Der nächste deutsche Taiwanbesuch und der Kampf um Konfuzius

Der nächste deutsche Taiwanbesuch und der Kampf um Konfuzius

Na, ein Taiwan-Besuch der ersten deutschen Ministerin, wenngleich Bildungsministerin seit Wirtschaftsminister Rexrotts Taiwanbesuch in den 90er Jahren wird zur ohnehin nicht friedlichen Weihnachtszeit für nächstes Jahr angekündigt. Büttikofer freut sich schon tierisch und kindisch auf die zu erwartenden Reaktionen Pekings. Scheinbar will. man nun auch den Konfuzius- Instituten an den Kragen im Bereich der deutsch-taiwanesischen Bildungszusammenarbeit. Wann reist dann Strack-Zimmermann nach Taipeh? Oder Habeck wir Rexrodt dazumal?

China Germany Photo:VCG

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„„Lautstarke“ Reaktion aus China erwartet: Deutsche Ministerin plant ersten Taiwan-Besuch seit 26 Jahren

Erstellt: 14.12.2022, 09:15 Uhr

Von: Sven Hauberg

Zum ersten Mal seit 1997 könnte demnächst eine deutsche Ministerin Taiwan besuchen. Die Regierung in China dürfte erzürnt reagieren.

München/Berlin/Taipeh – Es wäre der erste Besuch einer deutschen Ministerin seit mehr als einem Vierteljahrhundert: Wie der Tagesspiegel berichtet, will Bundesbildungs- und Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) im Frühjahr kommenden Jahres nach Taiwan reisen. Das sagte der Bundestagsabgeordnete Peter Heidt (ebenfalls FDP) am Montagabend bei einer Podiumsdiskussion in Berlin. „Diese Reise ist sehr wichtig, denn wir wollen die Beziehungen zu Taiwan ausbauen“, sagte Heidt dem Tagesspiegel. „Der Bildungs-, aber auch der Forschungs- und Digitalbereich sind da entscheidend.“ Auf Anfrage wollte Stark-Watzingers Pressesprecher die Pläne der Ministerin allerdings nicht bestätigen. Zuletzt hatte FDP-Wirtschaftsminister Günter Rexrodt 1997 das von China beanspruchte Taiwan besucht.

China reagiert auf Taiwan-Besuche ausländischer Politiker stets äußert gereizt. Zuletzt sorgte die Taiwan-Reise von Nancy Pelosi, der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, für eine schwere Krise zwischen Peking, Washington und Taipeh. Deutsche Bundestagsabgeordnete besuchten Taiwan in den vergangenen Wochen und Monaten dennoch mehrfach, so flog etwa der FDP-Politiker Heidt zusammen mit fünf weiteren Mitgliedern des Menschenrechtsausschusses des Bundestages im Oktober zu einem mehrtägigen Besuch nach Taipeh. Pekings Außenministerium forderte die Politiker damals auf, „umgehend ihre Interaktion mit den separatistischen Unabhängigkeitskräften Taiwans einzustellen“.

Geplanter Taiwan-Besuch: Grünen-Politiker erwartet „lautstarke“ Reaktion von China

Der grüne EU-Abgeordnete Reinhard Bütikofer erwartet eine „lautstarke“ Reaktion aus Peking, sollte Stark-Watzinger tatsächlich nach Taiwan fliegen. „Aber davon sollte Berlin sich nicht beeindrucken lassen“, sagte Bütikofer dem Münchner Merkur von IPPEN.MEDIA. Der Besuch der Ministerin „kann eine sehr sinnvolle Intensivierung der Zusammenarbeit mit Taiwan in der Wissenschafts- und Forschungspolitik befördern“, so Bütikofer weiter.

Laut FDP-Mann Heidt will Stark-Watzinger in Taiwan auch nach einer Möglichkeit suchen, mit dem Land im Bildungsbereich stärker zusammenzuarbeiten, um eine Alternative für die von der Volksrepublik auch in Deutschland betriebenen Konfuzius-Institute zu schaffen. Die Bildungseinrichtungen, die indirekt der Kommunistischen Partei unterstehen, waren wegen ihrer Zusammenarbeit mit deutschen Universitäten vielfach in die Kritik geraten.

