Ukrainekrieg: Kubakrise, Vietnam oder Verhandlungslösung?

Ukrainekrieg: Kubakrise, Vietnam oder Verhandlungslösung?

Momentan polarisiert sich die Diskussion, ob wir in einer Situation einer neuen Kubakrise, eines bevorstehenden Armaggedon oder zumindestens begrenzten Atomkriegs stehen, sollte Putin zu sehr in die Enge gedrängt werden, weswegen die Merkelianer dafür plädieren Friedensverhandlungen aufzunehmen und Zugeständnisse zu machen. Die Vergleiche des Ukrainekriegs reichen von Afghanistan 2.0, zu Vietnam zu WK 1 und Kubakrise und werden auch wiederum miteinander logisch verbunden.

“Is Ukraine Russia’s Vietnam? – analysis

MIDDLE ISRAEL: In the Ukraine War, Russia is repeating the Western powers’ mistakes in what the French called Indochina, and the Americans called Vietnam.”

https://www.jpost.com/international/article-718541

Dabei sollte man nicht vergessen, dass sowohl während des Korea- wie auch des Vietnamkrieges die USA auch mit dem Einsatz von Atomwaffen drohten, es aber dazu auch nicht kam, obwohl sie die Kriege nicht gewannen.

Als Verteter der Merkelianer, Kubakrise- und Weltkriegsgefahrtheorie etwa der ehemalige Militärberater Merkels, General Vad:

„Danke für den guten Artikel aus der Jerusalem Post.  Ein zweites Vietnam : Das könnte militärisch so kommen für RUS, wenn sich der Krieg hinzieht. Aber man übersieht mit so einem Vergleich einen großen Unterschied : Die Amerikaner konnten nach Vietnam – wie übrigens auch nach Irak oder Afghanistan- einfach nach Hause gehen, ohne ihren Weltmachtstatus aufgeben zu müssen. Wenn die Russen den Donbass und die Krim verlassen, können sie nicht mehr Weltmacht sein. Sie verlieren alles. Es wäre so ähnlich, als wenn die USA die Karibik und den Panamakanal an RUS abgeben oder wenn China die Kontrolle des südchinesischen Meeres oder Taiwans an die USA abgeben . RUS steht mit dem Ukrainekrieg in geopolitischer Hinsicht mit Rücken an der Wand. Das macht die Situation so gefährlich. Die vielen Freunde verstärkter Waffenlieferungen verstehen nicht, dass sie uns nolens volens und in guter Absicht in den 3. Weltkrieg führen. Deshalb ist – wenn man das nicht will – eine baldige politische Lösung in der Tat alternativlos.(…)

„ Vergleichbar mit 1962 in der Hinsicht schon, als dass die USA einer Raketenstationierung auf Kuba ebensowenig zustimmen konnten wie RUS dem NATO Beitritt der Ukraine. Der Fehler war, dass die NATO 2008 in Bukarest die NATO-Perspektive der Ukraine aufrechterhielt und sie danach – vor allem nach der Krimannexion – massiv hochrüstete. Das ebnete den Weg in den Krieg. Was hätten Sie an Putins Stelle gemacht ? Und :  die „ merkelige“ Merkel wäre heute als Kanzlerin – im Gegensatz zu Scholz – und mit Sicherheit in enger Abstimmung mit Macron ständig zwischen Berlin und Washington gependelt und Biden solange auf den Geist gegangen, bis eine politische Initiative oder dergleichen losgetreten worden wäre. Wir machen politisch faktisch gar nix und unsere Außenministerin gefällt sich als Kriegsministerin. Na ja. Ich bin nicht mehr Kanzleramt und kann auch nix mehr machen als Ratschläge aus dem „ Lodenmantelgeschwader“ zu geben….“

Der Artikel der Jerusalem Post, der Russlands Ukrainekrieg mit Vietnam vergleicht, macht zu Anfang schon Unterschiede zwischen beiden Kriegsschauplätzen, wenngleich weniger in der politischen Bedeutung auf . Umgekehrt vergessen wir nicht, wie die USA damals die Dominotheorie vertraten: Wenn Vietnam. fällt nach China, dann auch Asien und damit die Weltmacht USA und der Westen. Und auch im Vietnamkrieg erwägten die USA desöfteren den Einsatz von Atomwaggen, wie zuvor schon während des Koreakriegs–nicht nur Mc Arthur, auch Esenhower drohte Mao nach dem Tode Stalins damit und es kam rasch zu Friedensverhandlungen und einem Patt. Die Dominotheorie war wohl auch etwas überzogen. General a. D. Naumann wiederum glaubt ,dass ein Einsatz von taktischen Atomwaffen noch lange nicht einen Krieg mit der NATO oder gar einen globalen Weltkrieg bedeuten würde und man die Situation auch nicht mit Kuba 1962 vergleichen könnte, wie dies General a. D. Vad oder Bernd Greiner tun. Das wäre zu „merkelig“ gedacht, auch hinsichtlich der nuklearen Abschreckung und es bleibe nur ein „Bluff“, von dem man sich nicht einschüchtern lassen solle. Die Frage aber ist letztendlich auch, was deutsche Diplomatie daran ändern kann. Er meint die Entscheidungen, ob es zu Verhandlungen komme- und er geht davon aus- werden im Dreieck USA-Russland und Ukraine getroffen und nicht von der EU oder gar Deutschland, auch was die kriegsentscheidenden Waffenlieferungen anbetrifft, bei denen Deutschland im Vergleich zu Polen/Südkorea, USA und GB eher vernachlassungswürdige Mengen liefern würde. Was ausser  Appellen könnte Deutschland denn tun?

