Stimmen aus dem Jenseits: Verheugen als neuer Bahr einer neuen Entspannungspolitik und angeblich gebrochene Versprechen

Stimmen aus dem Jenseits: Verheugen als neuer Bahr einer neuen Entspannungspolitik und angeblich gebrochene Versprechen

Dass der Ukrainekrieg eine Vorgeschichte hat, ist sicherlich richtig. Fragt sich nur welche. Ex- FDPler und Genscherist, dann SPD- Mitglied Günther Verheugen sieht diese vór allem in dem angeblich gegenüber Gorbatschow gebtochenen Versprechen Genschers, die NATO nicht nach Osten zu erweitern, was er „aus erster Hand“ wü0te und geriert sich als euer Egon Bahr, der für einen Neue Entspannungspolitik eintritt:

„Ukraine-Krieg

Verheugen: Weg in den Krieg begann mit gebrochenem Versprechen

6. Juni 2023 vonTilo Gräser

Einblicke in die Ursachen und Konsequenzen des Krieges in und um die Ukraine hat der ehemalige Außenpolitiker Günter Verheugen am Dienstag in Berlin vermittelt. Dabei hat er auch die Medien deutlich kritisiert.

(Foto: Tilo Gräser)

Die Vorgeschichte des Krieges in und um die Ukraine werde tabuisiert, stellte am Dienstag in Berlin der ehemalige SPD-Außenpolitiker und frühere EU-Kommissar Günter Verheugen fest. „Natürlich hat jeder Krieg eine Vorgeschichte. Der fällt nie vom Himmel. Und es ist auch nicht so, dass ein einzelner Verrückter darüber entscheidet. Das wäre ein bisschen einfach und eindeutig falsch.“

Verheugen sprach in Berlin zur Vorstellung des Buches „Ukrainekrieg – Warum Europa eine neue Entspannungspolitik braucht“, herausgegeben von Sandra Kostner und Stefan Luft. Für ihn beginnt die Vorgeschichte „mit dem gebrochenen Versprechen im Zusammenhang mit der deutschen Einheit“ an die sowjetische Führung, die Nato nicht nach Osten zu erweitern. „Ich weiß, dass das versprochen wurde“, sagte der ehemalige Mitarbeiter von Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher. Verheugen war bis 1982 in der FDP. Er fügte hinzu: „Ich weiß es aus erster Hand. Ich weiß, dass die Zusage gemacht wurde, dass es keine Verschiebung der Nato geben wird.“

Er wisse auch, dass Russland in den 1990er Jahren zu schwach gewesen sei, um ernsthaften Widerstand gegen die wortbrüchige Politik des Westens zu leisten, und die Nato-Ostererweiterung „murrend und knurrend“ akzeptiert hat. „Es war ein gebrochenes Versprechen und damit fing der Weg an, der uns dahin geführt hat, wo wir heute sind: Anstelle gesamteuropäischer Kooperation ein tiefer Konflikt mitten in Europa, dessen Ende wir nicht absehen können.“

„Es gibt eine andere Meinung in diesem Land“

Verheugen betonte ebenso wie die beiden Herausgeber die westliche Verantwortung für den Weg in den Krieg. Das Buch könne die fehlende, aber notwendige Debatte „über das, was wir in diesem Krieg zu suchen haben und in diesem Krieg wollen“, anstoßen. Das mehrheitliche „Russland muss verlieren“-Lager in der bundesdeutschen Politik weiche der inhaltlichen Diskussion aus. „Wer kritische Fragen stellt, wird als ein nützlicher Idiot im Dienst von Putin oder als Handlanger russischer Interessen dargestellt.“

Der Jahrzehnte lang als Außenpolitiker aktive Verheugen bezeichnete es als notwendig, „den Regierenden klarzumachen, dass es eine andere Meinung in diesem Land gibt“. Es sei komisch, er treffe immer nur Leute die gegen die bundesdeutsche Kriegspolitik seien. „Wo sind die Menschen, die das für richtig halten, was im Augenblick passiert?“, fragte er. „Ich kann sie nicht finden.“

Verheugen äußerte einen Wunsch an die Medien: Nicht einfach das zu übernehmen, was ihnen über transatlantische Netzwerke und Geheimdienste „angedreht“ werde. Es müsste kenntlich gemacht werden, was „die dubiosen Quellen solcher Informationen“ sind. „Mein Vorschlag wäre, dass wir einen freiwilligen Warnhinweis einführen: Achtung, dieser Beitrag kann Informationen enthalten, die aus dubiosen Quellen stammen und deren Richtigkeit wir nicht überprüfen können.“

Das könne zur Hygiene in der Diskussion beitragen, meinte er. Und fügte den Wunsch hinzu, nach „mehr kritischer Reflexion über das, was geschieht, und nicht die einfache Übernahme dessen, was man heute Narrativ nennt“. Das geschehe insbesondere bei der Frage nach der Vorgeschichte des Ukraine-Krieges.

