US-Strategien zum Arab Spring: Heritages „proactive thoughtful engagement“

US-Strategien zum Arab Spring: Heritages „proactive thoughtful engagement“

Ein weiterer Diskussionbeitrag in der US-amerikanischen Debatte über den arabischen Frühling kommt von der Republikaner-nahen „Heritage-Foundation“.“The Arab Spring Descends into Islamist Winter: Implications for U.S.Policy“von James Philip, Senior Research Fellow for Middle Eastern Affairs in the Douglas and Sarah Allison Center for Foreign Policy Studies, einer Abteilung des Kathryn and Shelby Cullom Davis Institute for International Studies bei der Heritage Foundation.

Das Papier fordert ein „proactive thoughtful engagement“ der USA im Greater Middle East. Was darunter konkret verstanden wird, soll in folgendem dargestellt werden. Zuerst kritisiert das Papier  die ungerechtfertigte Euphorie westlicher Medien und Regierungen angesichts des sogenannten Arabischen Frühlings und attestiert Wunschdenken („wishful thinking“). Während der Sturz autoritärer Regime der Demokratie ein Chance gab zu blühen, hätte sie jedoch vor allem auch Gelegenheit geschaffen für islamistische Parteien Wahlen auszunutzen, um ihre undemokratischen Ziele durchzusetzen. Die USA benötigten daher eine umfassende Strategie, die zwar globale Perspektive haben, jedoch differenziert werden müsse anhand der unterschiedlichen Situationen in verschiedenen Regionen. Dies müsse im Zusammenhang mit einer zweiten Strategie erfolgen, die den globalen islamistischen Aufstand und transnationalen Terrorismus bekämpfe. Hauptfokus beider Strategie müsse der Middle East und Nordafrika sein.

Zuerst gelte es die Gefahren zu definieren. Islamisten bedeuteten eine ideologische Bedrohung westlicher Werte, wenngleich sie auch nicht ein unmittelbares Sicherheitsrisiko für die USA darstellten, solange sie nicht Terrorismus oder gewalttätige Revolutionen unterstützten. Antiamerikanischer Terrorismus sei oft ein Auswuchs islamistischer totalitärer Bewegungen wie Al Kaida, welches sich selbst als Avantgarde der globalen islamistischen totalitären Revolution begreife. Um zu verhindern, dass Al Kaida und andere islamistische totalitäre Gruppen die Unruhen des Arabischen Frühlings ausnutzen, um ihre radikale Agenda zu befördern, sollten die USA Verbündete unter den arabischen Regierungen, säkularen Gruppen, Stammesführern und anderen Gruppen, die von den totalitären Islamisten bedroht würden, suchen.

Die Folgen für die US-Sicherheitsinteressen müssten vor dem Gesamtbild gesehen werden, dass sich der arabische Frühling in einen chaotischen islamistischen Winter in vielen arabischen Ländern verwandelt habe und die USA mit Mubarak einen strategischen Schlüsselpartner verloren hätten, während die antiwestliche Muslimbruderschaft ihn ersetzt hätte. Andere regionale Verbündete wie Bahrain, Jordanien, Kuwait, Marokko, Saudiarabien und Yemen sehen sich der steigenden Herausforderung durch islamistische Kräfte ausgesetzt. Bei den Wahlen seien vor allem antiwestliche islamistische Parteien, die den Zielen der USA entgegenstehen, die Hauptnutzniesser. Obwohl sie Lippenbekenntnisse zur Demokratie ablegten, wäre ihr wahres Ziel die Ausnutzung der Wahlen um die Macht zu ergreifen und die Scharia durchzusetzen. Die Freedom and Justice Party der Muslimbruderschaft gewann die Wahlen in Ägypten und in Tunesien die Ennahda-Partei. Obgleich die Islamisten nicht so erfolgreich in Lybien waren, gäbe es dort eine starke salafistische Bewegung und die Indokrination der nächsten Generation sich Al Kaida anzuschliessen. Die traditionellen Monarchien der arabischen Welt seien bisher den schlimmsten Auswüchsen des arabischen Frühlings entkommen, doch fraglich sei, ob dies auch mittel- und langfristig der Fall sei.