Bei der Kubakrise wird immer vergessen, dass die USA damals nach Kissingers programmatischer Schrift „Nuclear Weapons and Foreign Policy“ die Mutual Assured Destruction (MAD) infrage stellten, wie auch begrenzte Atomkriege , brinkmannship als Erpressung am nuklearen Abgrund andachten. Ausdruck dessen war die testweise Stationierung der Jupiterraketen in der Türkei. Daraufhin stationierten die Sowjets ihre Mittelstreckenraketen auf Kuba. Es ging zwar auch um Einflusssphären, aber eben auch um eine Änderung der Nuklearstrategie und der militärischen Bedrohung, während es bei der Ukraine nicht um eine Änderung der NATOstrategie oder nuklearen Abschreckung geht, auch eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine eine direkte militärische Bedrohung Russöands wäre, genausowenig Polens sondern um Einflussphären und imperiale Ansprüche zwischen den USA und Russland. Der Rest der Kubakrise ist bekannt.

Die Frage ist aber: Geht es Putin nur um die Ukraine und deren NATO- Mitgliedschaft oder nicht? War es die Beibehaltung der NATO-Perspektive oder Merkels und Macrons Veto gegen eine Mitgliedschaft der Ukraine und Georgiens? War es Stärke oder Schwache gegenüber Putin? Eine militärische Bedrohung wäre es ja wohl nicht gewesen, denn der erste NATOsoldat der die russische Grenze überschritten hatte,  wäre mit einem massiven Atomschlag beantwortet worden. Bleiben die Einflusssphären. Argumentiert wird immer ,dass diese ein Relikt des 20.Jahrhubderts seien ,gelegentlich wird dabei übersehen, dass die USA den ganzen Globus als ihre Einflusssphäre sehen und nicht nur Aber auch wenn wir den Begriff der Einflusssphären enger fassen, bleibt doch die Frage: Erstens sol man sie akzeptieren? Zweitens geht es Putin nur um die Ukraine? Oder sieht er die Ukraine nur als ersten Schritt von mehr: Konkret: Einer neuen Weltordnung, in denen Russland und China die USA aus Europa und dem Indopazifik herausdrängen wollen. Für letzteres spricht:

1)Putins Bundestagsrede 2001,in der er nicht nur von der Errichtung eines eurasischen Wirtschaftsraums ,sondern auch über ein Eurasisches Militarbündnis mit Europa(gegen die USA)spricht.

2)Das sinorussische Strategiepapier,das eine neue multipolare Weltordnung anvisiert (vgl. Jamestown Foundation „New Type of great power relations“)

3)Die politischen Aktivitäten Putins zur Förderung Trumps, des Brexit, die 40 Millionen für den Front National,in der Absicht, die EU und die NATO zu paralysieren und zu zerschlagen, um so den Weg fur eine Fragmentierung der EU in kleine Nationalstaaten und Eurasisches Achsen freizumachen, um eine „europäische Friedensordnung“ ohne US Einfluss, aber unter dem Gusto der dann grössten Atommacht Russlands zu errichten.

4) Die Selsbsteinschätzung imperialer Grösse mit der Idee eines zu exportierenden „Wertekonservatismus“ nach Europa als Gegenmodel zur bösen werteliberalen EU mit Moskau als 4- Rom,  Eurasiertum und Novorussja als Zentrum sowie einem ideologischen Hybrid, der sich zwecks Expansionsabsichten willkürlich zwischen Sowjetunionnostalgie, vorgeblichen Antifaschismus, der eine eigen faschistische Ideologie gebiert antifaschistische Befreiungskrieg gegen die US- und EU-Nazis führen will und sich mit dem Zarenreich mixt.

