Strategische Neuorientierungen zu China, Iran und Russland rund um die Frankfurter Buchmesse

Strategische Neuorientierungen zu China, Iran und Russland rund um die Frankfurter Buchmesse

Frankfurter Buchmesse- Gastland eigentlich Spanien, ja, auch das spanische Königspaar wurde von Bundespräsident Steinmeier im Vorfeld dessen empfangen, zumal nun auch deutsche Regierung-Sozialisten und spanische Regierungs-Sozialisten ein gemeinsames Europapapier veröffentlicht hatten, das den deutsch-spanischen Beziehungen neuerdings erhöhte Priorität einräumt, nicht nur wegen erneuerbarer Energien im sonnenreichen Spanien und eines gemeinsamen Pipelineprojekts, welches Frankreich zugunsten von Atomkraft ablehnt. Aber aufgrund der aktuellen weltpolitischen Lage sind die wahren Schwerpunktländer dieser Buchmesse: China, Ukraine und der Iran. Zudem immer wieder mit der These, dass es sich im Iran um eine Revolution und nicht nur um ein paar Massenproteste handele , aber auch mehr Ratlosigkeit vorzuherrschen scheint und das Thema scheinbar nur von iranstämmigen Politikern wie dem Grünen wie Omnipour besetzt wird. Eskens  Vorschlag, die Atomdealgespräche zu beenden als wirksamste Sanktion ,wird jedoch allseits eher mit Stillschweigen und Ignorieren goutiert und steht scheinbar ausser Diskussion..

„Frankfurter Buchmesse und die Proteste im Iran : „Der Mut kommt mit der Hoffnung auf Veränderung“

Ob Iran-Proteste oder Ukraine-Krieg – dem Weltgeschehen wird eine große Bühne bei der diesjährigen Buchmesse. bereitet. Auch Frankfurts Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg (Grüne) spricht. Sie selbst ist vor Jahren aus dem Iran geflüchtet.

Politisches wird für viele immer bedeutsamer. Dies zeigt sich auch auf der Buchmesse, wo die Veranstaltungen zu aktuellen Nachrichten aus der Welt immer breiter angeboten werden. Heraus ragen besonders der Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine und die revolutionären Proteste im Iran, die das Ende der Mullah-Regierung fordern. Es sind Ereignisse, die auch an der Frankfurter Buchmesse nicht spurlos vorbeigehen. Zumal auch die Besucher:innen reges Interesse undTeilhabe demonstrieren. Die Veranstaltungen sind gut besucht, die Menschen zeigen Anteilnahme.

Für Diskussionen zur iranischen Lage wurde kurzfristig umdisponiert und Platz im Programm des Frankfurter Pavilion geschaffen. Unter anderem ist auch die Bürgermeisterin und Diversitätsdezernentin von Frankfurt, Nargess Eskandari-Grünberg (Grüne), am Mittwoch dabei. Sie wurde 1965 in Teheran geboren und kam erst 1985 als Geflüchtete nach Frankfurt. Eskandari-Grünberg weiß aus eigener Erfahrung, wie sich die iranischen Menschen fühlen.

Das berüchtigte Ewin-Gefängnis, ein Ort für unliebsame Protestierende, kennt die Bürgermeisterin von innen. Noch vor wenigen Tagen wütete dort ein Großbrand, durch den mehrere Insassen starben. Eskandari-Grünberg wurde dort als politisch Verfolgte hinter Gitter gesteckt, sogar ihre Tochter kam dort auf die Welt. Die Schüsse habe sie gezählt, so Eskandari-Grünberg. Wenn jemand aus der Zelle geführt worden sei, habe niemand gewusst, ob diese Person jemals wieder kommt.

Die grüne Politikerin betont besonders, dass diese Proteste anders sind als alle vorherigen, denn die Iraner:innen hätten verstanden, dass es ohne Frauenrechte keine Menschenrechte gäbe. „Wir brauchen auch Männer!“, sagt Eskandari-Grünberg. Sie sei stolz auf den Mut, mit dem die Menschen auf die Straße gehen und sich dem Regime stellen. Woher kommt dieser Mut? „Der Mut kommt mit der Hoffnung auf Veränderung“, erklärt Eskandari-Grünberg. Das Publikum klatscht sichtlich gerührt. Besonders wichtig sei es jedoch, als Europäer:innen Solidarität zu zeigen, der Revolution beizustehen. „Das darf uns nicht kaltlassen“, betont Eskandari-Grünberg eindringlich.

Anschließend gibt es eine weitere Podiumsdiskussion zum Iran. Die ARD-Journalistin und ehemalige Studioleiterin in Teheran, Natalie Amiri, berichtet, dass dies keine Proteste seien, wie es sie schon öfter gegeben habe. Es sei kein Widerstand, der erst heute angefangen habe, sondern der Beginn einer Revolution, so Amiri. Es gebe kein Angebot mehr an das Regime, die einzige Forderung sei ein Regimewechsel und ein Ende der Dikatur. Die große Gefahr für das Regime bestehe insbesondere darin, dass ein Querschnitt der Bevölkerung auf die Straße gehe, sagt Amiri. Es sei eine Revolution von allen Iraner:innen.

Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour, der im Iran geboren ist, bringt die Diskussion auf die politische Perspektive. Das Einzige, was helfe, wären „Druck, Druck und mehr Sanktionen“. Die EU-Sanktionen seien viel zu schwach, es müsse mehr getan werden. Eine Gruppe von Protestantinnen, die gekommen sind, verteilen Postkarten mit Forderungen an den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, skandieren den Slogan der Revolution: „Frauen. Leben. Freiheit“. Sie wirken enttäuscht, scheinen den Worten Nouripours nicht recht zu glauben.

Auch die Ukraine, ihre Kultur, Literatur und das Kriegsgeschehen werden in den Fokus gerückt. Der ukrainische Stand ist bestens besucht, das Interesse größer als an den Ständen anderer Länder. Der ukrainische Autor Andrej Kurkow („Samson und Nadjeschda“) kommt kaum auf sein Buch zu sprechen, sondern viel auf den Krieg und seine eigenen Erlebnisse. Kurkow sagt, er spreche lieber über die Ukraine als über sein Buch. Und das, obwohl er für sein neuestes Werk, „Tagebuch einer Invasion“, den Geschwister-Scholl-Preis erhalten wird.

Die diesjährige Buchmesse ist nicht nur auffallend politisch, sondern auch sehr emotional. Es geht um echte Menschen, Schicksale und die große Relevanz von Solidarität“

https://www.fr.de/frankfurt/frankfurter-buchmesse-und-die-proteste-im-iran-der-mut-kommt-mit-der-hoffnung-auf-veraenderung-91861917.html

In BILD fordert der ebenso iranischstämmige FDP- Generalsekretär Djir- Sarai einen Kurswechsel und eine neue Iranstrategie der Bundesregierung und Deutschlands:

„FDP-Generalsekretär rechnet brutal ab

Deutsche Iran-Politik war „gefährlich naiv“

Der Iran liefert Kamikaze-Drohnen an Russland, schlägt Proteste im Inland blutig nieder. Aber die Bundesregierung findet darauf keine Antwort.

Jetzt fordert Bijan Djir-Sarai (46), Generalsekretär der Regierungspartei FDP: Schluss mit dem Mullah-Kuscheln! Deutschland braucht eine neue Knallhart-Strategie gegen das iranische Regime!

In BILD rechnet Djir-Sarai, der selbst in Teheran geboren wurde, mit der Politik der Vorgänger-Regierungen scharf ab. „Die Iran-Politik der Bundesrepublik und der EU war in den letzten Jahren von einer gefährlichen Naivität geprägt“, so der FDP-General. „Viele politische Akteure in Deutschland“ hätten sich „einseitig auf den Abschluss des Atom-Abkommens konzentriert“ und andere Iran-Probleme missachtet.

Es sei „höchste Zeit für einen Kurswechsel“. Deutschland brauche „eine neue Iran-Strategie“. Und das heißt: Mehr Sanktionen gegen Regime-Vertreter, konkrete Unterstützung für die iranischen Freiheitskämpfer und neue Bedingungen für das Atom-Abkommen. Die Verhandlungen sollen erst dann möglich sein, wenn auch „über die problematische geopolitische Rolle des Iran und die dramatische Menschenrechtslage“ gesprochen werde.