Heidt sagte dem Tagesspiegel, in der Ampel-Koalition habe es über Stark-Watzingers Pläne „keinen wirklichen Dissens gegeben“. Die Bundesregierung arbeitet derzeit an einer gemeinsamen China-Strategie; kürzlich war ein Entwurf für das Papier aus dem Außenministerium von Annalena Baerbock bekanntgeworden. Die Bundesregierung erkennt Taiwan nicht offiziell an und unterhält nur zur Volksrepublik diplomatische Beziehungen.

China und Taiwan: Staatschef Xi Jinping droht mit Gewalt

Zuletzt gab es allerdings vermehrt Kontakte zur taiwanischen Regierung. So empfing Stark-Watzinger im November ihren taiwanesischen Amtskollegen Wu Tsung-Tsong in Berlin, zudem reiste die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, Franziska Brantner (Grüne), nach Taiwan. „Besuche in Taiwan oder aus Taiwan sollen dann stattfinden, wenn sie in der Sache sinnvoll sind, um die in der Koalitionsvereinbarung festgelegten Ziele unserer Taiwanpolitik umzusetzen“, fordert Grünen-Politiker Bütikofer, der auch Vorsitzender der Delegation für die Beziehungen zur Volksrepublik China im EU-Parlament ist.

China betrachtet das demokratisch regierte Taiwan als abtrünnige Provinz, obwohl der Inselstaat nie Teil der Volksrepublik war. Die Regierung in Peking fordert seit Jahren die „Wiedervereinigung“ mit Taiwan. Chinas Staats- und Regierungschef Xi Jinping machte zuletzt auf dem Parteitag im Oktober deutlich, dass China zwar eine friedliche Lösung der Taiwan-Frage anstrebe, „aber niemals versprechen wird, auf die Anwendung von Gewalt zu verzichten“. Zuletzt äußerten Mitarbeiter von Robert Habecks Wirtschaftsministerium die Befürchtung, eine chinesische Invasion könnte spätestens 2027 stattfinden – zum 100. Jahrestag der Gründung von Chinas Volksbefreiungsarmee.

https://www.merkur.de/politik/china-taiwan-konflikt-krise-stark-watzinger-besuch-deutschland-fdp-reinhard-buetikofer-zr-91973020.html

Der Global Times war die Ankündigung des Taiwanbesuchs der deutschen Bildungsministerin zuerst noch keine Zeile wert, während es bei der Taipeh Times gleich der dritte Artikel ist. Andere Beispiele an deutscher und taiwanesischer  Reisediplomatie werden auch genannt, so auch der Deutschlandbesuch des taiwanesischen Bildungsministers, von dem man gar nichts mitbekam. Scheinbar hat nicht einmal China protestiert.

Wed, Dec 14, 2022 page1

“German minister to visit for first time in 26 years

Staff writer, with CNA, BERLIN

German Minister of Education and Research Bettina Stark-Watzinger is scheduled to visit Taiwan next year, which would be the first time in 26 years that Taiwan is to host a visiting German ministerial-level official.

Stark-Watzinger’s planned visit to Taiwan was revealed on Monday by her Free Democratic Party (FDP) colleague Peter Heidt, who led the Bundestag’s Committee on Human Rights and Humanitarian Aid on a visit to Taiwan in October.

A visit to Taiwan by Stark-Watzinger next year would be significant in enabling Germany to advance its relationship with Taiwan, Heidt told a forum in Berlin.

Digitalization, culture, academia and legal affairs are some areas in which Germany and Taiwan can expand bilateral exchanges, Heidt said at the forum titled “Democracies in Dialogue: Democratic Change and Human Rights in Taiwan.”

The last time a German minister visited Taiwan was then-German minister for economics Gunther Rexrodt in 1997.

Since German Chancellor Olaf Scholz and his coalition, which includes the FDP, took office in December last year, relations between Taiwan and Germany have warmed, with Germany highlighting Taiwan as a “value partner,” and an important economic partner.

