Kuba und die Standards linkspolitischer Hygiene: Vaterland und Leben statt Vaterland, Sozialismus oder Tod?

Kuba und die Standards linkspolitischer Hygiene: Vaterland und Leben statt Vaterland, Sozialismus oder Tod?

Gastautor: Genova

Die Linkspartei hat ein Problem mit Stalinismus. Das ist im Grunde seit 1946 bekannt, also seit der Gründung der SED. Ich wähle die Partei zwar seit den 1990er Jahren, aber teilweise recht desorientiert und mit dem Wissen, dass die wesentlichen Strömungen der Partei mit Diktatur und Menschenrechtsverletzungen nichts am Hut haben.

Ein nicht einflussarmer Teil der Linkspartei aber hat sich von der SED nie verabschiedet. Deutlich wird das jeden Januar, wenn bei der Luxemburg-Liebknecht-Demonstration regelmäßig Stalinisten und FDJ-Fans in blauen Hemden mitmarschieren, ohne dass sie von der Demo ausgeschlossen werden. Und diese Diktaturaffinität zeigt sich immer wieder an der Haltung zu Kuba.

So schrieb eine der Vorzeige-Hardlinerinnen, die in Hamburg sozialisierte Ulla Jelpke, in der jungen Welt zu der Menschenrechtssituation in Kuba:

Irritierend ist die Arroganz, mit der der kubanischen Gesellschaft hier (in Deutschland) unterstellt wird, nicht demokratisch zu sein.

Jelpke lobt die kubanische Verfassung,

in der Menschenrechte und der sozialistische Rechtsstaat verankert sind, mit Leben gefüllt werden muss, dass es bürokratische Hemmnisse und Fehlentwicklungen gibt, dass die sozialistische Demokratie ausgebaut werden muss, dafür brauchen die Kubaner keine Nachhilfe aus Europa.

Wie es in Kuba tatsächlich aussieht, weiß Wikipedia:

Viele bürgerliche und politische Rechte, insbesondere die auf freie Meinungsäußerung, Presse-, Vereinigungs-, Versammlungs- und Bewegungsfreiheit, werden massiv beschnitten. Es gibt keine unabhängige Gerichtsbarkeit. Menschenrechtsvereinigungen sind nicht zugelassen. Die kubanische Verfassung garantiert viele Grundrechte, etwa die Kunstfreiheit, die Meinungsfreiheit und die Religionsfreiheit, nur mit der Einschränkung, dass ihre Ausübung nicht gegen die Revolution oder die sozialistischen Ziele gerichtet sein darf

Und:

Unabhängige Journalisten und Menschenrechtsaktivisten werden regelmäßig belästigt, eingeschüchtert und vorübergehend festgenommen. Es wird von Misshandlungen durch Fußtritte und Schläge berichtet. Die Haftbedingungen sind hart und führen zum Teil zu körperlichen Problemen bei den Häftlingen. Oppositionelle werden darüber hinaus regelmäßig sogenannten Actos de Repudio ausgesetzt. Dabei zieht ein organisierter Mob vor dem Haus des Oppositionellen auf und beschimpft ihn und seine Familie stundenlang und lautstark als „Würmer“ (spanisch: gusanos) und Verräter. Teilweise geht dies bis zur straffreien Zerstörung von Eigentum der Betroffenen

Ein wahrhaft vorbildlicher sozialistischer Staat, in dem das Individuum sich frei und in sozialer Sicherheit entfalten kann. Eine Fundamentaloppositionelle wie Jelpke landete vermutlich schnell in einem Foltergefängnis. Die Floskel, dass es „bürokratische Hemmnisse und Fehlentwicklungen gibt“, kennen wir aus den SED-Verlautbarungen von 1989.

Eigentlich müsste ein Artikel wie der in der jungen Welt zum Parteiausschluss Jelpkes führen. Zumal sie eine Wiederholungstäterin ist:

Im März 2006 nahm Jelpke in einem Interview mit dem Magazin Kontraste Stellung zur Frage, ob es in Kuba Menschenrechtsverletzungen gebe. Dabei erklärte sie, dass es auf Kuba vor allem Menschenrechte gebe, die eingehalten würden.

Man kann an Kuba alles mögliche loben: das Gesundheitssystem, das Bildungssystem, vielleicht die Emanzipation, vielleicht auch den Umweltschutz. Man kann und muss auch darauf verweisen, dass die USA sich redlich bemühen, das Land wirtschaftlich zu ruinieren. Man kann und muss darauf hinweisen, dass die anderen Staaten in der Region in vielen Kennzahlen schlechter abschneiden. Kuba bleibt dennoch eine Dikatur.

Linke, die das im 21. Jahrhundert noch nicht begriffen haben, können sich in der DKP austoben, in der SDAJ oder der FDJ und was es noch so alles an skurrilen Kleinstgruppen gibt. Es ist egal.

