Erste Kommentare zu Ex- NATO-General Naumanns Kritik der deutschen NSS: „Wichtiger als eine Sicherheitsstrategie zu schreiben ist und bleibt daher, nationale Sicherheitsstrategie zu machen ! „

Erste Kommentare zu Ex- NATO-General Naumanns Kritik der deutschen NSS: „Wichtiger als eine Sicherheitsstrategie zu schreiben ist und bleibt daher, nationale Sicherheitsstrategie zu machen ! „

Ex- NATO- General Klaus  Naumanns Bewertung der ersten deutschen Nationalen Sicherheitsstrategie kommentierte Chinaexperte und Sinologieprofessor der LMU Professor van Ess derfolgt:

„Was Naumann angeht: Ich fragte mich, was er mit „Bestrebungen mancher Staaten, allen voran China, die Freiheit der hohen See einzuschränken“ meint. Ich denke mal, es wäre deutlicher, wenn er sagte, dass wir uns klar auf die Seite der USA stellen und die Ansprüche, die China im südchinesischen Meer erhebt, ablehnen. Eigentlich müsste man wesentlich deutlicher formulieren, was die Chinesen da wollen und warum es eine Einschränkung der Freiheit der hohen See ist, unter der unsere deutschen Schiffe leiden werden. Das würde ich tatsächlich gerne wissen.

„Man sollte im Vorgriff auf die China-Strategie bereits in der NSS folgern, dass vermutlich nur im gemeinsamen Handeln der USA, der G 7 und Europas die Chance liegt, eine Konfrontation mit China zu vermeiden.“ Was soll das heißen? Dasselbe wie vorher: Wir sollen den USA folgen und die deutschen Interessen in China zurückstellen. Wie durchdacht ist das? Oder will er sagen, wir sollten eine gemeinsame Position finden, bei der wir auch auf die USA einwirken, dass sie ein wenig weniger konfrontativ auftritt? Dann könnte ich dem folgen, auch wenn ich glaube, dass auf eine solche Hoffnung dasselbe zutrifft wie das, was Naumann zum Wunsch nach einer Änderung des Weltsicherheitsrats sagt: Unrealistisch. Und deshalb wäre es klug, wenn man sich das gemeinsame Handeln sehr genau überlegt.

„Die NSS folgert zutreffend, das Europas Verteidigung Aufgabe der NATO bleiben muss und in diesem Rahmen die ununterbrochene nukleare Teilhabe Deutschlands durch vorrangige Beschaffung moderner Trägermittel für in Deutschland lagernde amerikanische Nuklearwaffen auch künftig zu gewährleisten ist. Dieser Schutz ist nur durch die USA sicherzustellen.“ Das bedeutet, dass wir Teile unserer Souveränität aufgeben, genauso wie wir das bis zum 2+4 Vertrag tun mussten, weil wir einen Krieg verloren hatten. Aber was heißt hier „nukleare Teilhabe“? Können wir bestimmen, was mit diesen Waffen geschieht, wenn wir dafür moderne Trägermittel bereitstellen? Da habe ich ernsthafte Zweifel. Ich glaube ja, das bedeutet, dass wir für den Transport von Atomwaffen zahlen dürfen, die Entscheidungen aber in Washington gefällt werden.

Und schließlich im Teil „Nachhaltig“: „Vorbehalten der Bürger könnte man begegnen, wenn man deutlich machte, dass Deutschlands Anteil an den weltweiten Emissionen marginal ist und von daher jede Hoffnung auszuschließen ist, das deutsches Vorbild zur Nachahmung führen könnte.“ Ich denke, man könnte schon auf Nachahmung hoffen. Allerdings nur, wenn man tatsächlich ein Vorbild wäre, das andere akzeptieren. Bei dem heillosen Chaos in der deutschen Energiepolitik gibt es tatsächlich keine Hoffnung darauf, dass andere uns folgen. Das hat aber nichts mit Deutschlands geringem Anteil an den weltweiten Emissionen zu tun, sondern nur mit grenzenloser Dummheit von Seiten deutscher Politik. Ich gestehe, dass ich den ganzen Teil „nachhaltig“ für ein Zugeständnis an die Grünen halte. In einer nationalen Sicherheitsstrategie hat das nichts zu suchen, wie auch Naumann ganz richtig sagt, dass es sich hier eigentlich eher um eine Sammlung von Maßnahmen handelt, die diese Bundesregierung in ganz anderem Zusammenhang beschlossen hat. Es geht also nicht um eine Strategie, sondern darum zu behaupten, dass die Maßnahmen, die man in der Vergangenheit eingeleitet hat, von einer anderen Regierung nicht kassiert werden dürfen.

