Bringt ein ukrainischer „Sieg“ Putins Sturz und regime change?

Bringt ein ukrainischer „Sieg“ Putins Sturz und regime change?

Dass Putin  nun herbe Rückschläge in der Ukraine erfährt, Selensky behauptet, dass die Ukrainer in 3 Tagen mehr Territorium eingenommen hätten als die Russen seit Kriegsbeginn,nun auch Abgeordnete des Bezirksrats von St- Petersburg eine Hochverratsklage gegen Putin initiert haben,  Kadyrow und die Hardliner toben und eine Eskalation seitens Putins fordern, ja ihn als Softie darstellen,  lässt die Stimmen im Westen lauter werden, die nun einen Sieg der Ukraine kommen sehen und sogar einen Sturz Putins. US- Ex- NATO-General Big Ben Hodges sieht sogar die Möglichkeit, dass die Krim in einem Jahr von Russen befreit sein wird. Solange Putin an der Macht ist, sicherlich nicht, denn in diesem Falle würde er eskalieren oder gar mit einem Atomschlag gegen Kiew drohen, da die Krim aus russischer Sicht nach dem Referendum nun Teil russischen Gebiets ist. Insofern machen Hodges Ausführungen nur Sinn, wenn er von einem Sturz Putins ausgeht und glaubt, dass eine oder jede nachkommende  neue russische Führung oder vielleicht ein Präsident Nawalny die Krim der Ukraine wieder zurückgibt. Die Krim würde dann ein ewiger Zankapfel wie früher vielleicht Elsaß- Lothringen zwischen Deutschland und Frankreich werden, wenn russische Nationalisten eine neue russische Regierung mittels einer Dolchstosslegende ( Im Felde unbesiegt) Landesverrat, Erfüllungspolitik und einen neuen Versailer Vertrag vorwerfen und vielleicht wie bei der Weimarer Republik nach einer ersten Demokratisierungswelle wieder erstarken würden. Zumindestens hoffen nun einige US-Strategen und Neocons, dass ein wie immer gearteter Sieg der Ukraine, Putin stürzen würde. Vorreiterin hierin ist Anne Applebaum in The Atlantic vom September 11, 2022:

“It’s Time to Prepare for a Ukrainian Victory

The liberation of Russian-occupied territory might bring down Vladimir Putin”

. https://www.theatlantic.com/ideas/archive/2022/09/ukraine-victory-russia-putin/671405/

Wenngleich auch vor möglichen Konsequenzen gewarnt wird:

“The possibility of instability in Russia, a nuclear power, terrifies many. But it may now be unavoidable. And if that’s what is coming, we should anticipate it, plan for it, think about the possibilities as well as the dangers. “We have learned not to be scared,” Reznikov told his Kyiv audience on Saturday. “Now we ask the rest of you not to be scared too.””

Ein ehemaliger deutscher Botschafter und Diplomat, der auch schon in Moskau stationiert war, stellt ähnliche Fragen, ist aber beunruhigt:

„Entscheiden wird am Ende die Moskauer Machtelite. Wenn sich Oligarchen und Spitzenvertreter der Sicherheitsapparate auf einer gemeinsamen Anti-Putin-Plattform finden, dann könnte das zu seiner Ablösung führen.Aber was passiert dann? Die Zerstückelung der RF? Es wird immer gefährlicher, nicht besser!

Doch nicht alle Teile des US-Establishments teilen diese Sicht. Ein Artikel in Foreign Policy glaubt eher, dass sich Putin auch bei einer Niederlage in der Ukraine halten würde wie schon Saddam Hussein nach dem ersten Golfkrieg oder Lenin nach der Invasion Polens in die Sowjetunion nach der Oktoberrevolution und dem Frieden von Brest-Litowsk, der als damaliges russisches Versailles angesehen wurde, wie auch Lenin als deutscher Agent denunziert wurde:

“Predictions of Putin’s Demise Are Greatly Exaggerated

The Russian autocrat’s end has been predicted, wrongly, for two decades.