Hintergrund des jüngsten Jelpke-Artikels in der jungen welt ist ein Beschluss der Linkspartei zu Kuba:

Die Linkspartei als Nachfolgerin der SED muss sich von solchen Fanatikern verabschieden. Dabei geht es nicht um eine angestrebte Koalitionsfähigkeit mit SPD und Grünen. Sondern um Standards linkspolitischer Hygiene.

Die Jelpkesche Verteidiung Kubas ist in einem romantischen Sinn verständlich: Ein Staat, der sich gegen kapitalistische Zumutungen wehrt, der einen anderen Weg ausprobiert, der sich der imperialistischen Umklammerung der Amis verwehrt. Daraus, also aus der Negation des Bösen, das zwangsläufig Gute abzuleiten, ist eine Sackgasse. Es ist schon einmal schiefgegangen.

Kommentar Global Review:

Es ist ja nicht nur die Kubaverehrung.Ebenso gelten die Sympathien dieser Stalinisten Maduros und Chavez Sozialismus des 21.Jahrhunderts, Putin und inzwischen teils auch dem neototalitären China. Hauptsache irgendwie gegen die Amis. Und solche Gruppen wie der Arbeiterbund und der KBW und ihre Überbleibsel fanden auch noch Nordkorea und die Roten Khmer verteidigenswert. Zudem werden die ganzen Massaker und Repressionen als “revolutionäre Notwendigkeiten“ tituliert und legitimiert.

Ich hatte früher auch Sympathien für die kubanische Revolution, kannte auch Leute von der Kuba-Freundschaftsgesellschaft. Unter dem Batistaregime war das ja ein Armenhaus mit angeschlossenem Spielcasino und Bordell der USA,mafiöser Verbindungen und Batista,bei knochenharter,schlecht bezahlter Zuckerrohrernte für den Bacardi- Clan,die jetzt im Exil.in Florida weilen und eine Demokratiestiftung für einen regime change gegründet haben. da war das sicherlich erst Mal eine Verbesserung,zumal das kubanische Gesundheitssystem spitze ist und es auch keine Armut und Kriminalität samt Slums wie sonst in Lateinamerika gibt. Zudem scheint ein karibischer Stalinismus erträglicher unter Sonne und Palmen ,Cuba Libre-Rum-Happy Hours und Sambarhythmen,zumal Castro und Guevara nie solche puritanischen Kulturrevolutionäre wie etwa Mao waren, sondern mehr Genussmenschen.Auch bewundernswert,dass sich diese kleine Insel so gegenüber dem US-Titanen und Giganten überhaupt behaupten konnte und dann die Welt noch an den Rand eines Atomkrieges brachte. Auch überlebte Castro gezählte 200 Anschlags-und Attentatsversuche der CIA und war da neben Ghaddafiguinessbuchrekordverdächtig
Zudem Kuba auch in Afrika, Angola und Äthiopien internationalistische Brigaden entsandte .Aber mit der Zeit ging mir der Personenkult um den Jesusgleichen Che und bärtigen Fidel auf die Nerven, zumal jeder sie beim Vornamen nannte, als kenne man sie persönlich und duze sie .Viele Castroisten versuchten ihn auch mit Barttracht, Gestik, Mimik und Zigarre nachzuahmen. Nach der CIA-Ermordung des Che wuchs dies ja in einen Märtyrer Kult über.Und wenn man sich mit der kubanischen Opposition mal beschäftigte,waren das auch viele Demokraten und Literaten, die als Faschisten liquidiert oder weggesperrt wurden, keineswegs Batistaanhaenger. Zumal Che Guevara und Castro auch zerstritten waren ,da Guevara bei einer Konferenz der blockfreien die Sowjetunion als ebenso imperialistisch wie die USA bezeichnet hatte, was im Kreml für Verrat angesehen wurde.Es gab ja auch Gerüchte,dass die Stasifrau an seiner Seite Tamara Bunke ihn deswegen zu seinen Focusguerilla Zeiten in Bolivien ans Messer der. CIA auslieferte, um einen Kritiker zu beseitigen und gleichzeitig einen kommunistischen Märtyrerkult zu schaffen. Zu Che waren dann Jesus Christ Superstar und Hair die passenden Musicals. Che war der neue CIA-Gekreuzigte. Greta ist da vielleicht die weibliche Reinkarnation und Wiederauferstehung. Aber wie dem auch ist: Schwierig zu sagen, wie sich Kuba entwickeln würde unter einer kapitalistischen Demokratie-Word das dann wieder ein neobatistisches Armenhaus wie Haiti nach dem US-Musterdemokraten BabyDoc oder eine blühende Happy Hour-Bacardi-Werbungsinsel mit Wim Wenders Bona Vista Social Club?

Jedenfalls stellt das jetzige Kuba in Sachen Kapitalismus für die Linke inzwischen auch schon ein Problem dar, wie die WELT berichtet:

„Auf Kuba entlädt sich die Wut auf den Sozialismus

Fidel Castros Enkel protzt in einem Videoclip mit einem Luxusauto und provoziert damit seine kubanischen Landsleute. Die Wut auf der Straße gegen die Diktatur nimmt zu, ein kubanischer Frühling scheint plötzlich möglich. Mit Folgen über die Insel hinaus.

