Offene Fragen zu Carl Schmitt: Nazi oder nur Denker des Ausnahmezustands und des Partisanen?

Offene Fragen zu Carl Schmitt: Nazi oder nur Denker des Ausnahmezustands und des Partisanen?

Global Review wollte mit dem ehemaligen militärischen Merkelberater bis 2013 und auch mal Gastautoren von AfD- Höcke- Unterstützer Götz Kubitschecks Sezession General Vad ein Interview zu Carl Schmitt führen, das leider nach anfänglicher Zusage dann doch abgelehnt wurde. Hier nochmals unsere offenen Fragen zu Carl Schmitt und seinem Denken. Dabei beschränkten wir uns nicht nur auf Schmitts Wirken in der Weimarer Republik und im 3. Reich, sondern auch in seinem Nachkriegswirken, vor allem bezüglich der Schrift „Theorie des Partisanen“.

Global Review: General Vad, Sie sind ein Anhänger von Carl Schmitt und Clausewitz. Schmitt gilt  nun aber auch als Bewunderer der Mussolini-Faschismus, verdammte den Liberalismus und die Moderne, die den Staat säularisiere und entzaubere in Anlehnung an Max Weber, wollte als katholisch geprägter Mensch einen transzendenten Staat auf göttlichen Werten und als statistischer Einheit, befreit und in Abgrenzung von Partikularinteressen, auch der Wtritschaft, aus der sich der Staat ganz neoliberal heraushalten solle, wie dann auch Befürworter einer Präsidaldikatur unter Schleicher und Papen, dann Hitlers, ja er glorifizierte dann auch den Führerstaat, den Röhmputsch und die Nürnberger Rassengesetze. Trotz alledem galt er wegen seiner staats- und verfassungsrechtlichen Schriften dennoch vielen Juristen und teils auch einigen Linken als bedeutender Denker Umgekehrt gab es ja in den 60er Jahren auch eine sehr intensive Auseinandersetzung zwischen Popper-Anhängern der Feinde der Offenen Gesellschaft und Carl Schmitt-Exegeten und das ist ja bis heute in persona Soros Open Society Foundation versus Orban/Putin/Trump. Wie lässt sich dies erklären und sollte man ihn nicht rundum als Vordenker eines autoritären oder gar totalitären Staates  rundherum ablehnen?

Global Review: Bei  Carl Schmitt ist Staat gar nicht denkbar ohne des Begriff des Politischen. Und dieser ergibt sich aus Feind/ Freund- Unterscheidung und Denken vom Ausnahmezustand her- „Wer den Ausnahmezustand kontrolliert, regiert“. Auch sieht er den Staat weniger durch Krieg gefährdet, sondern durch Bürgerkrieg und inneren Zerfall und Aushöhlung. Inwieweit hat das prosperierende Nachkriegsdeutschland und der neoliberale Fukuyama- Kantsche Globalisierungsglobalismus das Denken des Politischen und der Rolle des Staates vom Denken des Ausnahmezustands und von Krisen , Bürgerkriegen, failed states und Kriegen in Schmittscher Tradition vergessen?

Global Review: 9 11 dürfte da ja angesichts des damaligen Ausnahmezustands Patriot Act und War on Terror in Hinsicht auf Schmittsches Ausnahmezustanddenken und seiner Theorie des Partisanen eine Renaissance erlebt haben müssen? War das der Fall? Zudem befürhteten ja viele, dass 9 11 ein bewusst inszenierter Ausnahmezustand war, der zu einem militarisierten und totalitären Überwachungsstaat führen würde.Besteht die Ablehnung von Carl Schmitt nicht gerade darin, dass man ein Aufleben eines preussischen Militärstaats mit Diktatur befürchtet, wie es umgekehrt Höcke- AfD, Neuer Rechter,  und Götz Kubitscheks Sezession oder seinem Institut für Staatspolitik  ja gerade vorschwebt? Inwieweit wäre Carl Schmitt heute überhaupt verfassungskonform und im Rahmen der FDGO und des Grundgesetzes?

