Von Kudrin zu Glasjew und dem Isbrosker Klub- Umstellung auf russische Kriegswirtschaft und Säuberung gegen die „6te Kolonne des Westens“?

Von Kudrin zu Glasjew und dem Isbrosker Klub- Umstellung auf russische Kriegswirtschaft und Säuberung gegen die „6te Kolonne des Westens“?

Bei der weiteren Entwicklung,sollte man genau beobachten, wen Putin als seinen Chefökonomen einsetzt und welche Funktionen er bekommt.Bisher war Putins Chefberater in dieser Sache Kudrin. Der zeichnete sich durch die Propagierung einer Umstellung der russischen Wirtschaft zu einer exportorientierten,modernen Hitechwirtschaft aus,aber Putins Interesse lag nur an einem seiner Ratschläge:Von den Öl-und Gaseinnahmen einen Zukunftsfonds zu bilden.Putin hat die Gelder aber nicht in Verbesserung des Bildungssystems, Infrastruktur und Hitechindustrien gesteckt,sondern vor allem zur Aufrüstung genutzt und insofern Hitech,dann nur zum militärischen Nutzen

Kudrin ist jetzt zurückgetreten. Daher bleibt zu beobachten, ob nun seine Stelle mit seinen Opponenten wie Glasjev besetzt werden, die ideologisch Hardliner in Sachen Ukraine, Novorussia und Eurasiertum.sind, auch schon von slawischen Genen faselten und ohnehin dafür sind,dass man die russische Wirtschaft auf Kriegswirtschaft umstellt, vielleicht auch mit Rationierungssystem. Also sehr wichtig sich diesen Bereich anzusehen, ob da eine Art russischer Albert Speer eingesetzt wird um die russische Wirtschaft und Gesellschaft für weitere Kriege oder DEN grossen Krieg herzurichten,wie dies Xi in China mittels seines dualen Systems für einen protracted war schon praktiziert.

Glasjews gehört auch dem Isborsker Club a, eine ultranationalistische Vereinigung über die man in einer Studie der „Russlandanalysen“ Ausgabe 292 vom 13.3.2015 folgendes lesen kann:

„Der Isborsker Klub. Russlands antiwestliche Ideologen

Der Isborsker Klub wurde im September 2012 als Reaktion auf die vorangegangenen Massenproteste gegen Putin gegründet. Seine Mitglieder sind in Russland bekannte Zeitungs- und Fernsehjournalisten, Philosophen, Ökonomen, Naturwissenschaftler, Unternehmer und Parlamentsabgeordnete mit guten Verbindungen zu Militär, Geheimdienst und zum Staatsapparat. Sie vereint das Bemühen, Russland als Gegenpol zum Westen darzustellen. Dies geschieht auf dem Gebiet der Innen-, Kultur- und Religionspolitik mit Rückgriff auf kirchlich-orthodoxe Traditionen, auf dem Gebiet der Außenpolitik durch Postulierung eines geopolitischen Grundkonflikts mit den USA sowie durch die Skizzierung eines planwirtschaftlichen Wirtschaftsmodells. Der Klub ist kein Ratgeber für den Kreml, sondern verbreitet in der Bevölkerung Ansichten, die der Staatsführung zur Legitimation innen- und außenpolitischer Maßnahmen dienlich sein können.

Entstehung und Struktur des Isborsker Klubs

Nachdem im Protest gegen die Manipulationen bei der Dumawahl 2011, bei der von Putin gewonnenen Präsidentschaftswahl 2012 sowie den Kommunalwahlen 2012 westorientierte Liberale und Nationalbolschewisten zusammen mit »Weißen« (Zaristen, Orthodoxen) und »Roten« (Kommunisten) auf die Straße gegangen waren, fürchtete der Kreml ein weiteres Anschwellen der Proteste und eine Entwicklung nach dem Vorbild der »Farbenrevolutionen«. Es gelang ihm rasch, die Liberalen zu kriminalisieren und die Proteste weitgehend zu unterbinden. Die Aufgabe, die »Weißen« und »Roten« ideologisch zu vereinen und sie für die Kreml-Politik zu gewinnen, hat unter anderem der Isborsker Klub übernommen. Er wurde im September 2012 von einem Autorenkreis der nationalpatriotischen und ursprünglich kremlkritischen Wochenzeitung »Sawtra« (dt.: »Morgen«) auf Initiative ihres Chefredakteurs Alexander Prochanow gegründet. Nach Marius Laurinavičius vom »Eastern Europe Studies Centre« in Vilnius verfügt ein Teil der Gründungsmitglieder über enge Beziehungen zum stellvertretenden Ministerpräsidenten Dmitrij Rogosin, dem die Aufsicht über die Rüstungsindustrie obliegt. Die Finanzierung des Klubs erfolgt nach Angaben Prochanows durch Wirtschaftskreise – vermutlich eben die Rüstungsindustrie. Der Isborsker Klub ist nach dem ehemaligen Wehrdorf Isborsk im Gebiet Pskow benannt, dessen Gründungsjahr mit dem von der russischen Historiographie für 862 benannten Beginn der russischen Staatlichkeit zusammenfällt, die sich 2012 zum 1150. Mal jährte. An der ersten öffentlichen Versammlung des Klubs nahmen der Gouverneur des Gebiets Pskow Andrej Turtschak, der für seine antiliberalen Ansichten bekannte Kulturminister Russlands Wladimir Medinskij sowie ein Angehöriger der Präsidialadministration teil. Im professionell gestalteten Internetportal <www.dynacon.ru> erscheinen die Klubzeitschrift »Russische Strategien« sowie Meinungsbeiträge zu aktuellen Themen. Daneben treten viele Klubmitglieder regelmäßig im Fernsehen und mit Zeitungsartikeln auf. Ihr Durchschnittsalter beträgt 58 Jahre. Fast alle von ihnen haben ihre Ausbildung noch in der Sowjetzeit absolviert, sind Zeitungs- und Fernsehjournalisten, Unternehmer und Parlamentsabgeordnete geworden und in Russland schon lange für ihre nationalpatriotischen Ansichten bekannt (s. Tabelle 1). Kurz nach seiner Gründung vereinbarte der Klub eine Zusammenarbeit mit dem »Institut des dynamischen Konservatismus« (IDK), das der orthodoxen Kirche nahe steht.

Wichtige Mitglieder des Isborsker Klubs

Der Isborsker Klub wird von Alexander Prochanow geleitet. Seine Stellvertreter sind die Vorsitzenden des IDK Witalij Awerjanow und Alexander Nagornyj. Alexander Prochanow schloss 1960 ein Ingenieurstudium am Moskauer Luftfahrtinstitut ab, arbeitete kurzzeitig an einem Forschungsinstitut für Raketentechnik, gab dann aber den Ingenieurberuf auf. Er betätigte sich als Forstarbeiter, bereiste Nordrussland und Sibirien und schrieb Erzählungen. Ab 1968 arbeitete er für Zeitungen als Militärberichterstatter in Afghanistan, Nicaragua, Kambodscha und Angola. Nach dem Ende der Sowjetunion betätigte er sich schriftstellerisch und organisatorisch als Unterstützer der rechten wie linken Opposition gegen Gorbatschow und Jelzin, darunter als Chefredakteur der »Sawtra«. Während Prochanow in den 1990er Jahren Sjuganows Kommunistische Partei der Russländischen Föderation (KPRF) unterstützte und 2002 mit dem Roman »Herr Hexogen« ein skandalträchtiges Buch über einen KGB-Putsch publizierte, das auf Putins Aufstieg anspielte, näherte er sich in Putins zweiter Präsidentschaft der Linie des Kremls an. Während sein Großmachtdenken zuvor mit sozialistischer Ideologie verknüpft war, vertritt er seit dem Ende der Sowjetunion eine Reichsideologie, die ethnisch-russische, orthodox-kommunistische und eurasische Elemente integriert. Seit der Krim-Annexion und Russlands Vorgehen in der Ostukraine ist Prochanow zum lautstarken Befürworter von Putins Politik geworden.

Witalij Awerjanow beendete 1996 ein Studium der Journalistik, lehrte als Universitätsdozent Philosophie und arbeitete als Zeitschriftenredakteur. Er publizierte theologisch-philosophische Aufsätze in wissenschaftlichen und populären Zeitschriften, gründete Internet-Projekte sowie 2005 eine Vorläufereinrichtung des IDK, welche die »Russische Doktrin« entwickelte, die eine der ideologischen Grundlagen des Isborsker Klubs darstellt.

Alexander Nagornyj studierte Sprachen am Moskauer Fremdspracheninstitut und arbeitete danach für die sowjetische Nachrichtenagentur (TASS). Seit 1975 beschäftigte er sich im USA- und Kanadainstitut der Akademie der Wissenschaften (RAW) mit China und den USA, seit 1989 im Orientalistikinstitut der RAW mit Japan. 1997 wurde er stellvertretender Redaktionsleiter der »Sawtra«.

