Die Drohne als Fetisch- und Paradigmenwechsel oder eine neue integrierte Militärstrategie für das 21. Jahrhundert?

Die Drohne als Fetisch- und Paradigmenwechsel oder eine neue integrierte Militärstrategie für das 21. Jahrhundert?

Neuerdings wird von einem Paradigmenwechsel gesprochen und das Zeitalter der Drohnen ausgerufen. Der Kaukasuskrieg zwischen Aserbeidschan und Armenien wird als Pearl Harbour-Momentz eines Paradigmenwechels ausgerufen, in dem die Drohne die zentrale Kriegswaffe der Zukunft und damit einhergehender Strategieentwicklung sei.Man könnte auch von einem Drohnenfetisch sprechen. Ein beredetes Beispiel dafür ist der Beitrag von Glen Rocess: „The World Has Just Witnessed A “Pearl Harbor Moment” In Armenia How warfare has just changed forever. Again.“ Erstens hat die Drohne auf das saudische Etdölfeld schon die neue Bedeutung dieser Waffe gezeigt,aber in Zukunft wird es nicht DIE entscheidende Waffengattung geben, sondern entscheidend sein,wie intelligent man konventionelle Waffen, Drohnen, ,mininukes,EMPs, Cyber’und Spacewar samt Airseabattle oder Airlandbattlewaffen führt . Dieser ewige Medienhype um die Drohnen führt in die falsche Richtung des eigentlichen Paradigmenwechsels. Die chinesische Global Times hat auch schon zig Mal geschrieben, dass das Zeitalter der Flugzeugträger vorbei sei und China in der Lage sei, US-Flugzeugträger mit einer Drohne oder Anti-Schiffrakete zu versenken. Seltsamerweise legt sich Peking nun aber genau diese Flugzeugträger zu.Sie haben nicht mehr die Bedeutung wie früher,aber der Paradigmenshift ist nicht ein Waffensystem als kriegsentscheidend und neues Paradigma zu sehen und es zu fetischisieren, ,sondern die Gänze der ganzen disruptivrn neuen Waffensytsteme ,die nach dem Ende des Kalten Kriegs sowie neben der Drohne aufgekommen sind, zu sehen. .Der Paradigmenwechsel ist eher,inwieweit es eine neue Militärstrategie gibt,die alle diese Waffensysteme integriert und flexibel  im Kriegsfall einsetzen kann.Das Zeitalter der linearen,eindimensionalen und bipolaren Eskalationsleitern eines Hermann Kahn ist endgültig vorbei.

Die antimilitaristische Linke fördert auch schon lange diesen Waffen- und nun Drohnenfetisch. Betrachtet man sich die Kritik von vielen Antimilitaristen, so fällt auf, dass sich nicht ein unerheblicher Teil ihrer Kritik auf den Einsatz von Drohnen konzentriert. Die Drohne stelle eine „Entmenschlichung des Krieges“ dar, so erklärte Omid Nouripour von den Grünen. Nun weiß ich nicht, wie eine Vermenschlichung des Krieges auszusehen hat oder was man sich unter menschlichen Kriegen vorstellen soll, aber der Einsatz von Drohnen wird als eine qualitativ neue Ära des Krieges betrachtet. Jedenfalls ist die Drohne für wackere Antimilitaristen und Pazifisten der Inbegriff und die Verkörperung des Bösen schlechthin, ja sie hat inzwischen den Status eines antimilitaristischen Fetischs. Da mag massenhaftes Schlachten mit sonstigen konventionellen Kriegsmittel Massenelend und – tod bringen, aber nein, das eigentlich Schlimme und Ausgeburt des Teufels ist und bleibt die Drohne.

Zumal ist es sehr in Mode gekommen, Waffen, also Instrumente des Krieges und der Politik zu kritisieren und nicht so sehr die Politiker und die Politik, die die Kriege führen oder zu diesen führen, bei denen diese Waffen dann eingesetzt werden. Das lenkt davon ab, dass es Menschen sind, die über den Krieg entscheiden, die diese aufgrund gewisser Interessen oder Ideologien führen, die zu untersuchen und zu kritisieren wären. Eine Waffe führt keinen Krieg. Man könnte also von einer Verdinglichung und Fetischisierung der Kriegskritik sprechen. Ebenso hat es Tradition, sich immer gewisse Waffensysteme herauszusuchen, die als besonders pervers angesehen werden. So war dies zu Zeiten der Friedensbewegung in den 80er Jahren die Neutronenbombe, die Erhard Eppler (SPD) als „Perversion des Denkens“bezeichnete, geradeso als könne man dies von sonstigen Massenvernichtungswaffen nicht sagen. Heute wird vor allem die Drohne als pervers und zutiefst unmenschlich angesehen, obgleich man auch die Frage stellen kann, warum keine anderen Waffensysteme da zu Liebhaberschaft bei antimilitaristsicher Kritik kommen, die zumal über viel grössere Vernichtungskraft verfügen und auch nicht so selektiv und präzise eingesetzt werden. Warum also ausgerechnet die Drohne?