Das Schlüsselland für die weitere Entwicklung des arabischen Frühlings sei jedoch Ägypten, das das bevölkerungsreichste arabische Land und ein Hauptakteur in der arabischen Politik, Kultur und Ideologie sei. Morsi sei einem Putsch des Militärs durch einen eigenen Gegenputsch zuvorgekommen und verfolge nun eine besorgniserregende neue Aussenpolitik, die sich mehr an den Nichtpaktgebundenen, China und den Iran annähere. Ebenso habe er die Beziehungen mit der Hamas intensiviert und den Hamasführer  Hanji nach Kairo eigeladen und die Grenzkontrollen zum Gazastreifen gelockert. Während der Gazakrise habe Morsi den ägyptischen Botschafter von Jerusalem zurückgerufen und Premierminister Kandil in den Gaza entsandt. Ägypten habe bei dem Waffenstillstand vermittelt und die Gazakrise dazu ausgenutzt, seine innenpolitische Position zu stärken, die Kontakte mit Israel zu schwächen und Ägyptens Kooperation mit der Hamas zu eskalieren. Morsis Regierung habe ebenfalls den Friedensvertrag mit Israel unterminiert, indem er nach islamistischen  Angriffen auf Israel und israelischen Gegenschlägen, bei der 16 ägyptische Grenzsoldaten getötet wurden, ägyptische Panzer nahe von Israels Grenze  stationierte. Ebenso habe Morsi bei den antiamerikanischen Ausschreitungen gegen die US-Botschaft am 11 September 2012 einen Tag lang gewartet und nur eine milde Reaktion gezeigt. Doch Ägyptens Wahlen hätten nicht nur die Muslimbruderschaft an die Macht gebracht, sondern auch die noch radikaleren Salafisten gestärkt. Deren Nour-Partei hätte eine führende Rolle bei den Ausschreitungen am 11. September gespielt. Eine andere salafistische Partei, die Building and Development Party bestehe aus rehabilitierten Mitgliedern der Islamischen Gruppe, welche in Terrorismus verwickelt sei und die Freilassung ihres spirituellen Führers Omar Abdel-Rahman fordere, der auch als der „Blinde Scheich“ bekannt ist und in den versuchten Sprengstoffanschlag auf das World Trade Center 1993 verwickelt war. Die Tatsache, dass solch eine radikale Gruppe 13 Parlamentssitze erhielt, müsse als „gewählter Bin Ladenismus“ bezeichnet werden. Ultraradikale islamistische Extremisten hätten zudem den Sinai infiltriert und diesen zu einem gesetzlosen unregierten Raum und zum Sprungbrett für Angriffe auf Israel werden lassen. Obgleich die Muslimbruderschaft diese Angriffe als Vorwand genutzt hat, um das ägyptische Militär zu säubern, könnten solche Attacken langfristig einen Krieg zwischen Ägypten und Israel auslösen.

Die Wiederaufstieg von Al Kaida

Nachdem Al Kaida von dem arabischen Frühling überrascht wurde und eine vernachlässigende Rolle in der Anfangsphase spielte, seine Führung aufgrund der Drohnenangriffe der USA dezimiert und auf das Stammesland in Pakistan beschränkt wurde, war der hauptsächliche Narrativ wiederlegt, dass islamistische revolutionäre Gruppen wie Al Kaida mit Überzeugung, dass man die Macht nur durch einen gewalttätigen Umsturz erlangen könnte durch die friedlichen Demonstration ad absurdum geführt seien und unbedeutend würden. Dies war zwar wahr für Länder, bei denen friedliche Revolutionen die Regierung stürzten, aber nicht  in Ländern in denen gewaltlose Demonstrationen in einem blutigen Bürgerkrieg mündeten. Zudem muss man sehen, dass entwurzelte, desillusionierte und marginalisierte Jugendliche Al Kaidas Hauptrekrutierungspool sind und es unwahrscheinlich ist, dass deren Zahl abnehmen wird. Al Kaida hat die Machtvakuuen in failing oder failed states wie in Lybien, Mali, Syrien und Yemen genutzt und seine Ableger in Nordafrika und Yemen ausgeweitet. Religiöse Konflikte in Syrien machen es auch wahrscheinlich, dass Al Kaida oder andere sunnitische Extremistengruppen die Lage für sich nutzen. In Ägypten, Lybien und Tunesien wurden mit der Säuberung der geheimdienstlichen und Antiterrororganisationen desweiteren Beschränkungen für das Wachstum von Al Kaida und anderen Terrorgruppen beseitigt, zudem wurden gefährliche Terroristen aus dem Gefängnis entlassen oder entkamen diese.