Neben Prochanow und Awerjanow bestimmen insbesondere Alexander Dugin, Sergej Glasjew sowie die Fernsehmoderatoren Michail Leontjew und Maxim Schewtschenko das Erscheinungsbild des Isborsker Klubs in der russländischen Öffentlichkeit. Der Generalssohn Alexander Dugin betätigte sich nach einer abgebrochenen Ingenieurausbildung am Moskauer Luftfahrtinstitut als Schriftsteller. In seiner politischen Orientierung oszillierte er zwischen linken und rechten Positionen. Ursprünglich Antikommunist, schloss er sich Ende der 1980er Jahre der ultranationalistischen und antisemitischen Bewegung »Pamjat« (dt.: »Gedenken«) an, stand Anfang der 1990er Jahre Gennadij Sjuganows Kommunistischer Partei der Russischen Föderation (KPRF) nahe, gründete zusammen mit Eduard Limonow die rechtsradikale Nationalbolschewistische Partei und war danach Mitarbeiter des KPRF-Mitglieds und Duma-Sprechers Gennadij Selesnjow. Obwohl Dugin keine akademische Ausbildung besitzt (sein Fernstudium am Institut für Melioration in Nowotscherkassk ist fingiert), wurde er in Rostow am Don am Nordkaukasischen Zentrum für wissenschaftliche Information promoviert und ebenfalls dort an der Polizeihochschule habilitiert. Für ihn wurde 2008 an der Soziologischen Fakultät der Moskauer Lomonossow-Universität ein Lehrstuhl eingerichtet. Dieser wurde ihm 2014 nach Studentenprotesten wieder aberkannt, weil er in einem TV-Interview in Reaktion auf den Brandanschlag auf das Gewerkschaftshaus in Odessa »als Professor« zur Tötung von Ukrainern aufgerufen hatte.

Der belesene und fremdsprachenkundige Autodidakt Dugin bedient mit seinen zahlreichen pseudowissenschaftlichen Publikationen und häufigen Medienauftritten in Russland das gesamte Spektrum der nationalistischen Thematik, wobei er religiös-orthodoxe, okkulte, geopolitische und globalisierungskritische Ansätze eklektisch vereint. Einem größeren Publikum in Russland wurde er 1992 mit seiner Schrift »Der Krieg der Kontinente« bekannt, in der er Ideen der klassischen Eurasier der Zwischenkriegszeit (Pjotr Sawizkij, Nikolai Trubetzkoy) vom ewigen Kampf der »Landmächte« gegen die »Seemächte« adaptierte. Mit seinem 2007 publizierten Hauptwerk »Grundlagen der Geopolitik« gelang ihm der Zugang zu militärischen und geheimdienstlichen Bildungseinrichtungen Russlands. Neuerdings bezeichnet er seinen Ansatz als »vierte politische Theorie«, die den Liberalismus, den Marxismus und den Faschismus ablöst. Dugins facettenreiches Gedankengebäude mit seinen wissenschaftlich unhaltbaren Bezügen zu einer Vielzahl von natur- und geisteswissenschaftlichen Disziplinen unterliegt stetem Wandel. Bestand hat nur seine (von ihm »Neoeurasismus« genannte) Vision des von Russland geführten europäisch-asiatischen Kontinents als Gegenmacht zu den USA. Wie Andreas Umland feststellt (s. Lesetipps), wünscht Dugin, der sich als »Konservativer« etikettiert, keine Rückkehr zu alten Zuständen, sondern eine vollständige Umwälzung Russlands. Zu einer solchen »konservativen Revolution« war Dugin durch seine Beschäftigung mit dem von den sowjetischen Truppen erbeuteten Archiv von Heinrich Himmlers »Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe« angeregt worden. Seit der Krim-Annexion präsentiert sich Dugin als unbedingter Putin-Unterstützer. In einem Spiegel-Interview vom 14. Juli 2014 sagte er: »Es gibt keine Kritiker des Putinschen Kurses mehr. Und wenn es sie gibt, dann sind das psychisch Kranke, und man muss sie ärztlicher Überwachung übergeben. Putin ist alles, Putin ist unersetzbar.«

Sergej Glasjew forschte nach einem 1983 abgeschlossenen Ökonomiestudium von 1986 bis 1991 am Zentralinstitut für Mathematik und Ökonomie der Akademie der Wissenschaften. 1992 wurde er in Jegor Gaidars Regierung Minister für Außenhandelsbeziehungen, verließ diese aber nach einem Jahr aus Protest gegen die Parlamentsauflösung durch Boris Jelzin. Glasjew wurde 1993 über die Liste der Demokratischen Partei Russlands, 1999 über die Liste der KPRF und 2003 über den von ihm und Dmitri Rogosin gegründeten, linkspopulistischen Wahlblock Rodina (Heimat) in die Duma gewählt. Ab 2008 hatte er leitende Funktionen im Einheitlichen Wirtschaftsraum Russland-Belarus-Kasachstan und ab 2009 in der Zollunion inne, die dieselben Staaten umfasste. Seit Mitte 2012 ist er Berater Putins in Fragen der eurasischen Integration. Glasjew ist seit 2000 korrespondierendes Mitglied und seit 2008 ordentliches Mitglied der Russländischen Akademie der Wissenschaften. Er kritisierte scharf den WTO-Beitritt Russlands sowie die Geld- und Währungspolitik der Zentralbank.

Glasjew ist Anhänger der von Nikolai Kondratjew und Joseph Schumpeter in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelten Theorie der »langen Wellen« in Wirtschaft und Technologie und vertritt die Ansicht, die Welt stehe heute am Anfang des sechsten Kondratjew-Zyklus, der durch die Entwicklung von Bio- und Nanotechnologie, künstliche Intelligenz und Kernfusion ausgelöst werde. In einem Bericht für den Isborsker Klub behauptet er, dass die USA und ihre Verbündeten ihre ökonomischen und sozialpolitischen Probleme, die durch Überakkumulation des Kapitals in veralteten Industriezweigen entstünden, dadurch bewältigen wollen, dass sie im Wege einer Strategie des »gelenkten Chaos« die Konflikte in Nordafrika, im Irak, Syrien und der Ukraine auslösen, um ihre volkswirtschaftlichen Ressourcen besser in zukunftsträchtige und militärisch bedeutsame Industriezweige lenken zu können. Im Ukrainekonflikt wollten die USA Russland und Europa in einen Krieg um die Ukraine verwickeln und nach dem Zusammenbruch der am Krieg beteiligten Länder ihre Herrschaft über sie ausbauen. Die USA erhielten so Zugang zum ukrainischen Kernbrennstoff, zum ukrainischen Gastransportsystem und zu den Vorkommen an Schiefergas in der Ukraine. Durch die Beherrschung Russlands – wie schon zu Zeiten Jelzins – könnten die USA ihre Vormachtstellung gegenüber China festigen. Glasjews Verknüpfung der Kondratjew-Zyklen mit einer marxistischen Überakkumulationstheorie mag wissenschaftlich diskutabel sein, seine Analyse der Politik der USA gehört jedoch in das Reich der Verschwörungstheorien.

Michail Leontjew beendete 1979 ein Ökonomiestudium, arbeitete dann in einem Wirtschaftsinstitut und ließ sich zum Kunsttischler ausbilden. Ab 1990 war er als Redakteur der Tageszeitungen »Nesawisimaja gaseta« (dt.: »Unabhängige Zeitung«) und »Sewodnja« (dt.: »Heute«) tätig. Seit 1999 moderiert er im staatlichen »Ersten Kanal« die Sendung »Odnako« (dt.: »Jedoch«) und gibt seit 2009 ein gleichnamiges Wochenjournal heraus. Er gehört zu denjenigen wenigen Klubmitgliedern, die Putins Vorgehen in der Ukraine nicht als zu zurückhaltend kritisieren, sondern als wohlüberlegt einschätzen.

Maxim Schewtschenko arbeitete nach einem 1990 beendeten Studium am Moskauer Luftfahrtinstitut als Zeitungskorrespondent und Geschichtslehrer. Bekannt wurde der Spezialist für den Islam in Russland als Redakteur der Beilage »Religion« der »Nesawisimaja gaseta« und als Moderator von TV-Sendungen im staatlichen »Ersten Kanal«. Er bezeichnet sich als Anhänger der Demokratie, jedoch als Gegner der religionsfeindlichen Liberalen.

Neben Glasjew hat Natalia Narotschnizkaja, die Tochter des sowjetischen Historikers Alexej Narotschnizkij, staatliche Funktionen inne. Sie wurde am Moskauer Staatlichen Institut für Internationale Beziehungen ausgebildet, arbeitete als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Weltwirtschaft und Internationale Beziehungen der Akademie der Wissenschaften (IMEMO), von 1982 bis 1989 im UN-Sekretariat und leitet seit 2008 die Pariser Filiale des »Instituts der Demokratie und Kooperation«, das im Auftrag des Kremls Menschenrechtsverstöße im Westen dokumentieren soll.

Das Spektrum der dem Isborsker Klub angehörenden Akademiker reicht vom Physik-Nobelpreisträger Alfjorow Schores und dem Akademiemitglied Glasjew bis zu dem Scharlatan Dugin. Ein typischer Vertreter dieser Gruppe ist der Historiker Andrej Fursow. Er verharmloste in einem Interview mit dem Radiosender »Stimme Russlands« den Stalinismus als »Diktatur der Lohnarbeiter« und »Kontrolle der Zentralmacht über eine herrschende Elite«, während er die westliche Demokratie in einem Zeitschriftenartikel als Werk transnationaler Oligarchen diffamierte.