Denn: Um das umstrittene Atom-Abkommen mit dem Iran zu retten, schauten viele deutsche Top-Politiker über die gefährliche Politik der Mullahs hinweg. Stattdessen kämpften sie GEGEN Sanktionen, die die USA gegen das iranische Regime erlassen hatten – und unterhielten ein gutes Verhältnis zur Mullah-Führung.

https://www.bild.de/politik/ausland/politik-ausland/fdp-generalsekretaer-rechnet-brutal-ab-deutsche-iran-politik-war-gefaehrlich-nai-81673538.bild.html?t_ref=https%3A%2F%2Fm.bild.de%2Fpolitik%2Fausland%2Fpolitik-ausland%2Ffdp-generalsekretaer-rechnet-brutal-ab-deutsche-iran-politik-war-gefaehrlich-nai-81673538.bildMobile.html

Was es wohl.am chinesischen Buchstand so alles gibt und über China auf der Buchmesse?

Scheinbar galten und gelten  drei deutsche Bücher scheinbar als neue herausragnede Standardwerke über China.

Zum einen gilt Frank Sieren als geeignete Integrationsfigur. Vom scharfen Chinakritiker, der deutsche Firmen vehement benachteiligt sah (Der China Code- Vorwurf der Konkubinenwirtschaft) ,wobei Menschenrechte und Werte nie eine Rolle bei ihm spielten, ist er nun daran gemessen zum Chinaversteher mutiert, der nach Büchern wie „Shenzhen- Zukunft Made in China“ nun wie die in seinem neuen Buch „Zu Hause in China“ interviewten Expats als Vermittler und Brücke zwischen China und Deutschland und Botschafter einer neuen Form der Globalisierung portraitiert.

“Frank Sieren is one of the leading German China experts. The journalist, bestseller author and documentary filmmaker has been living in Beijing since 1994 – much longer than any other Western economic journalist. He has witnessed the rise of the new world power first-hand. During the last quarter century he has worked as a correspondent for the „Wirschaftswoche“, „Die Zeit“, „Handelsblatt“ and many other media. Sieren has published several „Spiegel“ bestseller, the recent ones being „Zukunft? China!“ and „Shenzhen“.”

 Kein Wunder, dass seine Bücher ganz oben bei der Googlesuchliste zur Frankfurter Buchmesse stehen. Diesmal hat er sein neuestes Werk den Expats als Wandler zwischen Duetschland und China gewidmet:

At Home in China- In his latest book, author Frank Sieren offers his audience look at China through the eyes of Germans who have been living there for a long time. Far away from their home country, they are no natural part of Germany anymore and yet they will never become Chinese either. They live between the cultures. In many cases it was their job that made these „expatriates“ end up in China, and finally their stay lasted much longer than originally planned. The constant switch of perspectives makes them intermediators between East and West. We can benefit from the experience of these contemporary witnesses. For China’s rise also affects the future of Europe.”

https://www.buchmesse.de/en/timetable/session/home-china

Interessantes Interview mit Frank Sieren unmittelbar vor dem Parteitag und der Frankfurter Buchmesse. Er ist recht optimistisch, dass sich China wieder öffnen würde, zumal auch auf Hinblick auf RCEP und die damit erhoffte Etablierng eines asiatischen Marktes, der China vom Westen unabhängiger mache, obgliech das Decopuling sich angeschts der inflationären Entwicklungen eher von der Realität decoupeln würde. Öaut Sieren blieb No Covidstrategie im wesentlichen nur drastisch in Shanghai, hat die Unterstützung der Bevölkerung, zumal China ein schlechtes Gesundheitssystem mit wenig Intensivbetten hätte , aber man ist sich nun sich der wirtschaftlichen Folgen bewusst, weswegen jetzt zunehmend von dynamic COVID offiziell die Rede sei.Die Immobilienkrise sei im wesentlichen vorrüber, der Hightechmarkt geordnet. ein paar Hühner geschlachtet, damit die Affen geschreckt sind, nur das Konjunkturprogramm sei bisher noch kaum umgesetzt, aber wahrscheinlich dann bis nächstes Jahr, wenngleich dies 2008 innerhalb weniger Wochen geschah. Falls nicht, dann sehe es nicht gut aus . Die Jugendartbeitslosigkeit von 20% sei bisher noch kein Problem, da viele Junge einen Aufstieg hinter sich haben und das mehr als temporäre Zwischenkrise sehen, aber sollte es sich nicht bessern, dann könne das allerdings ein ernsthaftes Problem für die Partei werden. Wieweit stimmt denn Sierens Analyse nach dem Parteitag? Die Global Times spricht auch von opening up, aber was wurde denn konkret verändert? Sieren meint auch, dass die KP China nicht so einfach aus ihrem alten Narrativ herauskomme, also da in gewissem Umfange der Gefangene des eigenen Narrativs sei, aber sie werde auch das schaffen.

Die immerwährende Frage, welche Strategie Deutschland im Umgang mit China haben sollte, stellte sich auch schon früher in der Prä-Xi-Zeit, als man sich die Frage stellte, ob es gut und richtig sei China als Ehrengast der Frankfurter Buchmesse einzuladen, was schon 2009 zu beidseitigen Verstimmungen führte:

„China auf der Buchmesse: Variationen von Wirklichkeit

19. Oktober 2009, 13:28 Uhr

Hat es sich jetzt gelohnt, dass China Ehrengast der Buchmesse war? Wirtschaftlich gesehen auf jeden Fall. Aber wie demokratisch war das Miteinander von Delegation, Dissidenten und Journalisten?

Am Samstagnachmittag hängt Migränewetter über Frankfurt, es nieselt, die meisten professionellen Besucher hängen nur noch erschöpft an Imbissbuden rum, über denen ein fettiger Zwiebeldunst liegt. Einige sehen psychisch so derangiert aus, als hätten sie die vergangenen vier Tage ohne Unterbrechung in Stroboskoplicht geschaut. Ein Mann blättert, während er sich eine Bratwurst ins Gesicht schiebt, ein regendurchweichtes Magazin der Tibet-Initiative durch. Als er bemerkt, dass das Heft von 2005 stammt, sagt er: „Gab es da oben nicht Krach seither? Oder war das Sichuan?“

Und? Hat es sich jetzt gelohnt, dass China Ehrengast der Buchmesse war? Wirtschaftlich gesehen auf jeden Fall. Für die chinesischen Verlage war der Auftritt in Frankfurt ein Riesenerfolg: Mehr als 1 300 Lizenzen wurden hier an ausländische Verlage verkauft. Literarisch gesehen auch. Andernfalls hätte man hierzulande wahrscheinlich noch lange warten dürfen auf die Bücher von Li Er und Xu Zechen, um nur zwei der vielen Titel zu nennen, die im Vorfeld der Buchmesse übersetzt wurden.

Li Er begibt sich in seinem Roman „Die Koloratur“ auf Spurensuche nach einem vermeintlichen Volkshelden aus der Zeit des sino-japanischen Krieges. „Truth and Variations“, der englische Titel des Buches, deutet an, warum dieses Buch so interessant ist.

Aus drei einander widersprechenden Perspektiven wird hier das Leben eines Übersetzers, Schriftstellers und Kommunisten erzählt. Am Ende weiß man nicht einmal, ob der Mann noch am Leben ist, geschweige denn, wie sein Verhalten einzuordnen ist. War er ein feiger Verräter oder ein mutiger Krieger? So ist das eigentliche Thema des Buches die Schwierigkeit, wahre Geschichten zu erzählen. „In der Tat“, schreibt eine der Stimmen, „,Wirklichkeit‘ ist ein illusorischer Begriff“, und fügt hinzu, die Wirklichkeit erscheine „wie ein Zwiebelkern, den es nicht gibt. Du schälst die Zwiebel Schicht für Schicht und zum Schluss bleibt nichts übrig.“

Um beim Zwiebelbild zu bleiben: Schreibt man als Journalist Kritisches über das Gastland China, bekommt man von deutschen Sinologen und Publizisten scharfe Kommentare, über eigene Intoleranz, westlichen Hochmut oder das „andere Demokratieverständnis“ der Chinesen. Sitzt man dann aber im chinesischen Pavillon und hört mit allerbestem Willen der Delegation des GAPP zu, jenes ominösen Amtes für Presse und Veröffentlichungen, das gleichzeitig Börsenverein und Zensurbehörde der Volksrepublik China ist, könnte einem deren Gerede Tränen in die Augen treiben, fast so als esse man eine rohe Zwiebel.

