Eurovision Song Contest zwischen Zeitenwende, Ukrainekrieg und „Lumpenpazifismus“

Eurovision Song Contest zwischen Zeitenwende, Ukrainekrieg und „Lumpenpazifismus“

Mal wie jedes Jahr wieder der Eurovision Song Contest (ESC), der Europa musikalisch vereinigen soll. Russland ist aufgrund seines verbrecherischen Kriegs diesmal ausgeschlossen, während der Ukraine nun unabhängig beste Siegeschancen vorausgesagt werden, da es eben nicht nur ein musikalischer Contest ist, sondern dieser auch ein politisches Zeichen setzen will. Der Eurovision ist da schon Bestandteil der europäischen Staatsmedien, wie es in ARD die Europahymne Beethovens für lange Zeit als Sendesignal war. Hier wollte man die europäische Idee und den europäische  Zusammenhalt fördern, zuerst vor allem westeuropäisch, nach dem Fall der Mauer, NATO- und EUerweiterung dann auch erweitert wenngleich dann der Eurovision auch Länder Zentralasiens, Georgien oder Neuseeland und Israel eingemeindete. Zur Zeit, als die öffentlich- rechtlichen Medien noch das Monopol hatten, war dies wie auch der Internationale Frühschoppen oder später dann Wetten dass und Verstehen Sie Spass gemeinsame Familienfernsehtermine und der Eurovison dann das westeuropäische völkerverbindende Highlight. In Form und Inhalt noch sehr konservativ, bieder, romantisch, von der Kleidungsordnung noch mit Anzug, Schlips und Abendkleid, aber eben als Karrieresprungbrett für solche Contestgewinner wie Udo Jürgens mit seinem Cherrie, der Liebeslieder und Chansons trällerte. Meine Mutter und mein Vater sind in dieser Generation aufgewachsen und Udo Jürgens Cherie war auch das Lied meiner Mutter an meinem Vater bei der Beerdigung nach seinem Tod. Kann man sagen: Kitschig oder eben sehr schön und einfühlsam. Mir gefällt dieser Song wie vieles auch von Udo Jürgens, der dann eine Karriere drauf begründete, sehr gut, auch heute noch, auch wenn einem irgendwelche postkolonialen genderfeministischen LGBT- Aktivisten dies als patriachalischen, heterosexistischen Kitsch ausreden wollen und Postmodernisten gerne auch den Narrativ der Liebe dekonstruieren wollen.

Doch die Musik war schon seit Rock and Roll seit den 50ern im Umbruch und die wesentlichen musikalischen Einflüsse kamen nicht vom Eurovision, sondern  von den Beatles, Rolling Stones und anderen Bands, die privat über Plattenlabels Karriere machte und nicht auf die Gunst der öffentlichrechtlichen Staatsmedien unangewiesen waren, zumal die ja auch kaum wirklich etwas brachten. Die Änderung von Form und Inhalt verkörperte das 1974 ABBA, die den konservativen Stil der Eurovisions endgültig kippte und verpoppte und die Schweden waren da wie mit Reformpädagogik ala Pippi Langstrumpf, IKEA und Schwedenpornos samt Olaf Palme die musikalischen Innovatoren, die es auch international zu Beliebtheit und einer einträchtigen Karriere brachten, wobei wir Jugendliche immer darüber diskutierten, ob man die Blonde oder Rothaarige von Abba als seine Freundin haben wollte. Das war so innovativ und prägend, wie damals der Tatort „Reifeprüfung“ mit Natasja Kinski.

Mit dem Aufkommen der Privatmedien neben der ohnehin schon existierenden Musiklabels spielte der Eurovision in dieser Richtung danach aber keine grössere Rolle mehr zumal sich da eben auch andere Song Contest wie Deutschland sucht den Superstar unter Dieter Bohlen, Voice of Germany und anderes etablierte.  Jedenfalls habe ich auch nur eine sehr selektive Erinnerung an deutsche Beiträge beim Eurovision. Vor allem ein Revival erlebte der deutsche Beitrag unter dem Pro Sieben- Spassmoderator Stefan Raab, der Guildo Horn und Lena Mayer- Landruth als Repräsentanten Deutschlands, wenngleich nicht Gewinner brachte und dann sich selbst:

Aber diese mehr Spassbeträge stiessen da auf konservative Kritik. Ja, sie war in der damaligen  Zeit vermehrt ins Fadenkreuz der Kritik gekommen: Die sogenannte Spaßkultur . In zweierlei Hinsicht. Zum einen, dass hier zu exzessiv, oberflächlich, nicht zweckgerichtet für eine Sache minderen nationalen und patriotischen Gehalts gefeiert würde. Loveparade und Ballermann Sex als die zwei meist kritisierten Repräsentanten. Zwar wurde der Loveparade noch zugute gehalten, dass hier junge Deutsche der Welt das Bild eines friedlichen Deutschland aussendeten – schon besser als Feuersbrünste an Synagogen und Asylbaracken.. Aber das war´s denn auch schon wieder, denn Leute, die es angesichts langweiliger und nerviger Lohnarbeit einfach mal krachen lassen wollen – so nicht. Den taktischen Titel „politische Demonstration“ wurde der Love Parade ohnehin nicht abgenommen – ein Kniff um halt Müllkosten von Seiten der Veranstalter zu sparen. Und diese Ballermannprols – da muss man sich ja „als Deutscher schämen“ – „unser Bild im Ausland“ und so. Müll, Unordnung, Hedonismus, liberale Laiszivität, Drogen, Dekadenz und Untergang des Abendlandes – armes Deutschland auch. Zeit mal zu entrümpeln.