Zum einen wird kritisiert, dass es nicht mehr den ehrlichen Kampf Mann gegen Mann gebe, sondern Drohnensoldaten weit entfernt, sicher und anonymisiert in den Einsatzzentralen die Drohnen fernsteuerten und die Tötung von Menschen automatisiert werde, ja man keine Empathie für die Opfer habe und die Tötungshemmung beseitigt werde. Hier schon fragt sich, ob dies etwa beim Einsatz von Distanzwaffen wie Raketen, Bombenteppichen aus Flugzeugen oder dem Atombombenabwurf je anders war, ja auch bei einem Maschinengewehr die Hemmungsschwelle ja auch nicht grösser ist.

Desweiteren werden die Zivilopfer, die Kollateralschäden bei Drohneneinsätzen beklagt und Obama zum „Drohnenmörder“erklärt.Zugegeben nicht schön, aber man sollte sich auch mal fragen, was die Alternative wäre. Definitionsgemäß haben Drohnen ja den Auftrag die Führungskader des Islamismus präzise und zielgerichtet auszuschalten., Man versucht also Militäreinsätze mit möglichst begrenzter Opferzahl, also einen Minimaleingriff. Alternativ müsste man zur Liquidierung von Terroristenführern Bodentruppen oder Special Forces einsetzen oder diese eben mit Kampfflugzeugen beseitigen, was naturgemäß sogar noch mehr Opfer sowohl an Zivilbevölkerung wie auch an Soldaten produzieren würde. Gezielte Special Forceseinsätze wie gegen Osama bin Laden sind sehr aufwendig und schwer in Masse auszuführen und zumal auch sehr riskant.Von daher verwundert die heftige Kritik an den Drohneneinsätzen etwas.

Jürgen Todenhöfer etwa ist der Ansicht, dass die Drohneneinsätze und auch die Luftschläge der US-Amerikaner nur mehr Zivilopfer produizieren würden, somit Rachegefühle aufkommen liessen und in der Konsequenz dann noch mehr Terroristen hervorbringen würde.Der Terrorismus sei wie eine Hydra—schlage man ihr einen Kopf ab, wüchsen mehrere nach. Diese Kritik ist auf Sand gebaut. Denn der Hydravergleich bedeutet, dass man eigentlich überhaupt keinen Krieg mehr führen dürfte, ja pazifisttisch und zuschauend sich den Islamismus ausbreiten lassen soll und hoffen, dass er sich von selbst in Luft auflöst.Vielleicht wären ja Friedensgebete und pazifistische Sit-Ins sowie Dialogrunden und Kaffeekränzchen mit Islamisten und mit Margot Käßmann die Alternative.Aber so genau hat mir dies noch keiner der Pazifisten erklärt.

Fakt ist, dass die Tötung von Führungskadern schon Auswirkungen auf die Terrororganisationen hat, zum einen auf die Kampfmoral, zum anderen können solche Enthauptungsschläge Nachfolgekämpfe innerhalb der Terrororganisationen und Streitigkeiten hervorrufen, die sie schwächen, zumal es auch symbolisch wichtig ist, um zu zeigen, dass selbst ihre bestgeschützten oberen Führer nicht vor dem Zugriff sicher sind—es also auch einen wichtigen psychologischen Kriegsführungsaspekt hat.

Desweiteren verschweigt Todenhöfer die Tatsache, dass durch die Kombination der Drohnenangriffe, der US-amerikanischen und russischen Luftschläge der Islamische Staat inzwischen 45% seines Territoriums verloren hat und sich die Maßnahmen der Anti-IS-Koalition nicht nur auf militärische Mittel beschränkt ist, sondern auch auf politische Mittel wie etwa das Herstellen politischer Bündnisse oder Wirtschaftssanktionen, die den Erdölschmuggel des IS schon soweit eingedämmt haben, dass er in finanzielle Schwierigkeiten kommt.und seinen Kämpfern inzwischen den Sold ordentlich kürzen musste.

