Das chinesische Jahrhundert, die russische Welt und die Klimakatastrophe- Kritik
Neben etlichen zustimmenden oder dankbaren Kommentaren zum Global Review-Artikel „ Das chinesische Jahrhundert, die russische Welt und die Klimakatastrophe “ wie z.B. von Ex-NATO- General Domroese jr („Vielen Dank, Herr Ostner. So schlimm hatte ich die Klimaerwärmung in China noch nicht gelesen. Es wird für die nächsten Generationen gewaltige Veränderungen geben“), gab es auch Kritik. So schrieb etwa ein ehemaliger deutscher Botschafter in Südkorea und anderen Staaten des Greater Middle East:
„Ja, es gibt den Klimawandel. Und ja: Der menschliche Einfluss auf das Klima darf nicht unterschätzt werden. Dennoch glaube ich nicht an die beschriebene Klima- und Umweltkatastrophe in China.
Ich war 2016 in Chengdu und Shenyang. Die forcierte Urbanisierung stellt in Sechuan und in der Mandschurei die chinesische Gesellschaft vor ganz enorme Herausforderungen, die sie aber als solche auch erkennt und zu meistern versucht.
Hauptproblem in Sechuan die Luftverschmutzung, auch verursacht durch die geographische Kessellage dieser riesigen Provinz.
Hauptproblem in der Mandschurei die Altlasten der alten Schwerindustrie und der unabweisbar notwendige Strukturwandel. Siehe dazu auch den jüngsten Besuch von Xi in Shenyang.
Aber die USA haben ähnliche Struktur- und Regionalprobleme. Ich denke hier an den berühmt-berüchtigten Rust Belt. Meinen zugegeben oberflächlichen Beobachtungen nach sind die Chinesen besser in der Lage, ökonomische und soziale Transformationsprobleme zu bewältigen. Beispielsweise in dem sie dem Bildungs- und Kulturfaktor im Transformationsprozess eine größere Bedeutung beimessen als die USA. Meine Einschätzung daher: The Chinese are on the winning side.“
Die Frage ist, ob wir die Dynamik des Klimawandels nicht unterschätzen und vielleicht auch aufgrund unserer historischen Erfahrungen nicht verharmlosen, vielleicht auch, weil wir selbst noch auf ein Happy End hoffen, da wir damals ja auch Ozonloch und sauren Regen unter Kontrolle bekamen und etliche Horrorszenarios nicht eintraten und der Club of Rome oder manche Peak Oilvorraussage vorerst wie der alte Malthus falsch lagen. Aber möglicherweise und wahrscheinlich ist die heutige Lage zugespitzter und viele Wissenschaftler sagen ja auch, dass wir die 2 Grad Erderwärmung, die auch schon erhebliche Auswirkungen haben werden, nicht mehr verhindern können und dann ist anders als früher auch noch die Möglichkeit von tipping points und exponentialen Dynamiken. Ich bin kein Klimaexperte und deswegen fand ich auch den taz-Artikel über apokalyptische Vorstellungen ganz passend, wobei er ja auch klarmachte ,dass es diesmal anders sein kann, bzw. die Handlungsfrage angesichts dieser Ungewissheit ganz richtig stellte. Kissinger sprach auch mal davon, dass Politiker oft auch angesichts von Ungewissheiten und Informationsdefiziten Entscheidungen treffen müssen. Aber da spielt auch der psychologische Verdrängungseffekt eine Rolle, dass man sich den Horror nicht vorstellen und zweckoptimistisch verdrängen will. Man will sich keine Mariannenflut heute oder in naher Zukunft vorstellen.Zudem kommen eben auch das durch Bildung, Sozialisation und Gesellschaft erworbene Mindset, Welt- und Werteanschauung Interesen und ideologische Präferenzen.
Der GR- Artikel hat zweitens Russland und China als Unterschied genommen, da Russland eine chinesische ökonomische Modernisierung verpasst hat und seine Wirtschaft auf den Export von Rohstoffen basiert, die es auch noch als geopolitische Waffe zur Durchsetzung von Novorussia, russischer Welt ,Eurasiertum und einer multipolare Welt sieht- Stichwort: Resource Empire . Chinas Staatseinnahmen basieren hingegen auf den Export von Industriegütern, deren Energiebasis immer noch fossile Energieträger sind, die sie aber energieeffizienter und auch reduzieren wollen und auch bei dem Ausbau erneuerbarer Energien, Wasserstofftechnologie und Elektromobilität etliche Fortschritte machen, hier auch staatliche Infrastruktur zügig ausbaut. Doch auch dies kann nicht energisch genug sein angesichts des Klimawandels, wenngleich China auch die Vorstellung als neuer Weltmacht im Rahmen einer multipolaren Welt hat und seine Wirtschaft da auch desöfteren als Mittel geopolitischer Auseinandersetzung und Durchsetzung chinesischer Interessen nutzt, wie man ja auch bei den USA oder der EU mittels der Sanktionen bei den laufenden Handelskriegen sieht. Vielleicht kommen aber die Reaktionen auch Jahrzehnte zu spät.