Und zum Punkt multipolar: Ich hatte ja schon mal gesagt, dass ich das für ein wichtiges Schlagwort halte, auch wenn die Chinesen es erfunden haben sollten. Eine Monokultur, die nur auf einem sich englisch äußernden Weltverständnis basiert, ist für uns alle gefährlich, auch für die USA, obwohl sie in diese Richtung drängen. Das amerikanische System ist nur deshalb erfolgreich, weil es Ansätze aus anderen Kulturen integrieren kann. Monokulturen führen langfristig zum Tod der Saat. Ich glaube deshalb, dass es sehr wohl wichtig ist, darauf hinzuweisen, dass Deutschland und Frankreich in verschiedenen Punkten eben auch Pole sind, an denen andere Ansichten vorherrschen als in Washington, und dass diese Ansichten auch gehört werden sollten. Hier gilt allerdings natürlich das im letzten Abschnitt Gesagte. Man muss schon wissen, was man mit der Multipolarität selber will, es kann sich ja auch nicht um die Übernahme der chinesischen Diktion handeln. Aber in Europa hat man 2014 am Beispiel der Ukraine sehr schön gesehen, dass es besser gewesen wäre, wenn die USA hier nicht so eine starke Rolle gespielt hätte, sondern Europa den Europäern überlassen hätte.

Das zunächst als kurze Reaktion.“

Gute und auch sehr präzise Einwände, wobei Global Review der Analyse Jägers zuneigt, dass es momentan eher auf eine neue Bipolarität herausläuft, wobei Deutschland da seine Wirkmöglichkeiten etwas überschätzt. Umgekehrt bedeutet es aber auch nicht, dass man gar keine hätte oder gleich am besten das Maul hält und nur noch gehorcht und alles Laufen lässt. Ebenso ist das weniger eine Multikultifrage, auch wenn Xi eine Glbal Civilization Initiatve vorantreibt. Professor van Ess meinte dazu noch:

„Ja natürlich: Wir sind nur eine Mittelmacht. Das heißt aber nicht, dass wir uns hinter anderer Rockzipfel verstecken sollten, denn dann berücksichtigt man unsere Interessen nicht. Vad’s Kommentar ist gut, und tatsächlich nerven diese dümmlichen Titulierungen, die man in den Medien, besonders gerne aber in der Springerpresse findet.

Hier noch der Kommentar von Merkels Ex-Militärberater General Vad, der heute in BILD als „Putinfan entlarvt“ wurde. Schon übel diese Ettiketten, ist er das doch nicht und hat eben Bedenken vor einer möglichen Eskalation.

“Ich stimme der kritischen Analyse von Naumann uneingeschränkt zu. 
Es war zu erwarten , das die NSS in vielen Punkten eher vage und allgemein bleiben muss wie z.B. das Weissbuch, die europäische Sicherheitsstrategie oder die NATO-Strategie eben auch. Man kennt ja zu genüge die bekannten sicherheitspolitischen Allgemeinplätze.  Die sind schon dem Umstand geschuldet, dass 3 Koalitionsparteien sich in dem Papier wiederfinden müssen, was schon eine positiv zu bewertende politische Leistung ist. Man kann sich zudem bei Sicherheitsfragen, die das Bund-Länder Verhältnis betreffen, schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, obwohl faktisch innere und äußere Sicherheit untrennbar zusammengehören. 

