Ukrainekrieg: ESC gewonnen, Mariupol verloren-nach der anfänglichen Siegeseuphorie „Kriegsmüdigkeit“?

Ukrainekrieg: ESC gewonnen, Mariupol verloren-nach der anfänglichen Siegeseuphorie „Kriegsmüdigkeit“?

Nach der anfänglichen Siegeseuphorie im Westen, dem Glauben an die scheinbar unbesiegbaren Volkskräfte der Ukrainer, Vergleichen von David und Goliath, Asterix und Obelix, dem Image der slawischen Vietcong und Mudjahhedin und des Supermannes und Helden Selensky, ist nun mit der russischen Einnahme Mariupols und des Asowstahlwerks samt Kapitulation des Asow-Regiments  samt weiteren russischen Angriffen auf 400 Städte und Dörfer des Donbass, die schnelle Siegeszuversicht deutlich gedämpft.

Man hat zwar den ESC gewonnen und Selensky kündigte an, dass dieser nächstes Jahr in der Ukraine stattfinden werde, doch Russland hat dagür Mariupol erobert. Nachdem die Ukrainer in der Offensive waren, sind sie nun wieder in der Defensive und laut Experten wird sich dies nicht ändern, bis schwere Waffen operationabel im Land sind. Derweil warnte Putin Scholz und Macron in einem Telefongespräch vor der Lieferung eben dieser schweren Waffen, was die USA und GB nicht anficht weiter zu liefern. Erhofft wird seitens des Westens, dass die Ukrainer dann wieder im September/Oktober eine Herbstoffensive starten können.

Der Experte für urbane Kriegsführung, John Spencer der auch ein Minihandbuch für die Verteidigung von Städten geschrieben hat, äusserte sich vor der Einnahme Mariupols noch sehr euphorisch:

“Wladimir Putin hat sich total verschätzt – und absolut jeden Tag, an dem die russische Armee ihre Ziele verfehlt, sehe ich als Sieg für die Ukraine. Die Ukrainer werden täglich stärker. Und gleichermaßen schwächen sich die Russen von Tag zu Tag.” Major John Spencer, pensionierter US-amerikanischer Stabsoffizier und Experte für urbane Kiegsführung, erläutert im Gespräch mit FOCUS Online die Gründe für seinen Optimismus angesichts der Entwicklung im Ukraine-Krieg.

Der Militärstratege erklärt auch, weshalb er nukleare Angriffe des russischen Präsidenten für unwahrscheinlich hält – und warum er bei den Kämpfen im Osten des Landes trotz aller Fortschritte der Russen weiterhin auf die Ukrainer setzt. Zudem verrät er seine Einschätzungen zu Putins Gesundheitszustand. Das amerikanische 40-Milliarden-Dollar-Hilfspaket bezeichnet er als “Game Changer”.

Neben Mariupol haben russische Soldaten erneut die Stadt Odessa an der ukrainischen Westküste schwer beschossen. Doch auch hierzu äußert sich Spencer zuversichtlich: “Es wird Putin niemals gelingen, die Hafenstadt einzunehmen. Odessa hat ein noch besseres Untergrundsystem als Kiew – dabei sind schon die Tunnel unter der Hauptstadt außerordentlich komplex und sehr beeindruckend. Eine vollständige Eroberung Odessas halte ich für so gut wie unmöglich.”

Der Stratege für urbane Kriegsführung und Häuserkampf schwärmte bereits zu Kriegsbeginn auf Twitter von den ausgeklügelten Tunnelnetzen vieler ukrainischer Städte: “Der Untergrund ist eine mächtige Ressource für jeden urbanen Verteidiger. Kiew und viele ukrainische Städte haben umfassende Untergrundnetzwerke. Tunnel sind hervorragend bei der Flucht vor Bombardierungen, zur Lagerung von Waffen/Vorräten, zu Überraschungsangriffen auf feindliche Kräfte.”