Als Ergebnis der Zusammenarbeit von Witalij Awerjanow, Maxim Kalaschnikow, Andrej Kobjakow, Andrej Fursow und anderer im »Sergius-Projekt« (benannt nach dem Heiligen Sergius von Radonesch, dem Gründer des Dreifaltigkeitsklosters in Sergijew Possad) entstand ein Konzept der konservativen Erneuerung Russlands. Aus ihr ging die »Russische Doktrin« hervor. Unter dem Pseudonym Maxim Kalaschnikow (zusammengesetzt aus den Namen eines Maschinengewehrs und eines Sturmgewehrs) tritt Wladimir Kutscherenko, der 1991 ein Studium der Geschichte abgeschlossen hat, als Schriftsteller und Blogger auf. In seinem 2003 erschienenen Buch »Vorwärts in die UdSSR-2« idealisiert er die Sowjetunion und stellt die USA als Hauptfeind Russlands dar. 2009 antwortete er auf Präsident Medwedews Aufsatz »Russland – Vorwärts!« mit einem offenen Brief, in dem er Vorschläge für eine innovative Entwicklung Russlands machte und daraufhin von Vizepremier Sergej Sobjanin und Präsidentenberater Wladislaw Surkow empfangen wurde. 2010 forderte er den damaligen Ministerpräsidenten Wladimir Putin zur Übergabe der Macht an patriotische Kräfte auf, wofür er dann sein Vermögen behalten könne.

Andrei Kobjakow lehrte nach einem Studium der ökonomischen Geographie an der Moskauer Lomonossow-Universität und an der Moskauer Hochschule für Ökonomie. Er ist stellvertretender Chefredakteur der Wochenzeitung »Odnako«.

Die Russische Doktrin

Um Russland »auf russische Weise« zu modernisieren, hatten Awerjanow, Fursow und Kalaschnikow eine parallel zum Staat wirkende »neue Opritschnina« vorgeschlagen, wofür Kalaschnikow die historische Opritschnina Iwans des Schrecklichen, die SS, die iranischen Revolutionswächter und eine Geheimorganisation US-amerikanischer Freimaurer als Vorbilder benennt. Sie und die anderen Autoren der »Russischen Doktrin« stellen fest, dass der Sieg des »liberalen Paradigmas« das Ende der Geschichte und den Niedergang der Menschheit bedeuten würde. Russland sei daher vor der Weltgeschichte verpflichtet, sein »russisches globales Projekt« zu verwirklichen. Bedingung der Wiederauferstehung Russlands sei die Einheit von Kirche und Staat sowie von Kirche und »Sozium« (der Gemeinschaft). Das »absurde Ziel der Stärkung der Demokratie« könne kein Staatsziel sein. Die Staatsmacht Russlands solle sich vielmehr auf Rätedemokratie, die Aristokratie und das Staatsoberhaupt stützen. Der Staat sei nicht Arena des Streits und der Feindschaft, sondern der Zusammenarbeit der gesellschaftlichen Kräfte – das erinnert an das Diktum des ehemaligen Duma-Vorsitzenden Boris Gryslow, wonach das Parlament kein Ort für Diskussionen sei. Das Rechtssystem des neuen Russland solle von der europäischen und nordamerikanischen Rechtskultur mit ihrer Institution der Gewaltenteilung und der »Herrschaft der Menschenrechte« befreit werden. Die Autoren behaupten programmatisch: »Weder das russische Imperium noch die UdSSR sind jemals aufgelöst worden. Ihr Wille, ihr Recht und ihre Verpflichtungen bleiben in Kraft«. Hauptanliegen der »Russischen Doktrin« ist die Organisation der Nation als vom Kollektiv getragene Gemeinschaft statt der von Individuen geprägten Gesellschaft, daher rührt die Ablehnung individueller Menschenrechte, der parlamentarischen Demokratie und der Gewaltenteilung, also des sogenannten »liberalen Paradigmas«, das als Konzept einer wertfreien »Ellbogengesellschaft« verleumdet wird.

Die Strategie des »Großen Durchbruchs«

Die Weltsicht des Isborsker Klubs wird außer in der »Russischen Doktrin« in den Berichten dargestellt, die in der Klubzeitschrift »Russische Strategien« publiziert werden (s. Tabelle 2). Im ersten, Anfang 2013 veröffentlichten Bericht werden unter dem Titel »Strategie des Großen Durchbruchs« Grundlinien dargelegt. Konstatiert wird dort eine Krise des »kapitalistischen Weltsystems«, die aus einem verschärften Kampf um Naturressourcen, der Verschärfung der strategischen Widersprüche zwischen den Weltmächten und dem aktuellen Kondratjew-Zyklus resultiert. Es wird behauptet, der Westen wolle auf Kosten eines großen Teils der Weltbevölkerung seine »schöne neue Welt« errichten, indem er Krieg zwischen Dutzenden Ländern entfacht und die Weltbevölkerung um mehrere Milliarden Menschen vermindert, wofür Hunger, blutige Konflikte, Epidemien, die Senkung der Fruchtbarkeit, die Verbreitung homosexueller Ehen und genetisch modifiziert Organismen eingesetzt werden. Seit 2007 werde Russland vom Westen mit Methoden der psychologischen Kriegsführung, des Informationskriegs sowie der »Organisationswaffe« (die innere Zersetzung von Organisationen, nach dem sowjetischen Systemanalytiker Spartak Nikanorow) angegriffen. Die Autoren des Berichts loben Josef Stalin, der die Grundlagen für den Sieg im Zweiten Weltkrieg und die darauf folgenden Leistungen der Sowjetunion gelegt habe. Heute sei allerdings die im Land tätige »fünfte Kolonne« noch stärker als in den 1930er Jahren, und der »globalistische« Westen sei mächtiger als es die damaligen Feinde waren.1 Man benötige eine »Revolution von oben«, sonst drohe eine vom Ausland unterstützte »Revolution von unten«. In der Gesellschaft müsse ein Bewusstsein für die Existenz der äußeren und inneren Feinde Russlands geschaffen werden, und es sei ein Programm der Mobilisierungswirtschaft auszuarbeiten. Die Autoren versteigen sich zur Ausmalung eines vom Westen gegen Russland bereits begonnenen, verdeckten Angriffskriegs. Dass dieses Feindbild, das deutliche Parallelen zur sowjetischen Propaganda hat, mit wohlwollender Billigung des Staates in dessen Medien verbreitet werden kann, zeugt von der Angst der Macht- und Wirtschaftselite Russlands vor dem Verlust der Kontrolle über die Gesellschaft, wie er sich in den Protesten 2011/2012 angedeutet hatte.

Einfluss auf die Kremlpolitik?

Die Thesen des Isborsker Klubs gehören in Russland spätestens seit der Ukrainekrise zum mainstream der politischen Rhetorik, stellen aber keine ideologische Quelle der Kremlpolitik dar. Wladimir Putin stützt sein Bekenntnis zu konservativen Werten auf den Philosophen Wladimir S. Solowjow (1853–1900), die von Lenin 1922 ins Exil verbannten Philosophen Nikolaj Berdjajew (1874–1948) und Iwan Iljin (1883–1954) sowie den in der Sowjetunion verfolgten Lew Gumiljow (1912–1992), die alle seit dem Ende der Sowjetunion in Russland zunehmende Aufmerksamkeit erfahren, weil man bei ihnen eine Weltanschauung in russischer Tradition zu finden hofft. Iljin, der sich im Zarenreich als Hegelforscher einen Namen gemacht, nach seiner Emigration zehn Jahre lang am Berliner »Russischen Wissenschaftlichen Institut« gearbeitet und in ganz Deutschland Vorträge über den Bolschewismus gehalten hatte, forderte für ein Russland nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft ein stabiles, autoritäres Regime. Er war für die Einheit und Unteilbarkeit des Landes in den Grenzen des Russischen Reiches eingetreten, hatte aber auch »nationalen Dünkel« verurteilt. Putin ist von Iljin derart angetan, dass er ihn 2005, 2006, 2009 und 2014 in seinen Botschaften an die Föderalversammlung zitierte. Jedoch bedeutet, wie Hans-Joachim Spanger bemerkt, Putins »Reinkarnation als Wertkonservativer« keine ideelle Fundierung seiner Politik.

Mit wenigen Ausnahmen verlangen die Mitglieder des Klubs aus ihrem Verständnis der »Russischen Welt« heraus zumindest die »Befreiung« des gesamten Südostens der Ukraine und die Aufnahme des so gebildeten »Neurusslands« in die Russische Föderation, wenn nicht sogar den Anschluss der gesamten Ukraine an Russland. Die im Vergleich dazu zurückhaltende Kremlpolitik interpretieren sie als Ergebnis des Wirkens einer »fünften Kolonne« von aus dem Ausland gesteuerten Liberalen. Dugin hat sogar eine aus Putins Ratgebern, regierungsnahen Oligarchen und hohen Staatsfunktionären bestehende »sechste Kolonne« ausgemacht, die der Regierung Kompromisse mit dem Westen einredet. Daher könnte der Isborsker Klub zukünftig auch in Opposition zum Kreml treten.“

https://www.laender-analysen.de/russland-analysen/292/der-isborsker-klub-russlands-antiwestliche-ideologen/

Der Isborsker Klub, allen voran Dugin und Glasjew unterhalten dabei auch zahlreiche Kontakte mit Rechtsradikalen aus den USA und Europa, die zudem gerne in den russischen Medien und Russia Today als Kronzeugen und angebliche Experten auftreten:

Gestern hatte euer ergebener Diener ein Gespräch mit den Kollegen des Internetfernsehens Nastojaschtscheje Wremja [currenttime.tvdek], und zwar anlässlich eines kürzlich veröffentlichten noodleremover-Beitrags über die „Experten“, die in den russischen Fernsehprogrammen auftreten und sowohl für den einheimischen Markt, sprich für die WGTRK, tätig sind als auch für den ausländischen Markt, also beispielsweise für Sendungen von RT und Sputnik. Diese Experten werden gewissermaßen zur äußeren Legitimation propagandistischer Thesen benutzt – schaut mal her, wir haben uns diese ganzen Geschichten über das niederträchtige Amerika gar nicht selbst ausgedacht, sogar die amerikanischen Experten sagen das. 