Da schwärmen die Funktionäre der Behörde, die auch im vergangenen Jahr wieder 600 Bücher zensiert hat, von ihrer edlen Aufgabe, „die Rechte der Bürger zu schützen“ und „den Menschen gute Bücher zu empfehlen“. In den 3 000 Jahren vor der kommunistischen Revolution seien weniger Bücher erschienen als in den 60 Jahren, die seither vergangen sind. Dann schaltet der Redner auf Autopilot, aus seinem Mund marschieren endlose Zahlenkolonnen, exakt bemessen bis auf vier Stellen hinter dem Komma. Eine Steigerung von 45 Prozent. Im Jahr! 3 400 Bücher! 7 000 irgendwas! Dann gibt es eine Fragenrunde. Es werden sieben Fragen von chinesischen Journalisten zugelassen, die inbrünstig darum bitten, dass noch mal die langweiligsten Zahlen wiederholt werden. Dann ist die Redezeit um. Nein, stimmt nicht, das ist polemisch. Zwei Westler durften auch etwas fragen: Was wird dem verschleppten Pen-Präsident Liu Xiaobo vorgeworfen? „Woher sollen wir das wissen. Wird schon seinen Grund haben.“ Warum haben die Taiwanbücher an Ihrem Stand einen Aufkleber mit der Aufschrift, alles, was der Ein-China-Politik widerspreche, werde zurückgewiesen? „Ich verstehe die Frage nicht, Taiwan gehört zu China, das ist wirklich Allgemeinbildung.“

Der Schriftsteller und Journalist Zhou Qing fragte direkt im Anschluss alle anwesenden chinesischen Journalisten, was sie von so einer Pressekonferenz halten. „Ausnahmslos alle sagten mir, was für ein Dreck diese Konferenz wieder gewesen sei. Sie fügten aber auch alle an: ,Sei’s drum, wir schreiben für unsere Zeitungen getrennt von unserem Leben.'“

Zhou ist einer der wenigen chinesischen Journalisten, die versuchen, Leben und Schreiben in Einklang zu bringen. So etwas kann in seinem Heimatland schmerzhaft enden. Zhou saß einmal 51 Tage in Isolationshaft, in Handschellen, in einer zwei Quadratmeter großen fensterlosen Zelle. „Ich habe fünf Zähne verloren, aber es war eine effiziente Diät. Ich hab damals auch 20 Kilo verloren.“ Als Zhou vor drei Jahren ein Buch über die Lebensmittelskandale in China recherchierte, wurde er in einem Restaurant von drei Unbekannten mit einer Bierflasche verprügelt. Er hat davon noch eine Narbe am linken Mundwinkel, die sich beim Lächeln verzieht.

Adorno beschrieb die Dummheit als „Wundmal, eine unmerkliche Narbe, eine kleine Verhärtung, an der die Oberfläche stumpf ist. Solche Narben bringen Deformationen.“ Der Auftritt der GAPP-Delegation zeigte viele solcher Deformationen. Die Buchmesse sollte ja Teil der neuen außenpolitische Strategie Chinas sein: Das Land will sich im Ausland als „soft power“ präsentieren. Die offiziellen Vertreter erinnerten in ihrem Betonkadersprech weniger an Soft Power als an harte Hunde aus längst vergangenen Dekaden.

Der Einwand, die westlichen Medienvertreter seien aber auch nervig mit ihrem immergleichen Menschenrechtsgetue, verfängt da nur teilweise. Ja, stimmt, es war teilweise peinlich, was westliche Journalisten hier anstellten. Zum Beispiel, mit wehender Free-Tibet-Fahne durch den chinesischen Pavillon zu rennen und dann einem perplexen Lyriker, hinter dem zwei grimmige Funktionäre standen, ein Mikrofon ins Gesicht zu halten.

Man kann auch die Übersetzungsprobleme auf einigen Podien als Zeichen für die schwierige Völkerverständigung sehen. Geradezu grotesk geriet die Veranstaltung mit den beiden Exil-Schriftstellern Gao Xingjian und Yang Lian. Der in Paris beheimatete Nobelpreisträger und der in London lebende Essayist und Lyriker sprachen, so versicherte danach eine begeisterte österreichische Sinologin, sehr scharfsinnig und bilderreich über die merkwürdige Situation, zwischen verschiedenen Kulturen zu Hause zu sein. In der deutschen Simultanübersetzung kam davon nur surreales Gestammel an: „Die äh die Gefühle äh (Schweigen) also wenn, Gefühle, die wir machen, die äh (Schweigen). Bei unser gibt es den Ausdruck, dass man die Worte, die man sucht, nicht findet (Schweigen). Das ist eine geistige Landschaft, ein Bild.“ Dixit Nobelpreisträger Gao.

Das vielleicht beste Bild von der geistigen Landschaft und den extremen Umwälzungen in China zeichnet ein Essayband, den die Heinrich-Böll-Stiftung herausgab. Der Politikwissenschaftler Thomas Heberer sagte bei der Präsentation von „Wie China debattiert – Neue Essays und Bilder aus China“, das Buch sei ein Beweis dafür, „dass es in China sehr wohl eine blühende Debatte über gesellschaftlichen Wandel gibt“.

Das stimmt eben nur teilweise. Es zeigt, dass in hermetisch geschlossenen akademischen Zirkeln erstaunlich scharf geredet und geschrieben werden darf. Der Agrarwirtschafter Li Changping, der in seinen Arbeiten die desaströse Lage der Bauern beleuchtet, schreibt etwa in polemisch grollendem Tonfall und lakonischer Wut von „denen da oben“ und von „rücksichtsloser Ausbeutung durch die neuen Grundherren“. Ja, dieser Text wurde in China veröffentlicht. Aber eben nur in einem Fachmagazin. In den Medien, so erklärten die anwesenden Wissenschaftler Heberer übereinstimmend, in den Medien dürfe all das nicht thematisiert werden.

Der Hauptvorwurf einiger Sinophilen an die deutschen Medien lautet ja, diese forderten zu schnell zu vieles, China sei auf einem guten Weg, brauche nur Zeit. Der Band widerlegt diese These. Über die Demokratisierung schreibt Li Changping: „Die jetzige Demokratie bedeutet nur, dass die Hände der Bauern benutzt werden, um diejenigen Kader nach oben zu hieven, die ,die da oben‘ haben wollen. Das Ergebnis ist das gleiche wie früher, nur büßt die arbeitende Bevölkerung bei dieser ,demokratischen Vorgehensweise‘ noch mehr von ihrer Habe ein.“

Eine Demokratisierung, die die autokratischen Machtverhältnisse zementiert, wechselseitige üble Gerüchte von Dissidenten über Delegationsteilnehmer und umgekehrt, Sinologen, die Toleranz für die chinesische Kultur einfordern, aber damit doch nur die chinesischen Machtstrukturen meinen, Widersprüchliches zur Informationspolitik und ein Autor namens Wang Meng, der auf einer Podiumsdiskussion zur zeitgenössischen Literatur Chinas sagte, während die russischen Autoren nach der Revolution in Scharen das Land verlassen hätten, seien die chinesischen Exilschriftsteller nach 1949 allesamt dankbar in die Heimat geströmt. So ging es tagelang, Schicht um Schicht, aber am Ende blieb, anders als in Li Ers Zwiebelroman, nicht nichts übrig, sondern ein schaler Geschmack.

https://www.sueddeutsche.de/kultur/china-auf-der-buchmesse-variationen-von-wirklichkeit-1.27821

Doch es gab in derselben FAZ auch wohlwollendere Stimmen, zumindestens in der Vor-Xi-Ära:

„Buchmesse-Gastland China : Wir wussten, was kommt, und können viel erdulden

Auf Chinas Buchmessenauftritt gibt es zwei Perspektiven. Die eine beschäftigt sich mit Zensur und Propaganda, fragt danach, ob inmitten der massiven Präsenz des Pekinger Staatsapparats und dessen Öffentlichkeitsabteilungen überhaupt etwas von der Wirklichkeit des Gastlandes durchdringen konnte. In dieser Hinsicht sind die schlimmsten Befürchtungen nicht wahr geworden: Die westliche Öffentlichkeit wurde, anders, als manche im Vorhinein argwöhnten, von der chinesischen Propaganda nicht über den Tisch gezogen (man fragt sich jetzt allerdings auch, wie das hätte gehen sollen); sie wurde weder von den Vorteilen des Autoritarismus überzeugt noch in ihren Maßstäben von Meinungsfreiheit aufgeweicht. Regierungskritiker wie Ma Jian aus dem Londoner Exil oder Zhou Qing aus Peking kamen häufig zu Wort, auch auf direkt von der Buchmesse ausgerichteten Veranstaltungen.