Der jetzige Einsatz von Drohnen ist noch sehr begrenzt. Der US-Militärstratege TX Hammes, der auch der Vater der Offshore Controll ist, hat jedoch einen programmatischen Artikel geschrieben:“The Future of Warfare: Small, Many, Smart vs. Few and exquisite“, der in der Fachwelt eine Grundsatzdiskussion ausgelöst hat. TX Hammes befürwortet die Ersetzung bisheriger Großwaffensysteme, U-Booten und Flugzeugen durch Massenflotten von mit Waffen und Sprengsystemen ausgerüsteten Drohnenschwärmen—zu Luft und auch zu See und unter Wasser. Gut möglich, dass die Drohne dann als Waffensystem der Zukunft auch breiten und nicht nur selektiven Einsatz erhält.

Er sieht jedoch konkrete politische und wirtschaftliche Hindernisse für den Ersatz großer Waffenplattformen und -systeme für den Masseneinsatz von Drohnenschwärmen:

„Es ist wichtig, dass wir die wenigen exquisiten Systeme untersuchen, die wir kaufen möchten – Flugzeuge, Schiffe, Rüstungen – und herausfinden, ob ihre Missionen von vielen intelligenten, billigen Plattformen erfüllt werden können. Angesichts der inhärenten politischen Vorteile großer, komplexer Systeme wird dies ein schwieriger Schritt sein. Die F-35 ist ein Aushängeschild für die Schwierigkeit, ein Rekordprogramm zu überdenken. Die F-35 wurde in 45 Bundesstaaten zu einem Preis von 399 Mrd. USD für 2.443 Flugzeuge und erwarteten Betriebskosten von 1 Billion USD auf Lebenszeit gebaut und verfügt über eine starke Unterstützung des Kongresses. Darüber hinaus bevorzugen die US-Doktrin und die mächtigen Dienstleistungskreise diese exquisiten Systeme in hohem Maße. Dies ist natürlich, da Doktrin und Präferenzen normalerweise auf Erfahrung basieren und die aktuelle Erfahrung in den USA auf exquisiten Systemen basiert. Diese beiden starken Faktoren werden es schwierig machen, andere Optionen leidenschaftslos zu prüfen. Wir müssen dies jedoch bald tun. Unsere Erfahrung mit der F-35 zeigt, dass die Entscheidung, einen anderen Weg einzuschlagen, getroffen werden muss, bevor das neue System einen mächtigen Wahlkreis erhält, der darauf besteht, dass es unabhängig von seiner Leistungsfähigkeit gebaut wird. “

Mal sehen: Wenn Pokemon Go mit Drohnen kombiniert würde, könnte die Drohne ja vielleicht auch zivile Liebhaber in Massen gewinnen. Zur Zeit hat sie einen denkbar schlechten Ruf und ist zum Fetisch der Pazifisten geworden, aber eben auch von einigen zivilen Militärdenkern und Medienleuten.

US-Strategen sprechen von einem neuen zweiten oder sogar dritten Atomzeitalter, das sich vom ersten Atomzeitalter des bipolaren Kalten Krieges unterscheidet. Als Pionier dieses neuen Denkens hat das Zentrum für strategische Budgetbewertung (CSBA) eine neue Studie mit dem Titel „Armageddon neu denken“ verfasst:

„Armageddon neu denken

1. März 2016 • Von Andrew F. Krepinevich und Jacob Cohn • Studien

Das erste Atomzeitalter war geprägt vom bipolaren internationalen System der Zeit des Kalten Krieges und einem entsprechenden bipolaren Atomwettbewerb zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion. Während einige andere Staaten wie Großbritannien und Frankreich ebenfalls Atomwaffen besaßen, waren ihre Arsenale im Vergleich zu denen der beiden Supermächte sehr klein.

Die Welt ist heute ganz anders. Einerseits haben sowohl die Vereinigten Staaten als auch Russland weitaus kleinere Nukleararsenale als am Ende des Kalten Krieges. Gleichzeitig sind neue Atommächte im Einklang mit fortschrittlichen konventionellen Präzisionskriegsfähigkeiten entstanden. Der Aufstieg der Cyberkriegsführung hat auch zu Bedenken hinsichtlich der Sicherheit und Zuverlässigkeit von Frühwarn- und Befehls- und Kontrollsystemen sowie von Waffensystemen geführt. Fortschritte in den kognitiven Wissenschaften und in der Erforschung von Krisenentscheidungen im Kalten Krieg haben einige unserer Überlegungen in Frage gestellt, wie Strategien, die auf Abschreckung beruhen, funktionieren oder das Risiko eines Scheiterns darstellen. Zusammen haben diese und andere jüngste Entwicklungen das gebildet, was manche als zweites Atomzeitalter bezeichnen.