Global Review: Abgesehen von seinen früheren Schriften hat Carl Schmitt ja im Nachkriegsdeutschland auch noch die vielgelesene und oft rezipierte Schrift „Die Theorie des Partisanen“ geschrieben. Darin definierte er 4 Eigenschaften eines Partisanen: Mobiilität, Irregularität, Insensität ( politisches Engagement und Kampfwillen) tellurische Natur (Boden- Schollen- und Heimatverbundenheit). Interessant war, dass die 68er Generation Carl Schmitt leidenschaftlich rezipierte, auch in Hinsicht auf die Guerilla s der nationalen Befreiungsbewegungen von FLN, MPLA, Vietcong, Pathet Lao, Khmer Rouge,etc-als die neuen Partisanen. Gleichzeitig entwickelte Schmitt auch noch auch noch angesichts neuer Technologie, dass der tellurische Charakter des Partisanen aufgrund erhöhter Mobilität a Bodenhaftung und Verortung verliere. Wenn man sich die Taliban, die Houthimilizen,Hamas, Hisbollah,  den Islamischen Staat ansieht-inweiweit ist da die Theorie des Partisanen noch aktuell und was unterscheidet Al Qaida von diesen und Terroristen von Partisanen und Kombattanten?   War der War on Terror begrifflich überhaupt die richtige Bezeichnung und die richtige Strategie?

Global Review: Carl Schmitt unterschied auch noch zwischen konkretem Feindbild, wirklichen Feindbild und absoluten Feindbild- bei letzterem aufgrund der Massenvernichtungsmittel und Nuklearwaffen, wobei bei letzterem die Gefahr bestünde, dass man den absoluten Feind alle Menschlichkeit abspreche und nicht mehr von Interessen geleitet sei sondern ihn wegen höherer Werte und als Untermensch oder tierisches Wesen vernichten wolle. Er sah da sogar einen Nuklearpartisanen und einen Kosmopartisanen im Weltraum kommen. Inwieweit trifft Carl Schmitts Theorie des Partisanen auf die heutigen ukrainischen Kämpfer unter Selensky zu, auch spezielle in Hinblick auf den tellurischen Charakter, den Putins völkischer Eurasisanismus wohl unterschätzt hatte, da er scheinbar davon ausging, dass die Ukraine keine eigenen Land, die Ukrainer kein eigenes Volk seien und wohl auch keinen tellurischen Charakter hätten. Und inwieweit sieht Putin die Ukrainer nun auch als absoluten Feind im Sinne von Carl Schmitt?

Global Review: Bei Mao, Vietnamkrieg, lateinamerikanischer Und afrikanischer Guerilla und Taliban ging es vor allem um Kämpfe in ländlichen Wüsten-, Gebirgs- oder Dschungelgebieten. Zumal hatte eine Stadtguerilla wie sie von RAF, Tupamaros, etc. propagiert wurde, keinerlei Chance. Doch im Irak und in Syrien schien sich wie in der Ukraine nun ein neuer Typ des Stadtpartisanen mit Häuser- und Tunnelkampffguerilla herausgebildet zu haben. Von Fallujah, Aleppo, Mossul, nun Mariupol. Global Review führt schon 2017 mit dem Urban Warfare- Experten von West Point John Spencer ein Interview über urban warfare, auch mit Perspektive in Megacities. Letzteres scheint noch ferne Zukunft, doch John Spencer hat nun das US Manuel für Urban Warfare geschrieben, dass nun auch in der Ukraine und Mariupol Anwendung findet und den Stadtpartisanen als neuen Typus generiert. Inwieweit passt dies zu Carl Schmitts Theorie des Partisanen?

Global Review: Sie gelten auch als Fan von Sun Tzes „Die Art des Krieges“ und des Einsatzes der 8 Sorten von Agenten. Wichtiger Paradigmen dabei sind, dass an sowohl den Feind , wie aber auch sich selbst kennen soll. Dass man Agenten so einsetzt, dass diese den Fend so infiltrieren und dessen Schwächen nutzen, um einen Krieg auch ohne Schlacht zu gewinnen, im besten Fall, dass ein Überläufer das Stadttor öffnet und man den Gegner kampflos erobert. Oft wird gesagt, dass Putin KGB-Mann. Aber bedeutet das nicht, dass er weniger in militärischen Kategorien denkt, sondern in geheimdienstlichen Kategorien. Dass er vor allem mittel Infiltration und Einsatzes von Agenten ala Sun Tze und Ausnutzung der inneren und gesellschaftlichen Widersprüche des feindes setzt. Also rechtsradikale Bewegungen und Parteien von Le Pen, Orban bis Trump fördert, damit er den Weste auch von innen aushöhlen kann.Und ist Putins Hoffnung nicht, dass er in 2 jahren vielleicht wieder Trump als US-Präsident hat, der vor allem die EU bekämpft und auch zu einem Deal mit Putin auf Kosten der EU und Europas mit mehr Focusierung auf den Indopazifik und China und Iran. Und in 5 Jahren dann Le Pen, die aus der NATO austritt und die EU paralysiert oder auch diese verlässt?  Wird der Begriff Hybridkrieg nicht zu sehr militärisch gesehen?