https://m.focus.de/politik/ausland/ukraine-krise/john-spencer_id_97515453.html

Nach der Einnahme von Mariupol klingt all das nun weniger nach Begeisterung. Zumal auch keine Einigkeit über die Kriegsziele besteht, weder im Westen, noch in Deutschland noch in der Ukraine. Während Selensky anfangs den Russen den Donbass und die Krim zugestehen wollte, eine neutrale Ukraine ohne NATO-Mitgliedschaf, aber EU- Perspektive, nahm er dies alles wieder zurück und forderte die Eroberung der ganzen Ukraine, auch der Krim, sowie NATO- und EU-Mitgliedschaft. Der ukrainische Geheimdienstchef hält die Rückeroberung der ganzen Ukraine wiederum für unrealistisch und formulierte da bescheidenere Kriegsziele. SWP- Experte Markus Kaim kritisiert genau das in einem Spiegelgastbeitrag:

„Wenn Putin verliert …

»Russland darf nicht gewinnen«, sagt Bundeskanzler Olaf Scholz. Doch die Ziele der Bundesregierung in diesem Krieg sind unklar. Was will Deutschland für die Ukraine – und wie will es in Zukunft mit Russland umgehen? (…)

Die politischen Ziele Deutschlands in diesem Konflikt werden unweigerlich von den politischen und militärischen Entwicklungen innerhalb der Ukraine beeinflusst werden, aber diese sollten die deutschen Ziele nicht allein bestimmen; vielmehr sollten umgekehrt die politischen Ziele diejenigen Schritte anleiten, die Deutschland in und gegenüber der Ukraine geht. Natürlich kommt vor allen der Ukraine das Recht zu, ihre Kriegsziele zu definieren, und es bleibt das Privileg der Ukrainerinnen und Ukrainer, über ihre politische Zukunft zu entscheiden.

Aber das gilt umgekehrt auch für Deutschland. Obwohl sich die Interessen der Bundesrepublik mit denen der Ukraine überschneiden, sind Deutschlands Interessen als Führungsnation Europas und Schlüsselpartner der USA komplexer, unterliegen anderen Beschränkungen und erfordern andere Rücksichtnahmen. Deutschland muss mithin auch den Widerspruch auflösen, nicht über die Köpfe der Ukrainer hinweg zu entscheiden, aber gleichzeitig seine eigene sicherheitspolitische Souveränität auszuüben. Entsprechende bilaterale Konsultationen bereits jetzt sind daher unerlässlich, um zu verhindern, dass sich auf Dauer zwischen der Ukraine und Deutschland größere Bruchlinien auftun“

https://www.spiegel.de/politik/deutschland/ukraine-krieg-wenn-wladimir-putin-verliert-a-11132261-e48f-4b1f-a67a-8909569d3613

Inweiweit man Kriegsziele überhaupt so fix bestimmen kann, bezweifelt etwa der Militärexperte Masala von der Bundeswehrhochschule in München: Krieg sei eine dynamsiche Sache und so auch die Kriegsziele. Ein etwas nüchterneres Bild der Kriegslage gibt auch General a. D. Domröse in einem Welt-Interview. Demnach ist der Donbass verloren, werden die Russen nun das Donbassdreieck umzingeln , die ukrainischen Truppen und die Bevölkerung umzingeln und solange beschiessen, bis diese wie in Mariupol aufgeben und kapitulieren. Solange noch keine schweren Waffen angekommen sei, sei die Lage aussichtlos. Russland habe nun auch mit Mariupol die Landbrücke zur Krim und werden nach der Einnahme des Donbass die Südküste bis Odessa vorstossen, um die Ukraine vom Schwarzen Meer abzuschneiden und landlocked zu machen. Es gebe einen Zeitraum von einem halben Jahr, den die Ukrainer „überbrücken“ müssten, bis die schweren Waffen voll einsatzfähig seien und man dann eine Herbstoffensive starten könne, zudem dann auch die Sanktionen in Russland wirken würden. Das Ganze sei eben kein „walk in the park“.

