Sinodreams-Traumforschung chinoise: Great Dream versus (?) Chinese Dream?
Liebe Leser:innen, in dem verwobenen Labyrinth der chinesischen Gesellschaft, in denen Worte oft von sichtbaren oder unsichtbaren Mauern eingefangen werden, bahnen sich Gefühle und Unruhe auf subtile und dennoch kraftvolle Weise ihren Weg in die Offenheit. Das Aufkommen von Liedern wie „Großer Traum (da meng 大梦)“, die die Schmerzen und Sorgen der chinesischen Bürger:innen ins Rampenlicht stellen, und eine wachsende Welle des „Alltagsfeminismus“, der durch die Straßen der Städte rollt, sind Zeugnisse einer kulturellen Bewegung, die inmitten der Umklammerung von Zensur und Propaganda gedeiht. Der Song „Großer Traum“ verleiht der Unruhe und Unsicherheit vieler Chines:innen eine Melodie, eine besondere Form der Kommunikation, die das kollektive Bewusstsein anspricht und dabei scheinbar unter dem Radar der Zensur fliegt. Diese musikalischen Ausdrucksformen sind mehr als nur Lieder – sie sind Botschaften, die die gesellschaftlichen Sorgen, Ängste und Wünsche von Generationen erfassen und transportieren. Parallel dazu vermittelt der Feminismus des Alltags, der sich trotz der politischen und gesellschaftlichen Repressionen in China Bahn bricht, eine klare Botschaft: Die Stimmen von Frauen werden laut, präsent und unüberhörbar, trotz einer Parteikampagne, die traditionelle Familienwerte zu beleben versucht. Podcasts, die Frauenfragen in den Fokus rücken, weisen auf ein wachsendes Bedürfnis hin, die Position der Frau in der Gesellschaft zu hinterfragen und neu zu definieren. Sie werden zu Plattformen, auf denen die Aspekte des „alltäglichen Feminismus“ – von Karriere über Selbstbestimmung bis hin zur Körperautonomie – diskutiert werden. Dies trotz einer zunehmenden Bevorzugung traditioneller Familienstrukturen und -werte durch die Regierung. Beide Phänomene drücken eine Gemeinsamkeit aus: Das Verlangen nach Authentizität, nach echter Kommunikation und dem Recht, die eigene Lebensgeschichte zu schreiben. Hier wird deutlich, dass trotz des starken Griffs der Zensur und der Anstrengungen, bestimmte Narrative zu kontrollieren oder zu unterdrücken, das Bedürfnis nach Selbstausdruck und Anerkennung stets Wege findet, um gehört zu werden. Was diese Entwicklungen präsentieren, ist ein Portrait des stillen, aber beharrlichen Widerstandes. In einer Umgebung, in der direkte Opposition schwierig ist, werden Melodien und Bewegungen zu Werkzeugen des Ausdrucks und der Rebellion. Die Lyrik der Verzweiflung und der Anruf nach Gleichberechtigung mögen von verschiedenen Akteuren kommen, aber in ihrer Essenz sind sie ein Duett – ein Lied der Freiheit, der Selbstbestimmung und der Hoffnung auf Veränderung. Auf diese Weise wird ein Dialog leise, aber dennoch hörbar geführt. Er reflektiert die Facetten der chinesischen Gesellschaft, welche trotz aller Restriktionen niemals vollständig im Keim erstickt werden können. Mit den besten Wünschen Klaus Mühlhahn P.S. Leiten Sie diesen Newsletter bitte auch gerne an andere China-Interessierte weiter. Wir freuen uns, wenn unsere Leserschaft weiter wächst. |
Autorin: Anja BlankeXi Jinpings Anweisungen zu Propaganda-, Ideologie- und Kulturarbeit – Vor kurzem erteilte der chinesische Staatspräsident Xi Jinping Anweisungen zur Propaganda-, Ideologie- und Kulturarbeit. Er bezeichnete solche Arbeit als eine äußerst wichtige Aufgabe, die entscheidend für die Zukunft und das Schicksal der Partei, für die langfristige Stabilität des Landes sowie für den Zusammenhalt der Nation sei. Es gelte, die Kulturarbeit und Kulturindustrie tatkräftig voranzutreiben, die internationale Kommunikationsfähigkeit zu erhöhen, den Austausch zwischen verschiedenen Zivilisationen zu fördern sowie die kulturelle Innovation und Kreation der Nation zu stimulieren. Das Ziel sei es, eine starke ideologische Garantie, eine starke spirituelle Kraft und günstige kulturelle Bedingungen für den umfassenden Aufbau eines modernisierten sozialistischen Landes und die umfassende Förderung der Wiederbelebung der chinesischen Nation zu schaffen. Unsere Einschätzung: Die in der Renmin Ribao erwähnten Anweisungen sind das Ergebnis einer zweitägigen Nationalen Konferenz zur Ideologie- und Kulturarbeit, die am Wochenende in Peking stattfand. Xi nahm an dem Treffen jedoch nicht selbst teil und ließ seine Eingaben den Teilnehmer:innen nur schriftlich zukommen. Die nun vorgestellten Anweisungen Xis signalisieren eine weitere Ausweitung seiner politischen Doktrin durch einen noch systematischeren Ansatz zur Umsetzung seiner Vision für die Propaganda- und Kulturarbeit Chinas. Renmin Ribao |