Minister of Culture Lee Yung-te (李永得) visited Germany in June, meeting with German Commissioner for Culture and the Media Claudia Roth at the Bundestag, while National Science and Technology Council Minister Wu Tsung-tsong (吳政忠) also visited Germany as part of his trip to Europe last month and met with Stark-Watzinger.

The trips by Lee and Wu were both the first such visits by Taiwanese ministers.

Meanwhile, Petra Sigmund, director-general for East Asia, Southeast Asia and the Pacific at the German Foreign Office, and Franziska Brantner, German parliamentary state secretary at the Federal Ministry for Economic Affairs and Climate Action, both visited Taiwan this year.

The forum on Monday was held by the German-Taiwanese Association and was attended by National Human Rights Commission Chairwoman Chen Chu (陳菊), who is leading a delegation on a visit to France and Germany focusing on human rights issues.

https://www.taipeitimes.com/News/front/archives/2022/12/14/2003790684

Inzwischen wurde der Taiwan-Besuch der Bildungsministerin in der Global Times mit einem Tag Verspätung thematisiert. Er stünde aber noch nicht offiziell fest und es gebe da noch Differenzen in der Ampel. Man scheint dies aber nicht sonderlich ernst zu nehmen, sondern schreibt von irrationalen Geräuschen, die die Mainstreammeinung in Deutschland mit China stabile Handelsbeziehungen zu haben nicht beeinträchtigen könnten.

 “GT Voice: Germany’s interests harmed by hardliners‘ irrational claims

By Global Times Published: Dec 14, 2022 11:53 PM Updated: Dec 15, 2022 12:00 AM

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At a time when both China and Germany have shown their willingness to further deepen mutually beneficial cooperation between the two sides, it is selfish of a few German politicians to stubbornly choose to show their tough attitude toward China by provoking China’s sovereign rights, which only reflects their disregard for Germany’s overall interests.

German Minister of Education and Research Bettina Stark-Watzinger wants to visit Taiwan island next year, her Free Democratic Party (FDP) colleague Peter Heidt revealed at a recent forum in Berlin, according to German media outlet Tagesspiegel on Tuesday.

The Tagesspiegel report also mentioned when asked about the visit on Tuesday, the German Federal Ministry of Education and Research neither officially confirmed nor denied it. Apparently, there are still uncertainties about the highly controversial visit.

If confirmed, the visit will show that some German politicians, out of their own political interests, like to indulge in petty moves to stir up trouble for China-Germany relations. They try to create a tough atmosphere against China, subverting the political basis of German cooperation with China,which only because they believe Germany’s dependence on China has come to the level that can endanger the so-called „national security.“

But these political gimmicks don’t change the fact that bilateral cooperation remains the mainstream voice when it comes to China-Germany relations. Whether German companies choose to alienate their important trading partners for such ludicrous political reason or not is up to the business community, not politicians.

The fact that China has become an important investment destination for large-scale German companies in recent years is sufficient to demonstrate the resilience of bilateral economic ties amid political headwinds. Currently, there are more than 5,000 German companies developing in China, with German direct investment in China exceeding $90 billion as of the end of 2021. In the first eight months of this year, German actual investment in China jumped 30.3 percent year-on-year, according to data from China’s Commerce Ministry. Mercedes-Benz, for example, sells nearly three times as many cars in China as it does in the US; while China accounted for 33 percent of BMW’s global sales in 2021.

In September, German chemical giant BASF SE announced the first plants of its Verbund site in the city of Zhanjiang, South China’s Guangdong Province, started production. It is expected to receive total investment of up to 10 billion euros by 2030, which is BASF’s largest investment to date.

These real investment cases are the result of market rules and business decisions, also a microcosm of economic globalization, which is the manifestation of the trust and confidence of these German companies in the Chinese market.

Fundamentally, such confidence stems from the steady development of China-German economic and trade relationship. In 2021, total trade between China and Germany reached 245.3 billion euros, accounting for 35 percent of total China-EU trade. China remained Germany’s largest trading partner for six consecutive years. Moreover, China’s willingness to maintain a stable trade policy with Germany in the long run hasn’t changed.