Прочесть позже

Es gibt also eine Handvoll Leute, die von Beitrag zu Beitrag ziehen, wo sie mal als „Experten“, mal als „Analytiker“ und mal als „Journalisten und Schriftsteller“ vorgestellt werden. Obgleich sie bei sich zu Hause keineswegs als Experten gelten. In Russland kann man ja Parlamentssprecher oder Leiter der größten Staatsbetriebe sein oder einen anderen höchsten Staatsposten bekleiden und dabei in der Öffentlichkeit den tumbesten verschwörungstheoretischen Blödsinn von sich geben, und das wird dann in den staatlichen Medien abgedruckt, ohne dass es irgendjemanden kümmern würde. Im Westen aber, im Gegensatz zu Russland, hat der Begriff Reputation doch ein gewisses Gewicht. Wenn jemand ein hohes Amt anstrebt oder in den seriösen Medien auftreten will, obwohl er irgendwelche komplett marginalen Standpunkte vertritt oder Anhänger einer Verschwörungstheorie ist, so wird er versuchen, diese für sich zu behalten. Denen, die ihre Leidenschaft für Aluhüte nicht im Griff haben, bleiben nur die Websites für den kleinen Kreis ihrer Gesinnungsgenossen – oder der Fernsehsender RT, wo man ihre Phantasien live an ein mittlerweile durchaus breites, wenngleich weltweit gesehen doch marginales Publikum ausstrahlt. So gelangen „Experten“ zuerst zu RT und von dort aus auch in die Westi – bei näherer Betrachtung entpuppen sie sich dann als stadtbekannte Irre, sonstige schräge Vögel oder als mehr oder weniger offene Nazis. Manuel Ochsenreiter (Redakteur der rechten Zeitschrift Zuerst!) im Ersten Russischen Fernsehen

Manuel Ochsenreiter (Redakteur der rechten Zeitschrift Zuerst!) im Ersten Russischen Fernsehen

In meinem Gespräch mit Nastojaschtscheje Wremja kam eine interessante Frage auf, deren Beantwortung bedauerlicherweise nicht gesendet wurde. Woher kommen  diese ganzen Leute eigentlich? Sitzt irgendein unbekannter Redakteur des Staatsfernsehens da und überlegt: „Welchen renommierten ausländischen Experten hole ich am besten in die Sendung, damit er dort über Amerikas heimtückische Intrigen berichtet?“ Wir wollen einfach mal versuchen, anhand jenes Westi-Beitrags über sogenannte Couchexperten Licht ins Dunkel zu bringen.

Da ist zum Beispiel William Engdahl, der behauptet, die USA hätten „einen umfassenden Plan zur Dämonisierung Russlands aufgestellt“. Engdahl ist Autor zahlreicher Bücher, Artikel und Vorträge über die schädlichen Folgen von Genmanipulation sowie darüber, dass die globale Erderwärmung ein Mythos sei und dass hinter sämtlichen globalen Entwicklungen in der Welt, vom Sturz des Schahs im Iran 1979 bis zur ägyptischen Revolution 2011, die CIA stehe. Er ist häufig zu sehen auf RT, unter anderem war er in der Sendung Truthseeker im Juli 2014 zugeschaltet, und zwar in der Ausgabe über das „gekreuzigte Baby“, die nach zahlreichen Zuschauerbeschwerden wieder aus dem Programm genommen wurde. Wurde Engdahl in dem Westi-Beitrag als „Schriftsteller und Politologe“ vorgestellt, so betreibt er hier „investigativen Journalismus“ 

Wurde Engdahl in dem Westi-Beitrag als „Schriftsteller und Politologe“ vorgestellt, so betreibt er hier „investigativen Journalismus“ 

Außerdem ist Engdahl ständiger Autor des Zentrums für Globalisierungsforschung und seine Texte werden häufig auf der Website globalresearch.ca publiziert. Ich habe bereits darüber geschrieben, warum diese Seite eine solch wertvolle Quelle für die verschiedensten „Analytiker“ und „Politologen“ im russischen Fernsehen darstellt. Der Gründer des Zentrums für Globalisierungsforschung Michel Chossudovsky gehört dem wissenschaftlichen Beirat der italienischen Zeitschrift Geopolitica an, deren Chefredakteur Tiberio Graciani wiederum im obersten Rat der Internationalen eurasischen Bewegung sitzt, deren Vordenker und Anführer Alexander Dugin ist. Wenn ihr nicht darüber informiert seid, wer das ist, lest es bitte nach, so auf die Schnelle lässt sich das nicht sagen. Eine, kurz gesagt, facettenreiche Persönlichkeit, die in Russland innerhalb von wenigen Jahren vom „verrückten Professor“ zu einem der einflussreichsten öffentlichen Intellektuellen mit einer enormen Wirkung auf die Innen- und Außenpolitik geworden ist. Über sein Verhältnis zur russischen Führung gibt wohl am deutlichsten ein Zitat von ihm aus dem Jahr 2007 Aufschluss. Seither haben sich seine Ansichten nicht allzu sehr geändert.

„Gegner des Putinschen Kurses gibt es nicht mehr, und wenn doch, sind sie psychisch krank und man muss sie zur Gesundheitsfürsorge schicken. Putin ist überall, Putin ist alles, Putin ist absolut, Putin ist unersetzlich.“ Der Anführer der Eurasischen Bewegung Alexander Dugin am 17. September, auf einem Empfang der Zeitung Izvestia

Es gibt noch eine italienische Zeitschrift für ultrarechte Intellektuelle, die Putin nach dem Prinzip „der Feind meines Feindes“ (Hauptsache, es geht gegen Amerika) unterstützen, und dort steht Engdahl beim wissenschaftlichen Beirat direkt in der Zeile unter Dugin. Man kann also davon ausgehen, dass Engdahl mit Dugin persönlich bekannt ist und über ihn Zugang hat zu den Köpfen und Büros der höchsten Führungsetagen, also auch zu den Chefs der staatlichen Fernsehgesellschaft WGTRK, dass er also nicht auf persönliche Initiative eines Jungredakteurs im russischen Äther auftaucht. Dugin nahestehende Kreise der europäischen Ultrarechten, Neonazis, Euroskeptiker und verschiedenste Verschwörungstheoretiker – das sind, wie es aussieht, die Hauptquelle, aus der das russische Fernsehen seine „Experten“ rekrutiert. Und nicht nur fürs Fernsehen. Da ist zum Beispiel Manuel Ochsenreiter, der regelmäßig sowohl auf RT als auch auf den russischen TV-Kanälen als „Journalist“ herumgeistert. Hier ist er beispielsweise in Gesellschaft von Alexander Dugin zu sehen: 

Der Journalist Ochsenreiter ist natürlich ein ziemlicher Spezialfall: Er ist Redakteur der ultrarechten [deutschen] Zeitschrift Zuerst!, die in Deutschland immer wieder für Schlagzeilen sorgte (beispielsweise lehnte der Bauer-Verlag wegen Sympathien für die Nazis die Zusammenarbeit ab). Und Ochsenreiter ist nicht einfach nur ein häufiger Kommentator im russischen Fernsehen – er war auch „Beobachter“ bei den „Wahlen“ in der „Volksrepublik Lugansk“. Die sich anscheinend der Aggression der faschistischen Junta zur Wehr setzt. Mit Hilfe eines echten deutschen Neonazis, der früher eine Zeitschrift über die ruhmreichen Siege der Wehrmacht herausgegeben hat. 

Izvestia, 2. November 2014:
Ausländische Beobachter verzeichnen hohe Wahlbeteiligung bei den Wahlen in der Volksrepublik Lugansk 
Der Vertreter Deutschlands, Manuel Ochsenreiter, erklärte, er habe bislang „keinen einzigen Verstoß beobachtet“.
Die ausländischen Beobachter, die an dem Wahlmonitoring teilnehmen – gewählt werden das Oberhaupt der Volksrepublik Lugansk und die Abgeordneten des Volkssowjets – verzeichnen eine hohe Wahlbeteiligung.
„Wir kommen gerade aus einem Wahllokal – das war voll bis zum Anschlag. Mein erster Eindruck ist, dass die Menschen ein enormes Interesse daran haben, an diesen Wahlen teilzunehmen“, erklärte Manuel Ochsenreiter, der hier Deutschland vertritt, gegenüber der Nachrichtenagentur TASS. Die Gruppe, der er angehört, hatte ein Wahllokal in Brjanka besucht. 

