Ukrainekrieg und Heiliger Jihad in Afghanistan: Imperialistische Kriege, Stellvertreterkriege oder nationale Volksbefreiungskriege?
Der Ukrainekrieg hat zu einer Polarisierung auch innerhalb der Rechten und Linken geführt, Traditionelle Moskautreue Linke sind heute eher Putinfans und sehen im Ukrainekrieg einen Krieg der NATO gegen Russland im Freudschen Versprecherduktus von Baerbock, Putin in der Rolle des Antifaschisten, der den Zweiten antifaschistischen und großen vaterländischen Weltkrieg nun gegen die NATO- Deutschland- Bandera-Naziregierungen und dem deutschen Imperialismus fortsetzt. Andere Linke, vor allem die Antideutschen, die proamerikanische und proisraelische Jungle World, grüne taz, u.a. sind inzwischen klare Unterstützer der USA und NATO. Mehr eine Zwischenposition nimmt da das trotzkistische Netzwerk Marx 21 ein, das aus der früheren Sozialistischen Arbeitergruppe (SAG) hervorging, die sich dann um mittels Entrismus zuerst die SPD und ihre Jusos zu inflitrieren und zu unterwandern, in Linksruck umbenannte, ihre Zeitung von „Klassenkampf“ auf „Linksruck“ umstellte zu Schröders Wahl gegen Kohl und Merkel mobilisierten und innerhalb der Sozialdemokarten Oskar Lafontaine gegen Schröder unterstützte. Mit dem Austritt Lafontaines wechselte auch der Linksruck in die aus PDS und WASG fusionierte Linkspartei und gelangte da mit Janine Wissner und Christine Buchholz als prominenteste Vertreterinnen in Führungspositionen .Offiziell und nach außen hin distanzierten sie sich von dem Netzwerk Marx 21 und der britischen Mutterorganisation Socialist Workers Party(SWP), die unter dem inzwischen verstorbenen Führer Tony Cliff mittels ihrer Londoner Zentrale ihre trotzkistische Internationale in zig Ländern anleitete und steuerte. Auch wenn Wissner und Buchholz eine direkte Steuerung durch die SWP und Marx 21 abstreiten und auf Sahra Wagenknechts Verhältnis zur Kommunistischen Plattform verweisen, ja da Linksruck und Marx 21 als verfassungsfeindliche Organisationen im Verfassunsgschutzbericht gelistet sind, vertreten sie doch inhaltlich und ideologisch weiterhin die trotzkistischen Positionen der SWP in den Führungsgremien der Linkspartei- vor allem „Weder Washington noch Moskau“. Dementsprechend hat Marx 21 auch einen sehr interessanten Grundsatztext zum Ukrainekrieg verfasst und die Position von Lenin und Trotzki angesichts Weltkriegen, imperialistischen Kriegen, nationalen Befreiungskriegen und Stellvertreterkriegen verfasst, den wir hier einmal vorstellen wollen:
„Was ist ein Stellvertreterkrieg?
02/07/2023
Über den Unterschied zwischen nationalem Befreiungskampf und imperialistischem Stellvertreterkrieg am Beispiel Afghanistan 1979 und Ukraine 2022. Von Volkhard Mosler
Die marxistische Tradition hat stets das Recht auf nationale Selbstbestimmung kleinerer und schwächerer Nationen gegen imperialistische Unterdrückung unterstützt. Aber Marxist:innen haben nationale Kriege, in denen der gesamte Charakter des Krieges in einen inter-imperialistischen Konflikt umschlägt und so den Charakter eines Kampfes zwischen Großmächten annimmt, nie unterstützt. Dies war zum Beispiel im Koreakrieg (1950-53) der Fall, in der Kubakrise (1962) und im Kosovo-Krieg (1999) ebenso. Um einen aus sozialistischer Sicht gerechtfertigten nationalen Befreiungskampf von einem imperialistischen Krieg zu unterscheiden, reicht das Kriterium einer direkten Beteiligung oder Nichtbeteiligung des gegnerischen Imperialismus (hier Nato-Truppen) jedoch nicht aus, auch nicht das von Waffenlieferungen einer konkurrierenden imperialistischen Macht. Weder ist die Nichtbeteiligung von Nato-Truppen am Krieg ein Nachweis für die Einstufung des Ukrainekriegs als nationaler Befreiungskrieg, noch sind Waffenlieferungen der Nato ein hinreichender Beweis für einen imperialistischen Stellvertreterkrieg. Das Einzige, was hilft, ist »eine konkrete Analyse der jeweiligen historischen Situation,« wie der russische Marxist Lenin in seiner Schrift »Der Zusammenbruch der II. Internationale« schrieb. Weiter heißt es: »Von allen Theorien die primitivste ist wohl die vom ›Kriegsanstifter‹. Man hat uns überfallen, wir verteidigen uns; die Interessen des Proletariats erfordern, dass den Störenfrieden des europäischen Friedens Einhalt geboten wird. Es ist die alte Leier, so wohl bekannt aus all den Regierungserklärungen und aus all den Deklamationen der bürgerlichen und der gelben Presse der ganzen Welt.«
Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln
Wir hören und sehen diese Theorie des »Kriegsanstifters« täglich in den Medien. Putin trägt natürlich die volle Verantwortung für den Überfall auf die Ukraine. Aber die Berichterstattung, wonach der russische Präsident Wladimir Putin die alleinige Schuld an der Eskalation des Konflikts trägt, ist äußerst scheinheilig und falsch. Als wäre mit Hinweisen auf den ersten Schuss alles Notwendige über den Charakter eines Krieges gesagt. Lenin fordert stattdessen die »allseitige Untersuchung der betreffenden gesellschaftlichen Erscheinung in ihrer Entwicklung und Zurückführung des Äußerlichen und Scheinbaren auf die grundlegenden Triebkräfte, auf die Entwicklung der Produktivkräfte und auf den Klassenkampf«. Dazu gehört, als Ausgangspunkt der Analyse, die Erkenntnis des bürgerlichen Militärhistorikers Carl von Clausewitz. Er schrieb 1832 in seinem Buch »Vom Kriege«: »Der Krieg ist nichts als eine Fortsetzung des politischen Verkehrs mit Einmischung anderer Mittel.« oder »Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.«
Der politische Verkehr zwischen Russland und dem »Westen« ist aber seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs durch einen permanenten Ost-Westkonflikt, einem Lagerkonflikt, geprägt, der die Welt zweimal an den Rand eines atomaren Weltkriegs geführt hatte – besonders spürbar im Koreakrieg oder der Kubakrise. Die Ideologien dieses auch als Kalter Krieg bezeichneten Dauerkonflikts waren dabei nur das »Äußerliche und Scheinbare«. Die »grundsätzlichen Triebkräfte« waren die klassischen Ursachen aller imperialistischen Kriege, nämlich der Kampf um die Aufteilung der globalen Reichtümer dieser Welt.
»Weder Moskau noch Washington – für Internationalen Sozialismus« war eine Antwort von Marxist:innen auf diese bipolare Welt. Dabei waren die Produktivkräfte sehr ungleich verteilt, der Ostblock war zwar militärisch ebenbürtig, ökonomisch aber rückständiger und schwächer als der Westen unter Führung der USA. Der Zusammenbruch des staatskapitalistischen Ostblocks unter russischer Führung (1988-91) war das Resultat des Zusammentreffens von ökonomischer Krise und militärischer Niederlage im russischen Afghanistankrieg (1979-89). Das »Gleichgewicht des Schreckens«, wie es über 40 Jahre die Welt beherrschte, war zusammengebrochen. In Osteuropa und Zentralasien entstand ein Machtvakuum, das auszufüllen sich der US-Imperialismus sofort anschickte. Hoffnungen auf ein »Ende der Geschichte« (Francis Fukuyama) und auf das Anbrechen einer neuen Zeit des Weltfriedens waren Ausdruck der damals unter Historikern und Sozialwissenschaftlern vorherrschenden antikommunistischen Ideologien, die grundsätzlich den Westen als demokratisch und defensiv und das Lager des »Kommunismus« als diktatorisch und offensiv betrachteten.
Wenn der Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist, sollte der Ausgangspunkt linker Analyse sein: Welche politischen Entwicklungen und Triebkräfte gab es denn vor dem Krieg? Welche Politik wird durch den Krieg fortgesetzt?
Brzezinski und das eurasische Schachbrett
Einer der einflussreichsten politischen Berater mehrerer US-Präsidenten, Zbigniew Brzezinski, schrieb 1991 einen Artikel über den Zusammenbruch der Sowjetunion unter der Überschrift »Gezieltes globales Engagement« (Selective Global Commitment). In diesem Artikel erklärt er, dass die »Satellitenstaaten« der früheren Sowjetunion sich sowohl der EU wie der Nato anzuschließen wünschten und dass Russland dies auf alle Fälle verhindern wolle. Er entwickelte diesen Gedanken in seinem 1997 veröffentlichten Standardwerk »Die einzige Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft« weiter. Er schreibt darin: »Eurasien ist somit das Schachbrett, auf dem sich auch in Zukunft der Kampf um die globale Vorherrschaft abspielen wird.«
Inwiefern die USA ihre globale Vormachtstellung geltend machen können, so die Kernthese des Buches, hänge davon ab, ob sie »dort das Aufkommen einer dominierenden, gegnerischen Macht verhindern können«. Brzezinski entwickelt sehr genaue Vorstellungen davon, wie die US-amerikanische Herrschende Klasse dies bewerkstelligen könne. Er schreibt: »Amerika muß also in seinem Eintreten für eine Osterweiterung Europas besonders eng mit Deutschland zusammenarbeiten. Amerikanisch-deutsche Zusammenarbeit und gemeinsame Führung sind zu diesen Frage ganz wesentlich. Wenn die Vereinigten Staaten und Deutschland gemeinsam die anderen Nato-Verbündeten ermutigen, den Schritt gutzuheißen und entweder mit Russland, sollte es zu einem Kompromiss bereit sein, eine wirksame Übereinkunft aushandeln, oder ihre Entscheidung in der richtigen Überzeugung, daß die Gestaltung Europas nicht den Einwänden Moskaus untergeordnet werden kann, treffen, dann steht der Erweiterung nichts im Wege. Das erforderliche einstimmige Einverständnis sämtlicher Nato-Mitglieder wird nur unter amerikanisch-deutschem Druck zustande kommen, doch wird kein Nato-Mitglied seine Zustimmung verweigern können, wenn Amerika und Deutschland gemeinsam darauf dringen. Letztlich steht bei dieser Bemühung Amerikas langjährige Rolle in Europa auf dem Spiel. Ein neues Europa nimmt bereits Gestalt an, und wenn dieses neue Europa geopolitisch ein Teil des ›euro-atlantischen‹ Raums bleiben soll, ist die Erweiterung der Nato von entscheidender Bedeutung.«
Frei nach Goethe: »Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt!«. Brzezinski und die US-Regierungen rechneten schon damals damit, dass die Nato-Osterweiterung früher oder später auf den Widerstand Russlands treffen würde, und dass nicht mit einem Entgegenkommen Russlands zu rechnen war. Gleichzeitig warnt Brzezinski vor den Folgen eines Scheiterns aus Sicht der Herrschenden Klasse in den USA: »Sollte die von den Vereinigten Staaten in die Wege geleitete Nato-Erweiterung ins Stocken geraten, wäre das das Ende einer umfassenden amerikanischen Politik für ganz Eurasien. Ein solches Scheitern würde die amerikanische Führungsrolle diskreditieren, es würde den Plan eines expandierenden Europa zunichte machen, die Mitteleuropäer demoralisieren und möglicherweise die gegenwärtig schlummernden oder verkümmernden geopolitischen Gelüste Rußlands in Mitteleuropa neu entzünden. Für den Westen wäre es eine selbst beigebrachte Wunde, die die Aussichten auf einen echten europäischen Eckpfeiler in einer eurasischen Sicherheitsarchitektur zunichte macht; und für Amerika wäre es nicht nur eine regionale, sondern auch eine globale Schlappe.«
Von der Theorie zur Praxis: Die Nato-Osterweiterung
Brzezinskis frühen Vorschläge einer Ausweitung der EU und der Nato auch gegen »Einwände Moskaus« sind in den darauffolgenden Jahren sukzessive umgesetzt worden, zwischen 1999 und 2020 wurden 14 Staaten aus dem ehemaligen Jugoslawien und dem früheren Ostblock unter russischer Dominanz in die Nato aufgenommen. So sieht es heute wie ein Anachronismus aus, dass im Zwei-plus-Vier-Vertrag von 1990 zur deutschen Wiedervereinigung festgehalten wurde, dass keine nicht-deutschen Nato-Truppen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR stationiert werden dürfen. In den Endlosschleifen westlicher Propaganda hören und sehen wir, dass niemand Angst vor der Nato haben müsse, die Nato sei ein reines Verteidigungsbündnis, das sich gegen keine andere Macht richte. Dagegen sprechen die Tatsachen. Während der 1990er Jahre nutzte der westliche Imperialismus die relative Schwäche des russischen Imperialismus (durch den Zusammenbruch der Sowjetunion) aus, um eine massive Machtverschiebung im Eurasischen Raum zu organisieren. Die Nato-Mitgliedsstaaten beschlossen mithilfe eines neuen strategischen Konzepts, das Bündnis neu auszurichten. 1992 erklärte der Nato-Rat seine Bereitschaft, Kriegseinsätze auch außerhalb des eigenen Bündnisgebiets zu unterstützen (sog. »Out-of-area-Einsätze«) und notfalls auch ohne UN-Mandat zu intervenieren.
Parallel dazu begann die Nato-Osterweiterung. Diese Bestrebungen mündeten in tiefgreifenden Veränderungen der Ausrichtung der Nato. Auf ihrem Gipfeltreffen in Washington im April 1999 billigten die Staats- und Regierungschefs der Nato das neue Strategische Konzept des Bündnisses. In dem Text »Funktionen militärischer Konfliktregelung durch die Nato« bewertet die Bundeszentrale für politische Bildung diese Entwicklung: »Mit der Festlegung, dass out of defence, out of area sowie out of United Nations agiert werden könne, erteilt sich die Nato mit dem Strategischen Konzept von 1999 selbst die Befugnis zur militärischen Konfliktregelung, wenn sie dies für notwendig hält.«
Weiterhin behält sich die Nato das Recht zu einem nuklearen Erstschlag vor. In der Praxis hat die strategische Neudefinition dazu geführt, dass die Nato in internationale Konflikte militärisch eingegriffen hat, bei denen keiner ihrer Mitgliedstaaten angegriffen wurde. Seit den 1990er Jahren haben Nato oder führende Nato-Staaten mehrere Kriege auf dem Balkan, gegen den Irak, gegen Libyen und gegen Afghanistan mit verheerenden Auswirkungen für die Menschen in diesen Staaten geführt. Seit 1945 haben allein die USA fast 50 Kriege oder Militärinterventionen auf allen Kontinenten dieser Erde geführt, doch in keinem dieser Konflikte waren die USA durch den jeweiligen gegnerischen Staat überfallen oder angegriffen worden. Zwischen 2001 und 2009 haben Nato und USA ihr »Schild« aus Raketenabfangsystemen mit Radaranlagen und Antiraketen (Polen, Rumänien) nahe an die russische Grenze gerückt. Sie dienen angeblich der Abwehr von Raketen aus dem Iran und Nordkorea.
Der aktuelle Ukraine-Krieg hat bekanntlich mit einem Überfall durch den russischen Imperialismus begonnen. Aber die Frage nach dem »ersten Schuss« ersetzt nicht die nach den auslösenden, bewegenden politischen Kräften. So gesehen begann dieser Krieg nicht 2022, sondern Anfang der 1990er Jahre, als die US-Regierung und ihre Verbündeten die Neuausrichtung der Nato beschlossen.
Spiegelbildliche Entwicklung des russischen Imperialismus
Diese militärischen und ökonomischen Expansionspläne von EU und Nato trafen spiegelbildlich auf den Beschluss einer neuen Militärdoktrin der Russischen Föderation 1993 noch unter Präsident Jelzin. Der Beschluss sieht die Möglichkeit einer Stationierung russischer Truppen im »Nahen Ausland« vor, wenn dies »auf Grund der Sicherheitsinteressen Russlands und anderer GUS-Staaten notwendig« sei.
Den Begriff des »Nahen Auslandes« hatte Jelzin geprägt. Zum Nahen Ausland zählt die russische Führung die ehemaligen Sowjetrepubliken vom Baltikum bis nach Zentralasien, die 1991 den Staatenbund der Sowjetunion verlassen hatten. So wie der Ausbruch des ersten Weltkriegs nicht das Ergebnis schlechter Entscheidungen dieser oder jener Regierungen waren, sondern auf den Kampf um die Aufteilung der Welt in koloniale und halbkoloniale Einflusszonen zwischen den industriell fortgeschritteneren, monopolkapitalistischen Mächten zurückzuführen ist, so sind auch die treibenden Kräfte, die zum Ukrainekrieg führten, ökonomische und geostrategische. Auf die besondere strategische Bedeutung der Ukraine für Russland hatte Brzezinski im Februar 2014 hingewiesen: »Ohne Ukraine kann Russland nie wieder Supermacht werden. Erst in diesem Zusammenhang wird der erbitterte Kampf Russlands um die Ukraine verständlich.« Und man muss hinzufügen: aus eben diesem Grund wird auch der erbitterte Kampf Washingtons um die Ukraine verständlich.
Auch im Ukrainekrieg sollten Linke mit Lenin »die Zurückführung des Äußerlichen und Scheinbaren auf die grundlegenden Triebkräfte« des Konfliktes verlangen. Die »Äußerlichen und Scheinbaren« Entwicklungen sind die von den Kriegsparteien hochgehaltenen ideologischen Begründungen der Intervention, nämlich der Verteidigung der Rechte russischer Minderheiten einerseits und des nationalen Selbstbestimmungsrechts und der Demokratie in der Ukraine andererseits. (Lies hier den marx21-Artikel: »Ukraine: Marxismus und der Kampf um nationale Selbstbestimmung«.)
Putin hat wiederholt auf die etwa 25 Millionen Russinnen und Russen hingewiesen, die sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in den neuen unabhängigen Staaten wiederfanden. Volkstumspflege und die »Verteidigung« der Rechte russischsprachiger Minderheiten waren auch in der Ukraine und zuvor in Georgien nur ein Vorwand russischer Annexionspolitik und der Absteckung russischer Einflusszonen.
Das gilt umgekehrt auch für die Verteidigung des nationalen Selbstbestimmungsrechts der Ukraine durch die Nato. Berlin und Washington akzeptieren oder dulden die Annexion und koloniale Unterwerfung von Palästina durch Israel, sie liefern Waffen an die israelischen Annexionisten, nicht an deren Opfer.
Die von Olaf Scholz ausgerufene Zeitenwende, die er mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 zu entdecken glaubte, fand 30 Jahre zuvor statt, als die USA 1991 den Irak überfielen und damit die Hoffnung, dass mit dem Ende des Kalten Kriegs zwischen Washington und Moskau eine Epoche des Friedens anbreche, wie eine Seifenblase zerplatzte. Der Irakkrieg von Präsident Bush Senior war der erste einer Serie von Kriegen (Kosovo/Jugoslawien, Afghanistan, Irakkrieg, Libyen), die dem neuen Machtanspruch der USA als einzig übrig gebliebener Weltmacht entsprachen.
Afghanistan und Ukraine – Parallelen und Unterschiede
Auf den ersten Blick sieht der Afghanistankrieg der späten Sowjetunion Breschnews (1979) aus der Sicht der USA wie eine Blaupause des Ukrainekriegs Putins (2022) aus. 1978 war die KP Afghanistans (DVPA) durch einen Putsch an die Regierung gekommen, der wiederum einen Bürgerkrieg mit den auf dem Land mächtigen Mullahs und Grundbesitzern auslöste. Eineinhalb Jahre nach dem Putsch kam es zur Invasion der Sowjetarmee, die die afghanischen Städte zwar besetzen konnte, nicht aber das Land kontrollierte. Der damals wichtigste außenpolitische Berater von US-Präsident Jimmy Carter, Brzezinski, sagte 1998 in einem Interview mit dem französischen »Nouvelle Observateur«, rückblickend auf seine Rolle als Berater mit Ministerposition, dass die US-Unterstützung der Mudschahedin in Afghanistan bereits ein halbes Jahr vor dem Einmarsch begonnen hätte mit der Absicht, die UdSSR zu einer Intervention dort zu verleiten, um ein »sowjetisches Vietnam« zu schaffen. Gefragt, ob er die Unterstützung der Mudschahedin inzwischen bereuen würde, antwortete er: »Was soll ich bereuen? Diese verdeckte Operation war eine hervorragende Idee. Sie bewirkte, dass die Russen in die afghanische Falle tappten und Sie erwarten ernsthaft, dass ich das bereue? Am Tag, da die Russen offiziell die Grenze überschritten, schrieb ich Präsident Carter: Jetzt haben wir die Möglichkeit, der UdSSR ihr Vietnam zu liefern. In der Tat musste Moskau fast 10 Jahre lang einen Krieg führen, der von der Regierung nicht zu verantworten war, einen Konflikt, der zur Demoralisierung und schließlich zum Zerfall des Sowjetimperiums führte.«
Vietnam stand für die größte militärische Niederlage in der Geschichte der USA. Als der Interviewpartner nachhakt und auf die Verknüpfung von islamischen Strömungen und Terrorismus hinweist, antwortet Brzezinski mit der rhetorischen Gegenfrage: »Was ist wohl bedeutender für den Lauf der Weltgeschichte? Die Taliban oder der Zusammenbruch des Sowjetimperiums? Einige aufgeregte Muslime oder die Befreiung Mitteleuropas und das Ende des Kalten Krieges?«
Robert Gates, der damalige CIA-Chef, hat in seinem Buch »From the Shadows« die Rolle der USA in diesem Krieg ziemlich detailliert erläutert. Er erklärte, dass die CIA von der starken Opposition gegen die kommunistische Regierung von Mohammed Taraki in Afghanistan wirklich überrascht war. Die US-Regierung unterstützte zwar die Mudschaheddin und rief zum Boykott der olympischen Winterspiele in Russland auf, nachdem die Sowjetarmee in Afghanistan einmarschiert war. Aber die militärische Unterstützung blieb in den ersten Jahren des Krieges eher moderat und hatte wenig Einfluss auf das militärische Geschehen in Afghanistan. Erst 1986, sieben Jahre nach Kriegsbeginn, lieferten die USA die tragbaren und kriegsentscheidenden Boden-Luft-Stinger-Raketen, mit deren Einsatz die Mudschaheddin die Lufthoheit Moskaus beendeten. Diese Einschätzung deckt sich mit der des amerikanischen Marxisten Jonathan Neale, der über die Motive des US-Imperialismus 1982 (»Die afghanische Tragödie«) schrieb: »Es gibt mehrere Gründe für das Verhalten der Amerikaner. Sie haben von der russischen Invasion großen Nutzen. Von einem Sieg der Rebellen würden sie nicht profitieren. Die Invasion hat das Ansehen der Russen in der Dritten Welt und in vielen muslimischen Ländern sehr geschädigt.«
Allerdings war das Verhältnis zwischen den afghanischen Mullahs und dem US-Imperialismus nie ein spannungsfreies. Jonathan Neale drückte es 1988, kurz vor dem Abzug der russischen Truppen aus Kabul, so aus: »Falls die Rebellen siegen würden, hätten sich die Amerikaner ein Regime aufgehalst, gegen das der Ayahtollah im Iran wie Mary Poppins aussehen würde. Es wäre ein Regime der ›verrückten Mullahs‹, für das die USA verantwortlich wären. Und es würde innerhalb weniger Wochen zusammenbrechen, wenn die verschiedenen Stämme und ethnischen Gruppen zum wiederholten Mal versuchen würden, sich von dem neuen Staat freizukämpfen.«
Wo wird das Drehbuch des Krieges geschrieben?
Genau dies geschah dann auch: es kam zu einem blutigen Bürgerkrieg zwischen den verschiedenen Gruppen der Mudschaheddin, der schließlich von der stammesübergreifenden Bewegung der Taliban überwunden und beendigt wurde. Jimmy Carter schrieb in seinen 1982 veröffentlichten Memoiren über das militärische Eingreifen der USA in Afghanistan: »Im Jahr 1979 befanden sich die Vereinigten Staaten allenfalls ein bisschen in einem lokalen Drama, dessen Drehbuch woanders geschrieben wurde.« (Keeping Faith: Memoirs of a President) Das Drehbuch des Ukrainekrieges wird – was den Part der USA und seiner Bündnispartner angeht – nicht »woanders« geschrieben, sondern in Washington und ein bisschen auch in Berlin. (Lies hier den marx21-Artikel: »Die Ukraine am Tropf des Westens«.)
Oberflächlich betrachtet erscheint der Einmarsch Russlands sehr ähnlich dem der Sowjetunion in Afghanistan. Damals wie heute unterstützen die USA militärisch und finanziell die Aufstandsbewegung gegen die Besatzungskräfte Moskaus. Auch die Motive sind ähnlich: die russische Armee soll in einem langen Abnutzungskrieg geschwächt werden, Russland soll auf eine zweitrangige Regionalmacht reduziert werden.
Der militärische Sieg der Mujaheddin hat zwar zum Zusammenbruch der Sowjetunion und zur Befreiung der osteuropäischen Völker vom rot lackierten russischen Imperialismus entscheidend beigetragen. Aber in Zentralasien und im arabischen Raum hat der Sieg der Taliban den Zugriff von Nato und EU auf diesen Teil des Kontinents eher geschwächt. Es war kein bloßer Stellvertreterkrieg, es war vor allem ein nationaler Befreiungskrieg. Aus dem ehemaligen Bündnispartner (islamische Fundamentalisten) ist ein neuer Feind geworden. Ein Sieg der Selenski-Regierung über Russland würde den russischen Imperialismus zwar weiter schwächen, aber den Aufstieg des US-Imperialismus 1:1 stärken. Der Afghanistankrieg 1979-1988 hat trotz seiner politisch reaktionären Führung (Mujaheddin, Taliban) den Imperialismus weltweit geschwächt, den russischen unmittelbar und den amerikanischen (»westlichen«) mittelbar. Im Unterschied zum russisch-afghanischen Krieg ist der Ukraine-Krieg ein Stellvertreterkrieg zwischen Nato-Staaten und Russland. So sehr wir uns als Sozialist:innen eine Niederlage Putins wünschen, so wenig wäre ein Sieg der Selenski-Regierung im gegenwärtigen Ukrainekrieg ein Fortschritt für die internationale Arbeiterbewegung im Kampf für eine sozialistische Welt. Wenn dieser Krieg aufhörte, ein Stellvertreterkrieg der Ukraine für die Nato- und EU-Osterweiterung zu sein, könnte er einen progressiven Charakter annehmen. Die wichtigste Voraussetzung dazu wäre eine wirkliche Unabhängigkeitsbewegung in der Ukraine, welche die Umwandlung des Krieges in einen Volkskrieg organisiert – gegen Putin und nicht als Speerspitze der Nato-Osterweiterung. Kein Volk und keine nationale Unabhängigkeitsbewegung hat das Recht, die eigene Befreiung durch die Auslösung eines großen, internationalen Kriegs zwischen atomaren Mächten zu erzwingen.
Wie soll die Linke reagieren?
Sozialist:innen in Deutschland und Europa müssen jetzt die weitere militärische Eskalation durch die Lieferung von immer effizienteren und tödlicheren Waffensystemen stoppen. Eine sofortige Beendigung dieses Krieges bedeutet nicht die Forderung nach Kapitulation der Ukraine vor der russischen Besatzung. Es gibt zahlreichen Beispiele auch aus dem Zeitalter des Imperialismus, die die Möglichkeit von siegreichen nationalen Befreiungskriegen kleinerer, unterdrückter Nationen gegen imperialistische Unterdrückermächte zeigen – nicht nur das Beispiel Afghanistan und Vietnam, sondern beispielsweise auch Algerien. Die Linke kann in einem Stellvertreterkrieg nicht eine Seite unterstützen, weil sie sich damit auf die Seite des einen oder anderen Imperialismus stellen würde. Aus sozialistischer Sicht gibt es deswegen im Ukrainekrieg keine »Guten« oder »Bösen«. Es ist das imperialistische System, das Linke bekämpfen müssen. Viele Gegner:innen von Krieg sind allerdings entweder für den aus ihrer Sicht »demokratischen, fortschrittlichen« Westen, andere halten Russland immer noch für »fortschrittlicher« oder – weil schwächer – für das geringere Übel. Für manche kann nur der Westen imperialistisch sein, für andere nur Russland. Beide Positionen sind falsch.
Die Ukraine ist der Austragungsort eines Kampfes um Einfluss und Macht. Keines der beiden nationalistischen Lager ist fortschrittlich. Beide sind Werkzeuge imperialistischer Großmächte.
Wie sollte die Linke heute damit umgehen? Der russische Marxist Wladimir Iljitsch Lenin schrieb 1915: »Andererseits müssen die Sozialisten der unterdrückten Nationen auf die vollständige und bedingungslose, auch organisatorische Einheit der Arbeiter der unterdrückten Nation mit denen der unterdrückenden Nation besonders bestehen und sie ins Leben rufen. Ohne dies ist es unmöglich, auf der selbständigen Politik des Proletariats sowie auf seiner Klassensolidarität mit dem Proletariat der anderen Länder bei all den verschiedenen Streichen, Verrätereien und Gaunereien der Bourgeoisie zu bestehen. Denn die Bourgeoisie der unterdrückten Nationen mißbraucht beständig die Losungen der nationalen Befreiung, um die Arbeiter zu betrügen: in der inneren Politik benutzt sie diese Losungen zur reaktionären Verständigung mit der Bourgeoisie der herrschenden Nation […] in der äußeren Politik bemüht sie sich, sich mit einer der wetteifernden imperialistischen Regierungen zu verständigen, um ihre räuberischen Ziele zu verwirklichen.«
Das gilt auch heute. Die Linke braucht eine eigenständige Haltung. Nur so kann es zu einem gemeinsamen Kampf für eine demokratische und soziale Republik ohne Oligarchen kommen, die in beiden Lagern die Oberhand gewinnen kann. Nur durch die Besinnung auf die gemeinsamen Klasseninteressen der Arbeiter:innen und Bauern in der Ost- wie Westukraine gegen die Herrschaft der Oligarchen gibt es eine friedliche und soziale Zukunft für die Menschen in der Ukraine.
Und keine unterdrückte Nation hat das Recht, mit Hilfe eines großen Krieges zwischen den konkurrierenden imperialistischen Großmächten seine nationale Unabhängigkeit zu verteidigen. Eben dies strebt aber die Selenski-Regierung vom ersten Tag des Krieges mit Russland an. Es gibt viele kleinere, vom Imperialismus unterdrückte Nationen, die nach 1945 (Algerien) und bis in die jüngste Vergangenheit (Afghanistan) ihre nationale Unabhängigkeit in Volkskriegen mit den Mitteln von Klassenkämpfen und Guerillakriegen durchgesetzt haben.
Wichtig Punkt, ist es unabhängig von der Frage, wer nun den ersten Schuß abgegeben hat, die internationale Konstellation und die systemischen Widersprüche zu sehen, die sich dann in Kriegen akkumulieren und entladen. Interessant ist neben dem Vergleich Afghanistan/Ukraine auch die Gegenüberstellung der US- und russischen Außenpolitik samt Brzezinski/ Jelzin seit 1993.Wichtig ist es herauszustellen, dass dieser US-russische Konflikt sich schon unter Jelzin abzeichnete, nicht erst unter Putin begann. Die Entwicklungen des russischen Imperialismus unter Jelzin und Putin schon lange vor dem Ukrainekrieg werden seitens Putinfans genauso geleugnet, wie die Bedeutung NATO- Erweiterung, die selbst von Brzezinski lauthals und offen verkündete entscheidende Rolle der Ukraine für die Bestimmung Russlands als Imperium oder US- untergeordneter Regionalmacht und die Handlungen des US- Imperialismus seitens NATO-Epigonien. Oder wie es richtig in dem Artikel heißt:
„Spiegelbildliche Entwicklung des russischen Imperialismus
Diese militärischen und ökonomischen Expansionspläne von EU und Nato trafen spiegelbildlich auf den Beschluss einer neuen Militärdoktrin der Russischen Föderation 1993 noch unter Präsident Jelzin. Der Beschluss sieht die Möglichkeit einer Stationierung russischer Truppen im »Nahen Ausland« vor, wenn dies »auf Grund der Sicherheitsinteressen Russlands und anderer GUS-Staaten notwendig« sei.
Den Begriff des »Nahen Auslandes« hatte Jelzin geprägt. Zum Nahen Ausland zählt die russische Führung die ehemaligen Sowjetrepubliken vom Baltikum bis nach Zentralasien, die 1991 den Staatenbund der Sowjetunion verlassen hatten. So wie der Ausbruch des ersten Weltkriegs nicht das Ergebnis schlechter Entscheidungen dieser oder jener Regierungen waren, sondern auf den Kampf um die Aufteilung der Welt in koloniale und halbkoloniale Einflusszonen zwischen den industriell fortgeschritteneren, monopolkapitalistischen Mächten zurückzuführen ist, so sind auch die treibenden Kräfte, die zum Ukrainekrieg führten, ökonomische und geostrategische. Auf die besondere strategische Bedeutung der Ukraine für Russland hatte Brzezinski im Februar 2014 hingewiesen: »Ohne Ukraine kann Russland nie wieder Supermacht werden. Erst in diesem Zusammenhang wird der erbitterte Kampf Russlands um die Ukraine verständlich.« Und man muss hinzufügen: aus eben diesem Grund wird auch der erbitterte Kampf Washingtons um die Ukraine verständlich.“
Diesen sich zuspitzenden Konflikt sah unsere damalige Studentenzeitung Streitblatt auch schon in den 1990er Jahren, speziell zugespitzt nach dem Kosovokrieg in der Ausgabe vom Januar 1999, zumal die NATO da Kriterien des Völkerrechts und der sogenannten internationalen regelbasierten Ordnung brach, auf die sich Putin nun beruft, sei es unilaterale Militäreinsätze der USA und NATO ohne UNO-Sicherheitsrat oder UNOmandat, wie es Bush senior im Irakrieg samt internationaler breiter Unterstützung noch hatte, die Seperation des Kosovo und den Schutz von Minderheiten und Right to protect R2P– alles Rechtstitel auf die sich Putin nun spiegelbildlich und formell nun bei seiner Ukraineaggression beruft.Und mit Bush jrs. Irakkrieg 2003 und dem NATO- Libyenkrieg wurden seitens des Westens weitere Präzedenzfälle geschaffen.
NATO: Russen raus! Der Kaukasus wird wieder unser!
Zbigniew Brzezinski, hochranger US-Präsidentenberater a.D. gab mit seinem Buch »Amerika- die einzige Weltmacht- Amerikas Strategie der Vorherrschaft« ein sehr ungeschminktes Bild von Überlegungen der US-Elite bezüglich der näheren Zukunft von sich. Der deutsche Ex-Außenminister Genscher befand diese strategischen Überlegungen für ein Vorwort wert, wie auch der Bundeskanzler und Ostfrontkämpfer a.D. Helmut Schmidt löblich dem deutschen Volke empfahl : »Man muß dieses Buch zur Kenntnis nehmen, und man muß es ernst nehmen.« Durchaus. Grundüberlegung ist:
»Eurasien ist somit das Schachbrett auf dem sich auch in Zukunft der Kampf um die globaler Vorherrschaft abspielen wird.«
Eurasien= Europa- Russland- Asien und der »eurasische Balkan«: Kaukasus und Zentralasien.
Vor allem letzteres sei ein Machtvakuum und die Russen ohnehin ein Störfaktor. Klar gefordert wird, dass die Russen sich auf eine Art Reststück als Staatsgebiet zurückziehen und der NATO den Restkuchen überlassen sollen:
»Nichts destoweniger werden die Russen schließlich begreifen müssen, dass Russlands nationale Selbstfindung kein Akt der Kapitulation, sondern der Befreiung ist.«.
Zum Zwecke dieser Selbstbefreiung sollten sie gleich mal die Ukraine, Aserbeidschan, Georgien und Arnenien abschreiben, bzw. diese aufzugebenden Ansprüche gleichsam der NATO zu überlassen- freilich selbstfreiwillig. Falls die Russen das nicht so sehen, nicht ihres Glückes Schmied werden wollen, müssen sie eben dazu beglückt werden, ja von sich selbst quasi befreit werden. Soll heißen: Nix Kapitulation, sondern: » Befreiung« von imperialem Balast.
» Trotz seiner Proteste wird sich Russland wahrscheinlich abfinden, dass die NATO-Erweiterung 1999 mehrere mitteleuropäische Länder einschließt (…) Im Gegensatz dazu wird es Russland unvergleichlich schwerer fallen, sich mit einem NATO-Beitritt der Ukraine abzufinden (…) Eine Anbindung oder irgendeine Form von Mitgliedschaft von Russland in den europäischen und den transatlantischen Strukturen würde denn wiederum den drei kaukasischen Ländern- Georgien, Armenien und Aserbeidschan-, die eine Bindung an Europa verzweifelt herbeiwünschen die Türen zu einem Beitritt öffnen(…) Tatsächlich besteht das Dilemma für Russland nicht mehr darin, eine geopolitische Wahl zu treffen, denn im Grunde geht es ums Überleben (…) Im Kampf um die Vormacht in Europa winkte der traditionelle Balkan als geopolitische Beute. Geopolitisch interessant ist auch der eurasische Balkan, den die künftigen Transportwege, die zwischen den reichsten und produktivsten westlichen und östlichen Randzonen Eurasiens bessere Verbindungen herstellen sollen, durchziehen werden. Außerdem kommt ihnen sicherheitspolitische Bedeutung zu, weil mindestens drei seiner mächtigsten und unmittelbarsten Nachbarn von altersher Absichten darauf hegen, und auch China ein immer größeres Interesse an der Region zuerkennen gibt. Viel wichtiger aber ist der eurasische Balkan, weil er sich zu einem ökonomischen Filetstück entwickeln könnte, konzentrieren sich in dieser Region doch ungeheuere Erdgas- und Erdölvorkommen, von wichtigen Mineralien (…) ganz zu schweigen. Der weltweite Energiebedarf wird sich in den nächsten zwei oder drei Jahrzehnten enorm erhöhen. Schätzungen des US-Departments of Energy zufolge steigt die globale Nachfrage zwischen 1993 und 2015 um vorraussichtlich mehr als 50% , und dabei dürfte der Ferne Osten die bedeutendste Zunahme verzeichnen. Schon jetzt ruft der wirtschaftliche Aufschwung in Asien einen massiven Ansturm auf die Erforschung und Ausbeutung neuer Energievorkommen hervor, und es ist bekannt, dass die zentralasiatische Region und das Kaspische Becken über Erdgas- und Erdölvorräte verfügen, die jene Kuweits, des Golf von Mexikos oder jene der Nordsee in den Schatten stellen.«
Nur bleibt da ein bisher noch unwilliges Russland, dass nach Kosovokrieg und neueren Gerüchten über eine zweite NATO-Erweiterungsrunde eben DESWEGEN den Krieg um Tschetschenien begonnen hat. Nicht nur um sein Territorium erhalten, sondern auch gegen die NATO-Ambitionen im Vorfeld vorzugehen, d.h. z.B. Armenien hochrüstet, mit Weißrußland einen Pakt schließen will und mit Atomwaffen droht. Die missglückten Attentatsversuche Putschversuche in Armenien und Usbekistan sind weiterer Ausdruck dieser Auseinándersetzungen. Kleine Parodie am Rande. Wahrscheinlich hat Deutschlands BND Georgiens Prasident Schewardnadse als Weihnachtsgeschenk einen noch dicker gepanzerten Mercedes spendiert. Daß all diese Versuche so in die Hose gehen, zeigt da eher die mangelnde Schlagkraft und Kapazität eines zerfallenen KGBs, denn Willen hierzu. Der Wille ist stark, doch das Fleisch wird immer schwächer. Was die NATO-Staaten ermutigt. Wenn Russland schwach ist, können »wir« loslegen.
ABER: Russland ist halt ein »Obervolta mit Atomwaffen« (Helmut Schmidt). Ein wirtschaftlicher Zwerg, aber ein militärischer Riese- im Gegensatz zur BRD: Ein wirtschaftlicher Riese, aber »politischer Zwerg« (Strauß)- vor allem militärisch.. Denn in letzterem Felde gibt es im wesentlichen nur die NATO und den amerikanischen Atomschild.
Daher ist die BRD etwas zurückhaltender gegenüber Russland, zumal es auch nicht durch US-Vorstöße in eine fatale Eskalationssituation kommen will. Solange die BRD nicht über eine eigene Atomstreitmacht verfügt, muß sie zwischen USA, Frankreich, Großbritannien und Russland ein ständiges Kompromissspielchen und Spagate vollziehen. Daher hörte man auch während des Kosovokrieges von Seiten der BRD sehr frühzeitig: Keine Bodentruppen und »Russland und China ins Boot holen«.(…)
Die Europäer haben da Bedenken, daß die USA und die Türkei sie da in einen Konflikt bringen könnten, der ein verärgertes Russland zu unberechenbaren Reaktionen und Drohgebärden aktiviert, die eventuell die Europäer ausbaden müssten, wie auch die USA im eurasischen Balkan dann das Zepter führen würden. Obwohl man sich recht sicher ist, daß Russland, das »Obervolta mit Atomwaffen« wegen schierer NATO- Überlegenheit und ökonomischer Schwäche und anstehender Privatisierungswelle sich für die »rationalere Option« entscheidet. Doch sicher ist man sich dessen nicht, wie auch die EU und Deutschland die russische Reduktion lieber unter eigener Definitions- und Prozessgewalt hätten, statt sie amerikanisch- türkischen Schnellschüssen zu überlassen – zumal die Besetzung Pristinas während des Kosovokriegs durch die Russen und Marschbefehl durch US-General und NATO-Oberbefehlshaber Wesley Clark da noch in frischer Erinnerung ist (britischer Oberbefehlshaber: »Wegen den USA riskiere ich keinen dritten Weltkrieg mit Russland«). Daher haben Großbritannien und Frankreich nun auch die Initiative ergriffen, um die europäische Militärsäule zu stärken. Während des EU-Gipfels in Helsinki wurde nun ein Fahrplan vorrangetrieben zum »Aufbau einer Krisenreaktionstruppe von fünfzig bis sechzigtausend Mann, die innerhalb von 60 Tagen eisatzbereit sein soll und unabhängig von Amerika mindestens ein Jahr operieren kann (…) Es waren der Brite Tony Blair und der Franzose Jaques Chirac, die nach dem demütigenden Erlebnis der fast totalen Abhängigkeit der Europäer von den USA im Kosovo-Krieg aufs Tempo drückten. Gerhard Schröder kam dazu. Erst als Briten und Franzosen sich auf den Ausbau autonomer europäischer Fähigkeiten verständigten, nahmen die USA die Emanzipationsbestrebungen ernst. Ihre Forderung nach formalen Beziehungen zwischen der künftigen europäischen Streitmacht und der NATO wurde auch von den Briten zurückgewiesen. Berlin macht sich vorerst klein in dieser Neubestimmung der atlantischen Partnerschaft.« (SZ v. 9. November 1999). Vorerst, aber wohl nicht lange. (…)
Die Reaktion Russlands auf diese politische, wie auch ökonomische Herausforderung war recht heftig: Keine Einmischung in »innere Angelegenheiten«, demonstrativer Chinabesuch Jelzins mit dem dezenten Verweis auf die Atomwaffen Russlands und der Test der neuen russischen Interkontinentalrakete TOPOL. China verwies umgekehrt darauf, daß nach der Rückkehr Macaos Dezember 1999 die Wiedervereinigung mit Taiwan anstünde, die Taiwanfrage eine »innere Angelegenheit« Chinas ist und verkündete die Existenz von Atomwaffen, die sowohl die USA, als auch Westeuropa zu treffen imstande seien. Freilich wäre es zuviel von einer strategischen chinesisch-rußischen Achse zu sprechen, denn in der Foreign Affairs wird auch die Option einer künftigen Gegnerschaft Chinas mit Russland gehandelt, insofern es zu keiner Eskalation zwischen den USA und China z.B. wegen Taiwans kommt und Russland weiter an Einfluß verliert. Russland und China sind sich zwar einig, daß eine Schwächung der USA förderlich ist für eine multipolare Welt, wie sie auch betonen die chinesisch-rußische Freundschaft richte sich nicht gegen Dritte. Doch ob sich China im Falle eines Konflikts der USA, bzw. der NATO mit Russland auf die russische Seite schlagen würde, ist fraglich. Wie auch, ob Russland sich bei einem chinesisch-amerikanischen Konflikt um Taiwan auf die Seite Chinas stellen würde. Zumal ja auch alle eine direkte militärische Konfrontation verhindern wollen.(…)
Von daher agieren die Europäer zwar mit den USA in der NATO, haben jedoch Differenzen mit den USA und wollen sich eigene Optionen eröffnen. Die Atomwaffenstaaten Frankreich und Großbritannien nutzen dabei innerhalb der EU ihre militärisch harte Währung (A-Waffen, Flugzeugträger, internationale Eingreiferfahrung, u.a. ) gegenüber dem ökonomisch starkem, doch militärisch noch mittelmäßigem Deutschland — welches sich eben im Spagat zwischen USA und Frankreich, bzw. England in militärischen Fragen sieht.
Zwar agieren die europäischen Großmächte arbeitsteilig in der NATO und mit den USA, aber in dem Sinne, in keinen Konflikt mit den USA hineingezogen zu werden, den man selbst nicht will. Und daher das Bestreben nach einer eigenen Säule. Durch diese Ambivalenz entsteht für die EU-Staaten Druckmöglichkeit gegen Russland als auch Handlungsspielraum gegenüber den USA. Dies wird auch von Russland quittiert. Russland versucht seinen wesentlichen Devisenbringer (Energieträger) als Lockangebot der EU zu offerieren.(…)
Der Kampf um die Neuordnung der Neuen Weltordnung geht in die nächste Runde.
Die Präsidentschaftswahlen 2000 in USA und Russland, wie auch die Präsidentschaftswahlen 2000 und die schwelende innenpolitische und ökonomische Krise in der VR China können hier noch nationalistisch emotionalisierend wirken. An Drohgebärden mangelte es schon im Jahr des Kosovokriegs 1999 nicht.“
Volltext:
So richtig die Analyse bei Marx 21 in Sachen Geopolitik ist, so bleiben doch einige erhebliche Kritikpunkte: Was aber ein wahrer nationaler Freiheitskampf mit wirklichem Volkskrieg sein soll, bleibt unklar und ist mehr ein Schlagwort. Bemisst sich das am Kriegsziel einer neutralen, blockfreien, sozialen und demokratischen Ukraine? Das klingt erst mal nach einer neutralen mit sozialen Marktwirtschaft ausgerüsteten Demokratie, doch Trotzkisten meinen übersetzt damit eher eine sozialistisch-kommunistisches Sytem mit der Diktatur einer Kaderpartei mit der Gründung einer eigenen neuen Roten Armee wie damals Trotzki Vater der Roten Armee war, „Weder Washington noch Moskau“, das ohnehin keiner mehr seit dem Niedergang des Kommunismus will. Das müssten schon andere demokratische Kärfte als Steinzeittrotzkisten fordern.
Der Koreakrieg wird als innerimperialistischer Stellvertreterkrieg abgelehnt, aber was war an Vietnam und Kambodscha anders oder was waren diese? Die 68er Apo mit ihren Ho, Ho Ho Chi Minh- Rufen und Mao-Plakaten erklärte ja auch damals den Vietnamkrieg und den Vietcong wie auch die Roten Khmer zu nationalen Befreiungsbewegungen, die einen Volkskrieg gegen den US- Imperialismus führen würden, obgleich ja auch diese von der Sowjetunion und China gegen die USA und den Westen aus- und hochgerüstet gerüstet wurden. Suggerierte die Vietcong-Propaganda ein emsiges Ameisenheer, das in grüner 3. Welt- Volkskriegsromantik mittels Fahrradkolonen Truppen und Kleinkaliberwaffen und Kalaschnikows oder Granatwerfer bewegen würde, fand das Ganze mit aus dem kommunistischen China und der Sowjetunion gelieferten MIGs, SAM, Lastwagen und Großmilitärgerät statt, wie auch der Ho Chin-Pfad meist im Dschungel befestigte Straßen und nicht kleine Fußtrampelpfade waren, die es daneben auch aber weniger wichtig gab.Auch schon bei Diem Bien Phu 1954 war das nicht anders. Waren das dann keine Stellvertreterkriege oder imperialistische Kriege wie der Koreakrieg? Auch fraglich, ob man die Taliban und Islamisten als nationale Befreiungsbewegung sehen soll und kann, zumal inwieweit die Taliban so „national“ denken. Der Islamismus und der Jihad ist ja auch etwas Neues, das nicht so in die alten marxistischen Kategorien von nationalen Befreiungskriegen passt. Aber für eingefleischte islamophile Marxisten wie auch postkoloniale, postmoderne LQBTIQ_ Genderfeminist*innen sind auch Islamisten und ihre Heiligen Religionskriege antiimperialistische Kriege, zumal Moderne, Säkularismus, Menschenrechte und Demokratie da kategorisch und fundamentalistisch als Kriterien ausgeschlossen werden. Irgendwie geht es nur um das Ideal eines nationalen Volksstaats als geopolitischem Legostein, den man unabhängig von seiner inneren Beschaffenheit realpolitisch und bei gutem Willen aneinander stöpseln könne. Zumal auch Volk und Völker so eine totalitäre Kategorie ist, die eine scheinbare Einigkeit und Homogenität von INteressen ausgeht, was meistens totalitäre Staaten, am besten noch mit solchen Titeln wie sozial und demokratisch. Faktisch geht es soziale und kulturelle Unzufriedenheit mit Berufung auf solch scheinbar harmlos und gut klingende Titel wie Volk, Ummah oder was auch immer für die Etablierung einer totalitären Diktatur einer Kaderorganisation zu nutzen. Diesen Kniff hatte ja schon Hitler mit seinem nationalen Sozialismus und seiner vorgeblichen nationalsozialistischen Arbeiterpartei oder eben Mao mit seiner „Neuen Demokratie“ drauf und Teile des US- Imperailsimus waren damals auch so blöd zu glauben, dass es sich bei dem Maoismus nur um eine Landreformbewegung armer Bauern handele, die nur ein wenig soziale Gerechtigkeit wollten angesichts der korrupten Nationalpartei KMT Tschiang Kaitscheks. Dieses propagandistische Muster wird genauso von damaligen und heutigen Rechts- und Linksradikalen und eben auch Islamisten immer wiedergekäut, aber verfängt auch immer wieder angesichts der sys
etmischen Widersprüche des Kapitalismus und der liberalen Demokratie. So wird dann auch in diesem Duktus aus dem Iran ein antiimperialistischer Staat, aus Islamismus eine Theologie der Befreiung; aus dem Jihad ein antiimperialistischer Krieg und aus dem Kopftuch ein Symbol von Frauenemanzipation gegen die Degradierung der Frau als Sexobjekt vor begehrlichen Blicken und Symbol des antikolonialistischen und antiimperialistischen Kampfes gegen den US-imperialistischen Way of Life.
„Islamismus- die linke Blindheit auf dem islamistischen Auge
Das grösste Versagen aber der revolutionären und reformistischen Linken ist jedoch die Relativierung und Verharmlosung des Islamismus, kurz; des Islamofaschismus, der aus dem Islam hervorgeht und durchaus kompatibel ist mit dieser Religion,, wie auch andere national-klerikalfaschistische Bewegungen in der Welt kompatibel mit dem Antimodernismus, dem antiaufklärerischen Inhalt, der Homophobie und Frauenfeindlichkeit dieser feudalistisch geprägten Religionen sind.
Aber während die US-Evangelikalen, der Hinduismus, das Christentum Lieblingsobjekt der westlichen Religionskritik war, wurde der Islam und vor allem der Islamismus schon bei der Machtergreifung Khomeinis 1979 weitgehend relativiert und als komisches Phänomen angesehen,ja Khomeini galt vielen Linken selbst dann noch als Antiimperialist, als er die gesamte iranische Linke in Folterkeller und zu Massenerschiessungen verbrachte. Rudi Carells Büstenhalterwitz über Khomeini im deutschen Fernsehen, welcher mit Massenprotesten in Teheran und Verbrennen der deutschen Flagge intoniert wurde, galt als irgendwie abgespact und strange und nicht weiter ernst zu nehmend , man war sichtlich überrascht und konnte sich die Reaktion nicht erklären, die Fatwa gegen Salman Rushdies „Satanische Verse“wurden als übertriebener Ausreißer wahrgenommen, Khomeini aber immer noch eine antiimperialistische, soziale Rolle zugestanden.
Dmitry Asinovsky schildert in seinem Beitrag „How Experts, Intelligence Services and Politicians of the Two Superpowers Missed the Birth of Islamic Fundamentalism“ in Russia in Global Affairs rückblickend, das die Supermächte USA und Sowjetunion gar keinen Begriff vom Islamismus hatten und dessen Rolle nicht richtig einschätzen konnten. Während die Sowjetunion hier vor allem einen soziale Volksprotestbewegung sah, die religiöse Komponente aber gar nicht in ihren marxistischen Kategorien integrierte, so waren auch die USA überrascht über Iran 1979. Hinzu kam, dass während der Sturz des Schahs im Iran durch Khomeini für breite Aufmerksamkeit in den Medien und Expertenkreisen sorgte, die gleichzeitige Besetzung der Moschee von Mekka 1979 von der westlichen Öffentlichkeit inklusive der Linken nahezu unberichtet und unbemerkt blieb, obgleich es sich um den ersten Putschversuch sunnitischer Islamisten in einem sunnitischen Land handelte. Für etliche traditionelle Linke, Marx 21, Putin- und Chinafans sind Islamisten, speziell auch die Muslimbrüder und der Iran, der ja auch Mitglied der SCO ist antimperialistische Kämpfer gegen den US- Imperialismus und Israel/USrael/Zionismus oder wie auch immer und wie Marx 21 andeutet, hat man auch für die Taliban gewisse angedeutete Sympathien, bestenfalls noch unter der Kategorie: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Aber so dachte der US- Imperialismus und der Westen ja auch während des Kalten Kriegs, als er massig Islamisten von Muslimbrüdern bis afghanischen Gotteskriegern und Osama Bin Laden gegen den Kommunismus und die Sowjetunion unterstützten.
Dazu noch als Lesetip:
Manifest des linken Counterjihad
von Ali Kant
Hauptthesen:
- Die lslamophilie der Linken verharmloste die Gefahr des Islamismus, weswegen die Rechte ihren rechten Counterjihad und Kulturkampf recht konkurrenzlos führen konnte und zeitgleich die Islamisten auch förderten.
- Die wesentlichen weltweiten Missionierungsreligionen und ihre weltweiten politischen Bewegungen sind die US-Evangelikalen, die Falungong und der Islamismus. Die russische und ukrainische und griechische Orthodoxie, die sich untereinander gespalten haben, wollen nur regionale Vorherrschaft ebenso der Hinduismus einer BJP oder der Buddhismus eines Dalai Lamas. Wobei das deutsche Christentum und der Dalai Lama da eher Sonderwege sind, wie auch ein Papst Franziskus, der auch wieder durch eine reaktionäreres Christentim zurückgedrängt werden könnte.
- Das Problem der Linken ist, dass sie nie eine rechte Beziehung zur Religion hatte und sich ihr entweder anbiederte oder sie zu radikal bekämpfte. Wichtig wäre aber erst einmal linke säkulare Kräfte zu vereinigen gegen die Religion und deren Extremismus, sie zu einer schlagkräftigen Kraft zu vereinigen, die diese zurückdrängt und nur mit moderaten religiösen Kräften eine Zweckgemeinschaft macht gegen den religiösen und damit einhergehenden politischen Extremismus, aber sich erst einmal selbst formiert und nicht eine Moderierierung seitens moderater religiöser Kräfte abwartet.
- Es besteht keine Gefahr einer Islamisierung industrieller OECD-Staaten und emerging economies wegen Mangels an Muslimen, wenngleich umgekehrt schon in Staaten mit muslimischer Mehrheit, die diese aber nicht im Westen sein werden. Dennoch besteht die Möglichkeit, dass sie als nicht integrierte Minderheiten Störungen und auch Terrornanschläge in die nichtmulimischen Gesellschaften hereinbringen, die als Vorwand seitens rechter und faschistischer Bewegungen und Parteien genommen werden, um sich selbst zu einer faschistischen oder autoritären Diktatur aufzuschwingen.
- Von daher muss man sowohl den Islamismus wie aber auch den Faschismus bekämpfen, da Islamophilie autoritäre Entwicklungen begünstigt. Desweieteren gilt es die dominierende Stigmatisierung und Labelung von Migranten als „Muslime“ wie es seit 9 11 in Mode gekommen ist, zu überwinden, zumal auch viele der sogenannten Muslime säkular sind, Ramadan als traditionelles Familienfest wie Christen und selbst Agnostiker Weihnachten feiern, in keine Moschee gehen und kein Kopftuch tragen.
Der Counterjihad wurde bisher vor allem von der rechten Seite propagiert und großteils monopolisiert, was Ausdruck dessen war, dass es auf der Linken kaum Personen oder politische Gruppen gibt, die sich ernsthaft mit dem Islam und dem Islamismus auseinandergesetzt haben und diesen als Feind der Linken benannten, ja einige Linke sehen oder sahen solche Islamisten aufgrund ihres Antiamerikanismuses auch noch als Verbündete im antiimperialistischen Kampf. Der Großteil der Linken gibt sich als Kulturrelativisten, Islamversteher, betrachtet den Islamismus als alleiniges Produkt des westlichen Imperialismus (was er zum Teil auch ist-zum einen als Reaktion auf den westlichen Kolonialismus, wie dann auch während des Kalten Kriegs als von der US-CIA unterstützte religiöse Bewegung gegen den Kommunismus und Panarabismus, seien es nun die Muslimbrüder oder Gotteskrieger in Afghanistan) und ist mehr durch einem westlichen Schuldkult, der defensiv Asche über sein Haupt streut und “Mea culpa!” krächzt, paralysiert. Der Islamismus wurde lange Zeit nur als Reaktion oder gar als CIA-Schöpfung im Kampf gegen den Kommunismus im Kalten Krieg verstanden, als als eigenständige politische Größe, die eigenen Gesetzen folgt.
Lange wurde der Islamismus als reines “Feindbild” des Westens dargestellt, als eine Erfindung westlicher Geheimdienste, die nur dazu diene imperialitische Angriffskriege zu ermöglichen, den staatlichen und militärischen Sicherheitsapperat auszubauen, gerade so als handele es sich nicht um eine reale und faktische Gefahr auch für die Arbeiterbewegung, Frauen und die Linke, sondern um eine Fatamorgana und ein Trugbild westlicher Propaganda. Wegen der berechtigten Sorge, dass die Rechte einen “Kampf der Kulturen”, einen “Clash of Civilazations” anzetteln möchte, verhielt man sich defensiv oder gar paraylysiert oder gar ablehnend gegen einen linken Kampf gegen den Islamismus, kurz: Man verzichtete einen eigenen linken Counterjihad als Alternative zum rechten Counterjihad zu propagieren.Wichtige Forderungen im Kampf gegen des Islamismus werden nur unter der Perspektive abgelehnt, ob sie Rechten helfen könnten oder aus der Rechten kommen, anstatt sich über die Geeignetheit dieser Forderungen und der inhaltlichen Richtig- oder Falschheit dieser Forderungen Gedanken zu machen. Daher ist es notwendig den Islamismus auch von links zu bekämpfen und den linken Counterjihad programmatisch zu begründen.
Die Linke hat sich bisher mainstreammäßig islamophil gebärdet, Genderfrauen forden für Frauen das Recht aufs Kopftuch mit der Parole „Mein Kopf gehört mir“, verteidigen den islamistischen Burkini mittels Aktionen wie „Bikini und Burkini-Unite“in aberwitziger Legitimierung dieser frauenfeindlich-puritanischen Islamismussymbole im Namen des Selbstbestimmungsrechts der Frauen, verharmlosen die reaktionären Religionsinhalte des Korans und Islams, der eben so zielstrebig zum Islamofaschismus führt, wie die nationalkonservative und konservative Ideologie zum Faschismus und Nationalsozialismus.Da die Linke keine Religions- und Islamkritik mehr übt oder nur sehr selektiv, solange es um westliche Religionen geht, nutzt die Rechte dieses ureigenste Territorium der Linken nun um einen rechten Counterjihad und Kulturkampf zu führen, dem die Linke mit ihrer kritiklosen Islamophilie nichts entgegenstellen kann. Daher bedarf es einer klaren Positionierung der Linken zum Islam und Islamismus und der Begründung eines linken Counterjihad.