Autorin: Julia Haes „Als Momo fühle ich mich vor Urteilen sicher“ – In den letzten Tagen gab es mehrere Berichte über Stimmungen in der chinesischen Gesellschaft. Das Lied „The Great Dream“ von Ren Suxi und Wai Yirao beschreibt die typischen Probleme normaler Chines:innen im Alter von 6, 12, 18, 23, 28, 38, 48, 58, 68, 78 und 88 Jahren. Eine neue Bewegung des „Alltagsfeminismus“ breitet sich in den Städten Chinas aus, umgeht die Razzien, die eine frühere Welle von Frauenrechtsaktivisten zum Erliegen brachten, und erschwert eine Kampagne der kommunistischen Partei zur Wiederbelebung traditioneller Familienwerte. Viele Netizens verwenden ein zweites Konto mit dem Online-Alias „momo“ und dem Profilbild eines rosa Cartoon-Dinosauriers, um sich zu allen möglichen Themen freier zu äußern und ihre Privatsphäre zu schützen. Auf diesen Konten kommentieren sie alltägliche Themen wie Kochen oder Fernsehserien, aber auch kritischere wie Jugendarbeitslosigkeit, Feminismus und K-Pop. Einige junge Berufstätige kritisieren auch ihre Arbeitsbedingungen oder ihre Arbeitgeber. „Momo“ war ursprünglich der Standardbenutzername für neue Konten auf den Plattformen Douban oder Xiaohongshu und wurde bald beliebt, um sicher über Prominente zu klatschen, ohne von konkurrierenden Fangemeinden belästigt zu werden. Einige Social-Media-Nutzer betrachten ihre Momos inzwischen als eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten auf der Suche nach einem toleranteren und integrativeren Raum für den Diskurs im chinesischen Internet. „Als Momo fühle ich mich vor Urteilen sicher und habe ein Zugehörigkeitsgefühl“, wird ein Student zitiert, der sich auf Xiaohongshu Momo nennt. Unsere Einschätzung: Die chinesische Gesellschaft war schon immer sehr findig, um die Zensur zu umgehen. Solidarität mit der „MeToo“-Bewegung wurde mit den Emojis für Reis und Kaninchen ( mǐ = Reis, tù = Kaninchen) ausgedrückt. Verbotene Dokumente wurden als Fotos auf der Seite oder auf dem Kopf stehend verbreitet. So haben die Bürger:innen auch jetzt wieder einen Weg gefunden, ihre Sorgen, Ängste und Nöte auszudrücken. Wall Street Journal; Gaodawei; Rest of World |
So zu lesen im neuesten China Newsletter Chinapolitan von Dr. Muehlhahn (CIDW) und seiner Partnerin Julia Haes, wobei unklar bleibt, ob da nicht zuviel reininterpretiert und in die chinesische Seele traumgedeutet wird.
Er misst dem scheinbar sehr populären Song „Großer Traum“ und dem Alltagsfeminismus in China große Bedeutung zu. Hier sei ein subtiles Potential für Rebellion, das sich so artikuliere. Leider sagt er nichts zum Inhalt des Liedes, Julia Haess deutet da einiges an, aber ob das eher in Richtung Karaoke oder K-Pop und von Schmerz und Herz wie auch in jedem deutschen Schnulzenschlager geht oder wo da den qualitativen Unterschied ist, bleibt unbenannt. Nun wird oft darauf hingewiesen, dass Schriftsteller, Intellektuelle Theater- oder Medienmacher und Musiker in kommunistischen Staaten Dissens oder Kritik aufgrund der staatlichen Zensur immer zwischen den Zeilen und Noten, Melodie und Rhythmus andeuten müssen, die unterhalb des Wahrnehmungsradars von demokratischer Audienz bliebe und oft nicht wahrgenommen würde, während die unterdrückte Bevölkerung von kommunistischen oder autoritären Regierungen dies geradezu seismisch erfassen und intuitiv fühlen und verstehen könnte, wie im Westen nur feinfühlige, empathische, mit mehr EI statt IQ oder gar KI und Xi ausgestatte Feministinnen und Sinologinnen. Wie gesagt führt er und sie nicht aus, woran man das beim Lied „Großer Traum“ erkennen sollte. Seltsamerweise fällt beiden nicht schon der Titel auf: Xi Jinpings Chinesischer Traum versus(?) Der Große Traum. Früher sang die chinesische Helene Fischer Weiwei, die ich in den 90er Jahren backstage nach ihrem Konzert in Hangzhou kennenlernte noch die Hymne „Women de Yazhou“, „Unser Asien“, womit an Panasianismus appelliert wurde, wenngleich wohl ein Asien unter chineischem Gusto gemeint war.
