Bodo auf dem Balkan: Ein Deutscher ordnet Südosteuropa

Bodo auf dem Balkan: Ein Deutscher ordnet Südosteuropa

Nachdruck aus der Studentenzeitung Streitblatt Nr. 3/1999

So manches konnte man die letzen Wochen lesen: Mit Bodo Hombach verliere das deutsche Kapital seine zuverlässige Stütze in der Schröderregierung. Dabei wird so getan, als ob Schröder hier nicht die zuverlässigste Stütze wäre und übersehen, daß es sich hierbei um eine symbolische Geste handelt. Nachdem es nach dem Feuern von Jost Stollmann und dem Rücktritt von Oskar Lafontaine 1:1 in der Ausgewogenheitsbilanz sozialdemokratischer Gemüter der „Neuen Mitte“ stand, wurde Trittin zusammengestutzt, d.h. VEBA- Müller übernahm die Atomverhandlungen und Trittin setzte die VW-Schröder-Linie in der EU durch. Sukkzessive schwenkte auch Riester bei den Renten ein

Daß nun Bodo Hombach auf den Balkan geschickt wird, verwechseln einige Linke nun mit einer Kräfteverschiebung nach links. Fakt ist: Zur selben Zeit ging nun Schröder in die Offensive : Es wurde das Tony-Blair-Papier veröffentlicht . Beim „Bündnis für Arbeit“ sagte der DGB schon Konzessionen bei der Tarifautonomie, der BDI stellte dadurch ermuntert sogleich den Abbau von Überstunden zwecks Arbeitsschaffung in Frage. Zeitgleich leierte BDI & Co mit Wohlwollen Schröders auch das „Bündnis für Innovation“ und einen „Zukunftskongreß der Deutschen Wirtschaft“ (Deutschland im 21.Jahrhundert = Initiative D 21) an- mit einem Memorandum an Schröder

Das heißt: Innerhalb er SPD läuft dies also auf eine Machtzentralisierung und letztendliches Einschwören auf den Übervater Schröder und den neoliberalen Kurs heraus. Genauso wie Kohl sukkzessive seine Kritiker Geißler, Späth, u.a. demontierte, so wiederholt sich dieses Muster nun bei der SPD. Alle wesentlichen anderen Opponenten haben schon eingelenkt, daher bedarf es eines Bodo Hombachs nicht mehr.Er dient aber als wertvolle symbolische Geste zur Integration des „linken“ SPD-Flügels, damit dieser vor seiner Basis und dem Stimmvieh so tun kann, als hätte er einen Erfolg errungen

Was macht der Bodo auf dem Balkan

Auffällig ist, daß es SPD-Schröder sehr wichtig war auf dem EU-Lateinamerika-Gipfel einen deutschen Kanidaten als Koordinator des deutschen EU-Stabilitätspakts für Südosteuropa durchzusetzen- auch gegen Proteste anderer EU-Staaten,v.a. Österreichs, bzw. im Tauschgeschäft

„Wien gibt Widerstand gegen Bonner Kanzleramtsminister auf. Schröder setzt Hombach als Balkan- Koordinator durch. Nominierung in Rio dauert nur zwei Minuten/Österreicher Petritsch wird Beauftragter für Bosnien-Herzegowina“ ( SZ v. 30. Juni 1999). Denn Bodo Hombach gilt nicht nur innenpolitisch, sondern auch außenpolitisch als zuverlässige Stütze des deutschen Kapitals.Als ehemaliger Manager der PREUSSAG AG und zumal im Wirtschaftsministerium von NordrheinWestfalen tätig, dürften ihm die damaligen Bemühungen der PREUSSAG AG die Chromminen Albaniens unter deutsche Kontrolle zu bekommen nicht entgangen sein- zumal in scharfer Konkurrenz mit türkischem Kapital, das ebenso Großförderer von Chrom ist und hier nach 1989 ebenso investieren wollte (vgl.:Wall Street Journal-Central Eastern Europe).

Im Nordkosovo lockt zudem mit Trepca die weltweit drittgrößte Förderanlage für Blei und Zink. Milosevic hat schon britischem Kapital Avancen gemacht, das Trepcawerk zum Nullpreis zu überschreiben, insofern das serbische Management übernommen werde- wohl in der Hoffnung durch u.a. diesen Deal seine eigene Haut zu retten. Neben Trepca, VW-Werken in Belgrad, des von Milosevic besetzten Pharmakonzerns des serbischen US-Zögling Panic u.a. sind da auch noch die lohnenden Wiederaufbauprojekte in der Infrastruktur für die Balkanregion- nach Schätzungen des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) über einen Zeitraum von 10 Jahren insgesamt 100 Mrd. US$

Das Spekrum der Schätzungen des Kuchens belaufen sich zwischen 30 bis 100 Milliarden US $

„Speziell britische Firmen erwarten sich lukrative Aufträge, weil ihr Land nach den USA die Hauptlast der Militäraktion getragen habe. Die Sorge von Entwicklungspolitik-Fachleuten ist, daß Großkonzerne aus dem Norden lokalen Wettbewerbern aus der Region die besten Aufträge wegschnappen.“ (SZ v. 15. Juni 1999)