4)Der Vertragsentwurf vor dem Ukrainekrieg,der einen völlig illusorischen Rollback der NATO in die Grenzen vor 1997 fordert. Letztetes war auch der Punkt, an dem General Naumann nach seinen mitunterzeichneten Deeskalationsaufruf von Prof.Varwick  umschaltete und dies nur noch als „dreist“ ansah.

5) Fürchtet Putin nicht so sehr die NATO, sondern die EU und deren Ukraineassoziation und Ausrichtung in Richtung Demokratie-also doch mehr ein systemischer Gegensatz als Kriegsursache? Jedenfalls waren NATO-Osterweiterung wie auch EU- Osterweiterung keine militärische Bedrohung, sondern eine Bedrohung des autoritären Putinsystems, wie auch seiner eigenen imperialen Vorstellungen, die mit den imperialen Vorstellungen der USA und der Europäer in deren Geleitzug nun stellvertreterkriegerisch kollidieren.

Also, so einfach ist das nicht, zumal. ich selbst zuvor noch für eine EU-Russlandkooperation eingetreten war, unter anderem mit einem Artikel auf der Webseite des Thinktanks des russischen Außenministeriums RIAC „Warum .ich als liberaler Demokrat eine EU-Russlandkooperation unterstütze“. Das war dann vielleicht in Sache systemtischer Konflikt doch naiv, aber auch etwas im Sinne von Mearsheimer und Schönbaums gegen China und Islamismus gedacht, sowie einer Ökokoperation zum Klimaschutz und Erhalt der sibirischen Wälder.

Die Frage ist, ob es Ziel der USA ist, Putin ausbluten zu lassen und vielleicht Russland so zu schwächen oder gar einen Regime Change herbeizufuhren oder ob sie bereit sind, sich auf Friedensverhandlungen einzulassen.In letzterem Falle wäre das aber nur glaubwürdig, wenn die USA im Falle einer Teilung der Ukraine in der Restukraine eine Militärbasis errichten und einen Verteidigungsvertrag wie mit Japan und nicht wie die unverbindliche Budapester Erklärung oder ein Taiwan Relations Act mit strategic ambiguity eingehen müsste oder eben eine NATO-Mitgliedschaft für die Restukraine, damit ein weiteres Vorrücken Putins in der Ukraine nach einer kurzen Erholungsphase infolge von einem Friedensvertrag grundsätzlich ausgeschlossen wurde.Schwerzu sagen, was die USA wollen. Momentan wird erklärt, dass Putins Referendum und damit einhergehende Annektion keine qualitative Veränderung sei, da auch die Krim russisches Territorium sei und die Ukrainer trotz aller Atomkriegs-und Eskalationsdrohungen trotz allem Angriffe auf die Krim vollführten, das also alles nur Bluff sei. Dennoch könnte General Vad recht haben, sollten die Ukrainer die Krim oder den Donbass wirklich zurückerobern, ob Putin dies das unbeantwortet lassen würde. Aber die zwei sich daraus ergebenden Fragen sind: Ist das militärisch überhaupt denkbar und daran anknüpfend: Wollen die USA eine Teilung der Ukraine und deren dann glaubwürdige Absicherung oder den Krieg so lange wie möglich rauszögern, um Putin ausbluten zu lassen und die Blockbildung weiter zu forcieren und ihn vielleicht zu stürzen? Und eine noch dritte Frage: Hatten die möglichen US-Verteidigungsgarantien im Falle eines Friedensvertrags auch noch Bestand, sollte Trump oder ein artverwandte Republikaner anstatt Bidens wiedergewählt werden oder würden die dann auch einer neutralen Restukraine ohne US- Schutz zustimmen als Deal, womit Putin dann wieder freien Weg nach einer Erholungsphase hat ?

Momentan fragt es sich, ob es zu Verhandlungen kommen kann. Erdogan scheint in Richtung Friedensvertrag zu sondieren – in Fortsetzung Getreideabkommens. Dennoch macht der Sultan seine Rechnung nicht ohne sich selbst als Wirt. Erdogan spielt bisher eine sehr konstruktive Rolle.Aber er will spätestens nächstes Jahr zum Auslaufen des Lausanner Vertrags die Ägaisinseln zurück. Er beruft sich auf Hongkong. Entweder kriegerisch, wobei er darauf hofft,dassdie USA und die NATO sich da so passiv verhalten wie 1974 in Cypern oder aber eben Druck auf Griechenland ausüben zu Konzessionen auch mit Hinblick Auf die noch ausstehende türkische Zustimmung für NATO-Mitgliedschaft Schwedens und Finnlands. Jedenfalls sieht er Putin nicht mehr als starken Mann, auch wegen Armenien und dem Kaukasus und will nun die Gunst der Stunde nutzen. Zudem auch unklar ist, wie sich die UNO, China und Russland im UNSR bezüglich der Infragestellung des Lausanner Ertrags verhalten wird. Zudem hat Erdogan Putin den dmalas demütigenden Canossagang nach Moskau wegen des abgeschlossenen russischen Kampfflugzeug auch noch nicht ganz vergeben

