10 Jahre Neue Seidenstraße BRI-eine Bilanz
Vor 10 Jahren verkündete die VR China ihr Projekt der Neuen Seidenstraße, das anfangs One Belt, One Road (OBOR), dann Belt Road Initiative (BRI) genannt wurde. Frankfurter Rundschau und Münchner Merkur widmeten dem zwei Beiträge, um eine Bilanz zu ziehen, die insgesamt eher positiv ausfällt, wie auch zur Selbstkritik der Europäer aufruft. Diese haben nun ihre europäische Seidenstraße Global Gateway mit 300 Mrd. Euro beschossen, von der man aber in den Medien bisher fast nichts hört. Zuerst ein Interview mit Peter Frankopan, einem der bedeutendsten Historikern der Gegenwart. Er ist Professor für Globalgeschichte an der Universität Oxford sowie UNESCO Professor of Silk Roads Studies am King‘s College in Cambridge. Sein Buch „Licht aus dem Osten. Eine neue Geschichte der Welt“ wurde 2016 ein weltweiter Bestseller, drei Jahre später folgte „Die neuen Seidenstraßen“. Zuletzt veröffentlichte Frankopan „Zwischen Erde und Himmel und Erde: Klima – eine Menschheitsgeschichte“.
„Wir in Europa sind ahnungslos, wenn wir über andere Teile der Welt nachdenken“
Stand: 07.09.2023, 10:16 Uhr
Von: Sven Hauberg
Seit zehn Jahren spaltet Chinas Neue Seidenstraße Beobachter weltweit. Historiker Peter Frankopan mahnt, das Projekt auch aus Sicht des Globalen Südens zu betrachten.
Am 7. September vor zehn Jahren präsentierte Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping erstmals seine Idee einer Neuen Seidenstraße. Xi schwebte ein gigantisches Infrastrukturprojekt vor, quer durch Asien und entlang des historischen Handelsweges. Rund 150 Länder haben sich dem Programm seither angeschlossen, auch in anderen Weltregionen. Die Neue Seidenstraße soll China mit dem Rest der Welt verbinden, steht aber seit ihrem Start auch massiv in der Kritik. Der britische Historiker Peter Frankopan hat sich intensiv mit dem Vorhaben beschäftigt – und mit dem Vorbild der antiken Seidenstraße, die einst vom chinesischen Xi‘an bis zum Mittelmeer verlief. Im Interview plädiert Frankopan dafür, die Seidenstraße nicht nur aus westlicher Perspektive zu beurteilen, sondern unseren Horizont zu weiten.
Herr Frankopan, als Xi Jinping 2013 seine Idee der Neuen Seidenstraße vorgestellt hat, sprach er von wirtschaftlicher Zusammenarbeit zum Nutzen der gesamten Menschheit. Zehn Jahre später isoliert sich China immer mehr vom Rest der Welt, und auch der Westen geht auf Abstand zu China. Ist Xis Idee gescheitert?
Die Neue Seidenstraße wurde in die Verfassung der Kommunistischen Partei Chinas aufgenommen. Das bedeutet, dass sie uns noch eine ganze Weile beschäftigen wird. Und auch wenn die Finanzierung von vielen Seidenstraßen-Projekten vor etwa fünf Jahren fast zum Erliegen gekommen ist, bedeutet das nicht, dass die Idee der Seidenstraße gestorben ist. Spannender ist für mich an der Neuen Seidenstraße aber ohnehin etwas anders als die bloße Frage, ob und wie irgendwelche Projekte finanziert werden.
Und zwar?
Spannend finde ich die Art und Weise, wie China mit der Neuen Seidenstraße eine Erzählung präsentiert hat, um sowohl dem eigenen als auch dem internationalen Publikum eine gemeinsame Geschichte unserer Gegenwart und unserer Zukunft zu vermitteln. Die chinesische Botschaft, dass wir alle zusammenarbeiten sollten, mag im Westen nicht besonders gut ankommen, zumal sie mit einer starken Dosis anti-westlicher Gefühle vermengt wird. Aber sie findet in vielen anderen Teilen der Welt sehr wohl großen Anklang. Denke Sie an den jüngsten Brics-Gipfel und die Bereitschaft vieler anderer Staaten und Volkswirtschaften, sich dem chinesischen Narrativ anzuschließen. Wir sollten also mehr darüber nachdenken, wie die Welt außerhalb des Westens aussieht.