As the energy crisis intensifies in Europe, companies in many European countries, including Germany, are facing greater operational pressure amid higher costs. At this juncture, if they can continue to expand their business in China, there will be more opportunities and support for German companies to pull through the difficult times.

Therefore, while there are irrational anti-China voices in Germany, there are also more mainstream calls from the business and political circles for pragmaticism and steadiness when it comes to making China policy.

Against the backdrop of the sluggish global economic recovery and unrest triggered by unilateralism and hegemony in many parts of the world, it is more essential than ever for China and Germany to give rise to the voice of cooperation in the near future, instead of being carried away by irrational noises.

https://www.globaltimes.cn/page/202212/1281905.shtml

Sinologieprofessor van Ess kommentierte noch:

„Wenn die sich da mal nicht täuschen. Ich glaube, die Stimmung in Deutschland ist ganz schön gekippt.Die Zeichen stehen auf Sturm. Die Grünen und die FDP wollen die Beziehungen mit China nachhaltig zurückfahren. Fragt sich, was die Ministerin in Taiwan wirklich will – die denken offenbar, dass man die VR China in der Forschungspolitik einfach durch Taiwan ersetzen kann, weil es dort eine erfolgreiche Chip-Industrie gibt. Das ist natürlich illusorisch und hat recht wenig mit echtem wissenschaftlichem Austausch zu tun.“

Ich kenne mich im Bereich der Bildungs- und Forschungspolitik und den wissenschaftlichen Austauschprogrammen nicht sonderlich gut aus und habe da keinen Überblick . Aber anzunehmen ist, dass die Taiwanesen  da wie die Chinesen, Japaner, Südkoreaner und Inder auch einige interessante Sachen , nicht nur auf die Chipproduktion begrenzt, haben. Sonstige IT, Quantencomputer, Nanotechnologie, Quantentechnologie, Biotechnologie, etc. Und umgekehrt- Impfstoffe nicht vergessen-da ist Sinovac wohl eher Klump.

Aber neben der Technologie, dürfte es auch um Ideologie gehen-konkret die Interpretation des Konfuzius durch das demokratische Taiwan und das neototalitäre China samt Konfuzius- Institute. Vorstellbar ist,, dass Heiner Roetz da für FDP/Grüne eine gute Addresse ist, auch in Sachen Konfuziusinterpretation, zumal er ja statt dem Hegelschen und Weberianischen Substanzparadigma ein Subjektivitätsparadigma sieht, das Demokratie, öffentliche und subjektive Rechte schon im Konfuzianismus angelegt betrachtet im Gegensatz zur KP China, Hegel, Weber, Eisenstadt, Tu Weiming und dem Mainstream der Sinologie, in derer Roetz mehr als der Aussenseiter erscheint, aber bei einer konfrontativeren und systemischen  Chinastratgie als Baerbocks Hofphilosoph  vielleicht auch einen gewissen Hype innerhalb der Sinologie erfahren könnte.

Heiner Roetz (* 7. Januar 1950 in Winterberg) ist ein deutscher Sinologe. Er ist Professor für die Geschichte und Philosophie Chinas an der Ruhr-Universität Bochum. Roetz war zeitweise Dekan der Fakultät für Ostasienwissenschaften und von 2000 bis 2003 Vorsitzender der Deutschen Vereinigung für Chinastudien e. V. (DVCS).[1] Von 2002 bis 2006 war er Sprecher der DFG-Forschergruppe Kulturübergreifende Bioethik.[2]

Leben

Nach dem Studium der Sinologie und Philosophie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main promovierte er 1983 und habilitierte sich 1990 in Sinologie. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Chinesische Ethik, Chinesische Religionsgeschichte, Geschichte des Konfuzianismus, Chinesische Kultur und Menschenrechte,[3] Tradition und Moderne in China. Roetz bezieht sich auf die Diskursethik Karl-Otto Apels und vertritt – als Minderheitsposition unter den deutschen Sinologen – ein Verständnis seiner Wissenschaft, wonach sinologische Themen nicht nur fachintern, sondern auch öffentlich zu verhandeln sind, darunter auch solche, die politisch relevant sind.[4]

