Ukrainekrieg: Die sogenannten „historischen Fehler“

Ukrainekrieg: Die sogenannten „historischen Fehler“

Also die unter anderem von dem Ex-Diplomaten und ehemaligen deutschen Botschafter in Afghanistan Dr. Seidt vertretene Theorie der russischen Selbstbeschränkung, das Russland aus dem Afghanistan die Lehre gezogen habe sich niemals wieder in solch einen quagmire von imperial overstretch hineinzubegeben  dürfte nun angesichts des Ukrainekriegs, der sich schon längst nicht mehr auf den Donbass beschränkt ad acta gelegt sein Nun stellt sich die Frage, ob man das alles hätte kommen sehen und ab wann diese jetzige Entwicklung ihren Lauf nahm.

Zum einen liegt dies wohl zum einen an die Unterschätzung der Reaktion Russlands und der Bedeutung der Ukraine, die der damalige US-Präsidentschaftsberater Brzezinski zwar selbst rausstellte, aber wohl davon ausging, dass die Russen eine Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO samt Wegfall ihrer Schwarzmeerflotte so locker wegstecken würden: Denn selbst aus Brzezinskis Sicht ging es um mehr So schrieb er in seinem Buch Chessboard ( Amerika-die einzige Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft) :

„Eurasien ist somit das Schachbrett, auf dem sich in Zukunft der Kampf um die globale Vorherrschaft abspielen wird (…)Nichtsdestoweniger werden die Russen schließlich begreifen müssen, dass Russlands nationale Selbstfindung kein Akt der Kapitulation, sondern der Befreiung ist (…)Trotz seiner Proteste wird sich Russland damit abfinden, dass die NATO-Erweiterung 1999 mehrere mitteleuropäische Länder einschließt (…) Im Gegensatz dazu wird es Russland unvergleichlich schwerer fallen, sich mit einem NATO- Beitritt der Ukraine abzufinden“

Denn:

„Man kann gar nicht genug betonen, dass Russland ohne die Ukraine aufhört, ein Imperium zu sein, mit einer ihm untergeordneten und schließlich unterworfenen Ukraine aber automatisch ein Imperium wird.“ (Brzezinski, NZZ, 29.10.99)

Wir konzentrieren uns zudem ein wenig zu sehr auf Putin. Man muss sehen ,dass die erste Wende schon unter Jelzin im Kosovokrieg kam ,als Russland russische Truppen in Pristina stationierte, die US-General Wesley Clark vertreiben wollte, was jedoch ein britischer General verweigerte mit der Bemerkung, er wolle keinen Krieg mit Russland riskieren

.Jelzin war darauf sehr wütend, besuchte gleich China aus Protest, testete demonstrativ die neue russische Interkontinentalrakete Topol, stieß Atomdrohungen aus, die man damals anders als beim nüchternen Putin Jelzins exzessivem Wodkakonsum zurechnete, wie er auch den ersten Tschetschenienkrieg verlor. Ebenso war er sauer auf den in seinen Augen völkerrechtswidrigen NATO Krieg und dann die Abspaltung des Kosovos samt Errichtung des US-Militarstützpunkts Camp Bondsteel. Kurz: Die aussenpolitische Neorientierung, die dann ihre Kontinuität in persona Putins fand schon zu Ende der Jelzinära statt Ebenfalls weitgehend ignoriert wurde das gemeinsame chinesisch- russische Strategiepapier, das eine Neue multipolare Weltordnung forderte, wie auch die Implikationen, die der Begriff Neue Internationale Sicherheitsarchitektur für Putin und Lawrow und auch für Xi hat.