Aber Papier ist bekanntlich geduldig und das Entwerfen Potemkinscher Dörfer macht und nicht wirklich sicher. 

Wichtiger als eine Sicherheitsstrategie zu schreiben ist und bleibt daher, nationale Sicherheitsstrategie zu machen ! 

Wir brauchen dazu keinen Nationalen Sicherheitsrat, sondern das Aktivieren des Bundessicherheitsrates als Kabinettsausschuss unter Leitung des Bundeskanzlers. Da müssen die Hard Core Themen unserer nationalen Sicherheit thematisiert werden, nicht nur Rüstungsexportentscheidungen, die politisch ja auch nicht mehr so brisant sind wie vor dem Ukrainekrieg. Für mich sind die da vorrangig zu behandelnden Fragen z.B. : Wie bekommt DEU Energiesicherheit hin durch Diversifizieren ? Wie, wann und in welcher Stärke kann die Bundeswehr ihre NATO-Committments erfüllen ? Ist die haushälterische, finanzielle Unterfütterung der Wiederherstellung der Einsatzbereitschaft der BW nachhaltig sichergestellt ? Was bedeutet „ De-Risking „ gegenüber China konkret ? Was bedeutet es für Sicherheit Deutschlands, wenn der Ukrainekrieg zu einer Never ending story wird, das Kernkraftwerk Saporischschja zerstört wird oder der Ukrainekrieg in einen begrenzten Nuklearkrieg umschlägt und die NATO zur Kriegspartei wird ? Solche Themen bedürfen der gesamtstaatlichen Analyse und dem rechtzeitigen Entwerfen von Strategien, um nicht überrascht zu werden. 

Da hilft die jetzt vorliegende Nationale Sicherheitsstrategie nur bedingt weiter, obgleich es gut ist, dass sie endlich vorliegt. 

Und : man könnte im BSR auch mal überlegen, wie man die laufenden Waffenlieferungen an die Ukraine, die richtig sind, mit dem politischen Ziel von Verhandlungen verbindet bzw. wie eine mögliche Verhandlungsinitiative aus deutscher Sicht aussehen könnte ? Ich meine, was Brasilien, China oder der Vatikan schaffen, sollten wir auch hinbekommen, zumal diesbezüglich gerade Gespräche von Jack Sullivan in Kopenhagen laufen, weil so langsam jeder mit einem realistischen Blick Ausgestattete merkt, dass es die alles entscheidende Offensive, die zum Zusammenbruch Russlands führt, und damit eine militärische Lösung des Ukrainekrieges  wahrscheinlich nicht geben wird……

Ich weiß nicht genau, was den Anhängern eines Nationalen Sicherheitsrates so vorschwebt. Manche wollen eine oberste Analyseeinheit, angedockt ans BMVG oder AA. Aber das ist mir zu wenig politische Steuerung und operativ und Analysten haben wir genug in Deutschland……“ 

Ex- NATO- General Naumann meinte dazu:

„ Ich stimme der Ablehnung eines BSR durch Brigadegeneral Vad nicht zu. Er müsste aus seinen Jahren im Kanzleramt genau wissen, dass die Komplexität der Arbeit in der Umsetzung und Ergänzung einer NSS durch die normale Organisation nicht zu bewältigen ist. Das Ergebnis wäre Erstarren durch Verlangsamung und Routine. Deshalb ist eine neue Organisation geboten, die mit dem Nachdruck des Kanzlers die Ministerien und Länder zur Räson bringt. Ich sage das auch begründet durch meine Erfahrung als Verantwortlicher für den Abzug der chemischen Waffen aus Deutschland, der etliche Ministerien und Bundesländer zu einem Team zu formen hatte und das war kein Zuckerschlecken.“

Ex- General Vad meinte noch dazu:

„Noch einen Punkt zu Naumanns „ zum Räsonbringen von Ministerien und Ländern“. Das ist nicht so einfach wie beim Militär und stieße schnell auf verfassungsrechtliche, föderale und politische Grenzen, die man sehen muss. Wir sind keine Präsidialdemokratie!

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