Auch die Sorge einer Schwarzweißmalerei hat sich nicht bestätigt. Diskussionen etwa der Böll-Stiftung oder des Goethe-Instituts bildeten einige mit verblüffender Schärfe innerhalb Chinas, auch innerhalb staatlicher Institutionen, geführte Debatten ab. Und selbst in der Kommentierung der Messe kamen Chinesen zu Wort. In einem Internetprojekt der „taz“, das wegen der bezahlten Zusammenarbeit mit der Buchmesse innerhalb der Zeitung umstritten ist, schrieben Pekinger Journalisten anhand einzelner Veranstaltungen bisweilen umwegig, immer aber sehr kritisch über Missstände in ihrem Land.

Von Anfang an ein paradoxes Konzept

Man kann die Buchmesse aber auch unter dem denkbar größten Blickwinkel der chinesischen Geschichte betrachten. Dann ist sie eine Etappe der „Öffnung“ des Landes zur Welt, die das Programm nicht bloß der letzten dreißig Jahre Reformpolitik ist, sondern schon Anfang des vergangenen Jahrhunderts das große Thema der Modernisierungsbewegung vom 4. Mai gewesen war. Als Kaiserreich ruhte China bis ins neunzehnte Jahrhundert hinein in sich selbst; zu anderen Ländern, denen es Tributleistungen abverlangte, pflegte es Beziehungen, die meistens nicht unfreundlich, aber vom Bewusstsein einer uneinholbaren eigenen Überlegenheit geprägt waren. Dieses Bewusstsein hatte durch die demütigende Konfrontation mit westlichen Mächten einen Knacks bekommen, den es bis heute nicht ganz verwunden hat. Die „Öffnung zur Welt“ war dann von Anfang an ein paradoxes Konzept, da das Lernen vom Ausland im Dienst des Projekts stand, „China zu retten“, wieder groß zu machen. Insofern war es für den chinesischen Staat jetzt ein neuer Schritt, seine Kultur auf einem internationalen Forum vorzustellen, das er nicht selber im Griff hat und das ihm gegenüber überwiegend kritisch eingestellt ist.

Die Frage ist, welche Schlüsse Peking nun aus den Debatten und Kontroversen der Buchmesse zieht. Ist sie der Ausgangspunkt einer weiteren Öffnung, die realisiert, dass man kulturelle „Soft Power“ in der Welt nicht erringen kann, wenn man Konflikte über sich verdrängt und zensiert? Oder führen die Kontroversen, denen sich China so ungeschützt wie selten ausgesetzt sah, zu einer Verzögerung in der kulturellen Öffnung, womöglich einem Rückzug?

„Wir wollen zeigen: Wir sind offen zur Weltkultur“

Wir haben Wu Shulin danach gefragt, den für den Buchmessenauftritt zuständigen Vizeminister im „Amt für Presse und Publikationen“ Chinas. „Ich bin ganz zufrieden mit dem Verlauf der Buchmesse“, sagte Wu. „Alles, was passiert ist, haben wir uns schon vorher gedacht. Das macht nichts, das ist eher ein Ansporn, dass wir uns noch mehr zusammenschließen.“ Er zitiert eine historische Anekdote: „Einmal wurde ein Gesandter aus dem Staat Qi in den wohlhabenderen und mächtigeren Staat Chu geschickt. Er wurde dort schikaniert, und man ließ ihn nur durch eine Nebentür eintreten, aber er blieb dabei ganz gefasst und erwarb sich dadurch am Ende Respekt.“

Wu kritisiert, dass die deutschen Medien nur sehr oberflächlich über die Forumshalle berichtet hätten, in der China seine Kultur darstellte: „Schauen Sie sich die Halle an, dann wissen Sie, was wir hier wollten.“ Unter den vier programmatischen Punkten, die er dort dargestellt findet, streicht Wu vor allem das „Lernen von anderen“ heraus. „Wir wollen zeigen: Wir sind offen zur Weltkultur.“ Er verweist auf die zahlreichen Übersetzungen auch aus entlegenen Sprachen ins Chinesische und meint, es gebe wahrscheinlich kein anderes Land, das so systematisch und wahrheitsgetreu andere Kulturen bei sich bekannt mache. Wu zitiert den Kaiser Taizong aus der Tang-Dynastie: Wenn man eine andere Meinung hört, dann hat man eine klarere Sicht. Weitere Elemente der in der China-Halle dargestellten Kultur seien: die Tradition beleben, Innovation und Entwicklung sowie die leer gebliebenen Seiten in vielen der ausgestellten Bücher, was symbolisieren soll: China möchte seinen eigenen Weg weiterschreiben.

„Öffnung“ ist nach wie vor kein Selbstzweck

Die Offenheit zur Weltkultur ist aus der Sicht des chinesischen Staates also nach wie vor nicht so gemeint, dass er der internationalen Gemeinschaft die Diskussion seiner „inneren Angelegenheiten“ überlassen will. Das wird besonders deutlich bei der Frage, ob es nicht nachvollziehbar sei, dass auf einer Buchmesse über Meinungsfreiheit gesprochen werde, also auch über die, die am intellektuellen Dialog nicht teilnehmen können, weil sie zensiert oder inhaftiert wurden. „Wir wissen, dass es Probleme wie das der Pressefreiheit gibt“, sagt Wu. „Die werden wir nach Maßgabe unserer eigenen Gesetze und Bedingungen Schritt für Schritt lösen. Aber wenn sich ausländische Kräfte einmischen wollen, dann ist das nicht gut. Wir werden nicht nach den Gesetzen des Westens handeln.“

Es sei inakzeptabel gewesen, dass vor der Messe zwei einzelne Autoren der Öffentlichkeit als Vertreter von 1,3 Milliarden Chinesen präsentiert worden seien. Wu meint, es habe Erfindungen und Verleumdungen der Medien gegeben: „Mich lässt das kalt. Ich versuche es nur meinen Leuten zu Hause zu erklären.“ Mehrmals stellt er die Diskussionen der Frankfurter Buchmesse in einen epochalen Rahmen: „China hat eine fünftausendjährige Geschichte und eine dreitausend Jahre alte Schriftkultur. Chinesen können viel dulden und verstehen.“

Das Konzept der „Öffnung“ scheint sich für den chinesischen Staat also nicht grundlegend verändert zu haben. „Öffnung“ ist für ihn nach wie vor kein Selbstzweck, keine Integration in eine Menschheitsfamilie mit universellen Diskursregeln, die das eigene Interpretationsmonopol über das, was chinesisch ist, aufweichen könnten. „Durch die Öffnung wollen wir das Wohl des Landes befördern“, sagt Wu Shulin bündig. Aber vielleicht entwickelt die Öffnung, wenn sie fortgesetzt wird, eine eigene Dynamik, die am Ende auch die Konzepte mit sich reißt.

https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buchmesse-2009/china/buchmesse-gastland-china-wir-wussten-was-kommt-und-koennen-viel-erdulden-1865623.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

Doch so offen zur Weltkultur oder chineischen Dissidentenkultur war man freilich nicht:

Druck aus Peking Frankfurter Buchmesse lädt Regimekritiker aus

Droht der Frankfurter Buchmesse der erste Skandal um das heikle Gastland China? Weil chinesische Behörden intervenierten, wurden jetzt einige regimekritische Intellektuelle von einer Diskussionsveranstaltung wieder ausgeladen. Betroffene sprechen von einer „Schande“.

Von Andreas Lorenz

10.09.2009, 14.17 Uhr

Die Idee, China als Ehrengast der diesjährigen Frankfurter Buchmesse einzuladen, erweist sich, wie befürchtet, als heikel. Schon Wochen vor Beginn der eigentlichen Veranstaltung gibt es Ärger.

Das bekamen jetzt der in Boston lebende Exilautor Bei Ling und die regierungskritische Autorin und Umweltschützerin Dai Qing zu spüren. Beide sollten an diesem Wochenende an einem Symposium zum Thema „China und die Welt – Wahrnehmung und Wirklichkeit“ teilnehmen. Doch sie wurden wieder ausgeladen.

„Ich bekam gestern einen Anruf, in dem ich dringend gebeten wurde, nicht nach Frankfurt zu fliegen“, berichtete Bei Ling SPIEGEL ONLINE. „Wenn ich kommen würde, gäbe es ein Riesendurcheinander, hieß es.“

Hintergrund: Chinesische Funktionäre und Schriftsteller haben angedroht, ihre Teilnahme abzusagen, falls politisch ungeliebte Autoren dabei sind. Dahinter steht offenkundig das Verwaltungsamt für Presse und Publikationen (GAPP), die oberste Zensurbehörde Chinas. Im Fall von Dai Qing wurde eine Einladung der Frankfurter von der GAPP nicht weitergeleitet.