Dr. Andrew Krepinevich und Jacob Cohn haben eine szenarienbasierte Bewertung der Wettbewerbsdynamik des zweiten Atomzeitalters verfasst. Die Bewertung untersucht unter anderem die Auswirkungen auf eine erweiterte Abschreckung, Krisenstabilität, Raketenabwehr, einen sofortigen konventionellen globalen Streik, wachsende multipolare oder „n-Spieler-Wettbewerbe“ und Planungsannahmen, wie sie durch Fortschritte in den kognitiven Wissenschaften beeinflusst wurden Prospekttheorie einschließen. Ihr Papier enthält auch eine Analyse der Auswirkungen auf die Interessen der USA, wobei der Schwerpunkt auf der Wahrung der einundsiebzigjährigen Tradition des Nichtgebrauchs von Atomwaffen (seit ihrem einzigen Einsatz im Jahr 1945) liegt, die auch als „nukleares Tabu“ bekannt ist. Die bestehenden und zukünftigen Herausforderungen des zweiten Atomzeitalters, die sich in diesen Szenarien widerspiegeln, sind ernüchternd. Wenn die Vereinigten Staaten versuchen, das nukleare Tabu zu bewahren, ignorieren sie sie auf eigene Gefahr. “

https://csbaonline.org/research/publications/rethinking-armageddon/

„Armaggedon neu denken“ ist ein Aufruf, den Rahmen von Hermann Kahns Eskalationsleiter im zweiten / dritten Atomzeitalter zu überdenken und zu modifizieren und in einer Zeit neuer Waffensysteme und multipolarer Konkurrenz angemessene und durchdachte Entscheidungen zu treffen Sehr komplexes Denken und einfache Ideen wie Donald Trumps „Wir haben Atomwaffen, warum setzen wir sie nicht ein?“ sind möglicherweise nicht der richtige Ansatz, ja führt vielleicht gerdazu zum unerwünschten Armaggedon.

Das zweite Atomzeitalter ist für eine Abschreckung viel instabiler, dynamischer und unvorhersehbarer und hat keinen „One-Fits-All“ -Ansatz, sondern muss neue Faktoren und Treiber wie globale Streikpotentiale, Mininukes, Präzisionsschlagwaffen, Cyberkrieg und Weltraumwaffen, Raketenabwehr, Heuhaufen-Angriffe, Stealth-Waffen, Nano-Waffen, automatisierte Drohnenmassen, Hyperschallwaffen, Hochelektronisches Hochleistungs-Raketenprojekt (CHAMP / eine EMP-Waffe ohne nukleare Explosion und Fallout), im multipolaren und nicht bipolaren Wettbewerb und die Tendenz zu viel mehr Trigger-Alarm-und Frühalarm-Konstellationen sowie neue Analysen zur Rationalität von Entscheidungsträgern. Bis jetzt integriert keine Strategie all diese neuen Parameter als neuen Rahmen für ein zweites Atomzeitalter, seine Eskalationsleiter und zukünftige Kriege. Die Studie denkt sogar darüber nach, ob der Begriff Zweites Atomzeitalter ausreicht oder ob aufgrund des Auftretens neuer Waffensysteme bereits ein Drittes Atomzeitalter beginnt.

Die Frage ist, wie man mit dieser neuen Konstellation umgeht und was die Schlussfolgerungen sein sollten, um zu einer geeigneten neuen strategischen Schule zu gelangen, die die neue komplexe Situation verstehen könnte.

Viele ehemalige strategische Denker wurden durch eine sehr einfache bipolare, binäre und einfache Denkstruktur erzogen, da der Kalte Krieg nicht so komplex war wie das zweite oder dritte Atomzeitalter. Hermann Kahns Eskalationsleiter und Kissingers Brinkmanship basierten auf einer sehr einfachen bipolaren- und Binärstruktur zwischen zwei Gegnern mit einem begrenzten Arsenal. In den 90er Jahren wurde die Spieltheorie sehr modern, um die Komplexität von Konfliktsituationen zu reduzieren und deren Ergebnis vorherzusagen. Eine gegebene Konfliktstruktur entsprach einem bestimmten Spiel, meistens Kartenspielen, und basierte auf der Theorie des Utilitarismus und der Rationalität des Homo oeconomicus. Meistens hatten Sie zwei Gegner, die ihre Entscheidungen gemäß dem entsprechenden Spiel trafen. Wir haben verschiedene Krisensituationen wie die Kuba-Krise, die Suez-Krise, die Berlin-Krise und andere Krisen mit mehreren Kartenspielen wie Poker, bayerischem „Schafkopf“, Black Jack usw. gespielt. Daraus konnte man Wahrscheinlichkeiten für die Reaktionen der beiden ableiten Gegner und wie sich die Konfliktsituation entwickeln würde und wie sie gelöst werden könnte.

