Deutsche Aktienkultur: Rheinmetall im Dax- von der Ich AG zur EFG- AG zur Friedens AG?

Deutsche Aktienkultur: Rheinmetall im Dax- von der Ich AG zur EFG- AG zur Friedens AG?

Angesichts sonst sinkender Aktienwerte und SVB samt Credit Suisse-Ungewissheiten (Nicht mehr „too big to fail“, sondern inzwischen „too big to bail“ und der Frage, ob man Tucholskys Ratschlag: „Wenn sie einen Banker aus den Fenster springen sehen  springen sie ihm nach, es gibt bestimmt etwas zu gewinnen“ folgen sollte) , Abwanderung von Linde aus dem DAX , schafft es jetzt Rheinmetall als erster ausgezeichneter Rüstungskonzern erstmals in den Dax. Noch halb empört redet der SPIEGEL von Rüstungsindustrie, quasi Kriegsgewinnlern im Brechtschen Duktus: Die letzte Hoffnung der Reichen, Hunger, Krieg und Leichen, was wahrscheinlich Aktieninvestoren nicht abschrecken wird. Warum auch? Zudem es geht nicht um Krieg, sondern Verteidigung und Freiheit des Westens-scheinbar hat das der Spiegel noch nicht kapiert.

„Boomende Kriegswirtschaft Rheinmetall startet mit Kurssprung in den Dax

Der Krieg in der Ukraine tötet Zehntausende Menschen und traumatisiert wahrscheinlich Millionen. Die Rüstungsindustrie boomt indes – wie das Dax-Debüt des deutschen Konzerns Rheinmetall zeigt.“

https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/rheinmetall-startet-mit-kurssprung-in-den-dax-a-166607da-4d57-4545-ab5c-2f1d98364f1f

Also der Spiegel  hat in altem postheroischen, linksliberal-pazifistischem Augsteinschen Duktus, der dem Militär immer schon abgeneigt war , die Zeitenwende noch nicht ganz vollzogen. Das deutsche Land marschiert medial noch nicht ganz im Gleichschritt. Auch die wahnsinnige Neuigkeit, dass die Rüstungsindustrie während eines Kriegs bommt—was ist denn sonst zu erwarten: Dass sie schrumpft, dass sie wegen staatlicher anstehender und ausgeschriebener Milliardenprogramme nicht daran partizipieren will? Umgekehrt verspinnen Verschwörungstheoretiker die Rüstungsindustrie mit „Cui bono/Wem nützt es?“ wiederum als die Kriegsverursacher, als würden nicht Staaten, Politiker und geopolitische Interessen die Entscheidung über Krieg und Frieden treffen, zumal in welchem Ausmaß, sondern einige gierige Rüstungsindustrielle die politischen Zentralen beherrschen. Als hätte Rheinmetall den Ukrainekrieg beschlossen und entschieden. Das ist die verschwörungstheoretische Depolitisierung jedes Krieges, die einer rein von kleinkriminellen Vorstellungen gespeisten  ökonomischen Erbsenzählerlogik folgt. Die Grösse jeder Rüstungsindustrie und Militärs und die Bestimmungen des Einsatzes werden von den politschen und eben geopolitischen Vorstellungen der politischen Elite und des Staates bestimmt, wie auch die Rüstungsexporte und nicht von der Rüstungsindustrie, auch wenn es da mal die eine oder andere Parteispende gibt und natürlich auch Rüstungskonzerne möglichst viel von allem gerne hätte, wie auch jeder zivile Konzern. Nur sollte man auch bedenken, dass die sogenannte zivile Industrie 90% der US- amerikanischen Wirtschaftsleistung ausmacht, der MIK und die Rüstungsindustrie gerade mal 10%, insofern der Staat nicht auf Kriegswirtschaft umstellen will, was ja noch kommen kann, aber nicht weil die Rüstungsindustrie das entscheidet, sondern die Parteien, Politiker und der Staat im Kampf um ihre Weltmachtstellung.

In den meisten Presseberichten ist aber auffällig, dass man nur von Rheinmetall spricht, nicht die Wörter Kriegsindustrie, Rüstungsindustrie, Rüstungskonzern oder mehr soziologenmäßig Militärisch-Industrieller Komplex (MIK) verwendet, sondern diese Begriffe anders als der Spiegel scheinbar neutral und ohne Wertung meidet.

Dennoch bleibt die Frage, ob die Aufnahme Deutschlands größter Rüstungsschmiede nur Ausdruck der ökonomischen Kennziffern ist oder vielleicht auch den politischen Zweck verfolgt, die Aktienkultur nach der neoliberalen Ich AG und EFG- Aktien nachhaltig zu ändern und nun die Rüstungskonzerne aus ihrer moralischen und bisher auch politischen Schmuddelecke im Rahmen der Zeitenwende zu holen.  Vielleicht bürgert sich dann auch eine neue Sprachregelung ein. Nicht mehr Rüstungsindustrie und Rüstungskonzern, sondern militärischer Dienstleister oder Verteidigungsindustrie, Verteidigungsdiensleister, oder Verteidigungsunternehmen, ja vielleicht auch Friedens AG. Kriegsminister heißen  ja inzwischen Verteidigungsminister mit einem Verteidigungsministerium und Verteidigungshaushalt, warum dann nicht auch auf ökonomischer Ebene Verteidigungsdienstleister oder Verteidigungsunternehmen. Friedens AG würde momentan wohl doch noch zu sehr mit New Speak ala Orwell 1984 assoziiert, wenngleich auch USraketen schon Peacekeeper heißen nebst Merkelschen Muttinamen wie  Mother of all bombs oder für Waffensysteme auch gerne Namen aus dem Tierreich genommen werden. Rheinmetall gewinnt zwar zunehmend die gesellschaftliche Stellung, die Kanonenkönig Krupp bei Wilhelm und Adolf hatten, zumal Rheinmetall auch der erste Frontkonzern ist, der eine Fabrik in der Ukraine trotz Kriegsgefahr und russischen Bombardement bauen will – ob da Hermes und KfW in die staatliche Risikoabsicherung eingesprungen sind, die Habeck deutschen Unternehmen zukünftig für Investitionen in China verweigern will? Jedenfalls scheint man etwas genug zu haben von politisch korrekten Schwabs-Davosschen EFG- Investmentfonds und Alternativbanken und Ökobanken, die keine Rüstungsinvestitionen, Kinderarbeit, Umweltverschmutzung und so ganzen woken „Gutmenschenkrampf“ fördern wollen. Oder aber man gibt dem neuen Kanonenkönig Rheinmetall eben einen politisch korrekten Namen wie Friedens AG oder Friedensdienstleister oder Verteidigungsunternehmen oder Verteidigungsdienstleister. Mal sehen, welche Wendungen die deutsche Aktienkultur noch nimmt. Mal sehen, ob da ganze dann auch noch transqueergegendert wird: Friedensdienstleiter*innenunternehmen oder so ähnlich.

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