Böser irrationaler Putin, die neue Querfrontfriedensbewegung und die emotionale Polarisierung

Böser irrationaler Putin, die neue Querfrontfriedensbewegung und die emotionale Polarisierung

Wo die neue Friedensbewegung bleibe, fragte der Chefredakteur des Münchner Merkurs rhetorisch. Angesichts der Massendemos für die Ukraine eigentlich eine mehr rhetorische Frage. Er meinte wohl eher die Friedensbewegung der Putinsfans auf der Linken und wollte da mal genüsslich in diese Kerbe hauen. Die kommt, aber diesmal nicht nur von links, sondern von ganz rechts und nicht in alter parteiübergreifender Linker wie die Friedensbewegung ala 80er Jahre sondern mehr marginal und als neue Querfront wie man das schon zu Coronazeiten erlebt hat: Vor allem erst mal von der AfD, Höckefans wie Jürgen Elsässer (COMPACT) und Querdenkern und sie könnte auch im russlandfreundlichen Osten etliche Sympathisanten gewinnen.

Erklärung von COMPACT-Chefredakteur Jürgen Elsässer

1.) Mit dem offenen Angriff auf die Ukraine ist die gefährlichste Situation in Europa nach 1945 entstanden. Das Risiko einer direkten Konfrontation der Supermächte und ihrer Verbündeten ist höher als im Jugoslawienkrieg, der seitens der NATO nur aus der Luft geführt wurde und vom geschwächten Jelzin-Russland hingenommen wurde.

2.) Der Angreifer ist, wie schon oft in der Geschichte beobachtet, nicht der Aggressor. Die Aggression geht von der NATO unter Führung der USA aus, die die Ukraine als Offensivplattform gegen Russland nutzen wollen und bereits eine ständige Militärpräsenz im Land unterhalten. Die NATO hat die Versprechen aus der Zeit der Wiedervereinigung, das Ende der Blockkonfrontation nicht für eine Ausdehnung nach Osten nutzen zu wollen, sämtlichst gebrochen. Zuletzt geschreddert wurde das Minsker Abkommen, das eine Befriedung der Ostukraine bei voller Widerherstellung der Souveränität der Ukraine vorsah. Russland wollte das, der Westen und das Kiewer Regime wollten das nicht.

3.) Putin betreibt keine neo-sowjetische, sondern eine neo-zaristische Außenpolitik (siehe auch seine Rede vom Dienstag). Der Unterschied ist wichtig, denn mit dem Zarenreich ist Deutschland in der Regel gut ausgekommen, mit der Sowjetunion und ihrem Anspruch auf Weltrevolution dagegen nicht. Der Kommunismus heute ist, unter Führung des Finanzkapitals, nicht in Moskau wiederauferstanden, sondern in Brüssel – in Gestalt der EudSSR, ihrer ökosozialistischen Planwirtschaft, ihrer politischen Korrektheit, ihrer Zerstörung der traditionellen Werte von Christentum und Familie. Russland verfolgt dagegen eine Politik, die de facto gegen diesen Neo-Kommunismus gerichtet ist, obwohl sie sich gelegentlich antifaschistisch gibt, um die aus dem Sieg über Hitler-Deutschland resultierenden patriotischen Gefühle zu stimulieren.

4.) Ist Putins Intervention in der Ukraine erfolgreich (was jedoch, siehe Afghanistan, keineswegs feststeht), würde ein neo-zaristisches Blocksystem aus Russland, Ukraine und Belarus entstehen, dem sich möglicherweise andere von der NATO bedrohten Staaten anschließen (Armenien, Moldawien/Transnistrien, Kasachstan, Syrien) und das Ausläufer auch nach Südamerika (Kuba, Venezuela, Nicaragua) hätte. Selbst die Untersützung von Brasilien ist nicht ausgeschlossen – Bolsonaro hat noch vor einigen Tagen, zum Entsetzen der USA, Putin seine Aufwartung gemacht.

5.) Die erneute Spaltung der Welt in einen US-geführten und einen prorussischen Block, wenn auch unter entgegensetzten ideologischen Vorzeichen als 1945 bis 1989, wäre eine gute Nachricht. Der zerstörerische Globalismus käme zum Stillstand – und zwischen den Blöcken gäbe es Luft für Neutralismus und Eigenständigkeit. Zur Erinnerung: In der Zeit des Kalten Krieges konnten, trotz sowjetischer Aggressionen, Länder wie Österreich, Finnland, Schwden, Jugoslawien und Indien neutral bleiben und eigene Wege gehen. Auch die BRD hatte damals mehr Souveränität als das wiedervereinigte Deutschland heute, musste keine Truppen für globale Militärabenteuer der USA (Vietnam!) stellen und konnte eine eigene Ostpolitik entwickeln.