Der Schwachpunkt der Spieltheorie war jedoch: Man musste die Knflikttruktur und ihr Muster kennen, um zu wissen, welches Spiel man wählt. Eine falsche Analyse der Konfliktstruktur und / oder eine falsche Anwendung des Spiels würde in Zukunft fatale Entscheidungen verursachen, da unsere Professoren die Ergebnisse der Vergangenheit aus der Perspektive einer allwissenden Zukunft kannten. Daher war es einfach, die Konfliktstruktur und das Spiel zu kennen in der Vergangenheit, aber nicht automatisch in der Zukunft. Die zweite Schwachstelle war das, worum es in der neorealistischen Schule von Gottfried Kindermann geht: Die Möglichkeit von Fehlwahrnehmungen und die Existenz von Akteuren, die nicht nach dem Homo oeconomicus und der wissenschaftlichen Rationalität handeln. Dies wurde in der Theorie des Neorealismus nicht zu ausführlich ausgeführt, aber die CSBA-Studie „Rethinking Armageddon“ hinterfragt das Paradigma zweier rationaler Akteure aufgrund neuer Studien zum kognitiven Denken. Die Gefahr besteht noch mehr darin, dass sich ein Schauspieler in einen anderen Schauspieler spiegelt und seine eigene „Rationalität“ oder die seines Gegenübers nicht versteht.

Während des Kalten Krieges wurden Schachspieler als Avantgard des logischen Denkens angesehen. Nicht nur die Spieler als vernünftige, analytische, wissenschaftliche Kreaturen, sondern auch das Spiel an sich. Es war die Zeit, in der der bipolare Supermachtwettbewerb in Schachwettbewerben von Bobby Fischer gegen Spasky oder später von Kasparov symbolisiert wurde, als alle wussten, dass sie auf beiden Seiten zwei rationale Denker hatten und alles kalkulierbar war. Deshalb möchte ich behaupten, dass Schach im ersten Atomzeitalter des Kalten Krieges die angemessene Denkweise war. Sie hatten eine bipolare Struktur (Schwarz-Weiß-USA gegen die Sowjetunion), eine begrenzte Anzahl von Schachfiguren mit eingeschränkter Mobilität sowie eingeschränkten Fähigkeiten, Eskalationspotential und Kapazitäten, während ein Schachspiel im zweiten oder dritten Atomzeitalter mehr Spieler haben würde ( Multipolarität) mit viel mehr Schachfiguren (Waffen), die auch mehr Fähigkeiten, Mobilität und Eskalationspotential hätten und auch nicht auf einem Spielplatz, sondern auf verschiedenen Ebenen von Spielplätzen als das alte und vertraute Schach. Das alte Schach würde dem Ersten Atomzeitalter, Hermann Kahns Eskalationsleiter oder Kissingers Brinkmanship entsprechen, das neue Schach würde in Star Trek mit vielen Spielern, auf verschiedenen Spielplätzen (Kriegsschauplatz) und mit viel mehr Schachfiguren gespielt die viel mehr Interaktion, Mobilität und Fähigkeiten haben. Und der andere neue Parameter, auf den das CSBA hinweist, ist, dass Sie aufgrund neuer Studien zum kognitiven Denken und der Tatsache, dass die neue Welt multiploar ist und es nicht mehr nur zwei Akteure gibt, möglicherweise nicht zwei Denker auf beiden Seiten haben. Dies ist die neue Situation.

Wie wird wahrscheinlich af dieser Situation reagiert? Was benötigt wird, ist die Förderung militärischer Denkfabriken, die diese neue Situation durchdenken. Da sich Computer nicht nur im Schach gegen Menschen durchsetzen, muss eine neue Strategie-Akademie mit der fortschrittlichsten Technologie künstlicher Intelligenz und Programmierern ausgestattet werden, die mit strategischen Denkern interagieren und eine netzwerkzentrierte Strategie und eine flexible Eskalationsleiter entwickeln können, möglicherweise mit Algorithmen, die auf der Spieltheorie oder anderen Modellen basieren. Sich jedoch auf das alte strategische Denken und die alten Theorien und Strategien sowie auf unflexible bipolare, binäre, inkomplexe Eskalationsleitern zu verlassen, ist das Rezept für einen neues Armaggedon und für einen Disaster.