„Wir sind in einer Zwickmühle“, sagt Peter Ripken, Programmkoordinator der Messe. „Das chinesische Organisationskomitee hat knallhart gesagt: „Wenn der und der teilnimmt, ziehen wir aus.“

Andere Teilnehmer dagegen, wie den Sozialkritiker Wang Hui, habe die deutsche Seite durchsetzen können. Die Pekinger hätten sich zunächst sogar gegen die Teilnahme des deutschen PEN-Klubs gewehrt, weil der nach ihrer Ansicht antichinesisch sei.

Damit das ganze „nicht in die Luft fliegt“ sei er nun zu einer „Güterabwägung gezwungen“, erklärte Ripken im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. „Alles ist höchst unerfreulich.“ Sowohl Dai Qing als auch Bei Ling würden allerdings zur Messe im Oktober nach Frankfurt eingeladen. Ripken: „Dann bin ich Herr des Verfahrens.“

Trotz der Ausladung will Dai Qing allerdings doch zum Symposium kommen. Die Journalistin reist nach Informationen der dpa auf Einladung des deutschen PEN an diesem Freitag nach Frankfurt. Die 68-Jährige hat von der deutschen Botschaft in Peking bereits ein Visum erhalten. Buchmessenorganisator Ripken zeigte sich überrascht: Zu dieser „neuen Entwicklung“ könne er zunächst nichts sagen.

Exilautor Bei Ling versteht die Nöte der deutschen Organisatoren, wenn er auch seine Ausladung als „Schande“ empfindet. Aber: „Schaden will ich durch meine Anwesenheit nicht anrichten.“ Die chinesische Exilliteratur gehöre jedoch unbedingt auf die Messe.

Bei Ling ist Poet, Essayist und Mitherausgeber der Exilzeitschrift „Tendency“, die auch in Hongkong und Taiwan veröffentlicht wird. Er lebt seit 1988 im Ausland. Als er im August 2000 kurz nach China zurückkehrte, wurde er in Peking wegen „illegalen Druckens und der Publikation einer Zeitschrift“ festgenommen. Auf Einspruch von US-Politikern und Künstlern, unter anderem der inzwischen verstorbenen Susan Sontag, schoben ihn die Behörden nach einem Monat in die USA ab.

Bei dem Symposium dabei sein dürfen unter anderem Wissenschaftler Wang Hui, der über die „Krisen der Modernisierungen in Ost und West“ sprechen wird, der bekannte Schriftsteller Mo Yan („Rotes Kornfeld“) und der ehemalige Botschafter Chinas in Deutschland Mei Zhaorong. Der ist in den vergangenen Monaten durch bissige Kritik an der China-Berichterstattung deutscher Medien und an Kanzlerin Angela Merkel aufgefallen.

Es bedürfe „eines Meinungs- und Gedankenaustausches, um gegenseitiges Verständnis herzustellen und um so einen Beitrag zum Abbau von Missverständnissen und Vorurteilen zu leisten“, begründeten die deutschen Veranstalter die Tagung.

Chinas Funktionäre sind da anderer Ansicht.

https://www.spiegel.de/kultur/literatur/druck-aus-peking-frankfurter-buchmesse-laedt-regimekritiker-aus-a-648148.html

„Buchmesse: Wirbel um chinesische Autorin

Die Frankfurter Buchmesse hat Ärger mit dem Gastland China: Auf Druck Chinas hatte die Messe die kritische Autorin Dai Qing wieder ausgeladen. Doch jetzt hat das deutsche PEN-Zentrum die Teilnahme der prominenten Aktivistin an einem Symposium in Frankfurt möglich gemacht.

China ist das Gastland bei der diesjährigen Buchmesse. Doch kritische Autoren sollten nach dem Willen Pekings dort nicht auftreten.

HB PEKING/FRANKFURT. Unter massivem chinesischen Druck haben die Organisatoren allerdings auch den exilchinesischen Schriftsteller Bei Ling von dem Treffen über „China und die Welt – Wahrnehmung und Wirklichkeit“ ausgeladen. China ist vom 14. bis 18. Oktober das Gastland auf der diesjährigen Buchmesse.

„Ich habe gerade das Visum bekommen“, sagte Dai Qing der Deutschen Presse-Agentur dpa am Donnerstag in Peking. In welcher Form die Autorin an dem Symposium teilnehmen wird, blieb offen. „Wenn die Organisatoren glauben, ich eigne mich nicht als Vortragende, nehme ich aktiv in den Diskussionen teil und stelle meine Fragen.“

https://app.handelsblatt.com/arts_und_style/kunstmarkt/gastland-china-buchmesse-wirbel-um-chinesische-autorin-seite-2/3255640-2.html

Als neue deutsche Kanonliteratur über China wird scheinbar auch Stefan Austs und Adrian Geiges Xi Jinpingbiographie betrachtet, ,das auf Druck des Generalkonsulats als Vorstellung im Konfuzius-Institut verboten wurde, auch mit der Begründung, dass Xi „unbesprechbar und unantastbar“ sei. Soviel zur Klarstellung. Näheres dazu im HR- Podcast Autor Aust:

https://www.ardmediathek.de/video/frankfurter-buchmesse-2021/stefan-aust-im-gespraech-oder-fbm21/hr-fernsehen/Y3JpZDovL2hyLW9ubGluZS8xNTI1MzI

Was aus der Sicht der KP China die einzig wichtige Lektüre, auch für die Frankfurter Buchmesse sein soll, ist ein Xi Jinping- Buch, das propagandistisch auch schon in China Heute, u.a. von sinophilen deutschen Sinologen vorgestellt und gelobt wurde. Also am besten aus Sicht der KP China keine Bücher über Xi Jinping, sondern Xis Buch im Original und wie die Maobibel gleich selbst:

„Premiere für deutsche Version der Gedanken von Xi Jinping

2019-10-16 16:50:00Source:china.orgAuthor:

Von Tian Siyue, Frankfurt

Präsentation der deutschen und englischen Version von Xi Jinpings Buch „Zhejiang, China: Eine neue Vision für die Entwicklung“ auf der Frankfurter Buchmesse

China präsentiert auf der gerade eröffneten Frankfurter Buchmesse die deutsche und englische Ausgabe eines Buches von Staatspräsident Xi Jinping. Dabei handelt es sich um seine Lehren aus seiner Zeit in der Provinz Zhejiang, die auch heute noch aktuell sind.

Anlässlich der 71. Internationalen Frankfurter Buchmesse präsentierten das Presseamt des chinesischen Staatsrates, die chinesische Botschaft in Deutschland, die China International Publishing Group (CIPG) und das Generalkonsulat in Frankfurt gemeinsam die deutsche und englische Fassung des Buches „Zhejiang, China: Eine neue Vision für die Entwicklung“.

Dies ist eine Zusammenfassung der theoretischen Erforschung und praktischen Erfahrungen von Staatspräsident Xi Jinping während seiner Zeit als Gouverneur der ostchinesischen Provinz Zhejiang. Inhaltlich setzt sich Xi auf Provinzebene mit Ideen zum Sozialismus chinesischer Prägung, zum nationalen Regierungssystem und zu Regierungskapazitäten auseinander. Dabei handelt es sich um ein wichtiges Dokument, um Xi Jinpings Gedanken zum Sozialismus chinesischer Prägung im neuen Zeitalter Chinas besser zu verstehen. Das Buch wurde erstmals im August 2007 veröffentlicht und im November 2013 in einer neuen Auflage herausgegeben. Es hat im In- und Ausland große Aufmerksamkeit erlebt und wurde mittlerweile auf Englisch, Französisch, Spanisch, Deutsch und Japanisch übersetzt.

Du Zhanyuan, Präsident der China International Publishing Group, hielt bei der Zeremonie eine Rede.

Du Zhanyuan, Präsident der CIPG, erklärte in seiner Rede auf der Vorstellung in Frankfurt, dass „Zhejiang, China: Eine neue Vision für die Entwicklung“ den Ursprung und den Kontext von Xis Entwicklung des Sozialismus chinesischer Prägung im neuen Zeitalter widerspiegele. In Kombination mit Xis anderen Werken, wie zum Beispiel „Xi Jinping: China regieren“ oder „Up und Out of Poverty“, könnten die Leser verstehen, warum die Kommunistische Partei Chinas so wichtig für Chinas Weg zum Wohlstand sei, und ein besseres Verständnis für die tieferen Gründe für das chinesische Entwicklungswunder erlangen.