6.) Deutschland darf sich nicht in einen Krieg gegen Russland hineinziehen lassen. Wenn es eine Lehre aus der Geschichte gibt, dann diese: Russen und Deutsche dürfen sich nie mehr gegeneinander hetzen lassen. Von unserer Regierung, treu im Solde der Angelsachsen, darf nichts erwartet werden. Gegen das Scholz-Baerbock-Regime muss eine neue Friedensbewegung aufgebaut werden, die strikte Neutralität im aktuellen Konflikt, Inbetriebnahme von Nordstream-2, Abzug der US-amerikanischen Besatzungstruppen und Austritt aus der NATO verlangt.

https://www.compact-online.de/russland-startet-angriff-auf-die-ukraine-deutschland-darf-sich-nicht-in-einen-krieg-treiben-lassen-sechs-thesen/

Elsässer eurasische Visonen gehen schon auf Ideen des Vaters der chinesischen Republik und damaligen Führers der Nationalpartei Sun Yatsen zurück, der eine eurasische Achse zwischen den Verlierern des 1. Weltkrieges und des Versailler Vertrags Deutschland, Sowjetunion und China propagierte. Der h3utige Eurasianismus hat seinen Vordenker in der Person Alexander Dugin, dem die taz einen ganz informativen Artikel widmete:

Der Philosoph hinter Putin

Der Vordenker des Feldherrn. Alexander Dugin ist der ideologische Großmeister der russischen Neuen Rechten. Er findet seine Anhänger auch im Westen.

https://taz.de/Der-russische-Faschist-Alexander-Dugin/!5836919/

Die Vordenker des deutschen und italienischen Faschismus Heidegger und Evola dürfen bei Dugins eurasischem Fachismusgebräu natürlich auch nicht fehlen. Aber die Euasiansimusbewegung hat mehrere Strömungen, eine, die das mehr wirtschaftlich sieht, eine, die dies mehr geopolitisch sieht (z.B. der ehemalige KGB-Chef und spätere Ministerpräsident Primakov, der ein eurasisches Bündnis Russland-Indien-China/RIC anstrebte) , dann auch eine mehr kulturelle und auch eine ideologische Strömung wie eben Alexdander Dugin.In ihrer Gegnerschaft zum demokratischen und liberalen Westen sind sich die Eurasier aber einig und finden auch bei europäischen und deutschen Rechtsradikalen einen breiten Resonanzkörper:

Eurasische Reconquista

Die russische Kriegspropaganda stößt bei deutschen Rechtsextremen auf offene Ohren. Denn auch sie träumen von einem eurasischen Bündnis gegen den Westen.“

https://jungle.world/artikel/2022/09/eurasische-reconquista

Auffällig ist, dass AfD und Elsässer und die Putinnahe Rechte zwar den Angriffskrieg Putins nicht so leugnen kann angesichts der breiten Anti-Putin- und Pro-Ukraine- Stimmung in der Bevölkerung, aber doch zumindestens zuerst zu relativieren sucht, als Chance und mögliche Alternative für ein neutrales und neues Deutschland zu propagieren, das zwischen den USA und Russland als Vermittler auftreten könnte, wenngleich wieder mit eurasischer Ausrichtung für eine neue europäische Friedensordnung und einen deutschen Friedensvertrag, der ein deutsch-europäisch-russisches (-chinesisches) Bündnis gegen die USA mittel- und langfristig anstrebt (ähnlich wie der Eurasier und erste Vater der chinesischen Republik Sun Yatsen, der zusammen mit Lenin von einer Achse der Kriegsverlierer Deutschalnd, Sowjetuinon, China gegen den Versailler Vertag träumte) . Wobei diese Kräfte propagandistisch nicht soweit gehen wie Trump erst Putin als smart, clever, tollen Burschen für den Ukrainekrieg zu loben und dann angesichts der breiten Pro-Ukrainestimmung seiner Basis wieder eine 180-Gradwende hinzulegen , um Putins Ukrainekrieg als russischen „Holocaust“ zu bezeichnen, um die in Erklärungsnöte kommende Republikanerbasis wieder für die Zwischenwahlen und Präsidentsschaftswahlen einzufangen, um dann wenn einmal an der Macht, die nächste 180 Gradwende hinzulegen, um zu seinem erhoffte Deal mit Putin auf Kosten der EU und der Ukrainer zu kommen, um Putin als Verbündeten gegen China zu gewinnen. Doch die AfD macht das etwas geschickter und ohne Holocaustreferenzen und anderen „Vogelschiss der Geschichte“. Hervorragender Artikel dazu im Volkspetzer, den wir hier empfehlen wollen:

So relativieren die Putin-Freunde der AfD den Krieg in der Ukraine

Dennoch scheint das ganze Spaltpotential zu haben, da Rechtsradikale und Rechte sich nun zwischen Putinfans und Ukrainefans sortieren und man das Thema am besten gar nicht so ansprechen will, da man eben eine Spaltung darüber befürchtet:

So stark spaltet Putins Krieg die rechte Szene

Doch auch in der Linken polarisiert der Ukrainekrieg. Schon die sicherheitspolitische Zeitenwende und nun stattfindende Aufrüstung seitens der SPD und Grünen, ihrem Canossagang früherer Ostpolitik ( wie auch der CDU samt Merkel und FDP) sorgt da für etwas Missstimmung in den eigenen Reihen, wird aber grossteils akzeptiert. Viel härter trifft es die Linkspartei. Ausdruck dessen die Kontroverse zwischen der Gysifraktion und der Wagenknechtfraktion. Während Gysi Putin als klaren Aggressor darstellen will , zu wenig Emotionalisierung und Gefühlsduselei der Linken ala Kinder- und Frauenbetroffenheit einer feminitischen Aussenpolitik ala Barbock oder Roth und mehr Empathie anwarnt und auch wirtschaftliche Sanktionen (aber eben keine Waffenlieferungen oder gar Aufrüstung) befürwortet, stellt Wagenknechts Fraktion die Kriegsschuld Putins in Frage, stellt noch Fragen nach der Mitschuld wegen der NATOosterweiterung und russische Sicherheitsinteressen, auch den Vater des Containments Kennan zitierend, der die NATO-Osterweiterung als grössten strategischen und historischen Fehler des Westens sah, um dann weder wirtschaftliche Sanktionen oder militärische Aufrüstung zu befürworten, sondern auf einen wie immer gearteten Dialog zu setzen. Wobei es Quatsch ist, was Gysi labert, dass die Russophilie von Nationalkonservativen bis Rapallovetretern und Schwarzer Reichswehr bis hin zu Faschisten wie Goebbels nur ein Phänomen des konservativen Bürgertums sei, gerade die Arbeiterbewegung von KPD bis SPD war doch für ihre Russlandromantik berühmt, auch Gysi, wenn er denn Wagenknecht da alte Ideologie und Ostalgie vorwirft, wobei sie ja da hybride Weltbilder von der slawischen Seele bis zum Sowjetkommunismus und einen verklärten Antifaschismus da immerzu reproduzierten und propagierten. . Zumal das vielgeschmähte Bürgertum s auch eine lange Tradition des Antislawismus und der Antibolschewismus, wie auch der Russophobie hatten. Also so eindeutige Klassenzuordnungen und politische Zuordnungen lassen sich nicht aufmachen, zumal auch Marx im zaristischen Russland vor allem „asiatische Despotie“sah und selbst die SPD dies im Ersten Weltrkieg als Argument für die Kriegskredite gegen den Kriegsfeind Russland ins Spiel brachte. Dazu scheint sich Wagenknecht jetzt in einer Querfront mit der AFD zusammenzutun und twitterte denselben Post wie Max Otte, Präsidentschaftskandidat der AfD. Dazu als Lesetip folgenden taz- Artikel.

Gysi attackiert Wagenknecht & Co.: „Völlige Emotionslosigkeit“

Wegen ihrer Haltung zum Ukrainekrieg greift Gregor Gysi sieben Linkenabgeordnete an. Ihnen ginge es nur darum, ihre „alte Ideologie“ zu retten.

