Jack Londons „Der Seewolf“: Der passende Film zur Zeitenwende
Um nicht am Wochendabend mal wieder vom Fernsehprogramm gefrustet zu werden, ja, gar in der Verzweiflung GEZ-Rebell und Wähler der FDP zu werden, habe mich nicht auf das TV verlassen, sondern zur selbstgewählten DVD gegriffen.
„Der Seewolf „nach dem Roman von Jack London lief zuerst in den 70er Jahren im ZDF. Von der Filmtechnik her: Ruhige Bilder, in die man sich vertiefen kann, keine hektischen Schnitte, Animationen, verstehbate Akustik ohne (Dolby Surround oder was immer ) Soundeffekte oder lange ewig untermalende Filmmusik, keine Übercolourierung oder Sanftzeichner oder düstere Überkontrastierung, alles wirkte relativ natürlich, ja man musste seine Augen erst mal wieder umgewöhnen von der heutigen Reizflut.
Der Seewolf ist der richtige Film zur Zeitenwende. Der verzärtelte, verweichlichte, gebildete,moralische, idealistische, pazifistische reiche Schriftsteller Humphrey Van Weyden kommt nach einem Schiffsunfall auf einen Robbenfänger und unter die Terrorherrschaft seines sozialdarwinistischen, gewalttätigen, dennoch intelligenten, moralverachtenden, nihilistischen, materialistischen Kapitän Wolf Larsen. Locke und Kant treffen Hobbes und auf dem Schiff ist jeder dem anderen ein Wolf, so auch der Alphawolf-Nomen est Omen: Wolf Larsen, der Seewolf, der zudem der Ansicht ist, dass nur wer arbeitet, und sich selbst erhalten und mit seinem Lohn überleben kann, lebenswert ist, wobei Geld rauben, auch mit Gewalt und Verbrechen auch in seiner Sicht erlaubt ist. Man nimmt sich, was man will, wenn man die Macht dazu hat, das Recht des Stärkeren, the survival of the fittest. Von Weyden muss lernen mit diesem ihm ungewohnten Gewaltmenschen, der sich außer Gosse und der Schule des Lebens in den Slums mit allen Mitteln und autodidaktisch angelesener Bildung hochkämpfte, umzugehen. Erinnert eben das nachkriegspazifistisvhe Wirtschaftswunderdeutschland, das nun mittels Strassenjungen und Gewaltmenschen Putin mit dem Ukrainekrieg Wehrhaftigkeit lernen muss und aus der Lockschen und Kantschen Welt nun in der Wolfsnaturwelt von Hobbes und Nietzsches „Gott ist tot“ aufwacht. Van Wedens Lernprozess des Auf- eigenen- Füßen- Stehens und Erlernen des Umgangs mit Gewalt erinnert ein wenig an Anton Hofreither, der nun nach Ausbruch des Ukrainekriegs schon gelernt hat, dass Gewalt notwendig sein kann und auch damit droht, „dem Straßengangster Putin eine ins Gesicht zu schlagen“.
Zudem schildert der Film auch San Francisco und Amerika an der Jahrhundertwende 1886 und dann 1906 samt Seefahrermilieu und Karibikinselromantik ähnlich wie Moby Dick.
Politisch aber nicht ganz korrekt. und wahrscheinlich hatte Jack London da wirklich aus der Perspektive eines weißen Mannes geschrieben: Wenn Schwarze, Eingeborene oder Frauen auftauchen an Humphrey van Weidens Seite, dann haben sie keine lange Halbwertszeit und sterben den Opfertod. So versucht van Weyden mit 2 Weissen und dem „Kanaken Uffti Uffti“(sic!) mit einem Boot vom Robbenfänger zu fliehen. Wolf Larsen entdeckt das, zerschießt aus der Ferne die Ruderpaddel, so dass das Boot nicht weiterfahren kann. Van Weyden springt ins Wasser um die Insel schwimmend zu erreichen ,aber dieses ist voller Haie, die auf ihn Kurs nehmen. Doch Kanake Uffti Uffti springt ins Wasser, lenkt die Haie ab, wird gefressen und rettet Van Weyden das Leben, der sicher den Strand erreicht und sich fragt, warum der Kanake Uffti Ufti das für ihn getan hat. Eine Antwort wird nicht gegeben und schnell zur Tagesordnung übergegangen. Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan. Ähnlich der Absturz eines Eingeborenenjungen, der mit Van Weyden eine steile Felswand am Meer hochklettert, um dramaturgisch zu illustrieren und verdeutlichen, dass das wirklich echt gefährlich ist. In den älteren Filmen sterben meist die Schwarzen zuerst oder als einzige oder opfern sich für Weiße. Erst mit Sydney Portier änderte sich das allmählich, bei Kommödien mit Eddy Murphy und Nick Nolte kam man nicht in die Verlegenheit und erst mit Gran Torino starb der weiße Dirty Harry Clint Eastwood den Opfertod für die Minderheit der Hmong .Ich wäre ja Mal gespannt, wenn Der Seewolf der 70er Jahre heute im Fernsehen käme, ob man dann diese Szenen herausschneidet. Bei 3 Sat und ARTE sicherlich nicht, denn da werden die alten Schinken inklusive Western mit John Wayne ja bewusst gezeigt, um die rassistischen und sexistischen Verbrechen und Abgrunde des angry white man quasi kronzeugenmäßig zu dokumentieren und vorzuführen Wobei ich den Begriff des „Angry White Man“ das erste Mal in Deutschland als Buchtitels des gleichnamigen Buchs von US- Filmemacher Michael Moore hörte und las, was zu dessen Popularisierung und Verbreitung katalysierende Wirkung hatte. Wobei unklar ist, ob Michael Moore ihn erfunden hat oder nicht übernommen hat von dem woken, postmodernistischen, postkolonialen Genderfeminismus. Jedenfalls stellte Raimund Harmsdorf, der den Seewolf Wolf Larsen spielte, den Archetyp dessen verkörperte, was woke Leute heute als „toxische Männlichkeit“ bezeichnen. Deswegen wurde er auch als US- Militär und Gegenspieler von Bud Spencer im Film „Sie nannten ihn Mücke“ ausgewählt. „Der Seewolf“ wurde bei uns männlichen pubertierenden Jugendlichen auch durch die archetypische , pure und nackte physische Gewalt symbolisierende Kraftmenschenfilmszene bekannt, als der Seewolf mit der bloßen Hand eine rohe Kartoffel zerquetscht, was wir damals alle versuchten nachzuahmen. Vergeblich. Denn in Wahrheit zerquetschte Harmsdorf eine gekochte Kartoffel, was wir damals aber noch nicht wußten.
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