Anlässlich der Verleihung des Friedensnobelpreises an Liu Xiaobo im Dezember 2010 organisierte Roetz als einziger deutscher Sinologe eine Podiumsdiskussion zu den Umständen der Verleihung und den Menschenrechtsverletzungen in der Volksrepublik China.[5] Er beschäftigt sich mit den Vorstellungen Liu Xiaobos zu Demokratie und Menschenrechten, die auf der europäischen Geistesgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts beruhen – Liu lehnt die Berufung auf chinesische Traditionen ab – und stellt die These auf, dass Konfuzius und seine Schüler bereits einige dieser Ideen vorweggenommen haben und daher der Menschenrechtsdiskurs mit genuin chinesischen historischen Ideen partiell vereinbar ist.[6] Auch in weiteren chinesischen philosophischen Traditionen, wie bei Mo Di im 5. Jahrhundert v. Chr., der den „Primat des besseren Arguments“ hervorhob, sind laut Roetz solche Tendenzen zu finden. Er wendet sich gegen die neueren kulturalistischen Auffassungen in den Geistes- und Sozialwissenschaften – auch und besonders in der Sinologie –, die explizit die universelle Bedeutung von Demokratie und Menschenrechten verneinen aufgrund unvereinbarer historischer und kultureller Unterschiede und kritisiert den wachsenden Einfluss der Volksrepublik China auf die westliche Sinologie.[7]

Anfang April 2011 setzte sich Roetz wiederum kritisch mit der offiziellen Politik der VR China und der Reaktion deutscher Institutionen darauf auseinander. Der Künstler und Dissident Ai Weiwei war am 3. April 2011 inhaftiert und an einen bisher unbekannten Ort verbracht worden. Gleichzeitig organisierten drei deutsche Museen die Ausstellung Die Kunst der Aufklärung in Peking. In seinem Artikel China, Ai Weiwei und die Aufklärung. Die Kritik der reinen Anti-Vernunft schreibt Roetz, sich auf die deutschen Aufklärer Immanuel Kant und Christian Wolff beziehend:

„Die Freiheit des eigenen Urteils einzufordern, war nicht nur im Preußen des 18. Jahrhunderts ein gefährliches Unterfangen; sie ist es auch im China der Gegenwart. Die anciens regimes hier wie dort fürchten die «Emanzipation des Geistes von den Institutionen», wie Madame de Staël die Aufklärung bündig auf den Begriff brachte. Es stellt eine für die Regierenden Chinas unangenehme Verbindung her, dass auch die Tiananmen-Bewegung sich als «neue Aufklärung» verstand.“[8]

Roetz referiert den Universalgelehrten Wolff, der von Konfuzius ausgehend postulierte, dem Menschen wohne eine natürliche Vernunft inne, so dass seine Handlungen moralisch sind und sich nicht nach den Bedürfnissen der Obrigkeit richten. Der Bochumer Sinologe bezieht diese Aussage auf die chinesischen Verhältnisse und resümiert:

„Bekundungen des aufrechten Ganges finden sich in vielen Teilen des konfuzianischen Kanons. Sie wurden schon von den Machtapologeten des antiken China der selbstverliebten Exzentrik verdächtigt.“[8]

Auch gegen Ai Weiwei wird Roetz zufolge der Vorwurf des einzelgängerischen Außenseitertums erhoben. Der gegenwärtige Bezug auf Konfuzius sei lediglich „Fassade“. „Konfuzianismus und Aufklärung“ hält er für „eine gute Alternative“.[8]

Ende Mai 2011 veranstaltete Heiner Roetz eine Podiumsdiskussion in der Universität Bochum zu den Mneschenrechten in China am Beispiel Ai Weiweis.[9]

https://de.wikipedia.org/wiki/Heiner_Roetz

Konfuziuséxperte Van Ess meint, dass sich Heiner Roetz oft zu stark auf die alten konfuzianischen Texte konzentriert, ihre historische Interpretation und Rezeption in späteren Epochen aber ausklammert. Van Ess selbst legt großen Wert auf die spätere Entwicklung des Konfuzianismus. In einer programmatischen Schrift mit dem Titel „Ist China konfuzianisch“ hat er bezweifelt, dass es sinnvoll ist, das heutige China als konfuzianisch hinzustellen.