„Es gab einige sehr prominente, katastrophale Projekte im Zusammenhang mit der Neuen Seidenstraße“
China bezieht sich mit der Neuen Seidenstraße auf die historischen Seidenstraßen, die für einen Austausch von Ideen und Kulturen standen. Davon merkt man derzeit wenig.
Viele stellen sich die historischen Seidenstraßen als einen Mechanismus des friedlichen Austauschs und des geteilten Glücks vor. Das ist nicht ganz falsch. Aber dieselben Netzwerke, die einst Händler, Waren und Ideen zusammenbrachten, verbreiteten auch Gewalt, neue Technologien und Krankheiten.Einer der am häufigsten vorgetragenen Kritikpunkte an Chinas Seidenstraßeninitiative ist, dass sie ärmere Staaten in die Schuldenfalle führe.
Es gab einige sehr prominente, katastrophale Projekte im Zusammenhang mit der Neuen Seidenstraße, etwa den Hafen von Hambantota in Sri Lanka oder ein Eisenbahnprojekt in Ostafrika, das die Küste mit dem Landesinneren verbindet. Diese Projekte haben zu Recht viel Aufmerksamkeit erregt. Aber sie sind eher die Ausnahme als die Regel. Viele Seidenstraßen-Projekte sind gut gelaufen – und waren gut für die Gemeinschaften vor Ort. Für Projekte, die in Schieflage geraten sind, hat sich China in vielen Fällen zudem als besserer Kreditgeber als westliche oder multilaterale Partner erwiesen, indem es Schulden großzügiger erlassen oder umstrukturiert hat.
Wie blickt man im Globalen Süden auf die Seidenstraße?
Einige meiner Kollegen in Entwicklungsländern merken oft – und manchmal auch verärgert – an, dass Politiker in vielen armen Staaten durchaus in der Lage seien, Risiken zu verstehen und Schulden zu verwalten. Die Vorstellung, dass sie irgendwie von China ausgetrickst oder durch Bestechungsgelder gelockt wurden, sagt viel darüber aus, wie wir im Westen auf Weltgegenden außerhalb Europas blicken. Außerdem wird damit der Eindruck erweckt, dass wir die „Guten“ sind, die andere retten können, indem wir sie vor der Bedrohung durch China warnen – ohne selbst etwas zu tun, um die Entwicklung voranzutreiben.
„Es wäre verrückt zu glauben, dass Staaten nicht immer auch geopolitische Motive verfolgen“
Ist unser Blick auf die Welt wirklich derart eingeschränkt?
Fragen Sie irgendeinen deutschen Politiker, Wirtschaftsführer oder NGO-Vorstand nach chinesischen Krediten an Afrika, und ich wette mit Ihnen um ein Bier auf dem Oktoberfest, dass fast alle schätzen würden, dass der Großteil der Staatsschulden jedes afrikanischen Staates bei China liegt. Nimmt man alle 54 Länder Afrikas zusammen, dann liegt der Durchschnitt der Schulden bei China aber nur bei etwa zwölf Prozent. Wir in Europa sind ahnungslos, wenn wir über andere Teile der Welt nachdenken.
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Also halten Sie auch nichts von der Behauptung, China gehe es vor allem um Geopolitik, wenn es im Ausland in kritische Infrastruktur wie etwa Häfen investiert?
Nennen Sie mich altmodisch, aber ist das nicht das Ziel von Außenpolitik? Sollten Staaten wie Deutschland an weit entfernten Orten investieren, die keinen strategischen Wert für sie haben? Es wäre verrückt zu glauben, dass Staaten nicht immer auch geopolitische Motive verfolgen. Ich denke, die Frage, die wir uns stellen sollten, müsste eher lauten: Sollten wir uns durch ein China bedroht fühlen, das Interessen in Regionen und an Orten von strategischer Bedeutung verfolgt? Die Antwort lautet natürlich: Ja. Aber wir müssen etwas dagegen tun, anstatt uns darüber zu beschweren, dass Konkurrenten, Rivalen und Gleichgestellte einen Plan haben und wir nicht.
Wie könnte dieser aussehen?
Zunächst: Das Ansehen des Westens ist überall auf der Welt, auch in Asien und weit darüber hinaus, sehr hoch. Nur wenige Menschen machen sich Illusionen über die Vorteile von Partnerschaften und Kooperationen mit Ländern wie Russland oder dem Iran; und in vielen Ländern Asiens, Afrikas und Nord- und Südamerikas gibt es eine Menge Widerstände gegen Einwanderung aus China.