Die Revolution in militärischen Angelegenheiten (RMA) im Golfkrieg überraschte China und Russland, die nicht glaubten, dass die USA diesen Krieg so schnell und einfach gewinnen würden. Das Buch „The Commanders“ von Bob Woodward veranschaulicht auch die RMA, die neue Aufklärung -Schlagfähigkeit und Fokus auf Angriffe auf die C4I-Systeme des Gegners. Das war der Weckruf für die beiden Gegner der uSA die Militärmächte China und Russland und wurde  durch den Jugoslawienkrieg katalysiert. Seitdem hat sich ihre Aufklärungsfähigkeit rasch verbessert, während sich die vom Krieg gegen den Terror beschäftigten  USA auf kleinere Gegner konzentrierten, insbesondere auf Kriege mit Gegnern wie den Taliban oder Saddam Hussein als auf technologisch versierte Großmächte wie China oder Russland.

Für China gibt es bisher nur ein Konzept Airseabattle und eine Strategie Offshore Controll. Für einen chinesisch-amerikanischen Krieg scheinen die USA bisher nicht so viele andere strategische Optionen zu haben. Die CSBA-Studie Rethinking Armaggedon weist auf diese Archillesferse hin. Strategisch gesehen gibt es also keine wirkliche Strategie für einen solchen Krieg oder eine solche Abschreckung gegen Russland oder China. Darüber hinaus wurde noch keine umfassende Strategie entwickelt, die Hermann Kahns Eskalationsleiter im Kontext einer militärtechnologisch komplexeren multipolaren Welt modernisiert hätte. Ob die USA heute die genialen strategischen Denker haben, die intellektuell flexibel genug sind, ist die Frage oder ob US-Strategen Denken eher wie das französische Militär vor dem Zweiten Weltkrieg geartet ist, die an alten Strategien wie einer mentalen Maginot-Linie festhielten, weiß man nicht. Michael O Hannons Buch The Senaku Paradox, das eine integrierte Strategie von Militär- und Wirtschaftskriegsführung vorschlägt, die CSBAs Studien Rethinking Armageddon , Airseabattle, und TX Hammes Offshore Controll sind Indikatoren dafür, dass die USA gerade erst begonnen haben, ihre militärischen Strategien zu überdenken und zu modernisieren. Aberum es auf den Punkt zu bringen: Man bekommt immer mehr den Eindruck dass strategische Denker, Politiker und Gesellschaften nicht mit all den neuen Technologien, RMAs, neuen Komplexitäten immer Schritt halten können, was die Situation instabiler und gefährlicher macht. Gleichgewichte sind schwerer zu erreichen, da wir uns in einer revolutionären Übergangsphase zu einer neuen Weltordnung und neuen disruptiven Technologien befinden.

Die beunruhigende Tatsache ist, dass weder die USA, die EU noch die NATO, Russland, Indien oder China derzeit eine so neue integrierte Militärstrategie, aber nur einige vage Entwürfe haben. Die Nation, die es zuerst hat, hätte einen Vorteil, aber auf der anderen Seite könnte dies die Konstellation destabilisieren, da die andere Seite so reagiert, dass keine Abschreckung angewendet wird. Nur wenn die wichtigsten Großmächte eine neue integrierte Militärstrategie haben, wird Abschreckung Realität. Andernfalls könnte jede Fehlwahrnehmung oder mangelnde Abschreckung auf mehreren Ebenen einen Krieg verursachen. Die bessere Wahl wäre jedoch, wenn alle Militärmächte eine so neue integrierte Militärstrategie hätten, dass dies bedeuten würde, dass sie eine integrierte militärische Reaktion auf die möglichen Angriffe ihrer Feinde haben und sie an allen Fronten und als integrierte Reaktion abschrecken könnten. Auf diese Weise könnte eine gegenseitige oder multilaterale Abschreckung gewährleistet werden. Die Gefahr besteht darin, dass eine Seite einen integrierten Ansatz verfolgt, während die andere Seite dies nicht tut, und daher einen Anreiz schafft, den Fehler anzugreifen oder zu nutzen, wie es die Deutschen mit der französischen Maginot-Linie getan haben.

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