„Der Donbass ist sowieso verloren, doch ohne Waffen hat die Ukraine überhaupt keine Chance“

„Selbst wenn man heute Waffen liefert, werden sie im Donbass nicht mehr wirksam“, sagt General a.D. Hans-Lothar Domröse zur dramatischen Lage in der Ost-Ukraine. Derzeit müsse die Ukraine auf Zeit spielen, um langfristig Raum zurückzuerobern. Das ginge jedoch einzig und alleine mit schweren Waffen.“

https://www.welt.de/politik/ausland/video239015251/Ukraine-Krieg-General-a-D-Domroese-zu-Waffenlieferungen-in-den-Donbass.html

In einem weiteren Podcast mit dem MDR teilt Domroese die Einschätzung des ehemaligen US-Generals Ben Hodges, dass ab September/ Oktober die urkrainische Gegenoffensive erfolgen könne.

https://www.mdr.de/nachrichten/podcast/ukrainekrieg/index.html

Dennoch wird klar, dass man nicht davon ausgeht, dass die Ukrainer alle russisch besetzten Gebiete zurückerobern können. Der gute Ben Hodges. Man darf gespannt sein ,ob aus der September/Oktoberoffensive was wird oder der neue russische Oberbefehlshaber Dworinikow, der Schlächter von Syrien sich da angesichts solcher Ankündigungen nicht schon Gegenzüge überlegt, um dies zu unterbinden. Nach dem Fall von Mariupol darf man etwas skeptisch sein ,da John Spencer da große Erfolge mittels seines Minimanuals für urban warfare und der Verteidigung von Städten ankündigte. Aber Selensky hat zwar den Eurovision gewonnen, ist in den Medien präsent, hat eine Briefmarke von der Versenkung des russischen Flagschiffs Moskwa drucken lassen, einen Minenhund mit dem Verdienstorden zur Freude aller Hundeliebhaber und Tierfreunde ausgezeichnet, auch beim World Economic Forum eine Rede gehalten, aber eben Mariupol verloren. Naja, John Spencers Lehren werden sich in Odessa dann nochmals beweisen können, zudem er der Ansicht ist, dass Bidens 40 Milliarden $ Land and Leaseprogramm der „gamechanger“ ist. Der gute Ben Hodges beschränkt sich aber nicht nur auf die Ukraine, sondern geht im Falle Asiens davon aus, dass es in den nächsten 5-6Jahren einen „kynetic conflict“ zwischen den USA und China geben wird-anders als etwa Domroese. Aber beide stimmen überein, dass es viel bei der Ukraine bei einer Septemberoffensive nicht zu gewinnen gibt, schon gar nicht die Rückeroberung aller russisch besetzten Gebiete. Die Frage ist ,ob man die Russen ewig beschäftigt halten will (Afghanistan 2.0) ,damit sie andernorts keinen Schaden anrichten können, sie vielleicht so schädigen, dass es einen regime change in Russland gibt oder eben einen Waffenstillstand und eine vorläufige diplomatische „Lösung“ will, wie dies die italienische diplomatische Initiative, die einen Waffenstillstand, eine Demilitarisierung und eine neue europäische Friedensordnung vorschlägt. Dr.Rahr hat heute von RIAC-Chef Dr. Kortunov 3 Szenarien einer Friedenslösung vorgeschlagen.

So veröffentliche Dr. Kortunow in economist.com folgende Szenarien und sich daraus ergebende diplomatische Lösungen oder Nichtlösungen:

“Andrey Kortunov offers three scenarios for the end of the war in Ukraine

The Russian political scientist sees it as a clash between societies as well as armies

The military confrontation between Russia and Ukraine is not an ethnic conflict: ethnic Ukrainians and ethnic Russians are fighting on both sides of the frontline. And radical nationalism is not the main motivation for Ukrainian resistance—contrary to many of Moscow’s statements. Neither is it a fight about religion. Both Russia and Ukraine are essentially secular states, and the recent religious renaissance in the two countries is superficial. Nor is the fight mostly about territory, in my view (though related disputes remain a formidable obstacle to reaching a peace settlement).

The conflict concerns a clash between very different ways of organising social and political life within two countries which together once constituted a large portion of Soviet territory. It is also an intellectual and spiritual confrontation between two mindsets: two views on the modern international system and on the world at large; two opposing perceptions of what is right and what is wrong, what is fair and what is not, what is legitimate and what is illegitimate and of what national leadership should entail.