„Wir sollten nicht versuchen, China in anderen Teilen der Welt ‚entgegenzuwirken‘“
Was folgt daraus für uns?
Wir sollten nicht versuchen, China in anderen Teilen der Welt „entgegenzuwirken“. Wir sollten Ländern mit niedrigem Einkommen zuhören, welche Art von Hilfe und Unterstützung sie wollen und brauchen. Darin sind wir nicht sehr gut. Wir versprechen oft viel und halten wenig; wir machen uns nicht die Mühe, etwas über die Geschichte anderer Völker zu erfahren oder sie mit Respekt zu behandeln; wir gehen davon aus, dass alle so sein wollen wie wir, ohne zu überlegen, ob unsere eigenen sozialen, wirtschaftlichen, politischen oder ökologischen Modelle verbessert werden können und sollten.
Haben Sie ein Beispiel?
Wir haben uns während der Pandemie furchtbar verhalten, weil wir den Markt für Impfstoffe in Europa für uns beansprucht haben, anstatt zu einer gleichmäßigen Verteilung beizutragen. Und wir haben uns letztes und dieses Jahr furchtbar verhalten, indem wir zuviel Flüssiggas gelagert haben, um unsere eigenen Preise auf Kosten einiger der ärmsten Menschen der Welt zu senken. Das sind Dinge, die vor Ort zur Kenntnis genommen und von unseren Rivalen und Konkurrenten aufgegriffen werden, um eine Erzählung über den Westen zu verbreiten, die auf fruchtbaren Boden fällt. Wir sollten mit unseren Taten und nicht mit unseren Worten vorangehen.
Wenn Sie 85 Prozent der Weltbevölkerung in Klassenzimmern und Geschichtsbüchern ignorieren, dann hat das Konsequenzen. Wir sind sehr gut darin, unser eigenes Spiegelbild zu bewundern – und auch darin, das zu sehen, was wir sehen wollen. Was mich interessiert, ist die Realität! Der preußische Historiker Leopold von Ranke hat uns völlig zu Recht ermahnt: Vermeidet Trugbilder und konzentriert euch auf das, was wirklich passiert!“
Interessanterweise nun schon der zweite positivere Artikel über Chinas Neue Seidenstraße der Ippen Medien Gruppe, nun auch im Münchner Merkur nach dem Interview mit dem Cambridge Professor. Selbstkritik an der EU wird dabei zusammengefasst in dem Satz eines afrikanischen Vertreters: „Sprechen wir mit China, bekommen wir einen Flughafen. Sorechen wir mit Deutschland, bekommen wir einen Vortrag“. Ob damit nur allein Baerbock gemeint ist?
„Zehn Jahre Neue Seidenstraße: Chinas Milliarden gehen um die Welt – und sicherten Peking Infrastruktur in Europa
Stand: 08.09.2023, 08:09 Uhr
Häfen, Bahnstrecken, Industrieanlagen: Zehn Jahre nach Xi Jinpings Startschuss für die Neue Seidenstraße hat China weltweit in Infrastruktur investiert. Auch in Europa – das daran selbst nicht ganz unschuldig ist.
Peking/München – Deutschland ist der Neuen Seidenstraße nie beigetreten, Italien will wieder hinaus: Chinas milliardenschweres Investitionsprogramm ist vor allem ein Projekt für den globalen Süden. 2013 hatte Staatschef Xi Jinping die Initiative mit einer Rede in Kasachstan ins Leben gerufen. Damals wollte er Zentralasien entlang antiker Handelswege vernetzen und den Warenaustausch ankurbeln. Inzwischen ist seine Neue Seidenstraße allerdings zu einem milliardenschweren globalen Infrastrukturprogramm geworden. Dort, wo es gut läuft, bekommen die Partnerländer Kraftwerke, Bahnlinien oder Straßen. Und China sichert sich umgekehrt geopolitischen Einfluss.
Seit 2019 ist Italien als einziges großes westliches Industrieland Mitglied. Doch diese Mitgliedschaft gilt der neuen Regierung von Giorgia Meloni als lästig, und schädlich für die Beziehungen zu den anderen G7-Staaten. Bis Jahresende muss Italien sich entscheiden, ein Austritt gilt als sicher. Eine Abkehr von China soll es aber nicht sein: Wie auch immer die Entscheidung ausfalle, „sie wird unsere Beziehungen nicht gefährden, und auf jeden Fall wird die Partnerschaft mit China gestärkt“, sagte Außenminister Antonio Tajani nach seinem China-Besuch Anfang dieser Woche in einem Fernsehinterview. Man werde es verschmerzen, ließ sein Amtskollege Wang Yi wissen.
