Der Diktator als kulturschaffendes Genie

Der Diktator als kulturschaffendes Genie

Egomanen, Dikatoren als Direktoren, Komponisten, Filmemacher, Kulturschaffende von Kinski, Polanski, Weinstein, Dieter Bohlen, Karajan, Kroetz, die zum Teil Frauen ausnützten, ihre Launen an der Menschheit und den ihnen Untergebenden ausliessen, sich wie Zuhälter aufspielen, teils ihre Töchter und Frauen vergewaltigten, wurden als grosse geniale Künstler und Kulturschaffer gesehen. Der Diktator ist das Genie, schafft seine Authenzität und Originalität, sein Charisma und Ausstrahlungskraft, je übler er sich gegenüber seinen Untergebenen benimmt und desto extrovertierter, tyrannischer, egomanischer und narzstischer er sich gebärdet- damit auch mit sex appeal beim autoritätshörigen Publikum und den Bewunderern in den Feuilletons. Bisher genoss all das stillschweigende Duldung, wenngleich nicht sogar Zustimmung und lauthalsen Applaus. Kunst sei nicht denkbar, wenn der Künstler oder Direktor nicht patriachalisch, egozentrisch, tyrannisch, extrovertiert und ein Arschloch sei. Genie und Dikator und Arschloch schienen nicht voneinander trennbar, sondern sich einander zu bedingen.

Inzwischen hat sich die Stimmung geändert. Die Angestellten von Kunstbühnen und Filmcrews setzen Pamphlete gegen diktatorische Regisseure und Intendanten auf, Frauen organisieren sich gegen die sexuelle Ausbeutung seitens der vielzitierten alten angry white men, die bisher die Kultur- und Medienszene beherrschten, wobei sich dies auch bis in die Medien vorsetzt im Falle des BILD-Reichelts, das nun auch zum Döpfnerfall aufgeblasen wird, bis Jan Fleischhauer im Burda- Focus auf ähnliches Gebaren bei Spiegelherausgeber Augstein hinwies, der Praktikantinnen im Badeanzug empfing und fragte „Ficken?“, worauf nun beide Seiten auffälligerweise verstummt sind. Oder in der Modewelt. In einem Interview hatte Joop gesagt, er habe bei Karl Lagerfelds Tod geweint, weil damals eine Ära zu Ende gegangen sei und „diese Welt so wunderbar frivol und frigide war. Alles war käuflich. Die Agenturen gaben die Schlüssel zu den Zimmern der Models, die nicht so viel Geld brachten, an reiche Männer. Und wenn sich ein Mädchen beschwerte, hieß es: Wir können auch auf dich verzichten“. Auf die Entgegnung, dass dies doch fürchterlich sei, antwortete Joop: „Ja. Aber wirklich schön ist die Modewelt nur, wenn es auch die Sünde gibt.“Da ist soviel Missbrauch, dass er noch jahrzehntelang aufgearbeitet werden müsste wie bei den Missbrauchsfällen der katholischen und protestantischen Kirche oder der Reformpädagogik der Odenwaldschule.

Man sollte aber zweierlei unterscheiden: Das Kunstwerk und den Künstler.Kinski, Polanski, Karajan, Weinstein und und auch andere haben gute Filme und Musik gemacht, unabhängig von der Entstehungsgeschichte und ihren halben Verbrechen. Man sollte Künstler und Kunstwerk trennen. Sonst kommt  man auf solchen Blödsinn, Schauspieler wie Kevin Spacey aus den Filmen wegen Metoo nachträglich zu entfernen, diese Kunstwerke nicht mehr aufzuführen oder totzuschweigen. Die Täter gehören strafrechtlich verfolgt und abgeurteilt, aber ihre Kunstwerke sollte man damit nicht gleich entfernen. Auch wenn Einstein seine Frau oder seinen Kanarienvogel vergewaltigt oder getötet hätte, würde die allgemeine Relativitätstheorie doch immer noch gültig sein und ist einfach genial. ARTE macht das ganz gut, indem es rassistische angry white manfilme und Western, auch mit John Wayne zeigt, um diese als Zeitgeistdokumente und selbstsprechende Kritik damit zu dokumentieren. Zudem man ja das Ganze kommentieren und in einen modernen Kontext stellen kann.

Die große Angst der Anhänger genialer Kulturdiktatoren ist jedoch, dass eine Demokratisierung von Kultur, Kunst, Mode, Musik und Film ins Leere läuft und sie fürchten den Slogan des deutschen Künstlers Beuys: „Jeder ist ein Künstler“ und „Alles ist Kunst“, zumal zu recht, da hier der Willkür und der Beliebigkeit und der Inflationierung des Kunst- und Kulturbegriffs unter einer populistischen Basisdemokratieforderung Vorschub geleistet wird, die sich möglichst antielitär geben will. Damit wird jede Hausfrau ohne künstlerische und handwerkliche Vorkenntnisse, die mal einen VHSkurs für Töpfern oder Malerei belegt hat, zum neuen Picasso, Rembrandt oder was immer geadelt, droht vor lauter künstlerirscher liquid democracy eine Verdrängung wirklich begabter Talente zugunsten einer Beliebigkeit und Wurschtigkeit, in dem eben alles zur Kunst erklärt wird und der ein Kunlturbanause ist, der das mal hinterfragt, wobei dies bei dem jetzigen autoritären Götzenkulturbildungsbürgertum schon jetzt so ist, das sich bei jeder Vernisage zum Buffetsturm und Societytratsch und Sehen- und Gesehen- werden trifft und auch gar keine grossen Fragen stellt.

Interessant ist auch, was von der neuen Staatssekretärin für Kultur Claudia Roth unter der Ampelkoalition zu erwarten ist. Sie neigt ja auch eher dem Beuysschen Kulturbegriff zu, will zudem die Klein- und regionale Kunst fördern, was ja auch nicht falsch ist, insofern nicht jeder Mist, der sich als Betroffentheits- und Political Correctness-Mainstreamkultur und grüner Neobiedermeier offenbart, gehypt wird. Mensch wird abwarten müssen, inwieweit dies nicht zur völligen Cancelkultur ausartet, in dem jeder modische Gesellschaftskitsch höhere Weihen erfährt, zu dem Punkt, dass man sich wieder eine Diktator als kulturschaffendes Genie zurückwünscht und es einen Backlash gibt in dieser Sorte Kulturkampf, so dass Volkes Stimme sich wieder erhebt wie damals bei Beuys Fettecken in der Badewanne als Kunstwerk, die von zwei Putzfrauen als Dreck und Schmutz beseitigt wurden, dass BILD schon wieder begeistert jubeklte, wobei man aber nicht gleich den Begriff der entarteten Kunst aufgrund der deutschen Historie in den Mund nahm. Vielleicht läuft es bestenfalls auch mehr auf Kunst ala Banksy heraus und wird dererlei dann ein Massenphänomen.

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