Konsens zwischen den westlichen Kriegsführungsstaaten ist ohnehin, daß den balkanesischen Hungerleidern da unten nur Krummen vom Kuchen erhalten sollen. Dissens besteht in einem anderen Punkt

Bei diesem Nachkriegsboom will das deutsche Kapital bei der Aufteilung des Kuchens nicht wie im Falle des Golfkriegs oder Bosnien-Herzegowinas hintenanstehen, zumal es diesmal ja mitbombte und Truppen schickte oder wie dies der BDI-Hauptgeschäftsführer Ludolf von Wartenberg formulierte

„Beim Aufbau Südosteuropas forderte Wartenberg eine angemessene Beachtung der deutschen Wirtschaft Es dürfe nicht der gleiche Fehler wie in Bosnien begangen werden, wo Deutschland ein Drittel der Kosten übernommen, aber nur zwischen vier bis acht Prozent der Aufträge erhalten habe.Der BDI-Hauptgeschäftsführer appellierte an die Bundesregierung, sich in geeigneter Weise in allen für den Wiederaufbau zuständigen internationalen Gremien für die Interessen der deutschen Wirtschaft im westlichen Balkan einzusetzen. Es sollten möglichst viele bilaterale Wiederaufbauprogramme aufgelegt werden. Die von der EU-Kommission in Skopje eingerichtete Wiederaufbau-Agentur müsse Transparenz bieten und mit internationalen Fachleuten besetzt sein. Die Interessen deutscher Unternehmen müßten mit Sitz und Stimme in der Wiederaufbau-Agentur abgesichert sein. Deutsche Unternehmen sind laut BDI in Südosteuropa traditionell stark vertreten.“ Handelsblatt v. 25/26.6.1999). Quasi eine Initiative D 21 der deutschen Wirtschaft außenpolitisch- von daher versteht sich, daß Schröder so hartnäckig beim Rio-Gipfel Bodo Hombach als EU-Koordinator durchsetzte. Der verschmähte Österreicher Petrisch erhält dafür Bosnien-Herzegowina, wo die Anteile aber schon längst vor allem zugunsten der USA aufgeteilt sind. Absehbar, daß angesichts mangelnder beteiligung an der Kriegsbeute dies die Neutralitätsdebatte in Östereich zugunsten eines NATO-Beitritts erneut aufflammen lassen wird

Zur Koordination des Kosovo-Aufbaus wurde nun auf Drängen zahlreicher Unternehmen eine zentrale Schaltstelle eingerichtet, eine „Konzertierte Aktion“ (SZ) von deutschem Kapital und Staat. Der „Neue Lenkungskreis“, dem Bundeswirtschaftsministerium. Auswärtiges Amt, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ), der Ostausschuß des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) und der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) angehören, fordert da analog zu Bodos Benennung deutsche Führerschaft in Sachen EU: „Der Rat von Experten aus Wirtschaftskreisen ist nicht nur im Lenkungsausschuß gefragt, sondern auch in der vorgesehenen Wiederaufbauagentur der EU (…) Zahlreiche Unternehmen drängen die Verbände, bei der Koordinierung von Aufbauhilfen deutsche Interessen und deutsches Know-How ins Spiel zu bringen. (…) Die Organisation beim Bosnien-Aufbau dient als Modell.“ (SZ v.30.Juni 1999).

Gemeint sind mit Bosnien-Modell freilich nicht, daß deutsches Kapital nur 4-8% des Kuchens abbekommt, oder die USA ihr militärisches Hauptquartier nebst vermuteten Erdölfeldern in Bosnien aufbauen, sondern die Tatssache, daß Bosniens Wirtschaft und Verfassung von der IWF-, Weltbank und westlichen Gläubigern kontrolliert wird .Die Kosten für den Wiederaufbau sollen internationale Finanzinstitute mittragen, d.h. die Kosten auf die gesamte UNO abgewälzt werden und deutsches Kapital daraus mehr als in Bosniens Fall an Aufträgen herausschlagen.Zumal man sich nicht auf den Kosovo beschränken will, sondern auf den gesamten Balkan, wie im Fischer/ Schröder-Stabilitätspakt vorgeschlagen. Der Balkan soll in eine Freihandelszone zusammengefaßt werden

„Vertreter der 1989 gegründeten Mitteleuropäischen Initiative haben die internationale Gemeinschaft aufgerufen, beim wirtschaftlichen und sozialen Wiederaufbau den gesamten Balkan zu berücksichtigen. An der Wiederherstellung der Infrastruktur im Kosovo und der Region sollten sich aber nicht nur die westlichen Staaten, sondern auch die internationalen Finanzinstitute beteiligen, heißt es in einer Erklärung, die die 16 Mitglieder am Donnerstag im tschechischen Karlsbad verabschiedeten. Dieser Ansicht ist auch der BDI. In die Freihandelszone sollten neben Albanien, Slowenien, Mazedonien sowie Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Jugoslawien auch Bulgarien und Rumänien einbezogen werden, sagte von Wartenberg“ (Handelsblatt v. 25./26.6.1999)