Wu Ken, Chinas Botschafter in Deutschland, sagte in seiner Rede, dass das Buch das Ergebnis gründlichen Nachdenkens und der praktischen Arbeit von Staatspräsident Xi sei, die er in der lokalen Regierungsführung während seiner Zeit in Zhejiang geleistet habe. Die Veröffentlichung des Buches in deutscher und englischer Sprache gebe mehr Ausländern die Gelegenheit, die Regierungskonzepte der Kommunistischen Partei Chinas, die Strategie des Staatspräsidenten und die dahinterliegenden politischen Weisheiten zu verstehen.

Chinas Botschafter in Deutschland, Wu Ken, hielt eine Rede 

Martin Albrow, Mitglied der britischen Akademie der Sozialwissenschaften, sagte, dass „Zhejiang, China: Eine neue Vision für die Entwicklung“ und „Xi Jinping: China regieren“ auf derselben tiefen Weltsicht beruhten, die nicht nur eine historische Tiefe, sondern auch eine globale Perspektive habe. Beide seien näher an der Basis und verwendeten zudem eine leicht verständliche Sprache. Dadurch ergebe sich eine gute Gelegenheit für den Leser, Chinas Wiederaufleben nachzuvollziehen.

Helwig Schmidt-Glintzer, Professor an der Universität Tübingen in Deutschland und berühmter Sinologe, sagte, dass das Buch die Beobachtung und das Denken der Zeit widerspiegele. Ein genaues Verständnis des tiefgreifenden Denkens des Buches müsse im Lichte der damaligen Situation und der Herausforderungen, vor denen Zhejiang vor mehr als einem Jahrzehnt stand, gelesen werden. Die Themen, die zum Zeitpunkt des Buches erörtert wurden, seien jedoch auch heute weiterhin wichtige Themen, vor allem hinsichtlich der Eigenschaften, die Parteimitglieder und -Kader besitzen sollten.

Terry Robinson, Senior Vice President der Gale International, auf der Präsentation 

In einem Interview mit China.org.cn erklärte Terry Robinson, Senior Vice President und Managing Direktor der Gale International, einem Bildungsverlag aus den USA, er habe den ersten und den zweiten Band von „Xi Jinping: China regieren“ gelesen. Er sei nun voller Erwartungen und Vorfreude auf die englische und deutsche Version von „Zhejiang, China: Eine neue Vision für die Entwicklung“ und hoffe, dadurch den Prozess der Gedankenbildung bei Staatspräsident Xi noch besser verstehen zu können.

 Stand von CIPG auf der Frankfurter Buchmesse

Insgesamt nahmen mehr als 200 Personen an der Veranstaltung teil, darunter Vertreter aus diversen ausländischen Konsulaten in Frankfurt, Mitglieder von Wissenschaftskreisen aus Deutschland, Großbritannien, Frankreich und den USA sowie Vertreter verschiedener Verlage.

Stand von CIPG auf der Frankfurter Buchmesse

„Zhejiang, China: Eine neue Vision für die Entwicklung

http://german.chinatoday.com.cn/2018/tpxw/201910/t20191016_800181871.html

Interessant auch das frühere Buch „Ami Go Home!“ von Stefan Baron, das sich vor der Zeitenwende Deutschlands, für eine Emanzipation Europas gegenüber den USA aussprach, wobei nicht als neue militärische Lastenverteilung ,damit die USA weiter auf Konfrontationskurs gehen würden und sei es im Indopazifik gegen China, zugleich aber betonte, dass eine Emanzipation Europas auch nicht die Unterordnung unter China bedeuten werde, sondern eigenes Erstarken. Ob von diesen Ideen überhaupt noch was zu retten ist? Zudem ja heute auch die militärische Lastenteilung und ein Primat der  Sicherheitspolitik Priorität hat?

„Vorsicht, Venus, vor dem Mars!

Stefan Baron reflektiert, wie Europa auf Amerikas Ab- und auf Chinas Aufstieg reagieren sollte

Politikbücher, die den Mainstream intelligent meiden, sind eher selten. Sie verdienen daher besondere Beachtung. Auf Stefan Barons »Ami go home!« trifft das zu. Der Volkswirtschaftler (Jg. 1948) hat eine illustre Laufbahn: Kieler Institut für Weltwirtschaft, Finanzkorrespondent beim »Spiegel«, 16 Jahre Chefredakteur der »Wirtschaftswoche«, Kommunikationschef der Deutschen Bank, Kuratoriumsmitglied des American Institute for Contemporary German Studies, China-Experte, Berater.

Sein jüngstes Buch beleuchtet – nüchtern und erhellend – die Verschiebung des Kraftzentrums von den USA nach Asien. Es gibt Empfehlungen, wie Europa darauf reagieren sollte. Um in einer multipolaren Welt Gehör zu finden, müsse es seine Interessen friedfertig und eigenständig verfolgen. Barons Hauptthese: »Um dies sicherzustellen, muss Europa sich jedoch aus seiner Abhängigkeit von Amerika lösen und emanzipieren.«

Diese These, verbunden mit dem Titel »Ami go home!«, ließ offenbar auch den Autor befürchten, sein Anliegen könnte antiamerikanisch gedeutet werden. Das räumt Baron aus. Er verweist darauf, dass Amerika seit frühester Jugend seine »Neugier und Sympathie« gehören. Dass er in seiner pfälzischen Heimat neben vielen Tausend dort stationierten GIs aufwuchs, von ihnen Englisch lernte, nach dem Studium monatelang durch die Staaten reiste und dort Freundschaften schloss, die bis heute halten. Zum anderen sagt er, der Titel bedeute nicht »Amerika hau ab!«, sondern: »Amerika, geh und mach deine Hausaufgaben!« Erinnere dich, so Baron, »des großartigen Versprechens deiner Unabhängigkeitserklärung und konzentriere dich darauf, es für alle Amerikaner einzulösen: Life, Liberty and the Pursuit of Happiness. Hör auf, in seinem Namen Krieg zu führen und die Welt zwangsbeglücken zu wollen! Lass ab von deinem Monopolanspruch und teile die Macht mit anderen!«

Baron belegt Amerikas imperiale Arroganz, seine damit eingehandelte wirtschaftliche Schwächung und das Aufweichen der Demokratie bei wachsender Polarisierung der Gesellschaft. Der zivilisatorische Verfall äußere sich namentlich in sinkender Leistungsfähigkeit des Landes. So hätten die USA in den vergangenen 20 Jahren bei vier von acht Leistungskriterien, die eine Weltmacht kennzeichnen, gegenüber ihrem früheren Niveau klar eingebüßt: berufliche Ausbildung, Wettbewerbsfähigkeit, Wirtschaftskraft und internationaler Handel. Wirklich gut stehe Amerika nur noch in den Bereichen Technologie und Militär da.

Dem Abrutschen der Führungsmacht und dem Verblassen des Mythos stellt der Autor die Verlagerung des Kraftzentrums nach Asien und China gegenüber. Er betont den Comeback-Charakter dieses Vorgangs, denn dort habe das Kraftzentrum auch schon bis Mitte des 19. Jahrhunderts gelegen: Noch 1820 entfiel die Hälfte des globalen Bruttosozialprodukts auf China und Indien, und die (alte) Seidenstraße zwischen China und Europa war über fast zwei Jahrtausende die Achse, um die die Welt sich drehte. Erst mit der industriellen Revolution rückte der Schwerpunkt von Weltpolitik und Weltwirtschaft gen Westen, anfangs nach Europa, dann in die USA.

Inzwischen trage Asien erneut die Hälfte zum weltweiten Bruttoinlandsprodukt bei, Tendenz steigend. Chinas Universitäten, so der mit Statistiken und Experten-Urteilen behände operierende Autor, entlassen heute jährlich achtmal so viele Absolventen sogenannter STEM-Fächer (Naturwissenschaften, Technik, Ingenieurwesen, Mathematik) wie die der USA. Und bis 2025 werde China mehr technisch ausgebildete Arbeiter haben als alle derzeit 38 Mitglieder der OECD zusammen.