https://taz.de/Gysi-attackiert-Wagenknecht–Co/!5838062/

Derweilen kochen die Gemüter nochmals höher,zumal nun ein Atomkraftwerk beschossen wurde, Putin mit „nie dagewesenen Aktionen“ inklusive Atomschlag gedroht hat,  das wie heute in der ZEIT eine reghafte Debatte tobt, ob Putin noch normal und rational denkt oder den Rubikon der Irrationalität überschritten hat, wobei Josse Joffe noch meint, das Putin rational handele, im anderenn dann die Frage ist, was man denn dann tun solle? Einen preepemptive strike auf Moskau und Russland , einen chirurgischen Enthauptungsschlag auf den Kreml, einen regime change? Momentan gibt es einige Experten, die Zweifel am Geisteszustand von Putin haben. Scheinbar sollte man sich dies aber auch bei einigen westlichen Vertretern fragen, denn der CDU-Vorsitzende und erhoffte nächste Bundeskanzler Friedrich Merz hält nun ein Eingreifen der NATO gegen Russland, auch in der Ukraine für denkbar, sollte Putin AKWs angreifen. Noch weitergehender ist BILD-Chef Döppner in seinem heutigen Leitkommentar: „Die NATO muss JETZT handeln“, in dem er einen NATO-Krieg gegen Russland fordert, denn wenn man jetzt nicht eingreife, demnächst ganz Europa und dann auch Taiwan und der ganze Westen falle. Da dies wohl auf einen Atomkrieg rauslaufen würde, hat NATO-Generalsekretär Stoltenberg, Bundeskanzler Scholz und US-Aussenminister Blinken diesem Ansinnen eine Absage erteilt. Glücklicherweise ist Merz nur in seiner „konstruktive Opposition“ und beim Lügen- und Hetzblattchef Döppner fragt man sich, ob man ihn nicht Deppner nennen sollte.

Nun stellt auch de FAZ diese Frage, ob Putin die Ukraine und Europa nuklear verseuchen wolle, zumal die Russen zur Atomkraft und den Folgen der Radioaktivität ein anderes Verhältnis hätten als die mehr hyperchondrisch- ökologisch-ganzheitgesundhetlichdenkenden Deutschen, wobei die Russen ja da eher denken wie all jene Länder, die an Atomkraft festhalten, auch Frankreich und das sozusagen relaxter sehen. Aber die Tschernobylangst wird da noch weitergehend geweckt.

Atomkraftwerk beschossen : Kann Putin ein Super-Tschernobyl wollen?

https://m.faz.net/aktuell/politik/ukraine-konflikt-kann-putin-ein-super-tschernobyl-wollen-17853131.html

Umgekehrt sollte man mal festhalten, dass Putin ein Verwaltungsgebäude des AKWs  beschossen hat, nicht das AKW und seine Stromversorgung selbst und auch die Frage ist, welchen Nutzen er denn hätte die Ukraine besetzen zu wollen und im selben Moment atomar unbewohnbar zu machen? Andere Militärstrategen wie General a.D. Domroese fordern die Besetzung ukrainischer AKWs mit ukrainischen Milizen und der Abwehr russischer Raketen durch Iron Dome- Systeme und gegen andere Beschussarten durch andere Abwehrsysteme. Guter alter Futurismus und Technologiegläubigkeit wie bei SDI und der Missile Defense., die dann ausklammert, ob gerade diese Kämpfe um die AKWs nicht zu unvorhersehbarem Beschuss führen könnten, der dann gerade die zu verhindere Katastrophe gerade erst befördert.

Und vor lauter Emotionalisierung des Krieges mit der ewigen Baerbrockschen und Rothschen Kinder- und Frauenpropaganda und der Infragestellung der Rationalität der Gegenseite, Maximalforderungen der Ukrainer nach NATO-, EU-Beitritt oder No-Flyzonen der NATO, um die NATO direkt in einen Krieg mit Russland zu verwickeln scheinen alle anderen möglichen Kompromisse und diplomatischen Lösungen vorerst vom Radar zu sein. Interessant dazu der heutige Kommentar von Georg Anastasiadis, Chefredakteur des Münchner Merkurs: Er glaubt, dass Putin durchaus ein rationaler Akteur ist, Putins Wirtschaft inzwischen schon so angeschlagen ist und die Sanktionen schon so wirken, dass Putin nun angesichts der Staatspleite immer extremere Drohungen von sich gebe, um die Gegenseite einzuschüchtern. Davon dürfe man sich nicht irre machen lassen und auf eigenen Abschreckungsstärke setzen. Soweit richtig, doch etwas zweckoptimistisch, denn vielleicht wirken die Sanktionen noch keineswegs so und wird sich noch zeigen, ob die anfängliche Euphorie und Solidarität im Westen und weltweit solange hält, wenn es Rückwirkungen auf die eigenen  Lebensumstände gibt und wenn sich die Ukraine in ein Afghanistan oder Syrien 2.0 mit völliger Vernichtung des Landes samt millionenhaften Flüchtlingswellen verwandelt. Wir sind ja erst am Anfang und es wird sich zeigen, welchen Preis der Freiheit die Ukrainer und der Westen, wie auch Russland mit China im Rücken zu zahlen bereit sind.

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