US-Chinapolitik: Coopetition versus Congagement

US-Chinapolitik: Coopetition versus Congagement

Nachdem die Engagementpolitik mit China der Trumpvorgängerregierungen nun heftig in der Kritik steht und nun über Congagement und Containment diskutiuert wird, versucht die Chinalobby um Henry Kissinger nun das Engagement in Form des neuen Konzepts des „Coopetition“ zu retten. Kissinger selbst musste eingestehen, dass sich die sinoamerikanischen Beziehungen nun am Rande eines „2. Kalten Krieg“ befinden, dass Engagement, Chimerica und die Globalisierung vor allem China und nicht den USA genutzt hat, aber er und seine Unterstützer aus Big Business oder dem Silicon Valley wie Google- Chef Eric Smith versuchen nun ein Congagement, das mehr Betonung auf Containment statt auf Engagement legt durch ein Coopetition, also einer Politik, die mehr Kooperation und Engagement als Containment und Competition betont zu retten.Eigentlich altes Engagement in neuen Schläuchen.

In einem NZZ-Artikel „Der KalteKrieg hat schon längst begonnen“ vom 13.7.2020 kritisiert der britische Historiker Niall Fergusson, Senior Fellow am Zentrum für europäische Studien in Harvard, Milbank Family Senior Fellow an der Hoover Institution in Stanford dieses Konzept, da es davon absehe, dass die Verschlechterungen der sinoamerikanischen Beziehungen nicht so sehr das Resultat der Person Trumps und der neuen US-Außenpolitik sei, sondern diese eher eine Reaktion auf die veränderte,mehr nationalistische und aggressive Außenpolitik Chinas unter Xi Jinpings sei, die diesen Kalten Krieg begonnen habe.

Zuerst zum Konzept des Coopetion:

„Bei einem vom Kissinger Center for Global Affairs an der Johns Hopkins University veranstalteten Forum zur Weltordnung nach Covid-19 warnte eine klare Mehrheit der Redner vor den Gefahren eines neuen kalten Krieges. Eric Schmidt, der ehemalige Vorstand von Google, plädierte stattdessen für ein auf «Rivalität und Partnerschaft» gegründetes Modell kooperativen Wettbewerbs («coop-etition»), in dem die beiden Nationen gleichzeitig im Wettbewerb stehen und zusammenarbeiten – so, wie das Samsung und Apple jahrelang praktiziert haben.

Graham Allison von Harvard, Autor des Bestsellers «Destined for War: Can America and China Escape Thucydides’s Trap?», stimmte ihm zu; als weiteres Beispiel führte er die «freundschaftliche Feindschaft» zwischen dem Song-Kaiser Chinas und dem Königreich Liao an Chinas Nordgrenze an. Die Pandemie, meinte Allison, habe «die Unmöglichkeit ans Licht gebracht, China eindeutig als Feind oder als Freund zu identifizieren. Rivalität und Partnerschaft hört sich vielleicht kompliziert an, aber das Leben ist nun einmal kompliziert.»

«Der Aufbau einer produktiven und vorhersagbaren Zusammenarbeit zwischen den USA und China», schrieb John Lipsky, der früher dem Internationalen Währungsfonds angehörte, «ist ein unumgänglicher Schritt für die Stärkung der Institutionen einer globalen Führung.» Der letzte kalte Krieg habe «jahrzehntelang den Schatten eines globalen Holocaust» in die Welt gebracht, sagte James Steinberg, ein früherer stellvertretender Aussenminister. «Was können wir tun, um ein Umfeld zu schaffen, das die Rivalität eingrenzt und Raum für Kooperation schafft?»

Elizabeth Economy, meine Kollegin bei der Hoover Institution, hatte eine Antwort: «Die Vereinigten Staaten und China könnten . . . sich zusammentun, um einer globalen Herausforderung zu begegnen», nämlich dem Klimawandel. Tom Wright von der Brookings Institution vertrat eine ähnliche Richtung: «Sich auf den Wettbewerb der Grossmächte zu konzentrieren und dabei die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit zu vernachlässigen, wird den USA keinen dauerhaften strategischen Vorteil gegenüber China verschaffen.»

All das klingt überaus vernünftig, wenn man von einer Sache absieht: Die Kommunistische Partei Chinas ist nicht Samsung und schon gar nicht das Königreich Liao. Vielmehr übersehen die heutigen Vertreter von «Rivalität und Partnerschaft» – wie das auch im Ersten Kalten Krieg der Fall war, als Akademiker (besonders nach 1968) tendenziell eher Tauben als Falken waren – die Möglichkeit, dass die Chinesen kein Interesse daran haben, freundschaftliche Feinde zu sein. Sie wissen sehr genau, dass dies ein kalter Krieg ist, weil sie ihn begonnen haben.“

https://www.nzz.ch/feuilleton/niall-ferguson-der-zweite-kalte-krieg-hat-laengst-begonnen-ld.1565725

Schon bei einem Gespräch Graham Allisons mit Kissinger in Harvard, betonten beide die Gefahr eines sinoamerikanischen Kriegs und schlug Kissinger vor, dass sich die USA an Chinas Neuer Seidenstrasse beteiligen, sich wieder engagioerten und in die Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB) investieren sollten, Zudem solle man sich auf die nukleare Nonprolifertion und speziell Nordkorea konzentrieren und dann könnten strittige Fragen wie Taiwan, Hongkong, Süd- und Ostchinesisches Meer mittels eines diplomatischen Kompromisses gelöst werden.