So kann man die Entwicklung des Konfuzianismus durch die Jahrhunderte nach: „Der Konfuzianismus“, Hans van Ess, CH. Beck, München, 2003 auch untergliedern in verschiedene Epochen, Rezeptionen und Interpretationen:

Im Laufe der Epochen hat sich der Konfuzianismus stark verändert. Die erste Phase beginnt mit Konfuzius um 500 v.Chr bis 300 vor Christus. Ab etwa 1000 v.Chr waren die Chou- Könige die Zentralmacht im alten China. Zu Konfuzius Zeiten befand sich ihr Reich im Verfall. Zentrales Thema der frühen Phase der Konfuzius Lehre bestand in der sogenannten „Goldenen Regel“: Was ich nicht will, das andere mir zufügen, das will ich auch nicht anderen zufügen.“ (Gespräche, 5.13). Die Lehre des Konfuzius war Vorbereitung auf den Dienst im Staat und an der Gesellschaft. Nach Hans van Ess bestand das Bildungsideal aus sechs Künsten: Riten, Musik, Bogenschießen, Wagenlenken, Rechnen und Schreiben. (Hans van Ess: Der Konfuzianismus, S.28)

Die ersten schriftlichen Überlieferungen der konfuzianischen Lehre stammen von Meng-tzu, der als Basis für die Lehre auf fünf Kardinaltugenden verweist, die (je nach Abstammung) dem Menschen angeboren sind: Menschlichkeit, Rechtlichkeit, sittliches Empfinden, Klugheit, Tapferkeit (nach S.32). die Schwerpunkte der ersten Phase lagen also auf tugendhaftem Handlen und Verhalten im Staatsdienst.

In der zweiten Phase erließ der Kaiser von Ch’in ein Verbot gegen die Gelehrten, Die Gebildeten sollten „ihre Quellen verlieren, anhand derer sie gegen Gesetzesregeln argumentieren konnten.“ (S.39) Diese Herrschaft (um 200 v.Chr.) hielt sich jedoch nur wenige Jahre, dann begann die Herrschaft der Han unter denen später eine kaiserliche Hofschule gegründet wurde, um einen allgemeinverbindlichen Ausbildungsstandard zu schaffen. Hier wurde zur obersten Maxime die Loyalität des Untertanen seinem Herrscher gegenüber erhoben. Es begann der Rückgriff auf die Tradition der Chou und ihrer Werte. Konfuzius galt nun als „Prophet einer idealen Staatsordnung.“ (S.43) Dabei wurde in der zweiten Phase verstäkt auf Werte des alten chinesischen Tradition zurückgegriffen.

Etwa ab dem 3. Jh. entwickelten sich Buddhismus und Taoismus als Gegenströmungen. Vor allem die Lehre Gautama Buddhas bedeutete ein Affront gegen die Kindesliebe und Untertanenliebe mit der Aufforderung, alle Menschen gleichermaßen zu lieben. In manchen kritischen Schriften wurde die Unvereinbarkeit hervorgehoben zwischen konfuzianischer Staatslehre und buddhistischer Erleuchtungslehre. Immer wieder gab es aber auch Abhandlungen, welche die verschiedenen Bereiche zu vereinen suchten.

Unter den T’ang, ab 600, erstarkten Buddhismus und Taoismus. Es wurden einerseits Konfuzius-Tempel errichtet, der Herzog von Chou verehrt und gleichzeitig Lao-Tse nachträglich zum Kaiser ernannt. Um 700 wurde Konfuzius zum König mit dem Titel „Der Verbreiter von Bildung“ ernannt. Ein weitverzweigtes Netz von Tempeln für Buddhismus und Taoismus breitete sich aus. Es vollzog sich gleichzeitig ein Erstarken der Religionen und der säkularen Weisheitslehren.