Uschi Glas, Deutschlands Filmdiva in Sachen Konservatismus wusste schon zu differenzieren: Freude ja, aber einfach so Spassss? Freude schöner Götterfunken beim Abriss der Mauer , Freude an der Arbeit, Freude an der Familie, Freude an und Stolz auf die Nation – das seien doch so die eigentlichen Sachen, an denen sich ein freudiger Deutscher erfreuen dürfe und könne. Aber Spaß? Also ernst muss  es einem schon sein, bei den Dingen, die da das nationale Gemüt erfreuen sollen.

Auch Stoiber stellte mal bei Biolek klar: Einfach so aus Spaß beim Grand Priz Eurovision mitzumachen wie der Guildo Horn, Stefan Raab, Slatko oder Mooshammer gehe ja wohl nicht. Schließlich repräsentiere man sein Land und solle schon der Wille zum Siegen für Deutschland da sein. Nur einfach dabei sein- das ist eindeutig zu wenig.

Deutschlands gewachsene „Verantwortung“ , also Ansprüche gegenüber der Welt, bedeutet, dass vermehrt auch im Überbau vermehrt der Gestus der „Verantwortsbewußten, der die Sachen ernst nimmt“ gefordert wird. Galt es in den ersten Jahren anderen Staaten „Ängste der europäischen Nachbarn“ „ernstzunehmen“, so diente ja eine Loveparade gerade dazu der Welt das Bild eines geläuterten, garantiert harmlosen Deutschen, der auch Spaß versteht und zu feiern weiß, zu präsentieren. Spätestens als Schäuble bei CDU-Parteitag Patriotismus einforderte, wurden auch die Stimmen lauter, dass es jetzt mal Schluss mit lustig sein müsste angesichts der Herausforderungen und Gefahren die eine globalisierte Welt an den Standort Deutschland stelle. Patrioten zeichnen sich dadurch aus, dass sie zuerst einmal die Projekte der Nation im Auge haben und ernst nehmen – gefeiert soll bei deren Gelingen werden, aber eben einfach nicht so aus Spaß an der Freud´. Scharping am Swimmingpool beim Feiern an der Heimatfront – während „unsre Jungs“ ihr Leben aufs Spiel setzen. So nicht. Schon in den Vorwochen vor dem Anschlag auf das World Trade Center kam die Spaßkultur ins Fadenkreuz der Kritik. Die National- Stolz-Debatte wurde von Koch erweitert um die Forderung deutschen Schüler sollte in Schulen gefälligst endlich Stolz auf die deutsche Fahne beigebracht werden. Die Forderung von Kanzlergattin Schröder-Kopf, den deutschen Nachwuchs strenger zu erziehen, geht ebenfalls in diese Richtung: Zu schlapp, zu unerzogen, zu wenig ernst bei der Sache diese Balge auch. Zudem: Da „Deutschland ausstirbt“, muss auch der Stellenwert der Familie und die Kinderproduktion erhöht werden. Da ist es nicht mit getan, da einfach nur Spaß beim Sex zu haben.

Dass Kinder vor diesem Hintergrund vermehrt als wichtiges Gut der Nation angesehen werden, zeigen sich auch bei der Hysterie um die Sexualtäter und Kinderschänder. Da reichten keine Verweise, dass die Zahl der Verbrechen in diesem Bereich rückläufig ist – ähnlich wie bei der Kampfhunddebatte herrschte da gleich Pogromstimmung und Hysterie. Der Einsatz von Bundeswehr und Bundesgrenzschutz nach innen, wie auch die Reaktionen belegen, dass nicht nur die Wehrlosigkeit der Opfer empört, dass die Stimmung nicht  allein dem „Hochpushen durch die Medien“ zu verdanken ist, sondern darüber hinausgehend dies eben als Anschlag auf „unsere Zukunft“ , d.h. auf die Lebensbasis der Volksgemeinschaft wahrgenommen wird – und ist von daher im Zusammenhang mit forcierte Diskussion um die Familienpolitik zu sehen.

Die durch die Anschläge von New York weiter katalysierte Militarisierung nach außen und nach innen, bezieht sich dabei keineswegs nur auf sicherheitstechnische Fragen, sondern schließt auch den staatsbürgerlichen Gestus der Untertanen mit ein: Schluss mit lustig, nach 10 Jahren Spaßkultur und Wirtschaftsboom im Erholungs- und Freizeitpark Deutschland ,der in Zukunft auch zunehmend „Verantwortung“ in aller Welt und Kriege führen wird. Zeit zur Besinnung auf den Ernst und die Gefahren des Lebens!

