zweistufigen Beitrittsprozess plädieren. Das Ziel der Verhandlungen mit allen sechs Staaten des Westbalkans bleibt ein Vollbeitritt, doch es wird ein konkretes Zwischenziel angeboten: der volle Zugang zum europäischen Binnenmarkt.
     
  • Bis 2030 sollte ein „Südosteuropäischer Wirtschaftsraum“ geschaffen werden, der die Region in den EU-Binnenmarkt integriert. Durch den gemeinsamen Markt können auch bilaterale Grenzspannungen (Serbien-Kosovo) überwunden werden.
     
  • Gleichzeitig sollte die Förderung von Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechten zentraler Bestandteil des Prozesses sein, ebenso wie regelmäßige Antikorruptions-Berichte der EU-Kommission.
     
  • Deutschland soll sich für die Stärkung des Europarates einsetzen, dem als letztes Westbalkan-Land Kosovo beitreten soll. Die Umsetzung von Urteilen des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs in der ganzen Region sollte zu einer zentralen Voraussetzung für die EU-Integration werden.

Den ganzen Aktionsplan „Westlicher Balkan und EU-Nachbarschaft“ finden Sie hier.


Dieser Onlinetext ist die Einleitung und Zusammenfassung der zehn Aktionspläne. Laden Sie sich den kompletten Bericht hier herunter. 


PROJEKT IDEENWERKSTATT Der vorliegende Bericht ist im Rahmen des DGAP-Projektes „Ideenwerkstatt Deutsche Außenpolitik“ entstanden, das von der Stiftung Mercator gefördert wird. In einem zehn-monatigen Reflexions- und Strategieprozess hat die DGAP gemeinsam mit einer Gruppe namhafter außenpolitischer Expertinnen und Experten diskutiert, wie handlungsfähig die deutsche Außenpolitik zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist und wie sich die nächste Bundesregierung aufstellen sollte, um zukünftig mit den komplexen außenpolitischen Chancen und Herausforderungen bestmöglich umzugehen. In mehreren virtuellen, vertraulichen Workshops fand ein angeregter Austausch darüber statt, mit welchen Herausforderungen die deutsche Außenpolitik konfrontiert ist, welche Ziele sie verfolgen sollte und welche Instrumente und Partnerschaften ihr dabei zur Verfügung stehen sollten. Inspiriert durch diesen intensiven Austausch haben die Experten und Expertinnen der Ideenwerkstatt Aktionspläne zu unterschiedlichen Teilbereichen deutscher Außenpolitik verfasst, die sich mit konkreten Handlungsempfehlungen an die nächste Bundesregierung richten. Alle Teilnehmenden haben in persönlicher Eigenschaft zu diesem Projekt beigetragen. Nicht alle Teilnehmenden stimmen mit jeder Empfehlung in diesem Bericht überein. Während die Einleitung von der gesamten Expertengruppe verantwortet wird, spiegeln die Aktionspläne lediglich die Meinung der einzelnen Autorinnen und Autoren wider. Innerhalb des Projektes wurde die Ideenwerkstatt-Expertengruppe durch ein Policy Board ergänzt, das parteiübergreifend politische Entscheiderinnen und Entscheider zusammengebracht und als unmittelbarer politischer Resonanzraum für die Analysen und Strategieempfehlungen der Ideenwerkstatt gedient hat. In dieser Funktion lieferte das Policy Board wichtige Denkanstöße, die in den Strategieprozess der Ideenwerkstatt eingeflossen sind. Das Policy Board ist jedoch nicht verantwortlich für den Inhalt dieses Berichts.
VORSITZENDE DER IDEENWERKSTATT
Dr. Christian Mölling, DGAP-Forschungsdirektor und Leiter des Programms Sicherheit und Verteidigung Prof. Dr. Daniela Schwarzer, Executive Director Europe and Eurasia, Open Society Foundations, und ehemalige Direktorin der DGAP
MITGLIEDER DER EXPERTENGRUPPE
Prof. Dr. Petra Bendel, Leiterin des Forschungsbereichs Migration, Flucht und Integration (MFI) des Instituts für Politische Wissenschaft, Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg und Vorsitzende des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR) Prof. Dr. Christian Calliess, LL.M. Eur., Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Europarecht, Freie Universität Berlin Prof. Marcel Fratzscher, PhD, Präsident des DIW Dr. Stefan Heumann, Mitglied des Vorstands der Stiftung Neue Verantwortung (SNV) Gerald Knaus, Vorsitzender der Europäischen Stabilitätsinitiative (ESI) Dr. Claudia Major, Forschungsgruppenleiterin Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) Dr. Friederike Otto, Associate Director, Environmental Change Institute, Oxford University Dr. Tim Rühlig, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Programm Technologie und Außenpolitik der DGAP Dr. Constanze Stelzenmüller, Fritz Stern Chair on Germany and transatlantic relations am Center on the United States and Europe, Brookings Institution Dr. Kira Vinke, Leiterin des Zentrums für Klima- und Außenpolitik, DGAP Dr. Guntram Wolff, Direktor, Bruegel
PROJEKTMANAGEMENT
Anna-Lena   Kirch, Projektkoordinatorin der Ideenwerkstatt Deutsche Außenpolitik und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Alfred von Oppenheim-Zentrum für Europäische Zukunftsfragen der DGAP Serafine Dinkel, Projektassistentin der Ideenwerkstatt Deutsche Außenpolitik
MITGLIEDER DES POLICY BOARDS
Dr. Thomas Bagger, Leiter außenpolitische Abteilung, Bundespräsidialamt Dr. Franziska Brantner, Mitglied des Deutschen Bundestages Ekkehard Brose, Präsident, Bundesakademie für Sicherheitspolitik Dr. Markus Kerber, Staatssekretär, Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat Nico Lange, Leiter des Leitungsstabes, Bundesministerium der Verteidigung Siemtje Möller, Mitglied des Deutschen Bundestages Dr. Norbert Röttgen, Mitglied des Deutschen Bundestages Dr. Nils Schmid, Mitglied des Deutschen Bundestages Dr. Ellen Ueberschär, Mitglied des Vorstands, Heinrich-Böll-Stiftung Jakob von Weizsäcker, Chefökonom und Leiter der Grundsatzabteilung, Bundesministerium der Finanzen
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