It would be hard to argue that Ukraine has already emerged as a model of Western-style liberal democracy. But the country is persistently moving in this direction—slowly, inconsistently and with understandable setbacks and inevitable procrastination. Russia, in turn, is not a classical Asian or European authoritarian state, but it has been drifting away from the liberal democratic model for at least the past 20 years. Ukrainian society generally is organised from the bottom up, while Russian society has a top-down process at its core. Since independence in 1991, for example, Ukraine has elected six presidents. Each won power after highly contested (and sometimes very dramatic) elections. In the same period Russia has been ruled by only three heads of state. Each new leader was carefully selected and supported by his predecessor.

Historians, cultural anthropologists and sociologists debate the reasons for this remarkable divergence. The most important thing, however, is that this fundamental incompatibility of the two models of social organisation has led not only to a horrendous fratricidal military confrontation in the very centre of Europe, but that it will also dictate how each side acts in the conflict. From personnel to propaganda and from strategy to statecraft, the two competing post-Soviet models are being put to the test. The outcome will have repercussions that go far beyond Europe.

In Kyiv they can argue that the terms of the encounter are not fair. Russia is bigger, wealthier and militarily more powerful than Ukraine is. On the other hand, Ukraine enjoys international sympathy and almost unlimited defensive, economic, humanitarian and intelligence assistance from the West. Russia can rely only on itself and is exposed to the pressure of increasingly painful sanctions.

Many Russian experts are used to saying that the massive Western military and other support is the only reason why Ukraine has not yet crumbled or surrendered. But this narrative does not explain the sources of Ukraine’s motivation. Consider Afghanistan, where all the long-term large-scale military support from America and its partners did not prevent the Taliban’s unstoppable offensive last year. Though the two conflicts cannot be compared directly, the reality on the ground seems clear: whereas Afghans in 2021 were no longer motivated to fight for their country and for their values, Ukrainians in 2022 clearly are.

The stakes in the conflict could hardly be higher. It is about the future of the international system and about the future of the world order. Most important, it is about our understanding of modernity itself and, consequently, about our preferred models of social and political development.

There are three scenarios for how the war ends, and each would have enormous geopolitical consequences. If the Kremlin were to lose decisively in this epic standoff, we would probably see a re-emergence of the unipolar moment—the remaining opposition to this arrangement by Beijing notwithstanding. Although Ukraine might be unfinished business for Mr Putin, Russia’s status is itself unfinished business for many in the West. Triumph for Ukraine might lead to a tamed and domesticated Russia. A quiet Russia would allow the West to cope more easily with China, which would be the only major obstacle to liberal hegemony and the long-awaited “end of history”.

If the conflict results with an imperfect but mutually acceptable settlement, the final outcome of the collision between the Russian and the Ukrainian models will be postponed. Fierce competition between the two models of social organisation will continue, but, I hope, in a less brutal mode. A less-than-perfect compromise between the West and Russia might be followed by a more important, and more fundamental, compromise between the West and China. If a deal with Mr Putin is possible, a deal with Xi Jinping would be a logical continuation. A rapprochement between China and the West would require more time, energy and political flexibility from the West, however. That would lead to a reformation of the global order, with major changes to the UN system, archaic norms of international public law and recalibrations at the IMF, the WTO and other bodies.

If there is no agreement on Ukraine and the conflict endures through cycles of shaky ceasefires followed by new rounds of escalation, expect decay in global and regional bodies. Inefficient international institutions may collapse amid an accelerating arms race, nuclear proliferation and the multiplication of regional conflicts. Such change would lead only to more chaos in the years ahead.

Assessing the probability of any of the three scenarios is extremely difficult—too many independent variables could influence the outcome of the conflict. I consider the reformation scenario, in which an agreement is made to end the war, to be the best option for all. The others either will introduce change too quickly or block badly-needed change; in both cases political risks will multiply. If the conflict triggers a gradual, orderly and non-violent transition in which the global order becomes more stable, it would mean that humankind has not let Ukraine’s sacrifices go to waste. ■

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Andrey Kortunov is a political scientist and director general of the Russian International Affairs Council, a think-tank.

Aber es gibt auch Bedenken gegen sogenannte diplomatische „Lösungen“ und Angst vor einem „Dikatfrieden“, da diese Putin als Sieg verkaufen könnte, eine Verschnaufpause zur Regeneration und dann neuen Abenteuern geben könnte, insofern er gesundheitlich die nächsten Jahre wie „Sleepy Joe“ durchhält, wobei er auch auf eine Wiederwahl von Trump 2024 oder auf einen „kynetic conflict“ zwischen den USA und China (wie von Ben Hodges prophezeit) als game changer setzen könnte. Zumal noch eine weitere Regionalmacht, die Erdogantürkei sich inzwischen recht bedeutsam einbringt.