Ist der „Great Dream“ mit Biermann, Tang Dynastys „Dream to return to Tang Dynasty“, Cui Jian vergleichbar, quasi die Sturmvögel der „Winds of change“ der Scorpions, Beethovens Ode an die Freude oder Hasselhofs posthumes „Freedom“? Und was erwartet man sich vom Alltagsfeminismus? Eine Frauenaufstand und dann ausbleibenden regime change wie im Iran? Twitterrevolutionäre wie im Arabischen Frühling und in Hongkong? Ein regime change durch ein chinesisches Me Too oder eine chinesische Merkel und mehr Frauen im Politbüro, wenn schon Italiens „Post“-Faschisten jetzt eine Duca haben? Oder lässt die KP China auch mal einen solchen Songs als „Seufzer der geschundenen Seele“ zu und berücksichtigt dies in ihrer Propaganda als Gefühlsnische und kleines Ventil, um etwas Überdruck abzulassen oder wird es dann zum systemsprengenden Kampfsong wie die Unabhängigkeitshymne von Hongkong?
Traumsongs gab es schon früher: Mit Xis Chinesischem Traum, dann auch den dazu passenden Song eines chinesischen Oligarchen „My Chinese dream““
Chen Guangbiao, a Chinese recycling tycoon and high-profile philanthropist, performed a song titled „My Chinese Dream“ at a press conference in New York City on January 7, 2014. Chen said he originally planned to negotiate the acquisition of The New York Times while in New York but the plan later fell through.
Dann auch völlig unpolitische Träume, „Alter Traum“, hier einmal auch mit den Text:
Gu Meng 故梦 Lyrics 歌詞 With Pinyin By Shuang Sheng 双笙
Learn Chinese Time From This Chinese Song Lyrics:
jiù yì jiù xiàng yí shàn chuāng
旧 忆 就 像 一 扇 窗
Old memories are like a window
tuī kāi le jiù zài nán hé shàng
推 开 了 就 再 难 合 上
If you push it away, it’s hard to close it again
shuí cǎi guò kū zhī qīng xiǎng
谁 踩 过 枯 枝 轻 响
Who has stepped over the dead branches
yíng huǒ huì zhe huà píng xiāng
萤 火 绘 着 画 屏 香
Fireflies are painted with incense
wéi shuí lǒng yí xiù fēn fāng
为 谁 拢 一 袖 芬 芳
For whom to gather a sleeve fen fang
hóng yè de xìn jiān qíng yì mián cháng
红 叶 的 信 笺 情 意 绵 长
The letter of red leaf is long
tā shuō jiù zhè yàng qù liú làng
他 说 就 这 样 去 流 浪
He said that was how to get rid of the waves
dào měi lì de dì fang
到 美 丽 的 地 方
To beautiful lands
shuí de gē shēng qīng qīng
谁 的 歌 声 轻 轻
Whose song is soft
qīng qīng chàng
轻 轻 唱
Light light sing
shuí de lèi shuǐ jìng jìng tǎng
谁 的 泪 水 静 静 淌
Whose tears still flow
nà xiē nián huá dōu fù zuò guò wǎng
那 些 年 华 都 付 作 过 往
Those were the years
tā men wēi yī zhe bí cǐ shuō hǎo
他 们 偎 依 着 彼 此 说 好
They clung to each other and said yes
yào miàn duì fēng làng
要 面 对 风 浪
Face the waves
yòu shì yí dì kū huáng
又 是 一 地 枯 黄
It is a dry yellow land
fēng yè hóng le mǎn miàn qiū shuāng
枫 叶 红 了 满 面 秋 霜
Maple leaves are red with autumn cream
zhè chǎng gù mèng lǐ
这 场 故 梦 里
In this old dream
rén shēng rú xì chàng
人 生 如 戏 唱
Life is a play
hái yǒu shuí dēng chǎng
还 有 谁 登 场
Who else is on
hūn huáng zhú huǒ qīng yáo huàng
昏 黄 烛 火 轻 摇 晃
The faint yellow candle flickered
dà hóng gài tóu xià shuí páng huáng
大 红 盖 头 下 谁 彷 徨
Under the big red head who seems to be wandering
liú lèi de huā hé róng xǐ táng
流 泪 的 花 和 荣 喜 糖
Tearful flowers and glorious sugar
jìng jìng fàng zài yì páng
静 静 放 在 一 旁
Put it aside
huí yì xiàng mò piàn bō fàng
回 忆 像 默 片 播 放
Recall like a silent film broadcast