Und so sieht das Cover der Deutschen Militärzeitschrift aus, deren Chefredakteur Ochsenreiter bis 2011 war:

Weiter im Text unseres Westi-Beitrags: Nach Engdahl tritt dort Jeffrey Steinberg auf. Steinberg schreibt für die Zeitschrift Executive Intelligence Review, die von der sogenannten LaRouche-Bewegung (LaRouche Movement) herausgegeben wird. Die „Bewegung“ – diplomatisch ausgedrückt, in Wirklichkeit sind die LaRouchisten eine faschistoide Sekte mit ziemlich ekelhaften Ritualen (nachzulesen beispielsweise unter dem Stichwort „Ego-Striptease“ [im Wikipedia-Eintrag über LaRouche – dek]). Ihre Ansichten sind ebenfalls extrem verschwörungstheoretisch und sektenmäßig. Die LaRouchisten haben zum Beispiel einen kompletten Dachschaden, was die britische Königsfamilie angeht, die ihrer Ansicht nach generell an allem Unglück der Menschheit schuld ist, Königin Elisabeth II. kontrolliert persönlich das Kokainkartell und so weiter. Eben jener Jeffrey Steinberg behauptete zum Beispiel in einem Interview, Prinzessin Diana sei nicht bei einem Autounfall ums Leben gekommen, sondern auf Weisung Prinz Philips vom britischen Geheimdienst ermordet worden (eine populäre Verschwörungstheorie bezüglich Diana: murder, not accident). Bei der Zeitschrift Executive Intelligence Review (EIR) finden sich regelmäßig Cover im Geiste wie diesem hier: Jetzt handeln, um Obamas Nazi-Plan zur Gesundheitsreform zu stoppen!

Jetzt handeln, um Obamas Nazi-Plan zur Gesundheitsreform zu stoppen!

Wie ihr wahrscheinlich ahnt, ist in Amerika die Herausgabe von Zeitschriften mit einem derartigen Cover und solchen Ansichten zwar nicht verboten (man stelle sich das mal entsprechend in Russland vor), doch sie sind, gelinde gesagt, bei der breiten Masse nicht gerade beliebt.
Ganz anders in Russland. Zum einen haben die LaRouchisten eine Niederlassung in Russland – das sogenannte Schiller-Institut. Und die Executive Intelligence Review hat auch eine russischsprachige Website. Dort steht genau das Gleiche wie im Original, bloß dass es in russischer Übersetzung noch hirnverbrannter wirkt:

Britische Agenten – Verfechter des Völkermords [an in der Ukraine lebenden Russen] – […] Organisation eines US-imperialen Umsturzes in der Ukraine. Mannomann.
Dabei sind diese Leute nicht erst gestern aufgetaucht. Seit 2008 gibt Lyndon LaRouche auf RT regelmäßig Interviews.

Doch er ist nicht vom Himmel gefallen. Lyndon LaRouche ist kein persönlicher und langjähriger Freund von irgendjemandem, sondern vom Präsidentenberater zu Fragen der Wirtschaftsintegration Sergej Glasjew. Hier sehen wir LaRouche und Glasjew im Jahr 2001 auf einer gemeinsamen Pressekonferenz:

Und hier eine persönliche Gratulation von Sergej Glasjew an Lyndon LaRouche auf der russischen EIR-Seite:
 

Lieber Lyndon LaRouche!
Von ganzem Herzen gratuliere ich Ihnen zu Ihrem runden Geburtstag, den Sie dieser Tage feiern, Sie, ein weltweit anerkannter Wissenschaftler, der verdientermaßen die Achtung von Spezialisten, Politikern und Personen des öffentlichen Lebens in verschiedenen Ländern der Welt genießt. Ihre visionäre Gabe und die von Ihnen lange vor der weltweiten Finanzkrise erarbeitete Prognose des Zusammenbruchs des internationalen Finanzsystems haben Ihnen den Ruhm eines Propheten und Gurus für die Schlüsselprobleme der Menschheitsentwicklung eingebracht!
Aufrichtig wünsche ich Ihnen neue schöpferische Großtaten, eine robuste Gesundheit und das Glück, die Umsetzung Ihrer Vorschläge und Empfehlungen zur Gesundung und Entwicklung der Weltwirtschaft mitzuerleben. 
Ihr
Sergej Glasjew 
29.08.2012

Wie ihr seht, fallen diese „Experten“ und „Analytiker“ wirklich nicht vom Himmel und werden nicht auf Initiative irgendwelcher Nachrichtenredakteure ins russische Fernsehen geholt, sondern von ihren Freunden an der Spitze der russischen Macht. Dugin, Glasjew und die Partei Rodina unterhalten enge Verbindungen zu europäischen und amerikanischen Ultrarechten, Neonazis und sonstigen Obskuranten, die man als im Westen einflussreiche Politikwissenschaftler und Journalisten ins Fernsehen schleift – die sie aber natürlich nicht sind. Und die sich deshalb freuen wie die Schneekönige, wenn sie, zwar nicht im eigenen Land, aber in Russland, ins echte Fernsehen dürfen und als wichtige Leute vorgestellt werden. Die Partei Rodina, der Sergej Glasjew angehört, ist ebenfalls ein Großlieferant für unterschiedlichste handgemachte TV-„Experten“. Einer davon ist zum Beispiel John Laughland, der immer wieder in der Nachrichtensendung Westi zitiert wird. Mindestens schon seit 2002:

Heute wird Laughland als „Forschungsprogrammleiter des Instituts für Demokratie und Zusammenarbeit“ zitiert. Dieses hat seinen Sitz in Paris und nennt sich solide The Institute of Democracy and Cooperation oder auch Institut de la Démocratie et de la Coopération. Nur ist Leiter des Instituts nicht Laughland und auch nicht irgendein Monsieur Sowieso, sondern die ehemalige (2003–2007) russische Dumaabgeordnete für die Partei Rodina Natalja Narotschnizkaja, die von Putin persönlich zur Leiterin ernannt wurde. 

Narotschnizkaja und Laughland sind ebenfalls langjährige und gute Freunde. John Laughland und Natalja Narotschnizkaja

John Laughland und Natalja Narotschnizkaja

Das Institut für Demokratie und Zusammenarbeit ist eine NGO, die offiziell von Russland aus gegründet wurde und gesponsert wird. Wenn ihr also solche Experten im Fernsehen seht, lasst euch nicht durch ein Institute of Democracy and Cooperation und einen Mister Laughland täuschen, die die NATO, Amerika und die Demokratie kritisieren – das sind alles einheimische Pflanzen. „

https://www.dekoder.org/ru/node/1141

Glasjew trat auch als selbststilisierter Friedensapostel in Sachen Ukraine auf, etwa in RT, um gegen die angebliche Naziregierung in Kiew zu wettern, die einen Genozid und einen Krieg im Donbass betreibe, was unterbunden werden müsse. Die russische Armee könne in ein paar Tagen in Kiew stehen, falls die russische Regierung dies wolle. Aber diese wolle dies ja nicht.

Schon nach der Krimannektion 2014 bezeichnete der russische, wirtschaftsliberale Ökonom   Konstantin Sonin  in einem SPIEGEL-Interview vom 11.12.2014 Glasjew und seinesgleichen als Leute, die von Wirtschaft keine Ahnung hätten, ideologisch motiviert seien, nun aber bei dem schleichenden wirtschaftlichen Niedergang Russlands unter Putin immer tonangebender würden. Konstantin Sonin ist Prorektor der Moskauer Higher School of Economics (HSE) und einer der bekanntesten Wirtschaftswissenschaftler in Russland. Für die Tageszeitung „Wedomosti“ – das russische Schwesterblatt der „Financial Times“ – analysierte Sonin regelmäßig das Wirtschaftsgeschehen und kritisierte den staatskapitalistischen Kurs des Kreml.

„SPIEGEL ONLINE: Russlands Wirtschaft steckt in der Krise. Wladimir Putin sagt, der Westen wolle die „wachsenden Möglichkeiten“ seines Landes eindämmen. Ist die drohende Rezession Folge der Sanktionen?

Sonin: Nein, Russland steckt seit Langem in einem schleichenden Niedergang. Die Wirtschaft ist in sieben Jahren praktisch nicht gewachsen. Wir sind auf dem Stand von 2007. Dabei sind wir ein Schwellenland, unser Wachstum müsste eigentlich mindestens drei Prozent über dem deutschen liegen.

SPIEGEL ONLINE: Anderswo stockt die Wirtschaft doch ebenfalls.

Sonin: Aber keine der großen Währungen hat so dramatisch an Wert eingebüßt. Die Abwertung des Rubel hat vor der Ukraine-Krise begonnen. Ein Grund ist, dass Anleger russische Investitionen abstoßen. Überall auf der Welt sind die Aktienmärkte in den vergangenen Jahren gestiegen, unserer stagniert.

SPIEGEL ONLINE: Sie vergleichen die derzeitige Krise mit 1991. Damals zerbrach die Sowjetunion. Welche Parallelen sehen Sie?

Sonin: Russland hat scharfe Einbrüche erlebt, zum Beispiel 1998 und 2007, beide ausgelöst durch externe Schocks. Die Krise des Jahres 1991 war anders. Sie war in Wahrheit ein schrittweiser Niedergang, der viele Jahre zuvor begonnen hatte. Heute ist es ähnlich: Wir müssen derzeit keinen scharfen Einbruch befürchten. Die Menschen sagen, die Lage sei schlecht, aber nicht katastrophal. Haben wir deshalb also keine Krise? Doch, sie ist nur noch nicht in ihre akute Phase eingetreten.