Erdogan versucht auch noch zwischen Russland und der NATO zu vermitteln, sei es nun Getreideexporte über ukrainische Häfen (wobei er da als Weltenretter der vom Hunger bedrohten Völker des sogenannten „globalen Südens“in die Geschichte eingehen könnte) oder ihr Veto bezüglich einer NATO-Mitgliedschaft Finnlands und Schwedens, wobei Erdogan seine Zustimmung von einem 10 Punkte- Forderungskatalog abhängig gemacht hat, der von der Lieferung von F 35 bis hin zu der Auslieferung von PKK-Mitgliedern an die Türkei so alles umfasst, wobei er gleichzeitig gegenüber Putin Forderungen stellt, um sich sein Veto zu erkaufen. Unklar, wie dies ausgehen wird. Der Ex- NATO-Generalsekretär Rasmussen forderte zudem eine „Führungsrolle Deutschlands“, wobei unklar ist inwieweit Scholz zwischen den USA, Russland und Selensky da etwas bewirken könnte, zumal eben SWP- Experte Markus Kaim richtig feststellt , dass weder in Deutschand noch in der Ukraine Einigkeit über die Kriegsziele und die Zeit danach bestehen, zudem der deutsche Bundeskanzler Scholz bei seiner Rede beim World Economic Forum in Davis auch nichts Neues brachte.

Dabei eingepreist ist aber noch nicht, was passiert, wenn die Russen den Nachschub schwerer Waffen unterbinden und die Lieferwege kappen oder nachhaltig stören, aslo die Herbstoffensive gar nicht so kommt, wie erhofft. Ebenso bleibt die Frage, was die Sanktionen wiederum im Westen bewirken werden, der jetzt schon unter Inflation leidet, wenn es zu einem Ölembargo kommen würde:

Die mehr russophile und Putineske Sahra Wagenknecht widmet den Sanktionen und dem beabsichtigten Ölembargo ein Video, wobei sie aber einige bedenkenswerte Argumente macht, dass das Ölembargo Putin nicht schade, da er sein Öl nach Asien und andere Länder liefern werde, die russischen Ölexporte teils in Drittländer umgeladen oder in anderes Öl gemischt würde, womit das Embargo einfach unterlaufen würde, wie auch die meisten Ölimporteure nun auf Rubelzahlungen umgestellt hätten. Zudem würden die russischen Öl- und Gasimporte auf den niedrigen Preisen langfristiger Verträge vorgenommen und Ersatzöl zu horrend explodierenden Weltmarktpreisen eingekauft werden müssen, was die Inflation weiter anheizen würde. Das Ölembargo schade Putin nicht, sondern mehr den westlichen Bevölkerungen und mache alles teurer ohne realen Effekt. Ob das so stimmt, mal dahingestellt. Zumal ihr Linksparteigenosse Jan van Aken ja nicht nur ein Ölembargo, sondern auch gleich ein Gasembargo und weiteres fordert, um sich vor Waffenlieferungen zu drücken. Da spricht die LInkspartei mit mindestens 2 Stimmen, ist mindestens 2 Parteien unter dem Dach von einer, zumal Wagenkenecht nur auf die sozialen und wirtschaftlichen Folgen eingeht, aber niemals fordern würde, dass Putin einfach mal stoppen sollte, sich vielleicht einfach aus der Ukraine zurückziehen sollte oder ein anderer Politiker statt Putin da vielleicht wirklich eine europäische Friedensordnung herbekommen könnte. Nur West- und US- Bashing. Aber bezüglich der wirtschaftlichen und sozialen Folgen mag sie richtig liegen, wenngleich sie dadurch hofft, dass ihre „Aufstehen“- Bewegung wiederaufersteht.