Baron verbindet diese Leistungsrevolution mit einer für viele deutsche Leser sicher überraschenden Information. Anders als im Westen meist behauptet, werde Chinas heute »immer weniger von engstirnigen und dogmatischen Ideologen geführt, wie sie uns aus dem ehemaligen Ostblock noch vielfach in Erinnerung sind, sondern immer mehr von gut ausgebildeten, in verschiedensten Positionen erprobten und erfahrenen, selbstbewussten Fachleuten.« Diese handelten »erfolgs- und problemlösungsorientiert« nach der Devise des einstigen Parteichefs Deng Xiaoping: »Es ist egal, ob eine Katze schwarz oder weiß ist, Hauptsache, sie fängt Mäuse.«

Breiter Raum gilt Amerikas Reaktion auf Chinas Erstarken. Da diese in der Tagespolitik erst Donald Trumps und nun Joe Bidens eine große Rolle spielt und viele Schlagzeilen produziert, kann sie hier kurz formuliert werden: Washington reagiert gekränkt – und aggressiv. Es pocht auf Alleinherrschaft, obgleich ihm zunehmend die Kraft dafür fehlt, und erwartet Vasallentreue von seinen Verbündeten in Europa und der EU. Baron sieht darin einen neuen Kalten Krieg, einen schweren strategischen Fehler Amerikas und – im Verein mit »Anzeichen von Hybris aufseiten Chinas« – das Risiko eines Dritten Weltkriegs.

Der Autor, der sowohl bewundernd auf Chinas wirtschaftliche und technologische Fortschritte als auch illusionslos auf die China und den Westen trennende »Werte-Barriere« schaut, schlussfolgert mit Blick auf Europa und Deutschland, beide müssten sich aus der Gefolgschaft der USA befreien. Die Emanzipation bedeute »nicht, der westlichen Wertegemeinschaft den Rücken zu kehren. Sie ist ganz im Gegenteil ein unerlässlicher Schritt zu deren Rettung.« Sich von Amerika zu emanzipieren, schließe »die Zustimmung zu einem neuen chinesischen Monopol von vornherein aus«. Baron erinnert hier an den berühmten Vergleich des US-Autors Robert Kagan, der davon sprach, Amerikaner kämen vom Mars, die Europäer dagegen von der Venus. Baron warnt Europa davor, Amerikas Rufen nach stärkerer militärischer Rolle der EU, gleichsam nach mehr Mars aufseiten der Venus, zu folgen.

Des Autors klare, aber gewiss umstrittene Gleichung am Ende seines mutigen Buches: »Wenn Europa Amerika einen Teil der militärischen und sonstigen Hegemoniallasten abnimmt, stärkt es damit dessen Bereitschaft zur Konfrontation. Nur wenn es diese Lastenteilung verweigert, besteht die Chance, dass Amerika von dem Konfrontationskurs ablässt, weil dieser zu teuer wird, und statt in immer neue Waffen und Kriege künftig mehr in den Kampf gegen den Klimawandel, gegen Epidemien, Armut und Ungleichheit investiert.«

PS des Rezensenten: Darum bemüht sich Biden nicht bloß rhetorisch. Erfolg ungewiss.

https://www.nd-aktuell.de/artikel/1157686.frankfurter-buchmesse-vorsicht-venus-vor-dem-mars.html

Noch nicht zum Buch geschafft, aber als Leseempfehlung hat es ein strategischer Gastbeitrag von Dr. Joachim Weber,  Senior Visiting Fellow im Bereich strategische Vorausschau und Risikoanalyse am Center for Advanced Security, Strategic and Integration Studies (CASSIS) der Universität Bonn in den FOCUS geschafft, der wie Baron nach stratgeischer Neuorientierung zwischen USA, Russland und China sucht, bis hin zu der alten Idee einer europäischen Atommacht. .

„Der deutsche Fehler: Kein Ernstfall wurde je wirklich ernst genommen

Dienstag, 18.10.2022

Zu denen in der Sicherheitspolitik ist an dieser Stelle einiges zu sagen. Wir kommen in Deutschland aus einer Lagewahrnehmung, in welcher im Politikbetrieb parteiübergreifend davon ausgegangen wurde, dass das Land nur noch „von Freunden umgeben“ sei und jeder sich anbahnende, größere Konflikt eine jahrelange Vorwarnzeit eröffne, in der man kurzerhand wieder die fehlende Verteidigungsfähigkeit des Landes nachinstallieren könne.

Die deutsche Sicherheitspolitik steht mit heruntergelassen Hosen da. Das hat Putins Überfall auf die Ukraine nur allzu deutlich gezeigt. Für den Ernstfall ist unser Land in keiner Weise ernsthaft vorbereitet. Was jetzt militärisch dringend geboten ist.

Die am 24. Februar 2022 eingetretene „Zeitenwende“ markiert nicht nur den Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine, sie steht auch für den Offenbarungseid der deutschen Sicherheitspolitik und ihr krachendes Scheitern. Ein Scheitern, das nicht nur eine militärische Dimension hat, sondern in einem umfassenden Sinne offen legt, dass die Bundesrepublik Deutschland keinen Ernstfall je wirklich ernst genommen hat – auch nicht in Fragen der Energiepolitik, der kritischen Infrastrukturen wie zum Beispiel Pipelines noch der hybriden oder sonstiger Bedrohungen.

Und dies geschieht nur kurze Zeit, nachdem die Unfähigkeit zum Krisenmanagement in der Migrations- und dann in der wenige Jahre später folgenden Coronakrise dieses Gemeinwesen bereits schwer erschüttert hatten. Allen diesen Krisen ist gleich, dass enorme Mittel aufgewendet werden müssen, welche die zuvor durch Schleifenlassen erzielten Einspareffekte völlig konterkariert haben.

Deutschland „von Freunden umgeben“ – eine Fehleinschätzung

Den Totalschaden des eigenen Hauses zu sanieren, ist und bleibt immer teurer, als die rechtzeitige Erledigung von einigen regelmäßigen Überprüfungen, Korrekturen und Vorbereitungen. So vermeidet man, plötzlich Wegwerfartikel wie FFP2-Masken in China für Milliardensummen zu erwerben oder bei den US-Rüstungskonzernen zur plötzlichen Shoppingtour anzutreten. Doch es geht hierbei nicht primär ums Geld, es geht vor allem um Mentalitäts- und Realitätsdefizite.

Das war zu Beginn der 2010er-Jahre eine vielleicht noch vertretbare Position, aber was nützen die Vorbereitungszeiten, wenn sie nicht genutzt werden und man die Flammenschrift an der Wand nicht auslesen will oder mag? Es scheint für viele eine Zumutung, in ihrer Realitätsverweigerung gestört zu werden.

Wehrhaftigkeit wurde nicht ernsthaft erhöht

Putins erster Überfall auf den Osten der Ukraine geschah bekanntlich 2014, und zwei unionsgeführte Kabinette haben danach wenig getan, um die Wehrhaftigkeit des Landes wirklich ernsthaft zu erhöhen, während Teilen der damaligen Opposition das Kaputtsparen der Bundeswehr gar nicht schnell genug gehen konnte. Zugleich wurde die energiepolitische Abhängigkeit von Russland beim Gas noch von 40 auf 55 Prozent gesteigert.

Während die umfassende Analyse dieser und anderer Defizite die Historiker noch lange beschäftigen wird, soll hier in einigen kurzen Thesen schlaglichtartig aufgezeigt werden, wovon wir ausgehen sollten (Lage) und was militärpolitisch jetzt zu tun wäre:

·  Die Einbindung Deutschlands in die EU und das transatlantische Bündnis bleibt Dreh- und Angelpunkt deutscher Politik, weil realistische Alternativen auch weiter nicht zu sehen sind.

·  Dieser Bezugspunkt deutscher Politik ist aber akut gefährdet. Die EU steht im Ukrainekrieg noch einigermaßen zusammen, aber Bruchlinien zwischen Mitgliedern und Staatengruppen sind unübersehbar. Und das transatlantische Bündnis, so revitalisiert es derzeit scheint, ist dennoch akut gefährdet. Erschiene in gut zwei Jahren Donald Trump wieder im Weißen Haus – kein unwahrscheinliches Szenario – dann kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Nato dies nicht überlebt. Unmöglich? Warten wir es ab. Deutschland lehnt sich seit fast 75 Jahren an die Schulter von Uncle Sam. Was tun, wenn dieser zur Seite tritt?

·  Während wir hoffen mögen, dass das Szenario 1 sticht, weil es die geringsten Verwerfungen beinhaltet, so müssen wir im Sinne einer strategischen Vorausschau doch das Undenkbare des Szenarios 2 zu denken anfangen. Auch ein großer Staatenkrieg mitten in Europa schien den meisten noch zu Jahresanfang völlig undenkbar.