Vorbei da Duldung privatistischer Nischenkultur, Abseitsstehen, Hedonismus und Liberalismus – gefragt ist nun zunehmend gelebter Patriotismus, aktives Engagement und klares Bekenntnis für die Nation und die „Wir-Gesellschaft“(Schäuble). Das gilt für alle. Daher schlägt auch der Berliner Innensenator und Militär a.D.Schönbohm (CDU) schon mal vor, dass Rentner zur Ehrenamtlichkeit gefälligst auch verpflichtet und gezwungen werden sollten. Von wegen da „wohlverdiente Altersruhe“ . Nun wurde weitgehende, bzw. völlige Identifikation mit der Nation und Volksgemeinschaft gefordert. „Wir“ sollte nun  auch wirklich wieder „Wir“ meinen in der „Wir-Gemeinschaft“. Das war schon ernst gemeint!

Dementsprechend war Stefan Raabs nächstes Eurovisionprojekt 2010 viel konservativer, braver und bieder: Lena Mayer- Landruth, deren Opa ehemaliger deutscher Botschafter in Russland war und die aus einer gut bürgerlichen Familie stammte, zwar Jugend verkörperte und Annalena Baerbock nicht unähnlich sah, aber da keine Spasskulturkeule der 90er und 2000er war, sondern 2010 auch für konservative Spasskulturgegner akzeptabel war:

Dennoch war der letzte tiefgehende deutsche Beitrag in den 80ern zu Hochzeiten der Friedensbewegung und Blockkonfrontation zum Eurovision Nicoles „Ein bisschen Frieden“, das heute wohl in Zeiten der Zeitenwende und des Ukrainekriegs wie Nenas „99 Luftballons“, Reinhard Mays „Meine Söhne geb ich nicht“ oder Wolf Biermanns „Soldat, Soldat“ heute von Sascha Lobo wohl nur noch des „Lumpenpazifismus“ bezichtigt würde:

Der deutsche Beitrag im letzten Jahr war ebenso weichgewaschenes Toleranz- und politisch korrektes Anti-Hate- Gesäusel: Jendrik mit „I don´t feel hate“ mit untermalerischem Positive Thinking und Don´t worry, feel happy-Kitsch, den wohl Claudia Roth als Fortsetzung von Nena mit politischen  Mitteln und Jendnrik und Nena als Fortsetzung Rothscher Gutmenschbetroffenheitslyrik- und politik mit musikalischen Mitteln neben Nena, die sie auch schon mal gerne adoptiert hätte , ausgewählt zu haben schien.

Den diesjährigen deutschen Beitrag von Malik Harris Rockstars ist auf englisch gesngen, wie oft solo, erinnert iregndwie melodisch zwischen Robin Williams und Enimem, aber was das bedeuten soll, bleibt unklar, vielleicht ein Klagelied über gefallenen oder nicht mehr ngesagte Rockstars- vielleicht ahnt er ja da sein eigenes Schislan an dem Euroovionabend, zumal Nino De Angelo den Ukrainern den 1. Und ihm den letzten Platz vorhergesagt hat.

Aber nun zu den Ukrainern:

Kalush Orchestra Stefania

Kalush ist der Ort, wo der Sänger und die Gruppe stammt. Sie war in der ersten Auswahl in der Ukraine an der zweiten Stelle, da sich aber die andere Gruppe wegen eines Auftritts auf der russsisch besetzten Krim unbeliebt gemacht hat, ist das Kalush Orchestra auf Platz 1 bei der Endauswahl aufgestiegen und wird auch von einem US- Label gefördert. Die Musik eine Art Folkrap, nachdem sie es zuvor mehr mit Hiphop probierten. Bunte Truppe mit traditioneller Volkskleidung, Raptypen mit pinkem Hut und einem glatzköpfigen Dalai Lama- Verschnitt, der aussieht wie ein buddhistischer Mönch, die zeigen soll, das anders als Putin das behauptet, die Ukraine eine eigene Kultur hat, die zudem auch den Anschluss an die westliche Moderne geschafft hat. Nicht mal schlecht, aber musikalisch auch nicht so herausragend, dass es der richtige Kracher ist, aber diesmal wird der Eurovision eben im Schatten des Ukrainekrieges abgehalten, die Russen ausgeschlossen und scheint eher die Frage zu sein, ob Europa eine Solidaritätsbekundung für die Ukraine abgibt. Wir werden sehen. Aber die Ukrainer haben schon zuvor zweimal den ersten Platz auch ohne Ukrainekrieg geschafft, unter anderem unter Ruslana, die seitens des damalige teilnehmenden Russlands kritisiert wurde für angeblich antirussische Songespassagen. Ruslana war da eher eine ukrainische Rocker-Amazonenkämpferbraut, die den Eurovision rockte. Scheinbar schon eine musikalische Kriegserklärung gegen die verbrecherische Ukrainekrieg der Russen in weiser Vorraussicht.   

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