Niall Fergusson stellt in seinem Bloomberg und NZZ-Beitrag „Der zweite Kalte Krieg hat längst begonnen“ die Autorität von Henry Kissinger infrage, vor allem, ob er angesichts solcher scheinbar illusorischen Ansichten noch als Realist und Vertreter des Realismus gelten könne. Zumal Kissingers Schule des defensiven Realismus, der auf ein stratgeisches Machtgleichgewicht basiert nun offen vom offensiven Realismus John Mearsheimers herausgefordert und kritisiert wird und es hat den Anschein, dass Fergusson auch dieser Schule zuneigt.Ferguson sieht als Indikator für seine Einschätzung der neuen Agrressivität Chinas unter Xi Jinping vor allem die Schriften Wang Hunings, Politbüromitglied und Berater von Xi Jinping sowie des mit ihm verbundenen und geförderten Schriftstellers Liu Cixin, deren Weltbild er in der Hobbeschen Wolfsnatur eines Kriegs aller gegen alle du einem „intergalaktischen Darwinismus“ sieht::

„Wer hofft, wieder zur Zusammenarbeit zu finden oder zumindest freundschaftliche Feindschaft mit Peking zu pflegen, unterschätzt den Einfluss von Wang Huning, seit 2017 Mitglied des ständigen Politbüro-Ausschusses (des mächtigsten Gremiums in China) und einflussreichster Berater von Xi. Im August 1988 verbrachte Wang als Gastwissenschafter sechs Monate in den USA; er besuchte mehr als dreissig Städte und fast zwanzig Universitäten. Sein Bericht über diese Tour, «America against America» (veröffentlicht 1991), ist eine – stellenweise vernichtende – Kritik der Demokratie, des Kapitalismus und der Kultur Amerikas (die Rassendiskriminierung wird im dritten Kapitel besonders hervorgehoben).

Der Schlüssel: Liu Cixin

Doch wie schon gesagt ist das Buch, das mich am meisten darüber gelehrt hat, wie China Amerika und die Welt heute sieht, kein politischer Text, sondern ein Werk der Science-Fiction. «Der dunkle Wald» war 2008 Liu Cixins Fortsetzung des ungeheuer erfolgreichen Romans «Die drei Sonnen». Lius Einfluss im zeitgenössischen China ist nur schwer zu überschätzen: Er wird von den Technologiefirmen in Shenzhen und Hangzhou hofiert, und als eines der Gesichter der chinesischen Kreativität im 21. Jahrhundert wurde er offiziell unterstützt – von keinem Geringeren als Wang Huning.

In «Der dunkle Wald», wo die Geschichte der Invasion der Erde durch die rücksichtslosen und technologisch überlegenen Trisolarier weitergeführt wird, kommen Lius drei Axiome der «kosmischen Soziologie» ins Spiel.

Erstens: «Überleben ist das vorrangige Bedürfnis der Zivilisation.» Zweitens: «Zivilisation wächst und breitet sich beständig aus, doch die Gesamtmaterie im Universum bleibt konstant.» Drittens: «Ketten des Misstrauens» und die Gefahr einer «technologischen Explosion» in einer anderen Zivilisation bedeuteten, dass es im Weltall nur das Gesetz des Dschungels geben könne.

Mit den Worten des Romanhelden Luo Ji: «Das Universum ist ein dunkler Wald. Jede Zivilisation ist ein bewaffneter Jäger, der wie ein Geist zwischen den Bäumen umherstreift . . . er versucht, geräuschlos aufzutreten. Der Jäger muss vorsichtig sein, denn überall im Wald lauern andere Jäger wie er. Stösst er auf anderes Leben, egal ob es sich dabei um einen anderen Jäger, einen Engel oder einen Teufel, ein neugeborenes Baby oder einen alten Tattergreis, eine Fee oder einen Waldgeist handelt, bleibt ihm nichts anderes übrig, als es auszuschalten. In diesem Wald sind die Hölle die anderen Lebewesen . . . jedes Leben, das sich einem anderen offenbart, [muss] umgehend eliminiert werden.»

Kissinger wird oft (ich meine fälschlicherweise) als der herausragende Exponent der Realpolitik angesehen. Doch das Buch ist weit härter als Realismus. Es ist intergalaktischer Darwinismus.