SPIEGEL ONLINE: Wie hätte der Niedergang vermieden werden können?

Sonin: Putin hätte sich 2008 nach seinen erfolgreichen ersten beiden Amtszeiten zurückziehen sollen. Seitdem geht es ihm nicht mehr um Reformen, sondern nur noch um Machterhalt. Die Wirtschaftspolitik muss sich unterordnen. Reformen werden gestoppt, aufgeschoben und aufgehoben. Gute Entscheidungen aus Putins ersten Jahren im Amt werden zurückgenommen.

SPIEGEL ONLINE: Welche denn?

Sonin: Er hatte die Privatwirtschaft stark entlastet. Inzwischen sind die Belastungen für die Firmen – steuerlich und vor allem administrativ – höher als je zuvor.

SPIEGEL ONLINE: Wie groß ist der Einfluss der Sanktionen tatsächlich?

Sonin: Sie treffen vor allem den Finanzsektor. Sie verschlechtern alles ein wenig, vor allem die langfristigen Perspektiven. Den Lebensstandard schränken sie wenig ein. Unsere eigenen Gegensanktionen sind für die Bürger schlimmer: Der Importstopp für EU-Lebensmittel treibt die Preise hoch. Das geht zu Lasten der Ärmeren, die einen großen Anteil des Einkommens für Lebensmittel ausgeben.

SPIEGEL ONLINE: Gut, aber was sind dann die Ursachen der Krise?

Sonin: Schauen Sie sich das Schicksal von Diktatoren und Autokraten an: Sie sind alle erfolgreich in den ersten zehn Jahren im Amt. Danach geht es um Machterhalt, die Stagnation beginnt. Das ist der Kern des Problems: Es ist schlecht, so lange an der Macht zu sein.

SPIEGEL ONLINE: Der Einfluss von Hardlinern wie Putins Berater Sergej Glasjew wächst. Er will das Land abschotten. Hat sich das Wirtschaftsverständnis im Kreml geändert?

Sonin: Glasjew hat keine Ahnung von Ökonomie. Zum Glück ist er ja offiziell auch Putins Berater in der Ukraine-Politik, nicht in Wirtschaftsfragen.

SPIEGEL ONLINE: Das macht es kaum besser: Glasjew wollte Kiew bombardieren lassen.

Sonin: Solchen Leuten verdanken wir doch unsere herrlichen geopolitischen Siege! (lacht) Im Ernst: Putin hat ein exzellentes Wirtschaftsteam. In den Ministerien und in der Zentralbank arbeiten beste Leute. Das Problem ist, dass ihr Einfluss beständig sinkt. Stattdessen geben Männer den Ton an, die primitive Vorstellungen von Ökonomie haben. Sie verstehen die Mechanismen der Wirtschaft nicht. Sie bestreiten, dass es ökonomische Probleme waren, die zum Zusammenbruch des Kommunismus geführt haben.

SPIEGEL ONLINE: Der Chef der staatlichen Sberbank, German Gref, hat das neulich scharf kritisiert. Er sprach davon, Russland ziehe keine Lehren aus der Geschichte.

Sonin: Ach, Gref fand meine Kolumnen immer zu düster. Jetzt scheint auch er die richtigen Schlüsse zu ziehen: Eine schlechte Wirtschaftspolitik ist nie Folge einzelner Fehlentscheidungen. Wir haben es mit einer völlig archaischen Art der Staatsführung zu tun.

SPIEGEL ONLINE: Wie kann Russland aus der Krise kommen?

Sonin: Ich bin kein Freund von Revolutionen. Es fällt mir aber schwer, mir substanzielle Verbesserungen mit dem derzeitigen Regime vorzustellen. Es wird einen Schnitt geben, eine „nichtstationäre Periode“ mit Absturz und einer langsamen Erholung.

SPIEGEL ONLINE: Viele Ihrer Kollegen haben das Land verlassen. Haben Sie es nicht satt, düstere Diagnosen zu stellen, die zu spät zur Kenntnis genommen werden?

Sonin: Sich ergeben, mein Land im Stich lassen? 1991 standen wir Panzern gegenüber.

SPIEGEL ONLINE: Wie alt waren Sie damals?

Sonin: Ich war 19.

SPIEGEL ONLINE: Wenn morgen freie Wahlen wären, für wen würden Sie stimmen?

Sonin: Vielleicht für Alexej Nawalny, den Oppositionsführer. Er ist ehrlich und entschlossen. Aber hätte er eine Chance? Wenn ich die Wahl hätte zwischen dem heutigen Vizepremier Igor Schuwalow, einem Wirtschaftsliberalen, und Verteidigungsminister Sergej Schoigu, einem Falken… Weiß der Teufel, wie ich entscheiden würde! Vielleicht Schuwalow – oder doch Schoigu?

SPIEGEL ONLINE: Schoigu ist ein enger Freund von Putin.

Sonin: Sie müssen bedenken, unter welchen Umständen eine solche Wahl – nach dem Ende der Ära Putin – stattfinden würde. Wir reden über eine Krise, den Zusammenbruch von Wirtschaft und Ordnung. Die Kriminalität wird ansteigen, es kann Zusammenstöße verschiedener Volksgruppen geben. Man wird also einen Mann wählen, der für Ordnung sorgt.

SPIEGEL ONLINE: Keine Chance für einen liberalen Reformer?

Sonin: Michael Chodorkowski hat neulich geschrieben, als Präsident würde er den Staat dezentralisieren. Wieso glauben alle, dass der nächste Präsident Gelegenheit zu solchen Nettigkeiten haben wird? Er wird den Staat vor dem Zerfall bewahren müssen.

SPIEGEL ONLINE: Wie wird das Ende von Putins Präsidentschaft aussehen?

Sonin: Er wird sich bis zuletzt an die Macht krallen. Kein Politiker dieser Welt geht freiwillig.

https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/russland-krise-star-oekonom-prophezeit-revolution-a-1007297.html

Inzwischen ist Glasjew nun nicht mehr nur Berater von Putin in der Ukrainefage und eine der massgeblichen Kräfte, die ihn wohl bei der Entscheidung des Ukrainekriegs unterstützt haben, sondern auch inzwischen einer der führenden russischen Ökonomen und seit 2012 Berater für die eurasische Wirtschaftsintegration von Wladimir Putin. In dieser Position ist er für die Zollunion und den gemeinsamen Wirtschaftsraum von Russland, Belarus und Kasachstan zuständig. 2013 unterlag er Elwira Nabiullina bei der Kandidatur für den Vorsitz der russischen Zentralbank. Aufgrund seiner harten Haltung in der russischen Ukraine-Politik steht er seit Beginn der Krise auf den Sanktionslisten der USA, der EU, der Schweiz und KanadaSein Weltbild und seinen Ausblick formulierte Glasjew in 7 Szenarien in einem Beitrag der russischen Zeitung Gazetta:

„Russland 2025: Sieben Szenarien fürs nächste Jahrzehnt

01 März 2017

Rustem Faljachow

Gazeta.ru

Spielball oder Strategie – was wird aus der russischen Wirtschaft?

Reuters

Wird Russland zu einem Pulk zerstrittener Enklaven am Rande der Weltwirtschaft? Oder schafft das Land den technologischen Durchbruch und geht bis 2025 auf die wirtschaftliche Überholspur? Der russische Volkswirt Sergej Glasjew entwirft sieben Szenarien einer möglichen Weiterentwicklung Russlands.

Russland kann sich nicht treiben lassen, wenn zwei geowirtschaftliche Zentren, China und die USA, erbittert um die Vorherrschaft in der Welt ringen. „Unsere Wirtschaftspolitik ist passiv. Ohne eine eigene Strategie zu haben, überlassen wir das Feld unserer Wirtschaft ausländischen Unternehmen. Sie sind auf dem Finanzmarkt in der Übermacht und manipulieren diesen. Sie dominieren im Maschinen- und Werkzeugbau sowie bei langfristigen Konsumgütern“, erklärt der Volkswirt Sergej Glasjew in einem Beitrag für Gazeta.ru.

Angesichts dieser passiven Wirtschaftspolitik bestehe für Russland das Risiko, zu einem „Bauernopfer“ und einem „Objekt der Aggression konkurrierender Weltmächte“ zu werden, wie dies bereits mehrmals in der Geschichte der Fall gewesen sei. Wie sich Russlands Position in der nächsten Dekade verändern könnte, hängt von vielen Faktoren ab. Glasjew hat sieben mögliche Szenarien entworfen.

Eine Partnerschaft zu dritt: USA, Russland, China

Dies ist das erstrebenswerteste, aber unwahrscheinlichste Szenario von allen: Die USA stellen ihre aggressive Haltung ein und schließen sich der strategischen Allianz zwischen Russland und China an. Damit einher gehen die Abschaffung der US-Sanktionen und „eine gemeinsame Verantwortung für den Erhalt des Friedens im Prozess des globalen Strukturwandels“.

Behält Russland seine passive Rolle jedoch bei, könnten die Weichen für die schlimmste Entwicklung gestellt werden, nämlich für das folgende Szenario.