Dann sollte man nochmals die sogenannte Friedensrede Putins vor dem Deutschen Bundestag genauer lesen. Putin spricht darin als Ziel von einer Vereinigung der wirtschaftlichen und Verteidigungspotentiale Europas und Russland ,also auch für ein eurasisches Militärbundnis. Entweder hat man das nicht ernst genommen und als Luftschloss angesehen oder aber schlichtweg ignoriert und überhört. Klar formulierte Putin dies in seiner Rede vor dem deutschen Bundestag 2001:

„„Niemand bezweifelt den grossen Wert Europas zu den Vereinigten Staaten. Aber ich bin der Meinung, dass Europa einen Ruf als mächtiger und selbständiger Mittelpunkt der Weltpolitik langfristig nur festigen wird, wenn es seine eigenen Möglichkeiten mit den russischen menschlichen, territorialen und Naturresourcen sowie mit den Wirtschafts-, Kultur- und Verteidigungspotentialen Russlands vereinigen wird.“

Kurz: Es ging nicht nur um Wandel durch Handel und einen nur zivilen eurasischen Wirtschaftsraum, sondern um ein eurasisches Militärbündnis zwischen Europa und Russland. Wohlgemerkt:Vereinigung der russischen und europäischen Verteidigungspotentiale, sprich: Auflösung der NATO und Ersatz durch ein eurasisches Militärbündnis unter russischer Führung, da diese die grössten Atomwaffenarsenale hat, die sich auch mit den USA messen können, während die französischen und britischen Atomwaffen da eher marginal sind.

Im Zuge des Irakkriegs 2003 gab es auch starke Distanz zu den USA und beteiligten sich Deutschalnd und Frankreich nicht an dem Krieg. Dies war auch der vorläufige Höhepunkt eurasischer Phantasien, die in Emmanuel Todds Buch „Amerika- ein Nachruf“ gipfelten. Zum einen setzte Putin da zuerst auf die SPD und speziell Gerhard Schröder, der die G7 um Russland und China zur G9 erweitern wollte, um im Gegenzug Unterstützung von beiden für einen deutschen Sitz im UN-Sicherheitsrat zu erhalten, was ebenso illusionär blieb. Zum anderen setzte Putin dann auch rechtspopulistische Politiker wie den Front National, dem er über einen Oligarchen einen 40 Millionen Euro-Kredit zukommen liess, in der Hoffnung, dass Frankreich dann aus der NATO und der EU austreten würde und mit Russland eine eurasische Achse gegen die USA und die EU aufmachen würde. Genauso unterstützte er propagandistisch die AfD, später dann auch mittels offiziellem Empfang der AfD durch Lawrow im Kreml , in der Hoffnung dass mittels eines Dexit nach dem Brexit er so EU und NATO rückabwickeln könne. Und zumal war da auch die Hoffnung auf Trump, der wie er und Xi die EU und NATO am liebsten auflösen würden, zumal Macron mit seiner „Hirntod“äußerung zur NATO und der Rede von der „europäischen Souveränität“nochmals Hoffnungen bei Putin erweckte.

Als es nicht so kam und sich die NATO und EU weitererweitern wollte, war Schluss mit freundlich und lustig und bist du nicht willig, so brauch´ ich Gewalt, speziell als die beiden Säulen der Sicherheitsarchitektur Russlands, die Schwarzmeerflotte durch den Maidanputsch in der Ukraine und die Mittelmeerflotte durch den arabischen Frühling in Syrien gefährdet wurden, griff Putin militärisch ein.

Ex-NATO- Chef Rasmussen behauptet jetzt wie viele Anglosachsen, der historische Fehler sei gewesen, dass Merkel und Frankreich auf dem Bulgariengipfel 2008 nicht der NATO-Mitgliedschaft und einem NATO-Aktionsplan für Georgien und die Ukraine zugestimmt hätten. Wer aber sagt uns, dass Putin in diesem Fall nicht schon früher einmarschiert wäre, um das schon im Keim. zu unterdrücken, zumal er ja auf der MSC 2007 klare Drohungen ausgesprochen hatte?

Meiner Ansicht vier wichtige Punkte, die man bei der „Fehleranalyse“ der damaligen Russlandpolitik beachten sollte, insofern es sich um Fehler und nicht um zwei diametral entgegengesetzte imperialistische Interessen der USA und Russlands handelt, die sich nun eben kriegerisch entladen, zumal der Westen keine neutrale Ukraine mit Südtiroler Autonomiestatus für verhandelbar hält und Putin nun mittels seinen Vertragsentwurf einen Rollback der NATO vor die Grenzen vor 1997 fordert.  

https://www.merkur.de/politik/ukraine-krieg-konflikt-deutschland-nato-chef-waffen-kiew-moskau-selenskyj-putin-fehler-rasmussen-91390385.html

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