Man kann natürlich sagen, das sei eben Science-Fiction. Ja, doch «Der dunkle Wald» gibt uns einen Einblick in etwas, worüber wir zu wenig nachdenken: wie das China Xis denkt. Wenn China uns bereits den kalten Krieg erklärt hat, haben wir nicht mehr darüber zu befinden, ob wir nun in einem kalten Krieg mit China stehen oder nicht.

Wir befinden uns nicht nur bereits in den Ausläufern dieses neuen kalten Krieges; diese Ausläufer sind auch mit einem von China konzipierten, undurchdringlichen dunklen Wald bedeckt.“

Im anglosächsischen Raum tobt  nun scheinbar ein Kampf zwischen den Anhängern Engagement/Coopetition und des defensiven Realismus, die sich um Kissinger, Allsion und Eric Smith gruppieren, während die Congagementfraktion sich mehr um Trump, das Comitee on the Present Danger: China um Kyle Bass und den chinesischen Exiloligarchen Guo Wengui und den offensiven Realismus John Mearsheimer sammelt.

Wobei Niall Fergusson, der auch schon den Zusammenbruch der UdSSR und die Finanzkrise 2008 vorraussagte, es für klüger hält sich manchmal aus Kriegen herauszuhalten. In seinem 1998 in britischer Erstausgabe und 2001 in deutscher Übersetzung erschienenen Buch Der falsche Krieg machte er beispielsweise den damaligen englischen Außenminister Edward Grey für den Ausbruch des Ersten Weltkriegs verantwortlich, da dieser die Eskalation gesucht habe, statt das Königreich aus dem Krieg herauszuhalten. Das Ergebnis wäre dann zwar unzweifelhaft ein deutscher Sieg und die Vormacht des Deutschen Reichs in Europa gewesen, aber Großbritannien hätte sein Empire behalten. Auch der Aufstieg Adolf Hitlers und des Nationalsozialismus wäre im Falle eines deutschen Sieges natürlich ausgeblieben. Dementsprechend sieht Ferguson nicht einmal in Trump, sondern in Joe Biden die größere Kriegsgefahr sieht.

In einem Beitrag, der am 31. August 2020 in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) erschien, konstatierte der britische Historiker, dass die Welt sich schon längst in einem „Zweiten Kalten Krieg“ befinde, der zwischen dem Westen und der Volksrepublik China ausgetragen werde. Weiter stellte er mit Blick auf die anstehende Präsidentschaftswahl fest: „Wenn es einen gibt, bei dem ich mir leicht vorstellen kann, dass er ‒ natürlich unabsichtlich und mit den besten Absichten und der erbaulichsten Rhetorik ‒ den zweiten Kalten Krieg in den dritten Weltkrieg verwandelt, dann ist es der selbstgesalbte Erbe von Roosevelt, nämlich Joseph Robinette Biden.“

Seine Auffassung begründet Ferguson mit den historischen Erfahrungen der letzten 120 Jahre, in denen es meist der Hypermoralismus demokratischer Präsidenten war, der die Welt in neue Kriege führte, genannt werden hier unter anderem Woodrow Wilson, Franklin D. Roosevelt, Harry S. Truman und Lyndon B. Johnson. Zum Auslöser eines Großkrieges, so Ferguson, könnte der Taiwan-Konflikt werden.

Mit Blick auf den amtierenden Präsidenten stellte der britische Historiker in diesem Artikel hingegen fest: „Doch ungeachtet all seiner vielen Fehler hat Trump eine große republikanische Tradition hochgehalten ‒ keine Kriege im Ausland zu beginnen. Die Ausnahme zur Regel der republikanischen Tauben-Ideologie während des letzten Jahrhunderts war natürlich George W. Bush. Alle anderen ‒ Harding, Coolidge, Hoover, Eisenhower, Nixon und Reagan ‒ waren bemerkenswert wegen der geringen Zahl junger Amerikaner, die sie in die Schlacht schickten: bei weitem weniger als ihre demokratischen Kollegen.“

In einem Interview mit der Welt, das heute veröffentlicht wurde, bekräftigte Ferguson seine in der NZZ publizierten Thesen nochmals. Hier äußerte er: „Ich habe ein Jahrhundert US-amerikanische Geschichte genau studiert, und wann immer demokratische Präsidenten eine wirklich wichtige innenpolitische Agenda vor sich hatten, als sie gewählt wurden, verwickelten sie sich anschließend in große Kriege. Genau das passierte mit Woodrow Wilson, Franklin D. Roosevelt, Harry Truman, John F. Kennedy und Lyndon B. Johnson. […] Es könnte sich ein Szenario entwickeln, in dem die Regierung Biden an die Macht kommt, zu allen möglichen Ausgaben für soziale Dienste, Bildung, zu Steuererhöhungen und dem Üblichen bereit ist und dann mit einer Taiwankrise konfrontiert wird. Ich glaube, dass China dieses Thema irgendwann forcieren wird.“

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