Der Arabische Aufstand und die U.S.Politik

Die USA könnten keine „eines- passt- für- alles“-Politik verfolgen, sondern müssten diese auf die lokalen Gegebenheiten für die jeweiligen Länder zuschneiden. Die grösste Herausforderung seien die armseligen Zukunftsaussichten für Wirtschaftswachstum und Arbeitsplatzschaffung in diesen Ländern. Die Obama-Regierung habe darauf  bisher jedoch keine Antworten parat. Ebenso begehe sie den Fehler die demokratische Legitimität von islamistischen  Bewegungen zu schnell anzuerkennen. Die Carter-Regierung habe denselben Fehler 1979 im Iran gemacht und Hisbollah und Hamas würden radikale Agenden verfolgen, nachdem sie durch Wahlen an die Macht gekommen seien. Man solle denselben Fehler bezüglich der Anerkennung der Muslimbruderschaft in Ägypten nicht wiederholen, deren Kernideologie antidemokratisch und nicht der Wille des Volkes, sondern der Wille Gottes sei. Wahlen seien notwendig, aber keine hinreichende Bedingung für die Errichtung einer stabilen Demokratie. Gleichwichtig seien eine Zivilgesellschaft, Rechtsstaatlichkeit, unabhängige Institutionen, Pressefreiheit, politische und Religionsfreiheit. Washington solle nicht Demokratie mit Freiheit verwechseln und die USA sollten mehr die Förderung der Freiheit als der Demokratie anvisieren.

Als Politikvorschläge und Parameter für eine Stratgie formuliert James Philip:

1)      Ziehung roter Linien für die neuen Regierungen, die die Kriterien für weitere US-Unterstützung klar definieren

1)a) Bekämpfung des Terrorismus, speziell der Kampf gegen l Kaida ist der Lakmustest

1)b)Respektierung der Freiheit und der Menschenrechte der Bürger

1)c) Einhaltung internationaler Abkommen, speziell des Friedensvertrages mit Israel

2) Änderung der US-Antiterrorstrategie Die gegenwärtige Konzentrierung auf die Al Kaida-Führungsebene und ihre Ableger ist nicht zielführend. Al Kaida hat sich von einer engmaschigen Terrororganisation in eine Netzwerk-basierte transnationale, dezentralisierte Bewegung umgewandelt.Daher ist eine starke internationale Antiterrorkooperation notwendig.Die USA müssten daher höhere Priorität auf die Beziehungen mit Militärs und Geheimdienstbeamten innerhalb der neuen Regierungen legen, die als de facto-Verbündete gegen islamistische Extremisten erwachsen würden

3) Förderung wirtschaftlicher Freiheit

Politische Forderungen waren zentral bei dem Arabischen Aufstand, aber ökonomische Reformen sind existenziell um politische Stabilität und nachhaltige politische Reformen zu fördern. Viele arabische Ländern hätten in den 50er Jahren ein sozialistisches Modell verfolgt, das Wirtschaftswachstum bremste, zum Wuchern von Bürokratien führte und eine ineffiziente Staatsidustrie hervorgebracht habe. Daher sollten die USA die neuen Regierungen auffordern, ihre Wirtschaft zu liberalisieren, Bürokratien abzubauen, heimische und ausländische Investitionen zu fördern, um einen lebendigen Privatsektor zu schaffen. Staatseigene Betriebe sollten liberalisiert werden, jedoch in einem fairen und transparenten Prozess, sodass kein Günstlings-Kapitalismus entstehen kann. Desweiteren sollte die USA den Schutz geistigen Eigentums und Korruptionsbekämpfung unterstützen. Desweiteren fördernswert seien bilaterale oder regionale Freihandelsabkommen. Im speziellen Falle Ägyptens, sollte, falls sich kurzfristig kein Freihandelsabkommen erzielen lässt, dieses dazu ermuntert werden sein System der Qualifying Industrial Zone zusammen mit Israel zu entwickeln.

4)      Zusammenarbeit mit nichtsstaatlichen Akteuren in feindlichen Staaten oder failing states

Vor allem in Staaten wie Lybien, Mali, Syrien und Yemen, in denen es keine verlässlichen staatlichen Autoritäten gibt, sollten die USA die Beziehung zu Stammesführern, politischen Parteien oder ethnischen Gruppen fördern, die der Gefahr Al Kaidas oder anderer extremistischer Gruppen entgegenwirken. Speziell im Falle Syriens sollten die USA ihre gegenwärtige humanitäre Hilfe, diplomatische Unterstützung und nichttödliche technische Hilfe mit erweiterter finanzieller Hilfe und der diskreten Lieferung von Waffen und Training an effektive Militärkommandeure innerhalb Syriens ergänzen–effektive Militärkommandeure, auf die man sich verlassen kann, wenn es um die Bekämpfung islamistischer Extremisten geht und die für die Schaffung eines pluralistischen Syriens nach dem Sturz von Assad hilfreich sind.

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