·  In Fragen von Leben und Tod verlässt man sich am besten und in erster Linie konsequent auf sich selbst. Das heißt konkret, dass wir endlich regelmäßige und realistische Lageeinschätzungen für die Rahmenbedingungen deutscher Sicherheitspolitik in der Hauptstadt brauchen, zum Beispiel durch einen Bericht zur Lage der Nation, einen institutionellen, nationalen Sicherheitsberater oder einen deutlich modifizierten Bundessicherheitsrat. Warum geht hier noch immer fast nichts voran? Festzuhalten ist: Wir müssen gesamtstaatliche Sicherheitsvorsorge viel umfassender denken (Militär, Energie, KRITIS und Bevölkerungsschutz, Cyber, Migrationen, Schutz unserer Seewege usw).

·  Man darf bei den Lagebildern nicht stehen bleiben. Nötig ist ein Sofortprogramm für die Streitkräfte, das die dringendsten Defizite ohne jede weitere Verzögerung sofort angehen muss. Dazu gehört unter temporärem Absehen von den üblichen Vergabewegen die sofortige Schaffung einer durch Wirtschaftspraktiker geführten, temporären Beschaffungsagentur mit dem Zweck von Tempo, also zum Beispiel die sofortige Erhöhung von Munitionsbeständen und Wirkmitteln, idealerweise durch die Restkerne der deutschen Rüstungsindustrie und wo unvermeidbar durch die Industrien anderer Länder. Der Volkssport des oftmals höhnischen und gewollten Abbaus unserer letzten Rüstungskerne muss gestoppt werden. Dies ist prioritäre Aufgabe der beteiligten Ministerien unter Initiative des Kanzleramtes.

Deutschland ist ein Land geworden, in dem alle zwar gerne verteidigt werden wollen, aber selten jemand dazu einen Eigenbeitrag erbringen möchte. Nicht nur die Politik, die ganze Gesellschaft steht vor der Klärung der Frage, ob und wie sie in einer Welt dramatisch zunehmender Konfliktentwicklungen überleben möchte. So wie es ist, kann es nicht bleiben. Es muss unter anderem dringend das Projekt einer allgemeinen Dienstpflicht für junge Frauen und Männer angegangen werden, bei dem es möglich sein sollte, zumindest sechs oder acht Monate bei Streitkräften, THW, Feuerwehren oder einer Grenzpolizei-Reserve einen (Regel-) Dienst zu leisten, der die Verletzlichkeit des Landes an so vielen Stellen reduzieren könnte.

Für die Streitkräfte muss neu überlegt werden, was sie können sollen. Als mit Abstand größte Nation in Europa mit 84 Millionen Menschen sollte es möglich sein, zum Rückgrat einer europäischen Verteidigung zu werden, was Rüstungskooperationen und pooling and sharing mit gleichgesinnten EU-Staaten nicht ausschließt. Dennoch muss Deutschland vorangehen und für zentrale Bereiche, zum Beispiel auch gemeinsam mit Frankreich, eine Rolle in der Führung der Union übernehmen – von der Rüstungsbeschaffung bis zur Aufstellung einsatzbereiter battle groups. Anders wird Abschreckung nicht glaubwürdig.

Die Glaubwürdigkeit der Abschreckung verlangt angesichts immer neuer nuklearer Drohgebärden aus Russland auch, dass die Frage einer europäischen Nuklearstreitmacht neu diskutiert wird. Mit Briten und Franzosen sind zwei Mächte in Europa vorhanden, die über die erforderlichen Fähigkeiten verfügen. Ist eine europäische Nuklearstreitmacht denkbar? (Was kostet uns der Verzicht darauf?) Welche Alternativen sind zu sehen? Die Debatten von gestern helfen nicht mehr weiter, die Herausforderungen sind jetzt nicht mehr nur theoretische, und sie werden neue Antworten verlangen.

Ja, diese Thesen wollen und sollen provozieren. Aber wer die Zu-Mutungen in ihnen nicht sehen möchte oder nicht erträgt, der soll nun umgekehrt einmal erklären, was eine Fortsetzung unserer selbstverschuldeten Misere für die Verletzlichkeit dieses Landes und seine völlig unzureichend ausgeprägte Resilienz bedeuten würde. Man darf wohl gespannt sein. Kalte Winterabende jedenfalls laden zum Nachdenken ein.

https://m.focus.de/perspektiven/focus-online-serie-deutschland-2025-der-deutschland-fehler-wir-haben-keinen-ernstfall-je-wirklich-ernst-genommen_id_163394032.html

Die Neuorientierung der SPD gegenüber Russland schreitet auch immer weiter voran. Nun wird auch die ate Idee ad acta gelegt, dass Frieden und Sicherheit in Europa nur mit und nicht gegen Russland erzielt werden könne.

„Klingbeil gesteht Fehler der SPD in der Russland-Politik ein

  • Aktualisiert am 19.10.2022-02:09

Der SPD-Chef geht hart mit der Russland-Politik seiner Partei nach dem Ende des Kalten Krieges ins Gericht. Konkret nennt er vier Fehleinschätzungen der SPD.

SPD-Chef Lars Klingbeil hat mehrere Fehleinschätzungen seiner Partei in der Russland-Politik der vergangenen Jahrzehnte eingestanden. „Auf der Suche nach Gemeinsamkeiten haben wir oft das Trennende übersehen. Das war ein Fehler“, sagte Klingbeil am Dienstagabend in einer Rede bei einer Parteiveranstaltung in Berlin. Die SPD habe nach dem Ende des Kalten Krieges geglaubt, dass die Beziehungen zu Russland einfach immer besser werden würden. „Dadurch sind blinde Flecken in unserem Umgang mit Russland entstanden. Und das hat zu Fehlern im Umgang mit Russland geführt.“

Klingbeil sprach sich dafür aus, die Haltung zu Russland grundsätzlich zu ändern. Die Aussage, dass es Sicherheit und Stabilität in Europa nur mit und nicht gegen Russland geben könne, habe keinen Bestand mehr. „Heute geht es darum, Sicherheit vor Russland zu organisieren“, sagte der SPD-Chef. „Russland hat sich aus dem System der gemeinsamen Sicherheit und der gemeinsamen Werteordnung verabschiedet. Unsere Sicherheit muss ohne Russland funktionieren.“

Scharfe Kritik an Russland-Politik der SPD

Die frühere Russland-Politik der SPD war in den vergangenen Monaten scharf kritisiert worden. Im immer noch gültigen Grundsatzprogramm der Partei von 2007 wird die strategische Partnerschaft mit Russland als „unverzichtbar“ für Deutschland und die Europäische Union bezeichnet. „Die Öffnung Russlands sichert Frieden und Stabilität auf unserem Kontinent“, heißt es da. Im Wahlprogramm der SPD von 2021 steht der Satz: „Frieden in Europa kann es nicht gegen, sondern nur mit Russland geben.“

Die SPD will ihre Außen- und Sicherheitspolitik bei ihrem Parteitag Ende 2023 neu aufstellen. Die Kommission Internationale Politik der Partei erarbeitet dafür derzeit Vorschläge.

Klingbeil nannte in seiner Rede konkret vier Fehleinschätzungen der SPD in der Zeit nach dem Ende des Kalten Krieges: Man habe daran geglaubt, dass die Geschichte beide Länder einander verpflichte. Dabei habe die SPD verkannt, dass der russische Präsident Wladimir Putin das anders sehe und die Geschichte für die autokratische Konsolidierung nach innen und seine Großmachtpolitik nach außen instrumentalisiere.

Zudem habe laut Klingbeil das Paradigma Wandel durch Annäherung nicht funktioniert. Immer engere wirtschaftliche Verflechtungen hätten nicht zu einer stabileren europäischen Ordnung beigetragen. Deutschland habe sich außerdem mit seiner Energiepolitik abhängig von Russland gemacht. „Eine solch einseitige Abhängigkeit darf nie wieder passieren.“

Als weiteren Fehler nannte Klingbeil, dass die Interessen der ost- und mitteleuropäischen Partner nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Das habe zu einem massiven Vertrauensverlust geführt.

Es gebe sicher weitere Fehler, die gemacht worden seien, sagte Klingbeil. Ihm sei wichtig, diese zu benennen und daraus die richtigen Lehren für die Zukunft zu ziehen. Der SPD-Chef betonte, dass er sich eine Normalisierung der Beziehungen mit Russland auch langfristig nicht vorstellen kann. „Es kann und wird mit Russland keine Rückkehr zum Status quo vor dem Krieg gegen die Ukraine geben.“

https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/klingbeil-gesteht-fehler-der-spd-in-der-russland-politik-ein-18397165.html

Nun, es stehen also scheinbar etliche strategische Neuorientierungen an, sei es gegenüber Russland, sei es gegenüber Iran und sei es gegenüber China. Wobei da die Frage ist, ob Xis Buch auf der Buchmesse dazu die geeignete Schlüsselliteratur sein kann.

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