Cecil, die Grosswilderei und der Tierschutz

Cecil, die Grosswilderei und der Tierschutz

In meiner Kindheit haben mich Tiere leidenschaftlich interessiert. Ich schaute Daktari, Flipper, Black Beauty, Professor Grizmeks „Ein Platz für Tiere“ und allsonntaglich „Expedition ins Tierreich“, hatte einen Hamster („Moritz“), eine Albinomaus („Mäusel“), ein Meerschwein(„Mops“) und einige unbenannte Frösche, Feuersalamander und Molche, wie ich auch leidenschaftlich Tierzeitschriften- und bücher von Brehm aufwärts las. Ebenso schrieb ich Professor Grizmek als Pennäler persönlich einen Brief, in dem ich mich anbot sein Nachfolger im Frankfurter Zoo zu werden, zumal ich aufgrund von Flipperkonsum und meiner Tierliebe kompetent genug sei, worauf er mir zurückschrieb, jedoch meinte, ich müsste erst einmal meine Schulausbildung und mein Abitur machen, ein Studium dranhängen, da Tierliebe allein ein denkbar schlechter Ratgeber wäre, was mich dann aber doch abschreckte. Auch gab es noch keine Diskussionen darum, ob Zoos nicht tierfeindliche Gefängnisse wären. Danach hat mich der Tierschutz nicht mehr zentral interessiert, fand ich es zwar schon schlecht, wenn Tiere gequält und unnütz geschlachtet werden, aber beschäftigte mich mehr mit Menschen, ihrer Gesellschaft, wie man diese am besten verändern könne. Zunehmend sieht man aber, dass Tierschutz ein Diskussionspunkt wird, den man ohne Positionierung nicht selbst argumentativ überleben wird, zumal es neben moralischen Fragen, auch um die der Welternährung und des Klimawandels geht-ich sehe dies eher als Erfolg der offenen Gesellschaft und ihrer diskursiven Rückkoppelung, das man sich mit Themen auseinandersetzt, deren Relevanz man bisher noch nicht erkannt hatte.

Letzter Akkumulationspunkt war der Tod des afrikanischen Volkshelden, dem Löwen Cecil, der von einem betuchten US-Zahnarzt erschossen wurde, was zu pogromartigen Aufläufen im Internet und vor seinem Haus führte.  Zimbabwes Menschenschlächter und Held des Panafrikanismus, Mugabe sah hier ein nationales und panafrikansiches Symbol geschändet, wobei ihn Tierschutz gar nicht interessiert, sondern er vor allem angesichts seiner menschenfeindlichen Politik gegenüber seinen Landsleuten einen Aufhänger suchte, gegen den bösen weißen Mann zu wettern, der nach Jahrzehnten der Unabhängigkeit Zimbabwes immer noch für alle selbstverschuldeten Übel zuständig sein sollte, Tierschützer sahen wiederum in Cecil den Auftakt zu einer weiterführenden Kampagne gegen Grosswildjägerei, die aber dann nur in Petitionen versandeten, wonach man den Trophäentransport gesetzlich unterbinden sollte, nicht einmal die Grosswildjagd und Kapitalismuskritik taucht da ohnehin nicht auf. Cecils Tod war so filmisch wie der Tod von Bambis Mutter, ein Grund unreflektierter Empörung.Wütende Aktivisten schickten mir daraufhin die Aufforderung eine Petition zu unterschreiben und zumal bekomme ich täglich Aufforderungen Petitionen zu allen möglichen Themen des Tierschutzes von Organisationen wie Avaaz bis zu Change zu unterschreiben—vom Schlachtfest in Nepal an Kühen, zum Schlachtfest in China an Hunden, zu Stierkämpfen in Spanien, zum Schutz der Mopsfledermaus in Ungarn und Deutschland, für Krötentunnels, gegen die Abschlachtung der Wale durch japanische Fischerflotten, gegen Massentierhaltung, gegen die Abschlachtung und Schretterung männlicher Jungküken, gegen Tierversuche , gegen Überfischung, gegen die Ausrottung bedrohter Tierarten,gegen Fleischkonsum, für Vegetarier- und Veganertum, man könnte die Liste noch ewig fortsetzen und würde nie zu einem Ende kommen an den Tierschändungen, die einem entgegentreten. Man kommt bald gar nicht mehr dazu sich einmal theoretische Gedanken vor lauter Petitionsaktivismus zu machen.Grundsätzlich kann man da schon sagen, dass man natürlich gegen jeden unnützen Tiermissbrauch und Tiertötung ist, wobei man da aber auf die zentrale Frage kommt: Was ist unnütz? Sicherlich sind Tierschlachtungen infolge religiöser Traditionen, die Opferlammcharakter haben abzulehnen. Man kommt aber schon hier in Interessenskonflikte und Grauzonen. So kennen eben Judentum und Islam Lebensmittelvorschriften, hat das Essen koscher, bzw. halal zu sein, was unter anderem mit dem Schächten von Tieren verbunden ist, was wiederum Tierschützer, demokratische Säkulare aber eben auch Antisemiten und Islamophobe auf den Plan ruft. Hier stehen Religionsfreiheit und Tierschutz in einer Güterabwägung, ähnlich wie bei der Beschneidungsdebatte zwischen Kinderschutz und Religionsfreiheit. Ein durchaus sensibles Thema und auch von rechten Demagogen weidlich instrumentalisiert. Vielleicht wäre es intelligenter an die jeweiligen Theologen zu appellieren, Tiere auch in ihrem Weltbild als Geschöpfe Gottes und Teile der Schöpfung zu betrachten, wenn man ohnehin atheistischen und wissenschaftlichen Argumenten nicht zugänglich ist. Auch dürfte keiner dafür sein, dass man ökologische Gleichgewichte zur Destabilisierung und zur Ausrottung von Tierarten bringt, ebenso dürfte man Tierversuche nur insofern zulassen, insofern sie Menschenversuche verhindern und auch nicht alternativ zu bewerkstelligen sind, auch, dass man Großprojekte mit Rücksicht auf Natur- und Artenschutz durchführt, auch, dass man nicht Tiere massenhaft abschlachtet, um Überschüsse zu entsorgen, auch, dass die Massentierhaltung verwerfliche Seiten hat. Aber man muss einmal grundsätzlich fragen: Sollen alle Menschen Vegetarier und Veganer werden? Schon der erste Punkt, der dagegen spricht—abgesehen von der unbewiesenen Behauptung, dass der Mensch aufgrund seines Gebisses schon immer Pflanzenfressser gewesen sei-ist, dass der Anbau von Pflanzenzuchten, die die Weltbevölkerung ernähren könnten, ein Vielfaches der Ackerfläche benötigen würde, um einen gleichermassen menschlichen Minimalbedarf an hochkalorienhaftem Fleisch  sicherzustellen.Die Pflanzenmenge, die man als Äquivalent für eine Fleischmenge anbauen müsste, würde alle Ackerböden der Welt um ein Vielfaches übertreffen ,überstrapazieren und überbeanspruchen. Desweiteren wird argumentiert, dass Massentierhaltung, vor allem in Form der Rinderzucht schädlich für das Weltklima sei infloge der CO-2-ausstösse flatuierender Rinder, die ebenso landwirtschaftliche Flächen überproportional gebrauchen würden. Mit dieser Logik kann man jedes Lebewesen, auch Menschen als unnütz aufgrund seines green/ecological footprints erklären, zumal die meisten CO2-Emssionen aus karbonbezogenen Verkehr und Transport,  Kraftwerken und Industrie resultieren.Dann kommt man zum zweiten Argument, dass man keine Tiere töten und halten dürfe, da dies Gewalt sei. Darauf ist zu sagen, dass „die Natur“ auch sehr gewalttätig ist, im Tier- Pflanzen- und auch Menschenreich da keinerlei Rücksicht nimmt. Der Mensch als intelligentes Wesen versucht da natürlich Rücksicht zu nehmen, aber dem romantischen Naturverständnis, das von einer naturgesetzlichen Harmonie ausgeht, ist ebenso falsch, auch wenn immer mehr Filme auftauchen seit Flipper, wo der Mensch mit Weißen Haien und Leoparden in friedlicher Koexistenz und zumal in seinem Rudel leben könnte.VIP-Radikaltierschützer und Celebrity-Tierschutzmissionare wie Hannes Jänicke erklären etwa, dass sich an der Frage des Fleischkonsums der wahre Tierschützer erkennen lässt und er fleischessende Tierschützer als Heuchler ansieht. Das zeigt, dass er mehr von hypermoralischen und individualistischen Vorstellungen geleitet ist, denn von einer rational abwägenden Analyse des Problems. Ebenso die Vorstellung man könne Landwirtschaft- und Tierhaltung nur in kleinen, regionalen Biobetrieben bewerkstelligen. Damit fing ja die Subsistenzwirtschaft an und die reichte nie zur Ernährung, ja produzierte zielgerechtet Hungersnöte und Massensterben. Ohne ein gewisses Mass an Massentierhaltung geht es nicht. Selbst die meisten Biobetriebe sind heute Massentierhalter, wenngleich sie schon in Größe und Artgerechtheit variieren–wahrscheinlich der eigentlich notwendig zu diskutierende Aspekt. Zudem: Natürlich haben Menschen das Recht, Tiere zu töten und Pflanzen zu nutzen, um ihr Überleben zu sichern.Kein Tier würde auch fragen, ob es einen Menschen töten kann, wenn es dem Überleben dient. Die Frage ist eher, wie sie das machen, in welchem Umfang und unter welchen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, z.B. einer kapitalistischen Ökonomie, die da keinerlei Rücksicht drauf nimmt, sondern nur nach Gewinnmargen geht. Aber Kapitalismuskritik hört man bei all diesen Tierschützern kaum, nur immer massenhafte Kritik an Einzelphänomenen, die soviele Petitionen erfordern, dass man monatelang damit beschäftigt wäre.Wobei man selbstkritisch dazu sagen muss, dass  Kapitalismuskritiker auch ein gesellschaftliches Alternativmodell beschreiben sollten, das über die ökonomistische, Marxsche Kapitaltheorien und  Planwirtschaftkommunismen hinausgehen, die auf Natur- und Tierschutz auch niemals Rücksicht nahmen, ja dies nicht einmal als Nebenwiderspruch begriffen, sondern als völlig ignorabel. Jagd von Tieren ist auch so ein umstrittenes Thema. Tierschützer stellen da die moralisch desolate Eitelkeit des Trophäenjägers ins Zentrum, der aufgrund von Sozialprestige und Sadismus, ja Geringschätzung des Lebens allgemein tötet, Jäger berufen sich auf Überpopulationen, die durch Jagd wieder in ein ökologisches Gleichgewicht gebracht würden. Eine einigermassen rationale Diskussion des Tierschutzes wäre zu fordern, die nicht nur die einseitigen Statements eines Guttiermenschen ala Hannes Jänicke, der auch noch Mopsfledermäusse telegen im Batmankostüm verteidigen würde, verallgemeinert und auch nicht solche tierverachtenden Ökonomen, denen Ökonomie vor Ökologie geht.Man sollte auch mal davon wegkommen,jeden Tierschützer in die Nähe von Nazis zu rücken, weil Hitler Schäferhunde vergötterte, Himmler in KZs artgerecht Anchorakanninchen züchtete oder südamerikanische Massenmorddikatoren das Leben von Ameisen über Menschen stellten, also kurz weil Rechtsradikale den Natur- und Tierschutz für ihr faschistisches Weltbild nutzten und die Ökologie missbrauchten,  umgekehrt aber auch nicht jeden Tierschutzkritiker in die Nähe eines Unmenschen und auch wiederum Nazis zu rücken. Etwas mehr Entspannung bei der Debatte täte not.Und vor allem ins Zentrum sollte man die Diskussion stellen, welches Gesellschafts- und Wirtschaftssystem man ins Zentrum stellen sollte, die das Überleben der Menschheit auch mit Tier- und Naturschutz verbindet. Momentan dürften aber aufgrund von Massenflüchtlingswellen, IS-Terror und Kriegen die Öffentlichkeit mehr an Menschenschutz, denn an Tierschutz interessiert sein, aber man sollte dies nicht in einen falschen Gegensatz stellen. Jedenfalls sollte Tierschutz und Ökologie darauf achten, dass sie nicht Stichwortgeber für menschenfeindliche, antihumanistische und sozialdarwinistische Ideenträger werden, wie auch umgekehrt Humanisten nicht nur den Menschen anthropozentrisch als alleiniges Zentrum aller Überlegungen nach der Devise „Der Mensch ist die Krone der Schöpfung“ und „Macht euch die Erde untertan“ machen und das Existenzrecht anderer Lebensformen infrage zustellen. Eine zugegeben nicht immer einfache Gratwanderung.

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