Han Yü, ein Literat, rief erfolgreich dazu auf, dem Vormarsch der Religionen Einhalt zu gebieten: Tempel wurden 845 geplündert, Statuen eingeschmolzen, Ländereien der Klöster konfisziert. Doch die Religionen und die Klöster erholten sich bald wieder und erstarkten erneut. Han Yü setzte den Schwerpunkt der konfuzianischen Lehre auf die Kontrolle der Gefühle und das Maßhalten. Dies bildet hier die „Basis und Aufforderung zur ständigen Arbeit des Menschen an sich selbst.“ (63)

Im 11. Jh. erleben wir eine konfuzianische Wende als dritte Phase. Die Sung- Dynastie ab 960 löste das Reich der T’ang ab. Die Klöster wurden zu Ausbildungszentren, in denen auch konfuzianische Texte gelehrt wurden. Ab dem 11. Jh. griff man vermehrt auf die alten Schriften des Meg-Tzu zurück zur Regelung der Staatsangelegenheiten. Die Herrscher sollten sich um das Volk kümmern, damit es nicht den Religionen anhing. „Konfuzianische Rhetorik hatte also immer etwas Patriarchalisches an sich: Eigentlich diente sie einer Elite, welche den eigenen Einfluss auf das Volk schwinden sah.“ (65)

Nun entwickelten die neokonfuzianischen Meister, allen voran die Ch’eng Brüder, die sich als Auserwählte sahen, mit der Aufgabe, den rechten Weg nach Meng-Tzu wiederzubeleben, Schriften zur Wiedereinläutung eines konfuzianischen Zeitalters. Dieser Neokonfuzianismus ist mit buddhistischen und taoistischen Elementen durchsetzt.

1127 brach die Dynastie unter dem Angriff des Reitervolks der Dschurdschen zusammen. Das Erbe der Ch’eng wurde nun über die buddhistischen Mönche fortgeführt. In der folgenden Zeit hat der Konfuzianismus immer mehr buddhistische Begriffe implementiert. War er früher die Lehre einer Elite, wurde er nun immer weiter verbreitet und wurde zur „Lehre vom Rechten Weg“. Nun wurde auch zum Studium der außerweltlichen Angelegenheiten die Meditation gelehrt.

Die Ming vertrieben die Mongolen 1368, man orientierte sich wieder an den kanonischen Schriften und kehrte zurück zu einer konfuzianischen Orthodoxie. Nun fand eine regelrechte Durchdringung der chinesischen Bevölkerung mit dem Konfuzianismus statt, vor allem aufgrund verbesserter Kommunikationsmöglichkeiten. Unter den Ming wurde alles strenger, die Unterordnungsrhetorik forderte unter anderem, dass Konfuzianerinnen dem Mann in den Tod folgen, die Betonung der Beziehungen wurde zur Forderung.

Genau diese Sittenstrenge wurde Anfang des 20 Jahrhunderts zum Ursprung für die anhaltenden Angriffe gegen den Konfuzianismus.

Fazit: Weder Religionen noch Weisheitslehren können in irgendeiner Weise losgelöst von den jeweiligen politischen Verhältnissen gedacht werden, obwohl sie diesen Anspruch erheben.

Worum sich der akademische Streit, der zugleich ein politisch- philosophischer ist dreht, kann man auch in Heiner Roetzs Video „Überlegungen zur chinesischen Moderne“ detailiert, wenngleich in besten abstrakten Philosophendeutsch begutachten:

Desweiteren sei empfohlen ein Gespräch zwischen Professor van Ess und Prof. Kubin über Konfuzianismus und chinesische Philosophie und ob es diese überhaupt gibt, sie auch eine Systematik, Metaphysik und Ontologie vergleichbar der deutschen oder europäischen hat oder nicht:

China, Konfuzius und der Kampf um die Deutungshoheit

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