„Alles wird teurer – Wie Habeck und Co unseren Wohlstand verzocken“

Jedenfalls scheint das Habeck schon klar, wenn er offen sagt „Wir werden alle ärmer“, es werde „rumpelig“ und Annalena Baerbock vor „Kriegsmüdigkeit“ warnt. Wie gesagt und von General a. D. Domroese pointiert formuliert: Es wird kein Walk in the park. Ob sich hier eine Protestbewegung ergibt, ja vielleicht auch wie Sahra Wagenknecht hofft, eine linkspopulistische neue Aufstehenaufstandsbewegung bezweifelt jedoch die linke Jungle World in einem Artikel:

„Der Linkspopulismus kann in Deutschland keine Erfolge erzielen

Das Prekariat ist fragmentiert

In verschiedenen Ländern Europas und den USA erzielten linkspopulistische Politiker in den vergangenen Jahren Erfolge, nicht jedoch in Deutschland. Das Prekariat des europäischen Krisenprofiteurs ist gespalten und führt Abwehrkämpfe untereinander.

Von

Felix Klopotek

Nach Bernie Sanders in den USA, Jeremy Corbyn in Großbritannien, Podemos in Spanien und Syriza in Griechenland trat Sahra Wagenknecht 2018 an, mit ihrer sogenannten Sammlungsbewegung »Aufstehen« den linkspopulistischen Trend auch nach Deutschland zu holen. Doch befanden den Versuch zwar die Medien, nicht aber andere linke Parteien oder eine ausreichend große Menge an Unterstützern für relevant. Damals arbeitete Wagenknecht auf ein parteiübergreifendes Bündnis zwischen SPD, »Die Linke« und Grünen hin, an dem sich auch Politiker aus allen diesen Parteien beteiligten. Aus heutiger Sicht erscheint das fast kurios. Unter Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich die SPD nach rechts orientiert und die Linkspartei scheint sich seit der für sie enttäuschenden jüngsten Bundestagswahl selbst zu zerfleischen. ­Wagenknechts Vorstoß wurde von den Parteigremien von Linkspartei und SPD rigoros abgelehnt und institutionell ausgegrenzt. Auch deswegen blieb »Aufstehen« letztendlich nur eine weitere der Linkspartei nahestehende Gruppierung mit lediglich einzelnen Mitstreitern aus anderen Parteien.

In Deutschland haben Sozialstaat, Zivilgesellschaft und Ausbildungs­system ein feines Netz von Hierarchien und Abgrenzungen gewoben.

Linken Parteien in Deutschland hat der Linkspopulismus ohnehin wenig zu bieten. Keine andere Partei ist hierzulande so gut in der Zivilgesellschaft vernetzt wie die SPD. Sie ist verankert in Gewerkschaften und Kirchen, im ­öffentlichen Rundfunk und in den Sozialverbänden, in Sport-, Kleingarten- und Gesangsvereinen. Sie ist die Partei der Lehrer, Beamten und Angestellten bei Stadt und Verwaltung. Wieso hätte sie sich einer diffusen selbsternannten Bewegung, die auf die Zugkraft vermeintlich charismatischer Führungsfiguren hofft und ein letztlich weitgehend desinteressiertes Publikum zu Demonstrationen und Protestaktionen aufruft, anschließen und gar unterordnen sollen?

»Die Linke« wiederum orientierte sich spätestens seit der Bundestagswahl 2013 hin zu einer rot-rot-grünen Koalition und passte sich dabei den ­institutionellen Gepflogenheiten der SPD an: Man verlegte sich auf gemeinsame Historikertagungen, traf sich auf kommunaler Ebene zum Austausch, Nachwuchspolitiker beider Parteien sondierten informell in Berliner Restaurants.

Der Linkspopulismus in Deutschland scheitert jedoch nicht nur an Gründen des Parteiensystems. Er basiert darauf, große Bevölkerungsgruppen unter wenigen griffigen Parolen wie der Forderung nach »sozialer Gerechtigkeit« zu versammeln. Den Erfolg brachte nicht die rhetorische Magie eines Bernie Sanders oder eines Jeremy Corbyn – beide sind eher langweilige und be­häbige Redner –, sondern eine gemeinsame Klassenlage der angesprochenen Bevölkerungsgruppen: Akademiker treten in den USA und in Groß­britannien häufig durch Studienkredite hochverschuldet ins Berufsleben ein, die Wahrscheinlichkeit, dass sie es beruflich nicht packen und im Prekariat landen, ist viel höher als in Deutschland.

