Steffen Kopetzky: „Damenopfer“ – Deutsch-russische Kooperation um die Salonbolschewistin Larissa Reissner und den deutschen Lawrence von Arabien Oskar Ritter von Niedermayer

Steffen Kopetzky: „Damenopfer“ – Deutsch-russische Kooperation um die Salonbolschewistin Larissa Reissner und den deutschen Lawrence von Arabien Oskar Ritter von Niedermayer

Als Leseempfehlung wurde Global Review das neuerschienene Buch von Steffen Kopetzky „Damenopfer“ nahegelegt, das sich mit der Historie der deutsch-russischen Beziehungen um den roten Erzählfaden der Salonbolschewistin, Politkommisarin der Rote Armee und Agentin der Komintern Larissa Reissner und dem deutschen Lawrence von Arabien Oskar Ritter von Niedermayer dreht inklusive die Kooperation Reichswehr-Lenin bei der Oktoberrevolution (die alte Zuggeschichte, auf die zuletzt in Berlin Babylon noch mal nebst angeblichem Goldschatz Trotzkis in Berlin angespielt wurde ) , Rapallo, Schwarze Reichswehrkooperation mit der Roten Armee der Sowjetunion (Berlin Babylon ebenda).

„Klappentext

Moskau, 1923. Larissa Reissner hat als sowjetische Gesandte in Kabul strategische Pläne entdeckt, die das Britische Empire stürzen könnten. In der flirrenden Hauptstadt, wo man die Welt neu denkt und aus den Angeln heben will, sucht sie nach dem Verfasser, einem Deutschen namens Niedermayer. Denn der Sieg der Freiheit ist Reissners Lebenssinn, die junge Schriftstellerin und Revolutionärin wird als Wundertochter ihrer Epoche gefeiert. Aus illustrer Familie, lernte sie schon als Kind Lenin kennen, sie kämpfte als Politkommissarin der Wolgaflottille; Pasternak und Trotzki bewundern sie. Von Moskau bricht Reissner auf nach Berlin – zu ihrer größten Mission: Sie soll ein geheimes Bündnis zwischen der Sowjetunion und dem deutschen Militär vermitteln, verkörpert durch General Tuchatschewski, den „roten Napoleon“, und jenen schillernden Ritter von Niedermayer. Doch Larissa verfolgt ihre eigenen Ziele. Zwischen ihr und den beiden Männern entspinnt sich ein Beziehungsgeflecht, das enorme Sprengkraft hat – in amouröser wie politischer Hinsicht. Ein Roman, in dem Ho Chi Minh ebenso zu Wort kommt wie die Lordsiegelbewahrer des britischen Weltreichs oder die Dichterfürstin Anna Achmatowa – Steffen Kopetzky fängt das Leben der Larissa Reissner ein, die nichts weniger als die Welt verändern wollte.“

https://www.perlentaucher.de/buch/steffen-kopetzky/damenopfer.html

Gerade die erste Rezension in der FAZ gelesen,die wir bei Global Review aber nicht als Vorbild nehmen wollen, da es vor allem literarische Stilkritik ist, zuviel Bohemelifestylegequake von Bubikopf bis Deco, aber die historischen und geopolitischen Zusammenhänge ganz draußen lässt und ein wenig nicht weiter erklärendes Name dropping bringt. Ahistorischer geht es nicht.

Steffen Kopetzkys „Damenopfer“ : Im Salon der deutsch-russischen Bohème

  • Von Luca Vazgec
  • -Aktualisiert am 17.08.2023-

Zwischen Affären und Weltrevolution: Steffen Kopetzkys „Damenopfer“ ist ein kühn erzählter Historienroman über die Bolschewistin Larissa Reissner, in dem einiges anachronistisch wirkt.

https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/belletristik/steffen-kopetzkys-roman-damenopfer-19107090.html

Die Rezension der Münchner Abendzeitung (AZ) gibt da schon sehr viel mehr her und schweift nicht zu sehr in literarisch-erzähltechnische Kritik und Stilfragen ab. Der rote Faden Larissa- Reissner-Ritter von Niedermayer wird plastischer und inhaltsreicher erklärt, nebst kurzer Erwähnung anderer Personen im name dropping für Insider und als Nebenerzählstränge.

„Der Roman „Damenopfer“ von Steffen Kopetzky

Das Buch erzählt von einer Kommissarin der Roten Armee auf der Suche nach einem bayerischen Offizier

21. August 2023 – 16:33 Uhr | Robert Braunmüller

Lawrence von Arabien kennt jeder. Aber wer kennt Oskar von Niedermayer, den bayrischen Lawrence von Arabien aus Freising? Der ist eher unbekannt, unter anderem deshalb, weil seine Bemühungen, die Afghanen im Ersten Weltkrieg zum Dschihad gegen Britisch-Indien aufzuwiegeln, keinen Erfolg hatten.

