Mit Putin siegen im Atomkrieg?

Mit Putin siegen im Atomkrieg?

Aus einem Interview der Los Angeles Times mit Putin:

Scheer: Erreicht man mit diesen strategischen Atomwaffen nicht einen Punkt, wo wir uns gegenseitig so oft vernichten können, … daß es wirklich keine Rolle mehr spielt, ob man zehn oder zwei Prozent drunter liegt oder drüber?

Putin: Ja, wenn sie glauben, daß es in einem nuklearen Schlagabtausch nicht so etwas wie einen Sieger gibt, dann macht das Argument Sinn.Ich glaube das nicht.

Scheer: Wie gewinnt man einen nuklearen Schlagabtausch?

Putin: Man hat eine Überlebensfähigkeit der Kommando- und Kontrollstrukturen, Überlebensfähigkeit von Industriepotential, Schutz eines Prozentsatzes der Bürger, und man ist in der Lage, dem Gegner mehr Schaden zuzufügen, als der einem zufügen kann. Auf diese Weise kann es einen Sieger geben.

Unglaublich, wie leichtfertig auch dieser grausame Despot mit Menschenleben skrupellos kalkuliert. Ein eindeutiger Beweis, wie dieser russische Autokrat und KGB-Mann tickt. Ein typischer Geheimdienstmann und Tschekist, die ja auch schon für Gulag und Massenmord zuständig waren.Ein klarer Ausdruck slawischer Unmenschlichkeit und menschlicher und sibirischer Kälte, die eiskalt über Leichenberge geht und auch den Weltuntergang, nuklearen Holocaust und den Zivilisationsbruch nicht scheut. Ein Technokrat der Macht, Apperatschik und Schreibtischtäter,dem auch das Leben von Abermillionen Toten egal ist. Ein exemplarisches Beispiel für asiatische Despotie und slawische Menschenverachtung, wie man sie nur im Osten antreffen kann. Es zeigt die Gefährlichkeit und Aggressivität des Russen, weswegen und wozu wir die NATO brauchen, damit sie unsere westliche Wertegemeinschaft vor diesen Untermenschen-Barbaren schützt. Ach ja, der Interviewte war nicht Putin, sondern Bush senior, Ex-CIA-Chef, Vizepräsident unter Reagan und dann selbst US-Präsident. Da habe ich mich doch glatt vertippt. Aber dann ist ja alles wieder gut und muss man sich nicht aufregen. Bush senior machte diese freudigen Atomkriegsvisionen im Interview mit dem Korrespondenten Robert Scheer in der Los Angeles Times vom 24.1.1980. Bush gilt und galt als „moderater Republikaner“, als „berechenbarer Gemäßigter“und „Realpolitiker“.

Dass die Denkweise von Bush senior kein historisch vergangenes Relikt der 80er und 90er Jahre zeigen auch die neuen Planungen des Pentagons und der US-Regierung um einen möglichen Krieg mit China.In den USA werden seit einiger Zeit verschiedene Konzepte und Strategien diskutiert, wie man denn am besten einen Krieg gegen China und/oder den Iran führen sollte. Zum einen die Befürworter des Airsea Battle (ASB)/Joint Operation Access Concepts (JOAC), zum anderen Befürworter der Offshore Controll (OC). Beide Seiten sind der Ansicht, dass man Krieg gegen China so führen könnte, dass er begrenzt und unterhalb der Nuklearschwelle bleiben würde. Die frohe Botschaft für die Menschheit: Ein amerikanischer Krieg gegen China ist führ- und gewinnbar, da der Chinese ein rationaler Denker, ein Go-Spieler sei, über  eine 5000jährige Kultur und Zivilisation verfüge, eben kein Jihadist sei, weswegen er auch wirtschaftliche Strangulation durch US-Seeblockaden und militärische Schläge in sein inneres Territorium nicht mit einem Zivilisationsbruch beantworten werde, sondern sich brav und artig in das Drehbuch eines sinoamerikanischen Krieges wie es von US-Strategen konzipiert wird bei schierer Übermacht der US-Waffen und deren Sachzwang fügen werde. Also kurz: Der säkular-zivilisatorische Fortschritt der chinesischen Gesellschaft  in Abgrenzung zu solch vermeintlich irrationalen Akteuren wie dem Islamischen Staat wird als militär-strategischer Vorteil fürs US-Militär gedacht und zum Nachteil Chinas. Die Chinesen sind zu zivilisiert, als dass sie so einen Zivilisationsbruch begehen könnten, was ihnen zum eigenen Nachteil gereichen soll. Kein 3. Weltkrieg sei zu erwarten, sondern das Ganze bleibt regional und mehr symbolisch und die USA werden als klarer Gewinner eines sinoamerikanischen Krieges hervorgehen–egal mit welchem Konzept oder welcher Strategie, wenngleich von der Offshoreseite da doch nochmals ins Spiel gebracht wird, dass die Chinesen ausflippen könnten, wenn man ihr inneres Territorium bombadiert, was dann wiederum von ASB-Befürwortern entschieden zurückgewiesen wird.