In Spanien, Italien, Griechenland, selbst in Frankreich haben die Finanz- und die Euro-Krise seit 2008 eine ganze Generation von gut ausgebildeten jungen Leuten hervorgebracht, die ohne angemessene berufliche Per­spektive dasteht. Die Jugend- und Akademikerarbeitslosigkeit in diesen Ländern ist immens, Erstere lag Anfang 2022 in Spanien mit 29,6 Prozent teils weit über dem EU-Durchschnitt von 17,2 Prozent. Selbst Frankreichs Jugendarbeitslosigkeit liegt mit 16,3 Prozent zwar unter dem EU-Durchschnitt, ist aber mehr als doppelt so hoch wie in Deutschland. Die Intelligenzija ist in ganz West- und Südeuropa, erst recht in den USA, viel stärker der Bedrohung des sozialen Abstiegs ausgesetzt als in Deutschland.

Kulturell, von ihrem Geschmack, ihrer Ausbildung und ihrem Wissen her, sind diese jungen Leuten weit entfernt vom Habitus der arbeitenden Landbevölkerung, der Einwanderer, der Kleinhändler und Leiharbeiter in den Fabriken. Sozial aber droht ihnen ein ähnliches Schicksal. Und die linkspopulistischen Politiker boten ihnen ein Bündnis mit »dem Volk« an. Die Form der offenen Bewegung, die ohne die starren Hierarchien einer Partei auskommt, erwies sich als passend.

Auf Deutschland ist diese Strategie nicht übertragbar, weil hier andere Verhältnisse herrschen. Zum einen war Deutschland im vergangenen Jahrzehnt der Gewinner aller Krisen in Europa und das gehassliebte Sehnsuchtsland der arbeitslosen Jugend, die aus Italien, Griechenland, Spanien und ganz Osteuropa kommend ihr Glück hierzulande suchte. Auf dem Arbeitsmarkt herrscht immer noch ein Mangel an Fachkräften.

Zum anderen schreitet die Akademisierung der Berufsfelder immer weiter voran. Mit der Akademisierung nimmt auch die Hierarchisierung in den Berufen zu. Akademiker können sich der Illusion hingeben, Erfolge bei Lohnverhandlungen hingen vom Ausbildungsgrad ab und ließen sich individuell beim vertrauensvollen Gespräch mit dem Chef erzielen. Sicher, es hat in Deutschland auch sozialen Protest von Intellektuellen gegeben – man denke an die Versuche unter dem Hashtag #IchBinHanna, auf die berufliche Benachteiligung von jungen Forschenden und Lehrenden aufmerksam zu machen. In der Öffentlichkeit wird das aber als Nischenprotest wahrgenommen.

In Deutschland haben unter tatkräftiger Mithilfe der Sozialdemokratie Sozialstaat, Zivilgesellschaft und Ausbildungssystem ein feines Netz von Hierarchien und Abgrenzungen gewoben: Gewerkschaften kämpfen für Stammbelegschaften, nicht für Leiharbeiter; Beschäftigte an Hochschulen für Festanstellung, nicht für gleiche Bildungschancen für alle; gestresste ­Eltern für die Einrichtung von mehr Kindertagesstätten, nicht für die For­derungen streikender Erzieherinnen.

Deshalb kann hierzulande der Linkspopulismus gerade kein Bündnis der Prekären und Proletarisierten anbieten. Diese sind in ihren sozialen Nischen voneinander isoliert, wo sie für sich kämpfen und partiell sogar Erfolg haben, den sie dann gegen andere ab­sichern wollen.