Chinas Neue Seidenstraße: Zehn Jahre und 150 Mitgliedsstaaten
Denn auch ohne Italien hat die Seidenstraßen-Initiative knapp 150 Partnerländer. Denn auch wenn in Europa die Seidenstraßen-Initiative zunehmend kritisch gesehen wird, ist sie im globalen Süden weiterhin populär. Zwar gibt es immer wieder Berichte über Schuldenfallen oder Umweltschäden. Doch die armen Länder haben schlicht zuwenig Geld, um ihre Infrastruktur selbst zu bauen. Chinas Angebot passt daher zu ihrer Nachfrage. „Sprechen wir mit China, bekommen wir einen Flughafen; sprechen wir mit Deutschland, bekommen wir einen Vortrag“, sagte WTO-Chefin Ngozi Okonjo-Iweala diese Woche als Gast auf der Botschafterkonferenz im Auswärtigen Amt.
Deswegen sind praktisch alle afrikanischen Länder Mitglieder der Neuen Seidenstraße, sowie alle in Südostasien und 13 Länder Südamerikas. In der EU sind die Mitglieder durchaus zahlreich: Neben Italien sind es Polen, Österreich, Ungarn, Griechenland, Portugal, Kroatien, Rumänien, Slowenien, Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen und Luxemburg. Hinzu kommen in mehrere Länder Südosteuropas, die Türkei, die Ukraine und natürlich Russland.
In Europa besitzt China die Mehrheit am griechischen Hafen Piräus und finanzierte den Bau der Bahnlinie von Budapest nach Belgrad. Solche Investitionen in EU-Mitgliedsstaaten machen es Brüssel seit Jahren schwer, eine einheitliche Haltung gegenüber China zu entwickeln. Vor allem Griechenland und Ungarn haben immer wieder Ansätze öffentlicher Kritik der EU an China torpediert. Auch in Südosteuropa vergab Peking zinsgünstige Kredite für Infrastruktur und Energieprojekte; vor allem Serbien positioniert sich derzeit sehr China-freundlich.
Der Schwerpunkt der Neuen Seidenstraße liegt indes nicht in Europa, sondern im Globalen Süden. Derzeit schließt China nach Daten der bundeseigenen Germany Trade & Invest (GTAI) die meisten und größten Verträge auf der arabischen Halbinsel ab, vor allem zur Energiewende. Zu den bekanntesten realisierten Projekten gehören der China-Pakistanische Wirtschaftskorridor (CPEC) – ein Netz von Energieanlagen, Industriezonen, Straßen, Eisenbahnen und Häfen – , eine kenianische Normalspurbahn und die Hochgeschwindigkeits-Bahnstrecke Jakarta-Bandung in Indonesien. Am Mittwoch verhandelten China und Indonesien gerade erst über eine Verlängerung der Strecke.
Und die Kritik? „Es gab einige sehr prominente katastrophale Projekte im Zusammenhang mit der Neuen Seidenstraße, etwa den Hafen von Hambantota in Sri Lanka oder ein Eisenbahnprojekt in Ostafrika, das die Küste mit dem Landesinneren verbindet“, sagte der britische Historiker Peter Frankopan. kürzlich im Interview mit IPPEN.MEDIA. „Diese Projekte haben zu Recht viel Aufmerksamkeit erregt. Aber sie sind eher die Ausnahme als die Regel. Viele Seidenstraßen-Projekte sind gut gelaufen – und waren gut für die Gemeinschaften vor Ort.“ In Osteuropa beklagten manche Länder eher, dass China angekündigte Investitionen überhaupt nie realisierte.