Möglicherweise ist ein wichtiger Unterschied ist auch, dass sich die Entscheidungsträger unter Putin mehr isch aus Silowiki rekrutiere, in China eher aus naturwissenschaftlich gebildeten Parteikadern, wobei deren Fortschrittsmodell teils noch nicht sonderlich ökologisch, sondern auch noch recht traditionell ökonomisch und geopolitisch denkend ist. Dazu noch ein älterer Artikel von uns:
Die Frage ist auch, inwieweit Chinas politisches System, auch mit der Digitalisierung und dem euphemistisch genannten sozialen Bonussystem und Staatsinterventionen in den Markt eher in der Lage ist zu einer Transformation zu einem grünen Staatskapitalismus und Green New Deal zu kommen (mal unabhängig von der Frage, ob der möglich und die Lösung aller Probleme ist). Denn wenn die KP China etwas für richtig erkennt, kann sie auch recht radikale Kurswechsel durchführen und durchziehen im positiven oder negative Sinne – siehe von Mao zu Deng oder nun die Bereinigung des Immobilienmarkts ala Evergrande oder die rabiate und brachiale No-Covid- Lockdownstrategie, die kaum Rücksichten auf die Wirtschaft und die Menschen nimmt. Und wenn sich hierzulande Leute über die Grünen als neosozialistische Verbotspartei echauffieren, hätte die KP China hierfür wohl ein mildes asiatisches Lächeln (oder für solche Luxusdebatten wie über Maskenpflicht oder nun den „Maskenskandal“ im Regierungsflugzeug). In der Ökofiction Ecocaust-The New Green World Order haben wir das ja Mal anhand des fiktiven Ökodiktators Green Steve imaginiert, wenngleich China in der Ökofiction noch als unökologischer Feind gilt.
Aber die Wachstumsideologie wird nicht infrage gestellt, weder in China noch im Westen, auch wenn da nun mehr ökologisches Denken und Gedanken der Nachhaltigkeit einfließt und man meint, dass Wachstum effizienter, umweltfreundlich, technologisch, Qualität und nicht so sehr quantitativ gestaltbar und damit für alle oder zumindestens für die Eliten und vielleicht noch eine Mittelschicht, die Staatsmacht und die Wirtschaft verträglich sei. Zudem auch jeder, der die Frage nach dem Bevölkerungswachstum und seinen ökologischen Folgen stellt seitens der Wirtschaft oder religiöser Interessensgruppen als Neomalthusianer, verkappter Nazi, Rassist, unfuturistischer, reaktionärer Feind der Moderne, Waldschratt-eremitenmässiger Neoromantiker, ökonomischer Neandertaler oder Fortschrittsfeind angesehen wird. Ein interessanter Film dazu ist auch „System Error“, der neben der Finanzkrise auch die Wachstumsideologie portraitiert, indem er einfach mal die Wachstumsprognosen und -hoffnungen mehrerer CEOs multinationaler Konzerne ,die einfach reden gelassen werden, darstellt. Da ist der Airbus-Manager, der von der Verdreifachung des internationalen Flugverkehrs infolge des Wachsens der globalen Mittelschicht samt damit einhergehenden Airbusverkäufen schwärmt und jeder der interviewten Manager will noch mehr Wachstum und auch unausgesprochen Profit. Die ökologischen Folgen dessen scheinen sie nicht zu interessieren und falls sie ihnen bewusst sind, dann ist ihr Profitinteresse entscheidend- ähnlich wie BP und Shell, die schon vor Jahrzehnten in ihren eigenen Studien die sich jetzt klar abzeichnenden WIrkungen der CO2- Emmissionen wussten, diese unter Verschluss hielten und Umweltkritiker mittels einer Kampagnenserie mittels ihrer eigens dazu gegrüdneten Global Climate Initiative bekämpfte und als Apokalyptiker und unwissenschaftliche Lügner darstellen wollten. Vielleicht beruhigt es etwas, dass bei anhaltender chinesischer Geburtenrate sich Chinas Bevölkerung bis 2045 auf 750 Millionen halbieren wird, auch wenn man jetzt die alarmistischen Beiträge dazu seitens Volkszeitung, Global Times und chinesischen Eliten liest. Dennoch bleibt die Frage, ob das geopolitische Gross -und Weltmachtsdenken der KP China, auch in Sachen Taiwan wie auch anderer Mächte nicht im Ernstfall wichtiger ist als aus ihrer Sicht vielleicht mehr okölogischer Hippieschnickschnack und Jute statt Plastik. Zudem man sich auch fragt, ob bei dieser nationalstaatlichen Grossmachtskonkurrenz, ihren Kosten und dem Klimawandel es eine „winning side“ geben wird, oder nicht eher allseits losing sides, ob es nur win-lose als Nullsummenspiel oder eher nicht lose-lose geben wird. Die Frage ist auch, ob man nun glaubt, dass noch etwas rettbar und transformierbar und gestaltbar ist, die Flucht nach vorne antritt und kämpft oder glaubt: „Game over“ und sich eskapistisch in Äppelwoi ertränkt und eine Weltuntergangsparty und „Nach mir die Sintflut“ feiert.