kè xià yí cùn yi cùn jiù shí guāng
刻 下 一 寸 一 寸 旧 时 光
Cut down inch by inch of the old light
tā shuō jiù zhè yàng qù liú làng
他 说 就 这 样 去 流 浪
He said that was how to get rid of the waves
dào měi lì de dì fang
到 美 丽 的 地 方
To beautiful lands
shuí de gē shēng qīng qīng
谁 的 歌 声 轻 轻
Whose song is soft
qīng qīng chàng
轻 轻 唱
Light light sing
shuí de lèi shuǐ jìng jìng tǎng
谁 的 泪 水 静 静 淌
Whose tears still flow
yuàn huà yì shuāng niǎo ér qù fēi xiáng
愿 化 一 双 鸟 儿 去 飞 翔
Wish to fly with a pair of birds
rèn shēn hòu kū háo sī hǎn zhe yě zhuī bú shàng
任 身 后 哭 号 嘶 喊 着 也 追 不 上
He could not catch up with his cries and hoarse cries
yòu yì nián qí yuè wǎn fēng liáng
又 一 年 七 月 晚 风 凉
Another year July evening breeze cool
xié yáng jiàn ǎi zhī yǐng cháng
斜 阳 渐 矮 只 影 长
The slanting sun grows shorter and longer
zhè chǎng gù mèng lǐ
这 场 故 梦 里
In this old dream
gū jiǎng shēng yuǎn dàng
孤 桨 声 远 荡
The OARS beat away
qù tā xiāng yí wàng
去 他 乡 遗 忘
Forget it
Chinas damals bedeutendste Rockgruppe Tang Dynasty hatte auch zwei Traumsongs: „Dream of Doomsday“ und „Dream to return to Tang Dynastie“.
唐朝 Tang Dynasty【夢回唐朝】Official Music Video
Ich lernte Tang Dynasty in den 90er Jahren persönlich und privat auf einer Backstageparty nach ihrem Konzert in Yunnans Hauptstadt Kunming kennen. Sie wählten den Traum einer Rückkehr zur Tang Dynastie, da sie meinten, dass China während dieser Ära eine Goldene Zeit an Weltoffenheit, multikuktureller und religiöser Toleranz, sowie China eine wirtschaftliche, kulturelle und machtpolitische Blüte erlebte. Der Sänger meinte zu mir noch, dass er Scorpions und „Wind of change“ gar nicht mochte. Unklar blieb, ob er das Musikalische meinte und lieber „Steamrock fever“ bevorzugte oder auch kennengelernt hatte oder dies eine Absage an eine friedliche und demokratische Revolution war, wenngleich unklar blieb, ob man dieses Statement als chinesischen Nationalismus oder auch als Vorsicht vor möglicherweise mithörenden IMs der chinesischen Stasi auffassen sollte, die sicherlich auch backstage und auch mal weiblich vertreten waren.
Der in den 90er Jahren komponierte und beliebte Tang Dynastytraumsong hielt sich auch noch in den 2010ern
Tang Dynasty – live „梦回唐朝“ (Dream Back to Tang Dynasty) 2017
Ja, er schaffte es auch in die chineische Version von Voice of Gemrany, halt China sucht den Superstar—Sing China:
【选手片段】刘文天《梦回唐朝》 《中国新歌声》第2期 SING!CHINA EP.2 20160722 [浙江卫视官方超清1080P]
Bleibt abzuwarten, bis Xi Jinpings Frau, die früher bekannte und gefeierte Schlagersängerin der Volksbefreiungsarmee war, Xis „Chinese Dream“ als Alternative zu Tang Dynastys Dream oder den American Dream auch vertont. Damit würden dann auch die Xi Jinpinggedanken im chinesischen Soul Express und Chinese ZDF-Garten einer beachtlichen Audenz musikalisch vermittelt. Die Maowitwe Jiang Qing von der Viererbande führte ja auch für ihren Lebenspartner Mao die berühmt-berüchtigten Revolutionsopern und Maoopern auf, wo der Osten rot immer sei und man an die Mao-Gedanken mit kleiner roter Maobibel einfach nur mal feste glauben und auf den Steuermann und Vorsitzenden Mao vertrauen müsse.
Und neben DEM kollektiven Dream und den Dreammaker und Dreammaster gibt es dann eben noch DEN sehr individualistischen Dreamer, der aber auch schon mal gerne Konzerte gibt: