Burdas Focus bremst Söders nostalgischen Strauß-Personenkult: What if? Wenn das der Führer wüßte!

Burdas Focus bremst Söders nostalgischen Strauß-Personenkult: What if? Wenn das der Führer wüßte!

Ulrich Reitz und der Focus des Hauses Burda beschäftigen sich heute auch mit dem nostalgischen Straußpersonenkult als Wahlkampfstrategie der CSU.um das Ganze etwas infrage zu stellen und einzubremsen- auch in Hinsicht auf die Frage, ob FJSs und andere damalige Positionen noch so zeitgemäß sind angesichts anderer geopolitischer, internationaler und innenpolitischer Konstellationen und neuen Problemen..

Ulrich Reitz antwortet seinen Lesern

Deutschland ist linker geworden – und Sie haben das so gewollt

Gestern, 22.08.2023 | 19:41

Viele Menschen in diesem Land wünschen sich das Konservative eines Franz Josef Strauß zurück. Nostalgie kann ein sehr schönes Gefühl sein. Bei der Bewältigung aktueller Probleme hilft die Rückschau nur selten. Was FOCUS-online-Leser Ulrich Reitz schreiben – und was er ihnen antwortet.

Liebe Leserinnen und Leser

sehr viele von Ihnen haben uns geschrieben, was sie davon halten, dass die CSU und deren Chef Markus Söder im bayerischen Landtagswahlkampf die konservative Parteilegende Franz Josef Strauß plakatieren. 

Die meisten vermissen das Konservative früherer Zeiten. Die Debatte ist spannend. Sie zeigt auch, wie sehr sich Deutschland in den vergangenen 30 Jahren verändert hat. Übrigens: getragen vom Willen der Wähler. 

Deshalb probiere ich heute etwas Neues aus: Ich antworte unseren und meinen Lesern (naja: einigen von Ihnen). 

Mögen Sie das? Ich bin gespannt auf Ihre Rückmeldung.

Politikern waren auch in den siebziger und achtziger Jahren die Medien ganz und gar nicht egal

„Ich wünschte, wir hätten mal nen Politiker wie F.J. Strauß, Wehner, Schmidt, denen Presse und all das Gelabere egal waren …“ (Carsten Lange)

Den Politikern waren auch in den siebziger und achtziger Jahren die Medien ganz und gar nicht egal. Auf kritische Berichte reagierten sie manchmal sogar unmittelbar. Prominentestes Beispiel ist Franz Josef Strauß und die Spiegel-Affäre. Nach der – für heutige Maßstäbe – geradezu harmlosen Geschichte „Bedingt abwehrbereit“ wurde der Spiegel-Chef verhaftet. Später musste Strauß dann gehen. Oder denken Sie an die Barschel-Affäre. Die Spendenaffäre der Union, und, und, und. 

Wahr ist: Die Medienlandschaft hat sich gravierend verändert. Man sieht es auch hier: Die Macht der Leser hat gravierend zugenommen. Noch in den neunziger Jahren verging eine Woche, bis ein Leserbrief publiziert wurde. Heute geht das fast in Echtzeit. Man könnte sagen: Der Diskurs ist demokratischer geworden.

Die Problematik der sogenannten „kulturfremden Einwanderung“

„Ausstieg aus der Kernkraft ohne Alternativen, Migration von Ungebildeten, Kulturfremden aus der islamischen Welt. Jetzt befindet sich die Wirtschaft noch im Sinkflug. Wenn man es nicht kann, dann sollen neue Parteien oder Konstellationen das versuchen…“ (Wolfgang Müller) 

Der Meinung kann man sein, und man darf es auch sagen, hier zum Beispiel.

Nur: Über den Ukraine-Krieg hat sich die allgemeine Meinung zur Kernkraft geändert. Kurz und pauschal: Früher waren die meisten dafür, zuletzt auch die Union und die FDP, heute sind wieder mehr gegen den Atom-Ausstieg. Der Blickwinkel hat sich gedreht: Viele Länder (zuletzt Schweden) sagen heute, wer Klimaschutz will, muss auf einen Energiemix setzen, in dem Kernkraft eine wichtige Rolle spielt. Die Grünen sind in der Tat in ihrer Anti-AKW-Ideologie gefangen, die zu ihrer Gründungs-DNA gehört

Die Problematik der sogenannten „kulturfremden Einwanderung“ haben wir auf FOCUS online etliche Male thematisiert – und werden es auch weiter tun. Weitgehend unkontrollierte Einwanderung über das Asylrecht schafft in der Tat große gesellschaftliche Probleme. Besonders die Grünen wollen darüber erst gar nicht diskutieren – ein Fehler, der den Diskurs vergiftet.

Wer die Grünen wählt, bekommt auch grüne Politik

„Ich wage auch zu bezweifeln, dass Strauß den Euro akzeptiert hätte. Spätestens bei der Griechenlandkrise wäre er ausgestiegen.“ (Thomas Garcon) 

Die CSU hat den Euro sogar mit aus der Taufe gehoben – fragen Sie mal Theo Waigel. Der Euro hat nach übereinstimmender Meinung der Ökonomen Deutschland genutzt und seinen Wohlstand vergrößert. Problematisch ist die Schuldenpolitik (bail out). Die Griechen im Euro zu belassen, war eine Entscheidung der Regierung Merkel. In der die CSU saß. Der damalige Finanzminister Wolfgang Schäuble hätte wohl die Griechen herausgeworfen, hätte Merkel ihn gelassen. 

„Die letzten zwei Jahre im Dornröschenschlaf verbracht, Herr Reitz? (sic!) Selbstverständlich ruiniert die Ampel den Wohlstand Deutschlands. Gerne geben Ihnen die Briten Nachhilfeunterricht“ (Roman Schmid). 

Dass die Politik der Ampel den Wohlstand gefährdet, haben wir oft genug geschrieben. Eine Wirtschaft komplett zu dekarbonisieren, gibt es nicht zum Nulltarif.

Aber, pardon: Die Ampel wurde vom Wähler ins Amt gehoben, genauer: Die Wähler haben die Ampel möglich gemacht. Wer die Grünen wählt, bekommt auch grüne Politik. Wer unter „zu viel Grün“ leidet, muss sich auch bei SPD und FDP beschweren (was auch geschieht).

Der Brexit ist für mich nicht nachahmenswert. Er hat die Briten Wohlstand gekostet. Deutschland lebt vom Freihandel.

Über Vaterland, Volk und Heimat zu reden, ist anrüchig geworden

„Helmut Kohl würde mit seinen Vokabeln ‚Vaterland, Volk und Heimat‘ ohne zu Zögern in die rechtsradikale Ecke gestellt…Er war Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, so what?“ (Heinz Stratmann) 

Es stimmt. Über Vaterland, Volk und Heimat zu reden, ist anrüchig geworden. Man kann das beklagen, es hat aber auch mit den politischen und ökonomischen Entwicklungen zu tun. Deutschland ist globalisiert. „Volk“ ethnisch zu verstehen war, sorry for that, schon immer falsch.

Sie können es bei Carl Zuckmayer im Teufels General nachlesen, in der Antwort des Generals Harras auf einen Nazi und dessen Beschwörung von „Rassereinheit“. Menschen sind schon immer nach und durch Deutschland gezogen. Man kann gegen die Einwanderung in ihrer jetzigen Form sein – das aber ethnisch zu begründen, ist historisch falsch und sozial daneben. 

Der Heimatbegriff hat übrigens überlebt, selbst bei Nancy Faeser. Auch unter der Ampel heißt das von ihr geführte Ressort: „Bundesministerium des Innern und für Heimat.“

Sicher ist heute Deutschland ein linkeres Land als früher

„Herr Söder hätte aber auch auf das Plakat schreiben sollen, was Herr Strauß 1986 über die Grünen in einer Wahlkampfveranstaltung in Schwandorf gesagt hat, ich zitiere: ‚Wenn die Grünen an die Macht kommen, bedeutet das den wirtschaftlichen, zivilisierten und kulturellen Untergang für die Bundesrepublik Deutschland.‘ Und wie recht er mit dieser Prognose hatte.“ (Vivienne Richter) 

1986 waren die Grünen erst wenige Jahre alt, und ein sehr bunter Haufen, es gab sogar Päderasten bei ihnen. Jedenfalls: mit Null Regierungserfahrung.

Heute mögen sie, Bund, Länder und Gemeinden zusammengenommen, sicher auf 100 Jahre Regierungserfahrung kommen. Die Grünen haben sich geändert, wobei: Ihre Veränderungs-Radikalität ist für Konservative tatsächlich nur schwer erträglich. Aber es gibt auch viele Menschen, oft junge, die sich das, siehe Klimaschutz, auch wünschen. 

Sicher ist heute Deutschland ein linkeres Land als früher, aber das haben die Wähler so gewollt. In der Demokratie gilt: Mehrheit ist Mehrheit. Allerdings: Parteien könnend sich auch ändern, bisweilen grundlegend. In Dänemark macht die Sozialdemokratie heute eine konsequente Anti-Einwanderungspolitik. 

Nostalgie kann ein sehr schönes Gefühl sein, bei der Bewältigung aktueller Probleme hilft die – gerne auch verklärte – Rückschau nur selten.

Der Alptraum schlechthin für die letzte verbliebene Volkspartei in Deutschland

„Mahnmal der Schande“ (Björn Höcke). Ein Mahnmal der Schande ist ein Mahnmal, welches die Schande anzeigt, an die mit diesem Mahnmal mahnend erinnert wird – sprich die Schande der Nazis. Ich mag Höcke auch nicht, aber seinen Ausspruch ins Gegenteil zu verdrehen, ist mehr als fies und zeigt den Charakter derer, die dies bewusst lügend tun.“ (Werner Ruhland)

Nein, lieber Herr Ruhland, das ist falsch. Höckes Mahnmal der Schande ist eindeutig doppeldeutig. Man kann daraus interpretieren, die Nazis seien die Schande, die mit dem Mahnmal dokumentiert werde. Aber andersherum geht es eben auch: Das Mahnmal überhaupt aufzustellen, ist eine Schande. 

Ein typischer Höcke – er spielt mit den Bezügen zur dunklen deutschen Vergangenheit. Seinen – rechtsradikal überzeugten – Anhängern gibt er damit augenzwinkernd ein Einverständnis-Signal, und alle anderen führt er aufs Eis. 

„Der einzigen Fehler den FJS in seinem politischen Wirken gemacht hat, war in Wildbad Kreuth die CSU auf Bayern zu beschränken.“ (Ernst Konen) 

Das haben sich schon immer viele konservative Menschen gewünscht, etwa jene, die schon Helmut Kohl für weichgekocht hielten.

Nur: Realistisch war es nie, denn: Eine Ausdehnung der CSU nach ganz Deutschland hätte den Einmarsch der CDU nach Bayern zur Folge. Die CSU-Mehrheit wäre futsch. Der Alptraum schlechthin für die letzte verbliebene Volkspartei in Deutschland. 

https://m.focus.de/politik/meinung/ulrich-reitz-antwortet-seinen-lesern-die-gute-alte-konservative-zeit-ist-passe-und-sie-haben-das-so-gewollt_id_202529896.html

Dabei auch immer die spekulative Frage: Was hätte FJS gemacht. What if?  Vor allem an 2 Punkten.

Wäre er für die Beibehaltung der DM statt des Euros gewesen wie dies die Briten und Thatcher mit dem Pfund taten, ,da sie in der Eurozone keinen währungsoptimalen Raum sahen und eine EZB als Angriff auf ihre nationale Souveränität? Was Strau0 dazu dacht, ist weitgehend unbekannt. Theo Waigel wird gerne als der Vater des Euros genannt, damit implizit die CSU und nun rückwirkend damit FJS. Waigel widersprach immer wieder der Theorie, dass der Euro der wirtschaftliche Preis für die deutsche Wiedervereinigung war und Frankreich dessen Einführung für seine Zustimmung zur deutschen Einheit zur Bedingung machte, genauso wie die USA die weitere NATO-Mitgliedschaft eines wiedervereinigten Deutschlands. Faktisch aber war der Euro auch von deutscher Seite schon vor der deutschen Wiedervereinigung scheinbar parteiübergreifend Projekt, wie auch eine Neutralität Deutschlands nie zur Diskussion stand. Zudem Strauß auch überzeugter Europäer war, fragt sich, ob er sich dem Lissaboner Vertrag, der Gründung der EU, des Mastricht-Vertrags, des Euros als weiteren Integrationsschritten in den Weg gestellt und diese bekämpft hätte und Europa als Wirtschaftsgemeinschaft EG belassen wollte. Zudem er ja oft auch an gewissen historischen Zeitenwenden wie eben der Wiedervereinigung die er aufgrund seines Todes 1988 nicht mehr erlebte zu Kurswechseln bereit war—siehe Mao-Besuch, Milliardenkredit oder Moskauflug. Die Frage ist aber auch, ob FJS die Ignorierung der bailout-Regeln mitgetragen hätte und wie Schäuble dann auch Griechenland aus dem Euro geworfen hätte.

Bei der Flüchtlingspolitik scheint die Antwort klarer. Wie Kohl sah auch Strauß in Deutschland nie ein Eiinwanderungsland. Schon bei den chinesisch-stämmigen vietnamesischen Hua-Boat-People und anderen Südvietnamesen, die vor dem kommunistische Vietcong mit Boote ins Südchinesische Meer flohen, legte er sich mit der damaligen Carola Rackete und Flüchtlingsretter Rupert Neudeck und seiner Cap Anamur an. Dies schon bei sehr mickrigen und marginalen Flüchtlingszahlen. Wobei da eben schon die Frage ist, ob Strauß da nicht doch ein wenig völkisch und ethnisch dachte. Umgekehrt aber eben auch solche Anekdoten, dass er Roberto Blanco auf den CSU-Parteitag lud und dann mit umgelegten Arm erklärte: „Wir Schwarzen müssen zusammen halten“. Was wohl Black live matters dazu sagen würde? Bei der Arbeitsmigration von Fachkräften, Schengenraum und EU-Binnenmarkt hätte er wohl keine AfD-Positionen eingenommen und das tut die heutige CSU auch nicht ,wenngleich sie Differenzen zur Ampelkoalition Merkel-CDU hat. Und unwahrscheinlich, dass Strauß wie Beatrix Storch von der AfD im Flüchtlingssommer 2015 gefordert hätte, dass man auf flüchtende Frauen und Kinder bei illegalem Grenzübertritt schießen lassen sollte. Aber Merkels Flüchtlingskurs hätte er wohl ebenso wenig mitgetragen. Auch unwahrscheinlich, dass er angesichts Putins Ukrainekrieg Grenzzäune gegen ukrainische Flüchtlinge bauen hätte lassen. Aber solche politischen Fragen sollte, man nicht daraus ausrichten, was wohl frühere Politiker gemacht haben, sondern das eigene Hirn einschalten, um zu überlegen, was pragmatisch, sinnvoll und zweckmäßig ist. Dazu braucht man keine nostalgische Berufung auf verstorbene Autoritäten. Trauen sich viele Leute kein eigenes Urteil zu? Klingt auch immer ein wenig so nach dem Spruch: „Wenn das der Führer wüßte!“.

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