Global Review: In Deutschland ist ja Geopolitik seit Haushofer, dem 3. Reich und seiner Verbindung zu Rudolf Hess sozusagen toxisch kontaminiert, während sie in den USA, Russland, China, Indien Urstände feiert, Mc Kinder, Homer Lea und Brzezinskis Chessboard ja auf und ab zitiert wurden, auch in Hinblick auf die Ukrainekrise. Der Raum als bestimmendes Element spielte ja in der Geopolitik eine wichtige Rolle, sei es nun bei Carl Schmitt als „Grossräume mit Interventionsverbot raumfremder Mächte“, Interessensphären und Monroedoktrinen  bis zu Haushofer und den dann entarteten völkisch-rassisitischen Lebensraumphilsosophien. Ebenso Hand in Hand damit wurde in anderen Staaten und auch in Deutschland die realistische Schule von Morgenthau über neorealistische Schule ala Kindermann/ Kissinger und nun nach dem defensiven Realismus Mearsheimers offensiver Realismus gelehrt. Wie bei Carl Schmitt wird das internationale Wertesystem als eine Anarchie der Nationalstaaten und ihrer Bündnisse gedacht, die den Staat als über den Partikularinteressen der Innenpolitik und des eigenen Gesellschaftssystem als gleichwertige von nationalen und vitalen Interessen getrieben seiht, nicht von Werten oder Völkerrecht oder kollektiven Sicherheitssystemen, wie auch die  wirtschaftlichen System nicht betrachtet werden. Institutionalisten und Liberale wie Fukuyama hingegen sahen keine Geopolitik mehr in diesem Sine, sondern eine Art historischen Materialismus einer global aufsteigenden middle class, die zu Kosmopoilitismus, Demokratie und Weltfrieden und damit einem „Ende der Geschichte“ und Sieg des Liberalismus führen würden, was sich ja als Fehler herausstellte. Huntington belebte dann wiederum Geopolitik weniger durch Räume, sondern in Anlehnung an Alain Benoist Ethnopluralismus und alten Kulturkreislehren implizierte da eher einen Clash of Civilizations und Kampf der Kulturen, worauf Kissinger wiederum meinte: „welche Telefonnummer soll ich denn anrufen, wenn ich mit einer Kultur verhandeln will“. Jedenfalls polarisiert sich die Debatte momentan darum, dass Geopolitik und er Realismus falsch liegen würden, da sie vor allem Raum, Kultur, Geschichte als treibende Faktoren sehen würden, während die heutigen Konflikte eher Wertekonflikte zwischen Autoritarismus und Freiheit seien, Putin und Xi und ihre Verbündeten nicht die Waffen des Westens fürchteten, sondern die Ausbreitung des liberalen Systems. Die Jungle World hat dazu auch zwei Artikel veröffentlicht: Einmal „Geopolitik-der blinde Fleck“, in der sie die Ignorerung des Zusammenhangs zwischen Innen- und Aussenpolitik und fehlende Berücksichtigung von Systemunterschieden bemängelte  und „Die Mitte- eine Kritik“, wobei bei letzterem die oft zitierten geopolitischen Mittellagen von Staaten und deren historisch fragwürdige Bedeutung, Willkürlichkeit, Falschheit sowie falsche Unterscheidung zwischen Zentrum,/ Kernland und Peripherie kritisiert wird. Was nun also ist richtig? Oder gibt es da eine  Wechselwirkung zwischen diesen Faktoren und ist es entweder ein Sowohl als Auch oder ein Entweder oder?

Global Review: Sie sehen in Deutschland die Fehlentwicklungen in Gesellschaft, Staat, Aussen-und Sicherheitspolitik in einem „Strukturpazifismus“. Was bedeutet das, was umfasst das und was ist die Ursache? Und welche Strukturreformen wollen Sie? Nationalen Sicherheitsrat, Generalstab, Wiedereinführung der Wehrpflicht, keine Innere Führung, keine Parlamentsarmee, War Power Act wie in den USA, Wehrmachtstradition, Wehrkunde im Bildungssystem, Militärparaden,Militär- Programme in den Medien, Rereeducation……? Worin unterscheidet sich dies von einer geistig-moralisch-patriotische Wende,die die AfD fordert oder von einem „Strukturmilitarismus“? Wo ist der Unterschied, die Grenze und das Mittelmaß?

Kommentare sind geschlossen.