Professor van Ess brachte diese mehr theoretische Diskussion nochmals auf eine mehr aktuelle und auch sehr zentrale Frage:
„Ja, das ist interessant. In der Ukraine wird ein großes Ding gedreht. Deutschland unter Steinmeier hatte 2015 versucht, das zu verhindern, musste aber sehen, dass seine Einflussmöglichkeiten begrenzt waren, als Joe Biden an die Macht kam. Seitdem tobt der Kampf zwischen Amerikanern und Russen, und wir nehmen nur noch Flüchtlinge auf – und zahlen für sie und dafür, dass die Russen Leo 2’s zerstören dürfen. Erschreckend war aus der Analyse des Afghanistan-Artikels, dass die Amerikaner erst nach 7 Jahren die Waffen lieferten, mit denen die Luftherrschaft der Russen gebrochen und der Krieg gegen sie entschieden wurde. Vorher war Abnutzungskrieg, der Mudschaheddin und den Russen beiden schadete. Wie sieht das heute aus? Haben wir uns auf ein paar Jahre Abnutzung einzustellen, am Ende derer dann der Gamechanger kommt? Oder ist die Sache doch anders, weil der Krieg verlustreicher ist und außerdem Russland selbst direkt betroffen?“
Wir glauben bezüglich Ukraine gibt es nicht mehr solch eine harte internationale. amerikanische und westliche Solifront wie bei Afghanistan, zudem auch das Terrain ein anderes ist und auch noch China als Akteur mitwirkt, der damals in Kalten Krieg mit den USA und dem Westen verbündet war. .Zweckoptimistisch hoffen wir, dass es nach der Ukraineoffenisve oder im US-Wahljahr darauf eine Korealösung ala Milley gibt. Dazu demnächst eine ausführlichere Analyse. Sehr zu empfehlen ist auch der Film mit Tom Hanks als republikanischen Abgeordneten und Julia Roberts als rechter Evangelikaler, die die strammen islamistischen Gotteskrieger gegen die gottlosen Sowjetkommunisten unterstützten und damals auch die Lieferung der game changenden Stinger initiierten, wenngleich diese wieder etwas sehr dem Erzählmuster eines sehr simplifizierenden Helden- und Heroenindividualismus ohne nähere Analyse der Mainstreampolitik folgt. Aber: Eine wahre Story, zumal auch die Personen der Realität entsprungen sind, wenngleich eine in Hollywoodformat gepresste Geschichte: „Der geheime Krieg des Charlie Wilson“, der auch Vorlage des anonym bleibenden Charlies für die US-TV- „Drei Engel für Charlie“ mit sexy Rauschgoldengel Farah Fawcett wurde Und wie Araber, Muslime und Mossad da harmonisch die Waffenlieferungen klarmachen. Und der damalige Global South, vor allem in Sachen 3. Weltland China war da auch noch großteils an Bord mit den USA und dem Westen.
General a. D. Vad kommetierte dazu noch:
„Interessante, nachvollziehbare Gedanken. Aber : die Ukrainer, von denen wie in RUS sich auch tausende dem Wehrdienst entziehen, sind keine Mudjaheddin, keine Stammesgesellschaft mit ihrer hohen, religiös fundierten Kampfmoral und der Bereitschaft, den Kampf in die Länge zu ziehen nach dem Motto : ihr habt die teuren Uhren, wir haben die Zeit !
Und : im Unterschied zu AFG kann RUS aus strategischen Gründen den Donbass und die Krim nicht aufgeben. Es wäre ihr Ende als Weltmacht. Daher halte ich einen langen Abnutzungskrieg oder eine Korealösung für wahrscheinlicher. Es könnte aber auch sein, dass RUS vorher doch noch die Region Odessa, ohne die die Westukraine allein nicht mehr lebensfähig ist, besetzt, zumindest als Faustpfand für Verhandlungen. Aus RUS Sicht wäre das die perfekte militärische Position für spätere Verhandlungen.“
Die Unterscheidung auch des vermuteten Kampfgeistes zwischen Ukrainern und islamistischen Gotteskriegern (obgleich einem westliche Medien da ja auch Wunderkräfte der Ukrainer suggerieren), wie auch der Bedeutung des Donbass und der Krim für Putin mag wichtig sein. Eigentlich sagt General Vad ja nichts anderes als Brzezinski (Imperium oder „Überlebensfrage“/ siehe Chessboard) oder unfreiwillig Obama: Regionalmacht. Zumindestens waren Dr. Rahr, Ex- General Kujat und Ex- General Vad als Trio Infernale vorgestern in der chinesischen Botschaft in Berlin, wobei der chinesische Botschafter deren Einschätzung der Entwicklung der deutschen Politik und vor allem Außenpolitik nachgefragt haben soll. Wie Dr. Rahr sagte: China hofft, dass Russland nicht zu sehr geschwächt, aber nicht „besiegt“ wird und sich als Juniorpartner unterordnet. Soweit Dr. Rahr es schilderte, wollte der chinesische Botschafter von den dreien eine Einschätzung der Entwicklung Deutschlands und seiner Außenpolitik wissen, wie es dann auch mehr konkret um das Getreideabkommen und Afrika ging. Laut Rahr erhofft sich China hier Zugeständnisse Russlands und nach dem Fall Nigers von Putin eine Grundsatzrede über eine neue multipolare Weltordnung. Ob noch mehr besprochen wurde, wurde mir nicht mitgeteilt. Laut Vad hofft China auf eine deutsch-französische Ukraineinitiative, die mit Chinas GSI kompatibel sein soll. Eigentlich klingt da raus, dass Putin- Russland dann eben auch nur noch als Hilfskraft und unausgesprochen Regionalmacht mit Atomwaffen für seime eigenen Ambitionen und als junior partner sieht, der sich wegen Wagnertruppen und ein paar gemeinsamen SCO- und Marinemanövern noch ein bisschen als Weltmacht und Sowjetunion halluzinieren darf und Hilfsdienste für China in Afrika und andernsorts verrichten darf.
Nun man könnte noch viele Unterschiede uwoschen Ukraine und Afghanistan bringen: Die Topographie, die geographische Lage, die geopolitische internationale KOnstellation, zudem Afghanistan als mittelalterliche Agrargesellschaft mit zudem gewichtger Opiumlandwirtschaft und Poppy fields als Cash cow , während die Ukraine eine halbwestliche, zumal säkulare Industriegesellschaft, wenngleich Getreidekammer ist, die ja wichtig für den Weltmarkt ist, wie es das Getreideabkommen zeigt, wobei Russland 20% des Weltgetreidemarkts ausmacht, während die Ukraine nur 5%, aber auch das fällt für den sogenannten Global South ins Gewicht. Das hat sich jetzt auch beim Russland- Afrikagipfel in St. Peterburg gezeigt bei dem Putin Getreidelieferungen versprach, zudem Schuldenerlässe (sind die so entscheidend und Russland so ein gro0er Kreditgeber), zudem verkündete er hätte jetzt infolge des Nigerputsches Militärabkommen nicht näheren Gehalts mit 40 Staaten geschlossen, die Afrikaner aber meinten, er solle erst mal seine Getreideversprechungen erfüllen und selbst wenn sei ein Waffenstillstand und eine Beendigung des Ukrainekriegs wichtiger, um das Problem mal an der Wurzel abzustellen.
Das Wesentliche ist aber bei all diesen Unterschieden: Wenn Russland Odessa besetzen will, wird es weitergehen, da der Westen zumindestens eine überlebensfähige Restukraine will, die ihm nicht völlig als Mühlstein am Hals hängt. Odessa ist für den Westen und die Ukraine, was die Krim für Putin ist. Das Beste wäre, wenn die Chinesen und die Afrikaner Putin davon zu überzeugen auf eine Offensive gegen Odessa zu verzichten und Donbass und die Krim als maximale Verhandlungsmasse in Sachen einer Korealösung als Milley einzubringen. Zudem glauben wir auch nicht, dass die russische Armee noch fähig ist im Moment Odessa zu besetzen. Luftschläge ja, Luftterror ja, das sogennannt übliche Programm, dass noch nicht einmal Bomber Harris oder Dresden ist, aber nicht Besetzung Odessas oder des Südens. Selbiges gilt auch umgekehrt für die Ukraine für Krim und Donbass ohne game changer. Darauf habe ich ja mit Ben Hodges eine Flasche Whiskey gewettet. Wie gesagt: Glauben heißt nicht wissen und möglicherweise gibt es da noch black swans, gray rhinos oder andere, vielleicht auch internationale game changer, auch wenn nur mal nach Nahost schaut.