Selensky wiederum. hat erklärt, dass er mit Putin nicht verhandeln wurde. Kann dreierlei bedeuten: Er hofft auf Sieg und will keine Verhandlungen .Zweitens, er will .mit Putin nicht persönlich verhandeln und nur mit Unterhändler (Erdogan?).Drittens er will Putin weg und mit einer neuen russischen Regierung/Präsidenten verhandeln. Aber Biden und die USA haben da das entscheidende letzte Wort, wenngleich sie sich offiziell zurückhalten. Biden hat nebenbei seinen Armaggedon- und Kubakrise Vergleich gestern wieder zurückgenommen. Möglicherweise aber auch ein Indiz, dass sich die USadministration hinsichtlich der Kriegsziele selbst nicht so klar ist.

Der ehemalige Putin-Bekannte und Gazpromberater Dr. Alexander Rahr meinte dazu:

„Mit der heutigen Bombardierung ukrainischer zivilen Infrastruktur wollten Putin demonstrieren, dass er über grösseres Eskalationspotential besitzt, als die Ukraine – vor allen über tödlicherere Waffensysteme. In der konventionellen Kriegsführung sind die Kräfte scheinbar gleich, was den Krieg nur weiter verlängert. Eine weitere Eskalation wäre der Kriegseintritt von Belarus an der Seite Russlands, der würde in Polen den Ruf nach direkter Kriegseinmischung provozieren. Der Westen müsste diese Gefahr der Kriegsausweitung begreifen. Wenn ich Erdogan richtig verstehe, ist Russland die Ukraine zweitrangig. Putin will einen neuen Sicherheitsvertrag mit dem Westen, vielleicht sollten Sondierungsgespräche in dieser Richtung laufen, falls sie zielführend werden, kann auch das Ukraine-Problem leichter angegangen werden. „

Irgendwelche Zugeständnisse der USA oder der NATO in Richtung russischer Vertragsentwurf eines Rollback der NATO vor die Grenzen 1997 ist völlig illusorisch, egal wie Putin da weiterhin eskalieren wird.An das Armaggedon glaubt Biden inzwischen auch nicht mehr und die 12 Standpunkte taktischer Atowffe in Russland sind unter guter Beobachtung.Wer angesichts der für Putin desaströsen Entwicklung in der Ukraine diese Hoffnung noch hat, der soll nach Moskau rübergehen und sich mit Putin in einen Atomschutzbunker verstecken.Möge etliche Europäer noch vor einem taktischen Atomwaffeneinsatz bibbern und zähneklappern, so ist das den USA egal, da sie von begrenzten Atoktirgrn susgehen, die sie über dem Teich nicht gross schädigen würden oder eben gar nicht.  Angesichts des Niedergangs Russlands, den auch China und Erdogan so sieht, ist er gar nicht mehr bei aller Eskalationsrhetorik imstande, noch irgendwelche Forderungen nach einer internationalen Sicherheitsarchitektur, einer multipolaren Welt mit grosser russischer Rolle zu fordern, das wird nicht mal bei seinen Verbündeten als glaubwürdig und realistisch gesehen oder gar als Verhandlungsausgangspunkt. Putin hat Russland selbst verzwergt, als Partner seiner letzten Verbündeten auf Hühneraugenhöhe gemacht und kann nur noch militärisch eskalieren, die NATO und die USA eben auch, was seine Verbündeten fürchten- Und eher glauben sie, dass Putin noch einlenken wird, da er keinen Suizid eingehen will. Putin soll einfach den Donbass und die Krim fordern, im Extremfall auch nur Sewastopol als Garnisonsstadt für die Schwarzmeerflotte und ansonsten das Maul halten und hoffen, dass Erdogan das den USA vermitteln kann, wenngleich er wahrscheinlich keine neutrale Restukraine bekäme, sondern eine Restukraine auf Basis eines US-Restukrainemilitärvertrags nach Vorbild Japans und eines US- Militärstützpunkt als Expansionshemmer gegen Putins scheinbar immer noch nicht abgeschriebenen Expansionsgelüste, zumal Restukraine mit Meereszugang und Odessa und dem Süden und Südosten. Aber fraglich, ob diese Verhandlungen zustande kommen und falls, ob Putin dann noch Hoffnungen in die politischen Folgen des Gaswinters setzt , die US Midterm Elections und Wiederwahl Trumps hofft und diese rauszögert, insofern ihm noch soviel Zeit bleibt.

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