Sandro Castro platzt fast vor Stolz: „Film das, Mami, damit sie sehen, wie er die Straße auffrisst“, ruft er seiner Begleiterin zu. Von Zeit zu Zeit müsse man eben die Spielsachen ausprobieren, die man zu Hause herumstehen habe, sagt Castro lachend in dem Videoclip, der in Kuba seit seiner Veröffentlichung die Gemüter erhitzt.

Das Problem: Sandro Castro ist der Enkel von Kubas verstorbenem Revolutionsführer Fidel Castro und sitzt am Steuer eines luxuriösen Mercedes. Er provoziert nicht zum ersten Mal. Sandro Castro ist Mitorganisator der Miss-Cuba-Wahl, gern gesehener Gast oder als Besitzer einer der angesagten Nachtclubs selbst Gastgeber für die Reichen und Schönen Havannas.

Abgesehen davon, dass er mit den im Clip dokumentierten 140 Stundenkilometern das kubanische Tempolimit (100 km/h) deutlich überschreitet, ist das Video auch noch aus anderen Gründen ein großes Problem für das sozialistische Regime. Es konterkariert entscheidende Legenden der kubanischen Revolution. Das Prinzip der Gleichheit der Klassen, die Legende der wirtschaftlichen Einschränkungen durch das Embargo der USA und die Verachtung kapitalistischer Statussymbole gehören eigentlich zum ideologischen Standardrepertoire auf der Elf-Millionen-Einwohner-Insel in der Karibik.

Inzwischen hat Sandro Castro festgestellt, welche Lawine er losgetreten hat und sich bei jenen Landsleuten entschuldigt, die sich beleidigt fühlten. Die Luxuskarosse gehöre einem Bekannten, der Spruch über das Spielzeug sei ein Witz gewesen, erklärte er. Er sei eigentlich ein ganz einfacher Mensch. Das Video sei zudem ohne Autorisierung an die Öffentlichkeit gelangt und eigentlich nur für einen engen Kreis an Whatsapp-Freunden gedacht gewesen.

Doch das machte das Ganze für die Kubaner nur noch schlimmer. „In 62 Jahren hat nie ein Castro oder ein Funktionsträger öffentlich um Entschuldigung für sein gutes Leben gebeten, während das Volk im Elend versinkt“, kritisierte Künstler und Aktivist Luis Manuel Otero Alcántara aus Havanna.

Über den angeblichen oder tatsächlichen Reichtum des Castro-Clans ranken sich seit Jahrzehnten viele Mythen. Fakt ist: Die Veröffentlichung des Videos trifft Kubas Revolutionäre zur Unzeit. Während die Wut auf der Straße gegen die Diktatur zunimmt, untergraben ausgerechnet die mächtigen Funktionäre die Grundprinzipien der Revolution.

Und das hat Folgen über die Insel hinaus. Kuba ist für linke Parteien weltweit eine Art Fixstern im sozialistischen Universum. Das Land ist wirtschaftlich zwar ein Zwerg, ideologisch aber ein Gigant, der als linkes Bollwerk dem „imperialistischen Intimfeind“ USA bereits 60 Jahren standhält. Verliert die sozialistische Revolution Kuba, sinkt das Mutterschiff der Linken.

Das Lebensgefühl einer ganzen Generation

Inmitten dieser Gemengelage verbreitet sich auf Kuba derzeit ein Protestsong in nie dagewesener Dimension und Geschwindigkeit. „Patria y Vida“ (Vaterland und Leben) heißt das Lied von sechs nicht nur auf der Insel prominenten kubanischen Musikern um Yotuel Romero und das Grammy-Gewinnerduo Gente de Zona. Schon der Titel ist ein Angriff auf das Unantastbare, denn einer der Leitsprüche der Revolution war stets „Patria, Socialismo o Muerte“ (Vaterland, Sozialismus oder Tod).

In ihrem Song kritisieren die Musiker Dinge, die normalerweise tabu sind: Sie zeigen in dem Videoclip dazu Bilder von Protesten und Repression, thematisieren Armut, Unterernährung – und den stetigen und zuletzt wieder ansteigenden Exodus junger Kubaner, die lieber die lebensgefährliche Flucht über das Meer zum Klassenfeind nach Florida wagen, als einem System zu dienen, in das sie kein Vertrauen mehr haben. „Keine weiteren Lügen mehr, mein Volk fordert Freiheit, keine weitere Doktrin“, singen die Künstler und treffen damit ganz offenbar das Lebensgefühl der jungen kubanischen Generation. Fast drei Millionen Menschen sahen sich den Clip bislang im Netz an.

https://www.welt.de/politik/ausland/article227608589/Kuba-Ich-glaube-das-ist-der-Anfang-vom-Ende-der-Diktatur.html

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