https://jungle.world/artikel/2022/20/das-prekariat-ist-fragmentiert

Zumal die Linkspartei zwischen dem Wagenknecht- und dem sogenannten Lifestylelinkenflügel gespalten ist, zerstritten und wie die Kirchen durch die Missbrauchsfälle paralysiert ist und Auflösungserscheinungen zeigt. Was nicht bedeuten könnte, dass die AfD in Ostdeutschland, das von einem Ölembargo wegen seiner Raffinerien am meisten betroffen wäre, zudem russophil und Putinfreundlich ist, hier doch eine rechtspopulistische Bewegung starten könnte, vielleicht auch Strassenaufmärsche und Demonstrationen, bei denen Höcke dann die Gunst der Stunde nutzt und vielleicht auch Chrupalla ablöst und offiziell die AfD zu einer Führerpartei umbaut. Dann als nächstes den letzten Aktivposten der Linken Bodo Ramelow zu stürzen und Sachsen und Thüringen unter Berufung auf Sahra Wagenknechts linksnationalistische Argumente und vielleicht auch als Querfront zur neuen Stätte der Bewegung zu machen, wie einst Hitler mit München im Freistaat Bayern als Stadt der Bewegung und den Marsch gegen Berlin und Höcke will dann als Führer in Ostdeutschland gegen das ganze links-grün versiffte liberale Berlin und den Coca Cola-Westen antreten. Das dürfte noch länger dauern, zumal dies nicht unbedingt das Erfolgsrezept für Westdeutschland wäre, aber bei einem ernsten wirtschaftlichen Einbruch hätte dann auch Putin die Option mit einer Höcke-AfD Teile von Ostdeutschland unregierbar für Berlin zu machen, zudem er auch noch auf breite Unterstützung der AfD- affinen Russlanddeutschen rechnen könnte. Zumal auch bei der deutschen Urangst vor einer Hyperinflation das klassenmässige und auch westdeutsche Protestpotential sich dann nicht nur auf das von der Jungle World beschriebene fragmentierte Prekariat begrenzen würde.

Der CDU-Vorsiteznde Friedrich Merz spricht in seiner Merzmail 99“im Mai sogar von einer Spaltung zwischen Ost- und Westdeutschland in dieser Frage:

„Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine verändert auch in Deutschland das politische Meinungsklima. In den letzten Jahren hatten CDU und CSU zunehmend Mühe, die Notwendigkeit der militärischen Landesverteidigung zu begründen. Auch innerhalb der Union hatte die Außen- und Sicherheitspolitik an Stellenwert eingebüßt, andere Themen rückten in den Vordergrund. Aber seit dem Morgen des 24. Februar 2022 wissen wir, dass Imperialismus und militärische Gewalt mit Macht zurückgekehrt sind auf den europäischen Kontinent. Die Bedrohung durch Waffen ist keine abstrakte Größe mehr, sondern reale Gefahr für die Freiheit in Europa. Eine selten große Mehrheit der Bevölkerung hält Verteidigungsfähigkeit und militärische Abschreckung wieder für unverzichtbar, um unser Land zu schützen.

Allerdings gibt es ein sehr gespaltenes Meinungsbild zwischen Ost und West. Sowohl bei der NATO-Mitgliedschaft und den sich daraus ergebenen Verpflichtungen als auch bei der Frage nach Waffenlieferungen an die Ukraine stimmen in Ostdeutschland nur die Hälfte der Bevölkerung und noch weniger den zustimmenden Auffassungen im Westen zu. AfD und Linkspartei rekrutieren aus diesen Unterschieden ihre Wählerschichten im Osten.

Wenn sich daraus nicht eine dauerhafte neue Spaltung zwischen Ost und West ergeben soll, dann muss vor allem die CDU mit außen- und sicherheitspolitischen Themen im Osten stärker präsent werden. Präsenz heißt dabei nicht Belehrung des Publikums von vorn; Präsenz heißt zunächst einmal zuzuhören und nach den Gründen für die Skepsis gegenüber NATO und Verteidigungsbereitschaft zu suchen. Auch die Bundeswehr ist gefragt, ihre Sichtbarkeit, aber auch ihre Dialogbereitschaft im Osten zu verbessern. 32 Jahre nach der staatlichen Einheit sehen wir gerade in diesen Wochen des Krieges noch einmal sehr deutlich, wie unterschiedlich unsere Prägungen und Lebenserfahrungen in Ost und West immer noch sind. Der Krieg in der Ukraine fordert die Politik heraus wie selten zuvor. Aber gerade das so unterschiedliche Meinungsbild in Deutschland zu den Antworten, die wir darauf politisch und militärisch geben wollen, bleibt eine besondere Verantwortung von Politik und Gesellschaft.“

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