Steffen Kopetzky hat 2015 diese Geschichte in seinem Roman „Riskio“ erzählt. Aber offenbar nicht erschöpfend. Auch in Kopetzkys neuem Buch „Damenopfer“ spielt Niedermayer eine wichtige Nebenrolle: als Mitorganisator der heimlichen Zusammenarbeit zwischen der Reichswehr und der Roten Armee in den ersten Jahren der Weimarer Republik.


Die Hauptfigur ist nicht weniger schillernd: Larissa Reissner, eine Bolschewikin und (überwiegend auf deutsch schreibende) Journalistin. Sie spielte als politische Kommissarin der Roten Armee eine wichtige Rolle in der „Kasaner Operation“. Die brachte den Bolschewiki 1918 einen Sieg ein, der letztendlich über den Ausgang des Bürgerkriegs und damit über die Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts entschied.

Reissners Ehemann, der Flottenkommandeur Fjodor Raskolnikow, war der erste sowjetische Botschafter in Afghanistan. Dort stößt Reissner auf in eine Wand eingemauerte Unterlagen Niedermayers, die einen Feldzugsplan gegen Britisch-Indien beeinhalten. Sie möchte ihn für die Weltrevolution benutzen und begibt sich auf die Suche nach dem bayerischen Offizier.

Das ist der Rote Faden des Romans, mit dessen Hilfe Kopetzky das Leben Reissners nachzeichnet. Es ist ein besonderer Reiz von „Damenopfer“, dass dieses aufregende Leben nicht chronologisch, sondern in Sprüngen erzählt wird. Am Ende fügten sich die Splitter wie in einem Puzzle perfekt zusammen. Etwas zu perfekt womöglich, denn die glatte, am Unterhaltungsroman orientierte Technik ist eine Schwäche von Kopetzkys Buch.

Alles greift in dieser Erzählung allzu perfekt zusammen. Züge verkehren pünktlich, Flugzeuge auch. Und wenn Figuren Pläne machen, dann klappen sie auch – wenn man von der Weltrevolution und dem in der Erzählung gestreiften kommunistischen Putschversuch des Jahres 1923 in Sachsen und Thüringen einmal absieht.

Das exzessive Namedropping des Buchs löst allerdings gemischte Gefühle aus. Von Walter Benjamin über Wilhelm Furtwängler bis zu Ho Chi Minh und Anna Achmatova treten sehr viele historische Figuren auf. Es mag sogar glaubhaft sein, dass man sich in Moskau Anfang der 1920er Jahre tatsächlich am besten an den Komintern-Mann Karl Radek gewandt hat, wenn man sich über Verhältnisse in Deutschland informieren wollte.

Aber die Parade der Berühmtheiten hat für Leser mit einschlägigen Vorkenntnissen etwas sehr Erwartbares. Sie ist ähnlich klischeehaft wie der hässliche rothaarige zaristische Geheimpolizist, der seine Karriere unter den Bolschewiken fortsetzt. Dass bei einer Probe des Leipziger Gewandhausorchesters der Chefdirigent Wilhelm Furtwängler erwartet wird, mag noch angehen, die nach dem Dirigentinnenjob strebende Geigerin ist ein eher heutiges Klischee. Und einmal grüßt der „Dritte Mann“, wenn im konspirativen Zusammenhang ein Wiener Kaffeehaus am Potsdamer Platz erwähnt wird, in dem – naturgemäß – Sacher- und Linzertorte serviert werden und ein „blinder Zitherspieler mit schwarzer Brille“ wie in Trance Wienerlieder zum Besten gibt


Es dürfte schwierig sein, dem Autor Flüchtigkeitsfehler bei der Recherche nachzuweisen. Dass Niedermayer als letzter Träger des mit persönlichem Adel verbundenen Militär-Max-Joseph-Ordens der „letzte Ritter des Königsreichs Bayern“ gewesen sei, wie es mehrmals im Buch heißt, trifft nach Auskunft des Bayerischen Armeemuseums in Ingolstadt allerdings nicht zu.

Höhepunkt des Buchs im Guten wie im Schlechten ist eine Party in der Berliner Villa von Alexander Parvus. Der Journalist, Sozialdemokrat und Waffenhändler wurde reich durch dubiose Geschäfte und organisierte mit dem deutschen Geheimdienst Lenins Reise von Zürich nach St. Petersburg im plombierten Eisenbahnwagen.

Parvus gibt, kurz von der Londoner „Times“ aufblickend, der Hauptfigur des Buchs ein Kurz-Seminar über Finanzpolitik. Jemand liest den Gästen eine Passage aus Dostojewskis „Schuld und Sühne“ vor, um die „unsauberen, müffelnden Hirnwindungen“ auszuwischen, wie Kopetzky schreibt. Dann stellt der völkisch-nationale Publizist Arthur Moeller van den Bruck auf der Party sein Buch „Das Dritte Reich“ vor, das in einer Synthese aus Marx und Oswald Spengler die Idee eines „nationalen Sozialismus“ entwickelt.


Der russische Marschall Tuchatschewski hat als Kriegsgefangener in Ingolstadt französisch gelernt: Also tarnt er sich als Offizier dieses Landes. Carl Schmitt, der spätere „Kronjurist des Dritten Reichs“ wirft ein begehrliches Auge auf Larissa Reissner. Und für alle historischen Nerds, denen die Namen etwas sagen: Otto Strasser und Ernst Niekisch waren auch auf dieser Party.

In der Nacherzählung mag derlei rechte Kulturgeschichte abstrus wirken. Kopetzky gelingt es aber, die redenden Ideenträger einigermaßen natürlich wirken zu lassen. Und es gelingt ihm, auf wenigen Seiten zu den kulturhistorischen Ursprüngen einer Russlandliebe vorzustoßen, in der sich die extreme Rechte und Linke bis heute berühren.

Das ist Thema in einem anderen Salon der Villa Waltrud. Dort debattiert Larissa Reissner mit einem arroganten Zauselbärtigen ohne Namen über das Konzept des „Euroasianismus“, demzufolge die Mission Russlands darin bestünde, Europa und Asien mit Hilfe seiner heiligen Seele zur neuen Weltmacht Eurasien zu vereinigen.

Kopetzky hat hier den (angeblichen) Putin-Berater Alexander Dugin porträtiert, und auch wer ihn nicht erkennt, wird verstehen, dass den neuen russischen Nationalismus viel mit alten und Neuen Rechten in Deutschland verbindet. Und da sind wir wieder bei der ominösen „Geopolitik“ und dem Denken in Räumen, für das auch Niedermayers Afghanistan-Episode zählt.


Dem Autor gelingt es fast immer, allgemeinverständlich zu bleiben. Einige Pointen sind allerdings auch das, was man in Computerspielen „Easter Eggs“ nennt. Man muss ein einschlägiges Studium mitbringen, um die letzte Seite völlig zu verstehen, auf der die „Optimistische Tragödie“ erwähnt wird, deren Autor Wsewolod Wischnewski einmal episodisch auftritt und der in diesem Theaterstück Larissa Reisner porträtiert hat.

Natürlich mag Kopetzky die Figuren seines Romans, manchmal etwas zuviel vielleicht. Er schildert eine Zeit des Aufbruchs. Aber er macht sich keine Illusionen über die Lebens-realität in der Zeit zwischen Lenins Tod und der Zeit von Stalins Alleinherrschaft. Und so ist es vielleicht so klischeehaft wie richtig, dass die Russen des Romans den Georgier ebenso unterschätzen wie die Deutschen einen zur Zeit der Handlung in Landsberg einsitzenden Putschisten, der dort ein Buch schreibt.

Steffen Kopetzky: „Damenopfer“ (Rowohlt, 448 S., 26 Euro). Der Autor stellt seinen Roman am 10. Oktober im Literaturhaus vor

https://www.abendzeitung-muenchen.de/kultur/der-roman-damenopfer-von-steffen-kopetzky-art-922397

Wer es weniger literarisch- poetisch und bohemenhaft will, dem sei mehr das historische Sachbuch „Berlin, Kabul, Moskau. Oskar Ritter von Niedermayer und Deutschlands Geopolitik“ des ehemaligen deutschen Botschafters in Afghanistan Dr. Hans- Ulrich Seidt empfohlen, das die Geschichte des deutschen, bzw. bayerischen Lawrence von Arabien und die deutsch-russische Kooperation von Rapallo bis Schwarzer Reichswehr und Roter Armee genauso spannend erzählt, aber ohne boheme Salonausflüge einer mehr als Salonbolschewistin denn als Politkommisarin dargestellten Larissa Reissner.

Der ehemalige ukrainische Botschafter in Deutschland und nun in Brasilien Melnyk würde wie bei Masala wohl in Schnappatmung verfallen, dass sich die Deutschen mal wieder nur für russische Geschichte interessieren, diesmal nicht für Dostojewski und Tolstoi, sondern eben für Larissa Reissner und Oskar Ritter von Niedermayer. Interessant ist, dass ich bei meinen Kontakten zu britischen Elitevertretern feststellen konnte, dass vielen von ihnen der deutsche Lawrence von Arabien Oskar Ritter von Niedermayer nebst Max von Oppenheim (nein, nicht Oppenheimer, weder als Komponist noch Erfinder der Atombombe oder nun Hollywoodblockbuster) als Geostrategen des deutschen Dschihads gegen das British Empire noch lebendige Begriffe waren, während man in Deutschland da eher geschichtsvergessen zu sein scheint. Angesichts des Ukrainekriegs und der Frage einer Nachkriegsordnung oder neuen multipolaren Weltordnung gewinnt die Frage des Eurasianismus versus Transatlantismus, ein Europa mit oder gegen oder ohne Russland, vielleicht auch mit neuem Containment und Neuem Kalten Krieg oder eben einem neuen Iron Curtain oder Speeriegel gegen Russland vom Baltikum über die Schwarzmeerregion bis nach Zentralasien (Alexander Motley in Foreign Poliy) wieder eine sehr aktuelle Bedeutung. Dazu noch als Leseeempfehlung:

Kommentare sind geschlossen.