By Mark Lawrence Schrad, a professor of political science at Villanova University.

September 13, 2022, 1:01 PM

There is a growing cottage industry among Russia watchers and international relations experts focused on the political demise of Russian President Vladimir Putin. It’s an understandable wish—but one that so far is rooted more in optimism about karmic justice than in reality. Virtually every Kremlin setback gets framed as “the beginning of the end of Putin” and his regime. The Russian Armed Forces’ recent disorganized retreat and “regrouping” in the face of a dramatic Ukrainian offensive have unleashed yet another wave of premature speculation about Putin’s impending doom, unbalanced by any consideration of the sources of his political resilience and stability, which have kept him in power through one political crisis after another.

The end-of-Putin genre is nothing new and includes (ultimately false) prognostications by all manner of respected journalists, academics, Russian opposition politicians, and even Western leaders. The predictions of Putin’s imminent demise have been around for almost the entirety of his rule.”

Schrad gibt einen Rückblick, wie bei jeder Krise Putins Sturz vorausgesagt wurde, sei es beim Ölpreisverfall, sei es beim Georgienkrieg, sei es bei der Krimannektion, sei es bei der Ausweitung auf den Donbass, sei es während der von Nawalny angeführten Oppositionsdemonstrationen, sei es bei jeder neuen Sanktion, sei es bei Unstimmigkeiten in der russischen Elite. Nun könnte man sagen, dass der Ukrainekrieg nun eine andere Dimension der Krise und Unstimmigkeiten hat, dennoch sollte man nicht auf einen vorschnellen Sturz Putins setzen, da er sich auch wie andere Dikatoren nach verlorenen Kriegen oder Krisen im Sattel hielt und eine NATO- oder US-Invasion in einem nuklearen Russland mit dem Ziel eines regime changes von außen wie gegen Saddam Hussein im Irakkrieg 2003 völlig ausgeschlossen ist, auch eine Besetzung Deutschlands und Japans wie im 2. Weltkrieg samt einhergehender Reeducation und Nürnberger Tribunal, bzw, heute wie bei Milosevic Den Haag, es sei denn eine neue Regierung liefert einen von innen gestürzten Putin aus und will ihn nicht seiner eigenen neuen Gerichtsbarkeit unterstellen, wie dies aber eben der Bezirksrat von St-Petersburg mit seiner Hochverratsanklage gegen Putin bei der russischen Staatsgeneralstaatsanwaltschaft beabsichtigt.  Aber ebenso möglich ist es noch, dass Putin den Krieg eskaliert oder eben auch Russland von einem Autoritarismus zu einem neuen Totalitarismus umstellt. Und wie gesagt: Man muss auch abwarten, wie einig der Westen bleibt, vor allem falls Trump (insofern er nicht noch von einem „demokratischen Militärputsch“ unter US- General Milleys Führung abgesetzt würde) , Le Pen oder Giorgia Meloni gewählt werden sollten oder die Wahren Schweden und ob nicht einige Regierungen durch den Energie- und Wirtschaftskrieg selbst gestürzt werden und/oder Erdogan und/oder Orban die NATO oder die EU von innen paralysiert oder der Sultan einen Konflikt mit dem NATO-Mitglied Griechenland zum Auslaufen des Lausanner Vertrags von 1923  für sein erhofftes neoosmanisches Reich lostritt und auf einen schnellen Sieg wie damals in Cypern 1974 hofft. Und bei all dem haben wir noch gar nicht die möglichen Konflikte und theater of wars in fernöstlichen und asiatischen, vor allem sinoamerikanischen Gefilden und nicht nur um Taiwan inkludiert. Putin hat neben der Frage, ob er schnell gestürzt wird, ebenso damit noch einige Trumpfkarten über das aktuelle und direkte militärische Schlachtfeld in der Ukraine in der Hand, wenngleich er Zeit schinden muss. 

Als Lesetip im Falle eines regime changes noch den GR- Artikel: Vision 2030 Russland

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