Handel und Neue Seidenstraße: Chinas Projekte in Deutschland
In Deutschland war Chinas Staatsreederei Cosco am Bau eines Container-Terminals im Duisport beteiligt, dem größten europäischen Binnenhafen in Duisburg. Die Stadt ist Endpunkt der Seidenstraßen-Bahnverbindung aus China; jede Woche fahren von dort bis zu 60 Züge in verschiedene Städte der Volksrepublik. Für den Jade-Weser-Port Wilhelmshaven, Deutschlands einzigen Tiefseehafen, unterzeichnete China Logistics einen Pachtvertrag über 99 Jahre, um dort ein Logistikzentrum zu bauen. Und in Hamburg steigt Cosco jetzt nach langem Ringen zwischen der Hansestadt und der Bundesregierung mit einer Beteiligung von 24,9 Prozent an einem von drei Containerterminals ein. Es ging um die Frage, wie groß die Sicherheitsrisiken durch den Verkauf kritischer Infrastruktur an eine diktatorisch regierte Großmacht sind. Diese Grundsatzdebatte geht auch nach dem Kompromiss von Hamburg weiter.Früher war Europa indes nur zu bereit, Anteile auch an bestehender Infrastruktur abzugeben. Cosco und seine Partnerfirma China Merchants haben bereits in 14 europäische Häfen investiert. Sie übernahmen die Mehrheit im griechischen Hafen Piräus, im spanischen Valencia und dem belgischen Zeebrügge. Zeebrügge ist seither das am schnellsten wachsende Drehkreuz im weltweiten Cosco-Netz. Hinzu kommen Minderheitsanteile an Rotterdam, Antwerpen und wichtigen Mittelmeerhäfen. Dabei sind auch Spanien, die Niederlande und Belgien keine Mitglieder der Neuen Seidenstraße. „Chinas Investitionen unterstreichen seine langfristige Hafenstrategie in Europa: die maritime Vernetzung der Transportinfrastruktur. Cosco steht dabei stellvertretend für Staatsunternehmen, welche die Anbindung an und Integration in die Neue Seidenstraße vorantreiben“, erklärt der Seidenstraßen-Experte Jens Bastian von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.
Athens Hafen Piräus: Chinas Brückenkopf nach Europa
Piräus ist heute Brückenkopf der Neuen Seidenstraße in Europa und damit das wichtigste Hafenprojekt Chinas in der EU. Cosco hält inzwischen 67 Prozent am Hafenbetreiber. Griechische Reedereien hätten bereits vor mehr als zehn Jahren Cosco die Tür geöffnet, erzählt Bastian. „Diese Familienunternehmen ließen ihre Tankerflotte in Südkorea und China bauen, während sich Peking in Europa auf den Erwerb von Häfen und maritime Transportkapazitäten konzentrierte.“ Mögliche europäische Investoren hatten übrigens 2015 abgewunken. Auch das ist Teil der Geschichte.
Wirtschaftlich ist der einst marode Hafen von Piräus seit dem Cosco-Einstieg ein Erfolg. Schiffe aus Asien laufen heute nach der Durchquerung des Suezkanals als erstes Piräus an; Fracht wird dort für den ganzen Mittelmeerraum in kleinere Feederschiffe umgeladen. Doch Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis beschrieb das Verhältnis zu China 2022 trotzdem als „schwierig und komplex“. In der aktuellen Weltlage dürfte es künftig nicht einfacher werden.
Die Aussage des afrikanischen UNO- Vertreters „Wenn wir mit den Chinesen sprechen, bekommen wir einen Flughafen. Wen wir mit den Deutschen sprechen, bekommen wir einen Vortrag“ interpretert Sinologieprofessor Professor van Ess derfolgt:
„Vielleicht soll hier auch Deutschland unter Druck gesetzt werden: Baut uns doch mal einen Flughafen!“
Freilich, aber warum wird es „unter Druck“gesetzt? Die wollen halt wissen, was bekommen wir denn von der europäischen Seidenstraße Global Gateway im Vergleich zu Chinas Neuer Seidenstraße. Und sieht man sich die Liste der „Leuchtturmprojekte“ an, ist z.B. kein einziger Flughafen dabei oder Zugnetz. Letzteres läuft eher in privater, zumal deutscher Regie, z.B. Siemens und DB nun mit dem Zugnetz in Ägypten, was aber wie der neue Suezkanal eher der Initiative von General Al Sissi zu verdanken ist. Zumal der Flughafen auch noch ein dezenter Wink mit dem Zaunpfahl verstanden werden kann mit Blick auf den Berliner Flughafen und im Vergleich etwa zu China oder der Türkei, die ganze Luftverkehrsdrehkreuze in kurzer Zeit und dann auch noch funktionsfähig aus dem Boden stampfen. Will wohl sagen: Seid ihr