Kein Wunder, daß man da lesen kann: „Fast einstimmige Entscheidung des Senats: USA wollen UN-Schulden bezahlen- Kammer gibt gegen Auflagen fast zwei Milliarden Mark frei“ (SZ v. 24. Juni 1999). Nach Brüskierung der UNO durch Bombardements im Irak, Sudan und in Jugoslawien, ein wohl überfälliger Beitrag. Zumal 2 Milliarden mark bei einem aufzuteilenden Balkan-Jack-Pot von 100 Milliarden US $, zumal über UNO-Finanzinstitutionen finanziert, eine mickrige, vielleicht auch lohnende symbolische Investition sind.

Nachdem also mittels des EU-Lateinamerika-Gipfels (Mercusor nach EU-Vorbild) Deutschland die USA in ihrem Unterleib herausfordern, mit der VW-Beetleproduktion für den US-Markt in NAFTA-Mexiko, mit Mannesmannpipeline und Werner Maus in Kolumbien und u.a. mit dem Treffen Schröder- Castro in Kuba

soll nun eine EU-Freihandelszone unter Bodo Hombachs deutschem Führungsanspruch im Balkan errichtet werden. Und auch bezüglich des nahen und Mittleren Osten heißt es

„Auf ewig Juniorpatner Amerikas? Im Konfliktfeld Naher und Mittlerer Osten wachsen Europa neue Aufgaben und Verantwortlichkeiten zu(…) So kann sich Europa eines Engagements in der region nicht länge enthalten in der Annahme, Washingtons Politik sei dort mit europäischen Interessen grosso modo identisch. (…) Wurde Westeuropa noch in Madrid 1991 von Washington draußen vor der Tür gehalten, so haben im Zuge von Oslo I und Oslo II und vor allem mit dem Barcelona-Prozeß die Westeuropäer ein Ordnungskonzept für die Region des Mittelmeermeerraumes entwickelt, in dem sich eine Politik des „Institution Building“ herausschält, welche die amerikanischen Bemühungen um Frieden und Fortschritt ergänzt und fördert.“ (FAZ v. 15. Mai 1999)

Das Ordnungskonzept für den Mittelmeerraum umfaßt denn auch den „Krisenbogen von Marroko bis zum Indischen Ozean“ (General Naumann) und in diesem Kontext der Großwirtschafts- und „Ordnungsräume“ sind auch der Kosovo und der Balkan zu sehen. Ebenso wie es beim EU-Lateinamerikagipfel hieß, daß ähnliche Bemühungen um den Mercusor nach EU-Vorbild als „Ergänzung, nicht Konkurrenz“ zu den USA ( Schröder laut SZ) dienten. Die USA sind sich da nicht sicher, inwieweit sich da die Konkurrenz unter dem Mantel der „Ergänzung“ und Kooperation breitmachen will, ja eventuell aus Eurasien hianausdrücken möchte, wie der ehemalige US-Präsidentensicherheitsberater Brezinski als bedrohliche Option, die es zu verhindern gelte, ausmalt. Denn die Mitteleuropäische Initiative erinnert ein wenig an die Konzeptionen eines Walther Rathenau

Von Mitteleuropa und Balkanpakten vor dem ersten Weltkrieg, wie auch an die Initiativen des Mitteleuropäischen Wirtschaftstages(MWT) der Deutschen Wirtschaft vor dem 2. Weltkrieg, der zusammen mit dem Deutschen Orientverein, „einem „Ableger“ des MWT für die Verlängerung der Stoßrichtung Südost- nach Ägypten, in die Türkei, nach persien, in den Irak, nach Palästina und bis nach Ceylon“ plädierte (Alfred Sohn-Rethel: Industrie und Nationalsozialismus, Wagenbachverlag, Berlin 1992, S. 12) . Interessant auch das sogenannte „Südosteuropa-Memorandum von 1932“, daß die Aufsprengung Jugoslawiens mittels deutscher Unterstützung für die kroatische Ustascha vorsah, die Abspaltung Kroatiens und Sloweniens und die Aufteilung Mitteleuropas und des Balkans zwischen Deutschland und Italien. „Ein Artikel über Öle und Erze in Arabien deutet auf die Verlängerung dieser Achse und setzt sich mit der Aufteilung der Interessensphären in nahost zwischen den USA und Großbritannien auseinander“ (Sohn-Rethel, ebenda, S.14). Altbekannte Drehbücher schon unter der Weimarer Republik, wenn auch heute unter veränderten Konstellationen ausgetragen. Im Gegensatz zum jubelnden Teil der SPD-Linken und Menschenrechtsbellizisten, sind sich Sicherheitsberater der USA klarer, was der Schröder in der Mittelmeeregion will und und der Bodo auf dem Balkan vollbringen soll!!

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