Airsea Battle-Strategen berufen sich auf die Erfolge des Airland Battle-Konzepts der NATO und der USA in den 80er Jahren in Europa, das sich gegen die Sowjetunion richtete. Die Bedeutung von Atomkriegen wurde von damaligen US-Vertretern auch stark relativiert. So erklärte der ehemalige NATO-SACEUR und Ex-Außenminister Alexander Haig in einer Rede vom 12.1.1981:

“Ich sehe einen Atomkrieg als ein unvorstellbares Unglück, es gibt jedoch wichtigere Dinge, als im Frieden zu leben”.

Und Reagans Vizepräsident Bush senior erklärte eben ganz offenherzig, dass es Sieger in einem Atomkrieg geben könnte und die USA samt NATO daher einen Krieg mit der Sowjetunion nicht fürchten müssten.

Damals hielt die Reaganregierung Kriege, auch Atomkriege gegen die UdSSR für “führbar, begrenzbar und gewinnbar”, wie es in der damaligen Direktive 57 des National Security Council (NSC) von Colin S.Gray formuliert wurde. Man könne die Sowjetunion “enthaupten” (“decapitate”), ihre Führungs-, Kommunikations- und Kommandozentralen mittels präziser Nuklear- (Pershing 2, Cruise missiles)und konventioneller Schläge ausschalten und mittels kombinierten Einsatzes von Bodentruppen und Luftwaffe  (Airland Battle) ihre Armeen auf dem Schlachtfeld und mittels tiefer Schläge und Vorwärtsstrategie besiegen. Die UdSSR stünde dann vor der Alternative einen weltweiten Atomkrieg und ihren eigenen Untergang zu beginnen oder einzulenken, was sie dann auch als Option machen werde. Die Sowjetunion hielt diese Drohung mit einem 3. Weltkrieg für glaubwürdig, nahm sie ernst und kapitulierte lieber, was den Zusammenbruch des Ostblocks unter Gorbatschow herbeiführte. Ähnliches wie bei Airland Battle bei der Sowjetunion erhoffen sich nun auch die US-Strategen des Airsea Battle gegenüber China und dem Iran.Gegenüber Russland ist die US-Strategie noch etwas zurückhaltender, da dieses über ein wesentlich grösseres Atomwaffenarsenal als China verfügt. Aber der US-NATO-Kommandeur Breedlove hält folgendes Szenario für möglich:

“Zudem brauche die Nato ausreichend Kapazität, um nötigenfalls die „Festung Kaliningrad“ zu durchbrechen. Schließlich hätte eine Studie der Rand-Corporation, für die Breedlove höchste Töne der Wertschätzung fand, kürzlich herausgefunden, dass die Russen in 60 Stunden das Baltikum einnehmen könnten. So schnell könne die Nato nicht einmal „piep“ sagen, Abschreckung sei daher nötig. Denn das Baltikum sei der verwundbarste Punkt in der Nato.(…)Da nützt es nichts, dass die Russen behaupten, sie würden die Nato nicht angreifen wollen. General Breedlove will vorsorgen, Kaliningrad notfalls überrennen, und was dann käme, das mag man sich gar nicht vorstellen.”

http://www.cicero.de/weltbuehne/nato-russland-kalter-krieg/60589

Naja, so schwer ist sich die Denke nicht auszumalen. Wenn Putin das Baltikum besetzt, besetzt die NATO eben das russische Kaliningrad. Dann steht Russland vor der Option gegen die NATO Krieg zu führen und vielleicht einen Atomkrieg loszubrechen oder aber einzulenken und ein Tauschgeschäft einzugehen. Ähnlich stellen sich dies US-Strategen auch gegenüber China vor. Jedenfalls grundsätzlich hat sich gegenüber den 90er Jahren geändert, dass Kriege in Europa und Asien wieder auch gegen und zwischen Großmächten für begrenzbar, führbar und gewinnbar gehalten werden und eine Eskalation tendenziell ausgeschlossen wird.Aber in diesen ganzen Szenarien scheint die Cyberwarkriegsführung, die Weltraumkriegsführung und deren Eskalationspotentiale noch ausgeblendet, die ja eben nicht nur ein klassisch-konventionelles territoriales Schlachtfeld Europa oder Pazifik darstellen oder aber auch diese hält man für begrenzbar, führbar und gewinnbar. Auch ein Krieg in Kroea wird inzwischen als transregionaler Krieg gedacht, bei dem die USA, Russland und China hineingezogen werden können:

„Das Pentagon ist sich bewusst, dass ein Krieg auf der koreanischen Halbinsel schnell andere Mächte, auch China und Russland, verwickeln würde. Ein Bericht der Brookings Institution vom Januar über die veränderte Rolle des amerikanisch-südkoreanischen Militärbündnisses warnte, dass ältere Strategien, die von einem auf die koreanische Halbinsel beschränkten Krieg ausgingen, „unzureichend und überholt“ seien. Der Bericht zitierte den Chef des Joint Chiefs of Staff, General Joseph Dunford, der im Dezember gesagt hatte, jeder Konflikt mit Nordkorea wäre unvermeidlich „transregional, allseitig und multifunktional.“

Übersetzt aus der Militärsprache bedeuten Dunfords Kommentare, dass das Pentagon einen „transregionalen“, also einen Weltkrieg vorbereitet, der allseitig geführt wird: am Boden, von der Marine, der Luftwaffe, im Weltraum und im Cyberspace. Dazu will es alle Mittel einsetzen, einschließlich Atomwaffen.“

http://www.wsws.org/de/articles/2016/03/09/kore-m09.html

DIe strategischen US-Planungen für ein zweites nukleares Zeitalter treten in eine neue Phase. Ein sehr grundlegendes Papier hierzu ist „Rethinking Armageddon“ vom Center for Strategic Budget Assesment, das auch schon das grundlegende Papier „Why Airseabattle?“herausgab.Über die neue Studie ist auf der Webseite des CSBA zu lesen:

Rethinking Armageddon

March 1, 2016 • By Andrew F. Krepinevich and Jacob CohnStudies

The First Nuclear Age was characterized by the Cold War era bipolar international system and a corresponding bipolar nuclear competition between the United States and the Soviet Union. While a few other states, such as Great Britain and France, also possessed nuclear arms, their arsenals were very small compared to those of the two superpowers.

The world is far different today. On the one hand, both the United States and Russia have far smaller nuclear arsenals than they did at the Cold War’s end. At the same time, new nuclear powers have emerged in pace with advanced conventional precision warfare capabilities. The rise of cyber warfare has also led to concerns over the security and reliability of early warning and command-and-control systems, and weapon systems as well. Advances in the cognitive sciences and research on Cold War crisis decision-making have challenged some of our thinking as to how strategies based on deterrence work, or risk failing. Together, these and other recent developments have combined to form what some are calling a Second Nuclear Age.

Dr. Andrew Krepinevich and Jacob Cohn have authored a scenario-based assessment of the competitive dynamics of the Second Nuclear Age. The assessment explores, among other things, the implications for extended deterrence, crisis stability, missile defense, prompt conventional global strike, growing multipolar or “n-player competitions, and planning assumptions as they have been influenced by advances in the cognitive sciences, to include prospect theory. Their paper also includes an analysis of the implications for U.S. interests, with an emphasis on preserving the seventy-one-year tradition of non-use of nuclear weapons (since their only use in 1945), also known as the “nuclear taboo.” The existing and prospective challenges posed by the Second Nuclear Age, as reflected in these scenarios, are sobering. If the United States seeks to preserve the nuclear taboo, it ignores them at its peril.“

http://csbaonline.org/publications/2016/03/rethinking-armageddon/

Vom selben Strategie-Thinktank, der die US-Strategiedebatte in den USA wesentlich beeinflusst, stammen auch folgende Bombadierungspläne Chinas durch das US-Militär–wobei eben angenommen wird, dass die Chinesen das so über sich ergehen lassen.

From the CSBA report on ASBC: the section entitled „Executing a Missile Suppression Campaign.“

From the CSBA report on the ASBC: the section entitled „Blind PLA ISR Systems.“ Referenced from: http://thomaspmbarnett.com/globlogization/2012/8/10/nice-critique-of-the-sheer-and-reckless-overkill-that-is-asb.html#comments#ixzz45inFNlIn

Wenn wir schon das sogenannte „Undenkbare“ denken,dann ist der heutige SZ-Artikel „Putins Krieg in der Ukraine“ zu empfehlen,der von einer Renaissance der Doktrin der begrenzten Atomkriege berichtet,wie er damals unter Carter in der NSC-Direktive 59 vom Strategen Colin S.Gray konzeptioniert wurde,der Vorarbeiten dazu in seinem Beitrag „Victory is possible“leistete. Ex-General Philipp Breedlove ist nun auch wieder ein eifriger Agitator in dieser Richtung.Breedlove bestach schon durch die Idee,dass sollte Russland das Baltikum besetzen sollte,die NATO im Gegenzug Kaliningrad besetzen sollte.Wahrscheinlich hat Putin deswegen auch die Iskanderraketen,die Europa,aber nicht die USA zur Reichweite haben,stationiert.Gut möglich,dass wir nun wieder eine Revitalisierung begrenzter Atomkriege mit Schlachtfeld Europa und Euroshima samt Airlandbattle wie in den 80ern in modernisierte Form bekommen.Nur hat sich die Grenze und das Schlachtfeld zur russischen Grenze hin verschoben und wäre die Frage,wo die Atomwaffen stationiert würden und welche angesichts der obsolete NATO-Russland-Grundakte neu zu stellen. Hier der Links zum SZ-Artikel:

„Putins Krieg in der Ukraine:Kaltgestellte Krieger

17. März 2022

Auf einmal streiten Fachleute wieder über die Begrenzbarkeit von Nuklearschlägen. Hätten wir den Kalten Kriegern besser zuhören sollen?“

https://www.sueddeutsche.de/kultur/atomkrieg-gefahr-1.5549699?reduced=true&ieditorial=1

Dem damaligen Nuklearstrategen und Vordenker des begrenzten Atomrkieges Colin S. Gray , der 2020 verstorben ist, hat War on the Rocks noch eine Hommage und einen Nachruf geschrieben, der dessen Gedankenwelt und Entwicklung seines Strategiedenkens nachzeichnet:

Dokimente seiner berühmt-berüchtigten NSC-Memorandum 59 hat zudem das National Secrity Archive nun zur Veröffentlichung freigegeben:

https://nsarchive2.gwu.edu/nukevault/ebb390/

Bevor es aber zu einem begrenzten Atomkrieg in Europa kommt, dürfte es erst noch andere nukleare Optionen geben, so die eines nuklearen Warnschusses, der nicht einmal auf Land oder auf NATO-Gebiet erfolgen müsste.

Option bei Putins Scheitern Masala: „Demonstrationsschlag“ mit Atomwaffe möglich

17.03.2022

Kreml-Chef Putin kommt bei seinem Überfall auf die Ukraine nicht voran wie geplant. Militärexperte Masala verweist auf immer mehr Stimmen, die einen Erfolg Kiews für möglich halten. In dem Fall könnte Moskau auf sein Atomwaffenarsenal zugreifen – nicht auf dem Schlachtfeld, aber zur Abschreckung.

Russlands Präsident Wladimir Putin könnte nach Ansicht von Militärexperte Carlo Masala bei einem Scheitern seine Kriegspläne und seiner Truppen in der Ukraine seine Entschlossenheit auch mithilfe einer taktischen Atomwaffe demonstrieren. „Sollte Putin militärisch mit dem Rücken immer mehr an der Wand stehen, dann ist es nicht auszuschließen, dass er noch zu anderen Mitteln greift“, sagte Masala im „stern“-Podcast „Ukraine – die Lage“. Noch sei dieses Szenario weit entfernt, betonte er. Aber sollte es den Ukrainern gelingen, Territorien zurückzugewinnen und die Oberhand zu gewinnen, könne sich die Lage ändern.

„Dann reden wir möglicherweise auch von einem sogenannten Demonstrationsschlag, das heißt dem Einsatz einer taktischen Atomwaffe – nicht als Gefechtsfeldwaffe, sondern in großer Höhe – Experten sagen: über der Ostsee oder über dem Schwarzen Meer -, um letzten Endes die westlichen Gesellschaften davon abzuschrecken, die Unterstützung der Ukraine weiterhin aufrechtzuerhalten“, sagte er.

Mit Blick auf die russische Führung sagte Masala, dass die derzeitigen Signale aus Moskau widersprüchlich seien. Unklar sei, ob dies beabsichtigt oder ein Hinweis auf interne Risse ist. So habe sich Außenminister Sergei Lawrow zuversichtlich über den Abschluss einer Vereinbarung mit der Ukraine geäußert, Präsident Putin habe jedoch eine Rede gehalten, die an Schärfe kaum zu übertreffen sei. Man habe den Eindruck, „dass er seine militärischen und politischen Ziele weiter mit aller Macht durchsetzen will“, sagte der Politikprofessor von der Bundeswehruniversität München.

„Diese Woche und die nächste Woche werden sehr zentral werden für die militärischen Entwicklungen“, sagte Masala ferner. „Es gibt durchaus ernst zu nehmende Stimmen, die seit ein paar Tagen der ukrainischen Seite den Sieg zutrauen.“ Entscheidend werde sein, ob es den russischen Truppen gelinge, sich neu aufzustellen. Er erwartet, dass der militärische Konflikt sich auf die Hauptstadt konzentriert. Dort gehe es auch um die Stellung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj: „Wenn Selenskyj ein Präsident ist, der auf einem Haufen Schutt und Asche sitzt, dann ist das aus Putins Sicht eine maximale Demütigung dieses Mannes.“

https://www.n-tv.de/politik/Masala-Demonstrationsschlag-mit-Atomwaffe-moeglich-article23204579.html

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