überhaupt noch imstande Großprojekte effizient durchzuziehen, zumal sowohl EU als auch USA jahrzehntelang ihre Infrastruktur verkommen ließen.Die Global Times machte dazu auch schon ausgiebig spöttische Witze mit dem Tenor: Wie können die USA überhaupt nütze im Infrastrukturbau sein, wenn sie über die Infrastruktur eines 3.Weltlandes verfügen. Auch ist die Frage, inwieweit westliche Projekte wirkliche Grossprojekte meiden und lieber giesskannenmässig mittels der zahlreichen NGOs in dezentrale und kleine Projekte agieren, zumal dann eben auch „Vorträge“ an Staatsmänner und Bevölkerung des Global South halten und sie vom German way of life und neudeutschem Wesen, an dem die Welt genesen soll missionarisch überzeugen wollen. Wahrscheinlich in dieser Extremform auch nicht, aber Faesers Regenbogenarmbinde kommt da eben wie Baerbocks feministische Aussenpolitik gar nicht gut an, zumal aus Gesellschaften, die gerade aus Agrar-, Stammes-und Clangesellschaften rauswachsen wollen. Wobei interessant ist, dass bei Global Gateway doch einige wenige Großprojekte zu finden sind, an prominentester Stelle der Rogunstaudamm in Tadschikistan. Interessant,dass nun auch der usbekische Präsident nach seiner Verfassungsreform als das „neue Usbekistan“ in Berlin empfangen wurde,wie auch vom „Neuen Zentralsasien“schon desöfteren die Rede ist. Wobei die These des ehemaligen Putin-und Gazpromberster Dr. Alexander Rahr in diesem Zusammenhang interessant ist,dass Zentralasien nicht mehr Objekt der Geschichte, sondern nun Subjekt der Geschichte sei. Bleibt abzuwarten, wie eigenständig die Zentralasiaten das können, inwieweit sie da die Grossmächte gegeneinander ausspielen können oder eben vielleicht doch eher ein Objekt nicht der Geschichte, sondern ein Objekt Chinas sein werden. Zumibdestens scheint die EU da mit dem Rogunstaudamm dagegenhalten zu wollen. Zentralasien spielt auch etwa bei der Farge einer Nachkriegsordnung nach dem Ukrainekrieg eine wichtige Rolle. Alexander Motley etwa befürwortet in einem programmatischen Artikel in der Foreign Policy einen New Iron Curtain und Sperrriegel gegen Russland vom Baltikum über Osteuropa und die Schwarzmeerregion bis hin nach Zentralasien. Die Frage ist, ob die Zentralasiaten das wollen, daran überhaupt interessiert sind, wie auch die USA und die EU das politisch und finanziell können und wollen.Ebenso stellt sich die Frage, ob die euopäische Seidenstraße ein Projekt gegen Chinas BRI ist oder wie etwa EU- Borell anders als EU- Kommissionspräsidenti Von der Leyen, die von China als die US- Stimme in der EU bezeichnet wird, in Aussciht stellt, Globl Gateway mit Chinas Neuer Seidenstraße zu einer eurasischen Seidenstraße zu verbinden.Vorerst das größte Projekt von Global Gateay der EU in Zentralasien ist jedenfalls der weltweit größte Staudamm, der Rogundamm in Tadschikistan, wobei interessant ist, dass hier eine italienische Firma verantwortlich zeichnet. Italien überlegt gerade den Vertrag mit China über die Neue Seidenstrasse in Italien nicht zu verlängern, damit faktisch BRI in Europa zu blockieren, ist aber in Sachen Infrastrukturbau selbst sehr aktiv. Anders als Deutschland und die Deutsche Bahn hat Italien massiv in sein Zugnetz investiert, es ausgebaut und modernisiert und möchte dies nun auch für die EU. Eigentlich eine Wiederauflage des Delorplans zur Scahffung eines integrierten europäischen Zugnetzes der 90er Jahre, der damals im Zuge des Neoliberalismus gekillt wurde. Scheinbar bauen DB und Siemens in Ägypten eher Zugnetze als in der EU. Oder hat man dies eben China bisher überlassen, sei es in der 16 plus-Gruppe in Europa und sich über China beschwert, obgleich die EU nicht einmal imstande war eine Zugstrecke Budapest- Belgrad zu bauen. Das „postfaschistische“ Italien unter Giorgia Meloni will nun scheinbar der europäische Pionier in Sachen Infrastrukturbau werden. Faschisten und Mussolini verstanden sich immer schon gut auf Autobahn, Zugstrecken-und Infrastrukturbau samt Futurismus. Da stellt sich die Systemfrage für das demokratische über einen Investitionsstau klagende Deutschland diesmal auch aus Italien.