Isolation und Intervention

Die Coca-Cola-Werbung in Wladiwostok. / AP

Dies könnte eintreten, wenn die US-Führung, statt den derzeitigen Konfrontationskurs zu China fortzusetzen, zur vorherigen Politik der Einbeziehung Chinas in die wirtschaftliche Symbiose mit den USA zurückkehrt, zum sogenannten „Chimerica“ („China“ + „America“). Sollten pro-amerikanische Kräfte in China die Oberhand gewinnen, könnte Russland ins völlige Abseits geraten, mit dem einhergehenden Verlust seiner Währungsreserven und Exportmärkte. Dies würde den Lebensstandard spürbar drücken und die eurasische Integration gefährden – sofern die heutige Wirtschaftspolitik unverändert bleibt.

Isolation und Mobilisierung

Das in Russland vorhandene Potenzial in den Bereichen Wissenschaft, Technik, Militär oder natürliche Ressourcen wird nicht nur das Überleben des Landes sichern, sondern auch seine Weiterentwicklung – wenn die Wirtschaft entsprechend mobilisiert wird. „Dazu braucht es jedoch neues Personal in der Regierung und in der Wirtschaft“, meint Glasjew.

Amerikanische Übernahme

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Auch dieses Szenario hält Glasjew für möglich: Unter dem Druck der wirtschaftlichen Probleme erstarken in Russland pro-amerikanische Kräfte. Um die Aufhebung der Sanktionen zu bewirken, gibt Moskau den Forderungen aus dem Westen nach. Das provoziert eine plötzliche größere Einflussnahme der USA bis hin zu einer „Farbrevolution“ und der Einrichtung eines Marionettenregimes, wie es bereits 1991 und 1993 geschehen sei.

Mittels dieser Regierung wird Russland sein Atomarsenal genommen und die Desintegration des postsowjetischen Raumes vorangetrieben. Russlands Wirtschaft wird von US-amerikanischen und europäischen Konzernen privatisiert, Zentralasien wird zur Domäne Chinas.

Doch, so räumt Glasjew ein, gebe der Machtwechsel im Weißen Haus Anlass zur Hoffnung, dass die Feindseligkeit gegenüber Russland aufhört.

Chinesisches Protektorat

Ein Schild mit Infos zur neuen ATM-Bankkarte des chinesischen Zahlungssystems UnionPay, das demnächst MasterCard und Visa auf der Krim ersetzen soll. / Vasiliy Batanov/RIA Novosti

Sollte Russland keine Schritte zur strategischen Wirtschaftsentwicklung mittels eigener finanzieller Hilfen unternehmen, werde die künftige Partnerschaft mit China de facto darin bestehen, Russlands Wirtschaft den Interessen der chinesischen Volkswirtschaft zu unterwerfen, mahnt Glasjew.

Dann sähe die Zukunft so aus: „China investiert massiv in die russische Energie-, Agrar- und Verkehrswirtschaft, die sich zunehmend nach den Bedürfnissen des chinesischen Marktes ausrichten. Die russische Rüstungsindustrie entwickelt sich im Verteidigungsinteresse der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit und der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit. Die übrige Hightech-Industrie wird von russisch-chinesischen Joint-Ventures erschlossen. Russland behält jedoch seine politische Souveränität und die gleichrangige militärpolitische Partnerschaft mit China“, schreibt der Ökonom.

Um sich den aggressiven USA erfolgreich entgegenzusetzen, brauche die chinesische Wirtschaft russische Rohstoffe und Energieressourcen. In diesem Szenario wird Russland zur Peripherie Chinas.

Ein Pulk zerstrittener Enklaven

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Eine weitere Vorstellung Glasjews ist Russlands Zerfall. Demnach würden Russland und die gesamte Eurasische Wirtschaftsunion „die Zerreißprobe zwischen den entgegengesetzten Kräften USA und China, dem alten und dem neuen Weltwirtschaftszentrum“, nicht bestehen. Die russische Wirtschaft werde dann zentralisiert und zu einem Haufen nur schwach verbundener Enklaven, die für die Bedürfnisse einzelner Sektoren der Weltwirtschaft arbeiten.

Das würde die Voraussetzungen zur Destabilisierung der inneren Lage und zum Übergang zum Szenario der amerikanischen Übernahme schaffen.

Bis zu zehn Prozent Wirtschaftswachstum

Russland wird sich anstrengen müssen, um den Übergang zur Strategie einer progressiven Entwicklung zu schaffen. Gelingen werde dies nur durch den Aufbau einer technologisch neuen Industrie, meint Glasjew.

Im siebten und letzten Szenario halten Russland und die Eurasische Wirtschaftsunion mit China Schritt. Die derzeit weltweit eher geringe Rolle der EAWU könne aber nur durch Präferenzpartnerschaften mit schnell wachsenden Ländern Eurasiens kompensiert werden. Das erste Freihandelsabkommen dieser Art ist bereits mit Vietnam geschlossen worden. In diesem Szenario könnte die russische Wirtschaft laut Glasjew ein BIP-Wachstum von zehn Prozent und einen Zuwachs an Investitionen von 20 Prozent erreichen.

https://de.rbth.com/wirtschaft/2017/03/01/russland-2025-sieben-szenarien-furs-nachste-jahrzehnt_711783

Im russischen Original:

https://m.gazeta.ru/business/2017/02/25/10543481.shtml

Auch die Writschaftswoche vom 29.3.2022 stellt fest:

„Russlands Krieg spaltet auch die Ökonomenzunft des Landes. Planwirtschaftliche Vertreter geben jetzt den Ton an. Und weil die Wissenschaftskooperation zum Erliegen kommt, ist für den Westen empirische Russlandforschung kaum noch möglich, warnt Ökonom Alexander Libman.“

https://www.wiwo.de/my/politik/europa/alexander-libman-da-geht-russlandexpertise-verloren-die-fuer-den-westen-wichtiger-denn-je-sein-sollte/28194376.html?ticket=ST-1012578-zwahEfAFM7LsW9GekIZK-ap1

Mit dem Wirtschaftswachstum von Putins Lieblingsprojekt, der EAWU stand es aber auch nicht zum besten für das Jahr 2021 und dürfte dies nun nach Beginn des Ukrainekriegs und der Sanktionen auch nicht besser ausfallen- so berichtet die Aussenhandelskammer Russland:

„EAWU-Bilanz für 2021: Weniger Wachstum als erwartet

13.01.2022

Das BIP der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) wird Ende 2021 voraussichtlich einen Zuwachs von 4,1 Prozent verzeichnen. Damit hat die Wirtschaft der EAWU-Länder wieder ihr Niveau vor der Corona-Pandemie erreicht. Allerdings wurden das Wachstumsziel der EAWU von 4,5 bis 5,5 Prozent, das in den makroökonomischen Leitlinien für 2021 und 2022 festgelegt wurde, verpasst. Offenbar wurde zu wenig in Produktionskooperationen investiert und zu wenig Wertschöpfungsketten im eurasischen Wirtschaftsraum geschaffen als erwartet.

Sergej Glasjew, Minister für Integration und Makroökonomie der Eurasischen Wirtschaftskommission (EAWK), merkte an, dass die Wirtschaft der EAWU ihr angestrebtes (dennoch über dem weltweiten Durchschnitt liegendes) Wachstum nicht erreicht hat, weil die unternehmerische Trägheit kaum für Aufschwung gesorgt hat. Gleichzeitig verfügt die EAEU über die Voraussetzungen für eine progressive Entwicklung: freie Produktionskapazitäten, Arbeitskräfte, technologische Reserven und Kompetenzen in Branchen, die die Schlüsselbereiche der neuen technologischen Entwicklung bilden.

Außerdem wurde betont, dass das Einkommensgefälle zwischen den EAWU-Ländern überwunden werden müssen. Um das Einkommensniveau anzugleichen, hat die EAWK vorgeschlagen, die Investitionspolitik zur Förderung des Wirtschaftswachstums zu intensivieren und Zielvereinbarungen und Prioritäten für die Konvergenzpolitik zu erarbeiten. Diese Themen sollen Anfang 2022 auf einer Sitzung der zuständigen Gremien der EAWU-Länder erörtert werden.

Quelle: eec.eaeunion (RU)

https://russland.ahk.de/news/detail/eawu-bilanz-fuer-2021-weniger-wachstum-als-erwartet

So stellte auch der Wirtschaftsgigant Kuba einen Mitgliedsantrag bei der EAWU. Interessant, was da alles zu Eurasien zählt- so berichtet das Zentralorgan der KP Cuba Granma:

„Eurasische Wirtschaftsunion unterstützt Kubas Beitrittsantrag einstimmig

Die Mitglieder der EAWU haben ihre gemeinsame Unterstützung für den kubanischen Antrag zum Ausdruck gebracht und die Bedeutung einer möglichen Zusammenarbeit hervorgehoben. Gleichzeitig haben sie den Beitrag hervorgehoben, den Kuba unter anderem in solchen Bereichen wie Gesundheitswesen, Biotechnologie und biopharmazeutischem Sektor leisten kann.“

https://de.granma.cu/mundo/2020-09-25/eurasische-wirtschaftsunion-unterstutzt-kubas-beitrittsantrag-einstimmig

Als Reaktion auf die Sanktionen der westlichen Mächte hat die russische Regierung am 10. März ein Maßnahmenpaket zum Schutz der Wirtschaft des Landes angekündigt. Einige der wichtigsten Maßnahmen:

  • Ausländische Unternehmen, die sich zurückziehen, werden von „externem Management“, d.h. von Russen übernommen, um ihren Betrieb weiterzuführen und Arbeitsplätze zu erhalten.
  • Der Abfluß ausländischen Kapitals aus dem Land wird „streng kontrolliert“, d.h. es werden Kapital- und Devisenkontrollen eingeführt.
  • Auslandsschulden werden in Rubel, nicht in Dollar oder Euro bezahlt. Die Umstellung erfolge durch die Freigabe der Gold- und Währungsreserven, so Finanzminister Siluanow. Später erläuterte er, daß ausländische Gläubiger ihre Rubel nur aus den derzeit im Ausland eingefrorenen Mitteln der russischen Zentralbank in Dollar oder Euro umtauschen können – falls und wenn die westlichen Mächte diese Mittel wieder entsperren. Dies soll Kapitalflucht verhindern.
  • Die ausländischen Gläubiger müssen zum offiziellen Rubelkurs konvertieren, der infolge des Finanzkriegs erheblich gesunken ist (um etwa 40%).
  • Im Rahmen der beschlossenen „obligatorischen Übergabe von Devisenerlösen“ müssen alle Exporterlöse an die Zentralbank abgeführt werden.
  • Verschiedene Maßnahmen sollen die heimische Realwirtschaft schützen, u.a. ein sechsmonatiges Moratorium auf Schuldendienst in der Landwirtschaft mit einer Stundung der bestehenden Kredite.

Eine interessante Sicht auf den Finanz- und Wirtschaftskrieg gab der Ökonom und ehemalige Präsidentenberater Sergej Glasjew in einem Interview auf Youtube. Er ist überzeugt, daß sich mit dem Zusammenbruch des amerikanisch geprägten Systems eine neue Weltwirtschaftsordnung entwickelt. Russen und andere sollten verstehen, daß sie aus dem Dollarsystem aussteigen müssen, denn es sei „toxisch“ und völlig unzuverlässig geworden.

Er äußert sich auch optimistisch, daß das Wirtschaftswachstum in Rußland keine Grenzen kennt und mit der richtigen makroökonomischen Politik eine Wachstumsrate von 10% pro Jahr erreicht werden kann. Die westlichen Sanktionen beträfen nur etwa 10% des russischen Verbrauchs, so daß ihre Auswirkungen begrenzt seien. Zur Idee der „Energiewende“ sagte Glasjew, echte Klimaforscher würden darüber lachen: Der Einfluß des Menschen auf das Klima betrage vielleicht 5%, die Sonnenaktivität mache 90% aus. Er schloß mit der Feststellung, wenn Rußland zusammen mit China und Indien eine breite internationale Koalition bilde, würde die amerikanische Macht weggeblasen.

https://www.solidaritaet.com/neuesol/2022/12/glasjew.htm

Glasjew, derzeit Minister für Integration und Makroökonomie bei der Eurasischen Wirtschaftskommission, dem Exekutivorgan der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAEU), gab der Zeitung Business Online (business-gazeta.ru) am 27. März ein ausführliches Interview, in dem er seinen Vorschlag für eine neue internationale Finanzarchitektur erläuterte.

Unter Bezug auf Gespräche mit Akademikern und Fachleuten in Ländern wie Russland, Indien und China erklärte er: „Wir arbeiten derzeit an einem Entwurf für ein internationales Abkommen über die Einführung einer neuen Weltabrechnungswährung, die an die nationalen Währungen der teilnehmenden Länder und an börsengehandelte Güter gekoppelt ist, die den realen Wert bestimmen…. Objektiv gesehen könnte der Rubel zusammen mit dem Yuan und der Rupie zu einer Reservewährung werden. Es wäre möglich, zu einem Mehrwährungssystem auf der Grundlage der nationalen Währungen überzugehen. Aber man braucht immer noch ein Äquivalent für die Preisbildung“.

Weiter erläuterte er die zentrale Bedeutung der Finanzierung produktiver Tätigkeit. „Die globale wirtschaftliche Zusammenarbeit basiert auf gemeinsamen Investitionen, die darauf abzielen, das Wohlergehen der Menschen zu verbessern. …. Eine makroökonomische Stabilisierung in der modernen Wirtschaft kann nur auf der Grundlage eines beschleunigten wissenschaftlichen und technischen Fortschritts erreicht werden.“

Glasjew lobte den Erfolg Chinas, insbesondere den folgenden Punkt: „Das gesamte Bankensystem in China ist in Staatsbesitz, es arbeitet als eine einzige Entwicklungsinstitution, die Geldströme in die Ausweitung der Produktion und zur Entwicklung neuer Technologien leitet …. [Sie investieren in] die erweiterte Reproduktion des realen Wirtschaftssektors und konzentrieren sich auf die Finanzierung von Entwicklungsinvestitionen.“

Zu Beginn des Interviews gab Glasjew eine umfassende strategische Bewertung des Kontextes der aktuellen Ukraine-Krise ab: den Untergang des westlichen, auf dem Dollar basierenden Systems und insbesondere der britisch-amerikanischen geopolitischen Ordnung. Wie schon Außenminister Sergej Lawrow betonte auch Glazyev die Rolle von Zbigniew Brzezinski:

„Die gesamte so genannte geopolitische Wissenschaft, die in London geschrieben wurde, wurde in Wirklichkeit auf eine Reihe von Empfehlungen reduziert, wie man Russland als dominante Kraft in Eurasien zerstören kann … Brzezinskis berühmtes Theorem besagt, dass man, um Russland als Supermacht zu besiegen, ihm die Ukraine entreißen muss. Dieses ganze politische Dogma, das, wie es scheint, längst Geschichte ist,  wird heute dennoch im Denken der amerikanischen politischen Elite reproduziert…. Sie benutzten die Ukraine als Vorposten, oder besser gesagt, als Werkzeug, um Russland zu untergraben, zu schwächen und es in Zukunft als souveränen Staat zu zerstören, so wie Brzezinski vorgeschlagen hatte.“

Dabei hofft Putin und der Kreis um Glasjew auf eine Wiederwahl Trumps 2024, denn schon bei dessen erster Präsidentschaft sahen sie in ihm die Alternative Weltkrieg unter Hillary Clinton oder multilateraler Frieden unter Trump oder wie der Business Insider schon 2018 berichtete:

„Der russische Präsident zeigte sich in einer Rede zu den Wahlergebnissen sichtlich erfreut. Er dankt Trump für den Wahlsieg und betont, mit dem künftigen US-Präsidenten die Beziehung beider Länder vorantreiben zu wollen.

Nach den wohlwollenden Worten des russischen Präsidenten schlägt sein Berater Sergei Glasjew härtere Töne an. Wie die russische Onlinezeitung „lenta.ru“ berichtet, schreibt Glasjew dem Wahlausgang aus den USA einen positiven Einfluss auf die Beziehungen beider Länder zu. Unter Trump würde es zu einem „Reset“ der Beziehung kommen. Spätestens seit 2014 ist der Zeitung eine Nähe zum Kreml zuzuschreiben. 

Doch Glasjew geht noch weiter: „Objektiv gesehen hatten die US-Amerikaner zwei Möglichkeiten. Weltkrieg oder ein ‚multilateraler Frieden‘“. Er nennt Clinton ein „Symbol des Weltkriegs“, Trump aber hätte die Möglichkeit, die Situation zu ändern, so Glasjew.

Einem aktuellen Bericht der „Newsweek“ zufolge scheint Glasjew überzeugt davon zu sein, dass Trump als Präsident die bestehenden Sanktionen gegen Russland aufheben wird. Wie sich Trump politisch gegenüber Russland verhalten wird, hat er bislang noch nicht klar formuliert. Zur “Washington Post“ sagte er im Juli, er würde sich die Sache noch einmal anschauen und dann entscheiden, ob er die Sanktionen aufhebe.“

Wobei da vielleicht auch wieder der nächste Fehler liegen könnte  ,zu sehr auf die Personalien zu schauen. Putin hat Kudrin lange Zeit als Windows Dressing und als Aushängeschild für die Nutzung des kudrinschen Zukunftsfonds genutzt. Die KAS und viele westliche Think Tanks glaubten aber ,solange Kudrin Putinberater ist, er dessen Ratschläge weg vom Resource Empire und Formierung eines modernen, zivilen Hitechrusslands ,zumal.mit Exportorieitierung wie es auch Chodorkowsky in seinem Buch in dem Kapitel The Future of Russia als Leapfrogging als Kagame in Ruanda vorschwebt, ernst nehme. Putin hat Kudrin nur als Propagandafeigenblatt benutzt. Das sollten wir nicht wiederholen. Falls Leute wie Glasjew in diese Funktion kommen, ist Alarmstufe Rot. Aber auch möglich, dass Putin einen Neo-Kudrin präsentiert, um mittels neuem Windowdressing und Feigenblatt die mögliche Umstellung der russischen Wirtschaft auf Kriegswirtschaft zu verschleiern. Aber nach dem Exodus der Wirtschaftsliberalen , stehen nun mögliche Kämpfe zwischen den Silowiki und ultranationalistischen Hardlinern an. So wurde von den russischen Liberalen immer als der „5. Kolonne des Westens“ gesprochen, nun aber selbst auch von etlichen Putintreuen Kadern und Silowiki als der „6. Kolonne des Westens“, deren Einfluss weggesäubert gehöre.

Aber letztendlich entscheidet Putin . Hier nochmals eine Einschätzung Putins durch den damals noch lebenden Chef der Paneuropa-Union Otto von Habsburg aus dem Jahre 2003 und 2005, die sehr prophetisch wirken:

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