https://paulbrandenburg.com/bericht/verheugen-weg-in-den-krieg-begann-mit-gebrochenem-versprechen/

Das angebliche Versprechen Bush seniors und Genschers, die NATO nicht nach Osten zu erweitern, ist ja umstritten. Die einen sagen, dass das nie oder nie so stattfand, noch sich so zugetragen habe, zumal ja noch die Sowjetunion und der Warschauer Pakt existierte. Andere meinen, das dass Genscher vielleicht mal in einem Satz angedeutet hab, aber letztendlich Kohl entscheidend war und dieser nichts dergleichen vermelden gelassen hatte. Auch, dass nichts vertraglich festgehalten wurde, zeige, dass darauf sowjetischerseits auch nicht soviel Wert darauf gelegt wurde. Andere sagen, dies sei ein i offizielles, geheimdiplomatisches Gentlemen’s Agreement gewesen und der naive, gutmütige Gorbi habe auf eine mündliche Zusage und einen Handschlag vertraut und sei dabei über den Tisch gezogen worden. Zumindestens wird oft nicht erwähnt, dass Russland 1997 die NATO-Russland-Akte unterschrieb, in dem es die Bündniswahlfreiheit der postsowjetischen Staaten akzeptierte inklusive eben auch damit der Ukraine. Das wurde bis heute merkwürdigerweise offiziell selbst von Putin nicht gekündigt und merkwürdigerweise wird dieses doch eigentlich gewichtige Faktotum beiderseits gar nicht in der Diskussion erwähnt, auch von Verheugen wohlweislich nicht, der nun als neuer Bahr eine neue Entspannungspolitik will. Wohl wichtig ist, dass kein Jahr nach der Unterzeichnung der NATO-Russland-Grundakte die NATO den Kosovokrieg begann samt Seperation des Kosovos. Der Kosovokrieg wurde westlicherseits wohl in seiner Auswirkung als Präzedenzfall, wie auch bei der Sprung des russischen und chinesischen Nationalismus stark unterschätzt. Aus Moskaus Sicht nach dem verlorenen ersten Tschetschenienkrieg das zweite große außenpolitische Desaster Jelzins, das dann Putin den Weg ebnete. Auch wurde die Bombardierung der chinesischen Botschaft Pekings nicht vergessen oder als bedauernswerte Kollateralschaden abgehakt.

Die Frage ist aber, was auch der Theorie des gebrochenen Versprechens folgen würde? Hätte man die NATO damals auflösen oder zumindestens nicht nach Osten erweitern sollen? Und wer ist man? Die USA? Europa? Der Westen? Hätte Deutschalnd aus der NATO austreten sollen, obgleich deren Mitgliedschaft ja Bedingung für die Wiedervereinigung war? Und was sollte das heute bedeuten? Rollback bis vor 1997,wie Putin in seinem Ultimatum vor dem Ukrainekrieg forderte? Verheugen beantwortet nicht, worauf seine neue Entspannungspolitik letztendlich bestehen soll und bleibt so mehr Ostalgie und Nostalgie. Auch wird nie genau gesagt, wie die vielgeforderte europäische Sicherheitsarchtitektur, vielleicht auch ohne NATO aussehen solle. Die OSZE ist ja keine Institution, die nachhaltig oder aus bestehenden Kräften Frieden schaffen könnte und dann bliebe auch noch die Frage der (russischen ) Nuklearwaffen und der Abschreckung. Auch der indische General Asthana meint, dass die USA nach dem Fall der Sowjetunion und des Ostblocks den Kalten Krieg 1.0 beenden und auf die NATO/NATO-Osterweiterung verzichten hätte sollen, um sich dem Kalten Krieg 2.0 gegen China ausgiebig widmen zu können. Genaueres erfährt man nicht, auch nicht, wie man das konkret tun hätte können ,zudem amerikanischerseits da scheinbar ohnehin nicht der Willen dazu da war, wie wohl seitens der USA auch nie beabsichtigt war, Russland in die NATO zu holen und die vielzitierte Sicherheitsgemeinschaft von Vancouver bis Vladivostok eine reine Fata Morgana und Schimäre blieb. Umgekehrt ist auch die Frage, was Gorbi, Jelzin und Putin besichtigten. War Gorbis Hoffnung mittels seiner Glasnost und Perestroika eine moderne Sowjetuinion zu schaffen, die mittels mehr Wirtschaftskraft und politischer soft power die USA indem „europäischen Haus“neutralisiere oder zurückdränge, um dann das Sagen in Europa als neuer bening hegemon zu haben—ähnlich dem damaligen Andropowplan? War Jelzins „europäisches Haus“ nicht auch mit dem Hintergedanken, dass ein wirtschaftlich durch Kapitalismus modernisiertes Russland dann wirtschaftlich und militärisch doch von Russland im wesentlichen mitbestimmt werde, zumal ja auch die Nuklearwaffen heilig bleiben? Wollte die USA und Russland überhaupt jemals gemeinsam in eine NATO oder wäre da die Konkurrenz innerhalb dieser dann ein ständiger Streitpunkt und Quelle von Instabilität und Streit geworden, wie man dies nun mit Erdogan innerhalb der NATO hat? Und Putin selbst forderte in seiner berühmt- berüchtigten „Friedensrede“ im Bundestag 2001im Bundestag nicht nur eine eurasische Wirtschaftsgemeinschaft zwischen Europa und Russland, sondern auch eine eurasische Militärallianz zwischen Russland und Europa:

„So konnte Wladimir Putin in Berlin verkünden: „Niemand bezweifelt den großen Wert Europas zu den Vereinigten Staaten. Aber ich bin der Meinung, dass Europa einen Ruf als mächtiger und selbständiger Mittelpunkt der Weltpolitik langfristig nur festigen wird, wenn es seine eigenen Möglichkeiten mit den russischen menschlichen, territorialen und Naturresourcen sowie mit den Wirtschafts-, Kultur- und Verteidigungspotentialen Russlands vereinigen wird“.

(Emmanuel Todd: Weltmacht USA—Ein Nachruf / Piper-Verlag, München- Zürich 2002, S.209).

Die Frage bei der Vorgeschichte ist, ob nicht gerade die neoimperialen russischen Vorstellungen von „europäischen Häusern“ ohne NATO und USA ,quasi einem Carl Schmittschem Ausschluss sogenannter raumfremder Kräfte, ja möglichst unter russischem Einfluss von Gorbi, Jelzin bis Putin nicht gerade genauso die Vorgeschichte des Ukrainekriegs sind, auch wenn sich Gorbatschow und Jelzin verrechneten in dem erhofften Wiedererstarken der Sowjetunion und dann eines kapitalistischen Russlands, wie Putin nun auch wieder.

Ex- NATO- General Domroese kommentierte noch zur Frage des angeblich gebrochenen Versprechens:

„Im Zuge der Gespräche, die letztlich zur Deutschen Einheit führten, hatten Genscher und Kohl unterschiedliche Ansätze.
Zunächst war EINE Idee von Genscher, das Territorium der ex DDR, NEUTRAL zu halten. Dies hatte der Kanzler sofort ausgeschlossen. Es dürfe keine 2 unterschiedliche Sicherheiten in Deutschland geben.

Ich bin ganz sicher, dass Genscher mit Schewardnadse so oder so ähnlich den gesamten Osten/ex WP-Staaten diskutiert haben. Im Endergebnis achtete Kohl sehr scharf darauf, dass keine Zusagen ohne seine VORAB-BILLIGUNG gemacht wurden. Kurz: Verheugen hätte bestimmt anderen Regelungen zugestimmt.“

Ja ,das erklärt wahrscheinlich das angebliche Versprechen zumindestens deutscherseits.Letztendlich aber ist entscheidend, was Kohl sagte, da er Bundeskanzler war und die Verträge unterzeichnete. Aber warum stimmte Jelzin dann mit der NATO-Russland Grundakte  der freien Wahl der  Militärallianz für die postsowjetischen Staaten zu, wenn er keine NATO-Erweiterung nach Osten wollte und hat Putin sie nie gekündigt? Irgendwie weichen alle dieser Frage aus. Das konnte nur bisher noch keiner beantworten. Dachten sie, dass es doch noch ein gemeinsames europäisches Haus oder eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur von Vancouver bis Wladiwostok oder von Lissabon bis Wladiwostok geben würde und der Trend nicht anhalten würde?

Aber letztendlich war für Gorbatschow auch das Wort der USA wichtig und Profesoor van Ess gibt da noch folgenden Buchtip, der sich auf die Formulierung „Not one inch“ des damaligen Außenministers Baker kapriziert:

„Ich glaube, diejenigen, die sich etwas weiter zurückerinnern, wissen noch, wie die Lage in den 90er Jahren war. So wie Herr Verheugen sagt, hatten die Russen gar keine Möglichkeit, sich gegen die NATO-Osterweiterung zu wehren, weil sie nach Einladung von Harvard-Beratern durch Herrn Jelzin durch ein wirtschaftliches Tal der Tränen gingen. Es hatte da sicherlich nur ein vages Versprechen gegeben, dass die NATO nicht erweitert würde, aber die Russen machten sich ja große Hoffnungen, dass die NATO aufgelöst und man sie in ein allgemeines Sicherheitssystem einbinden würde. Sie protestierten Anfang der 2000er gegen die Vorläufer von THAAD und die damit verbundene Aufstellung von Abwehrsystemen in Polen und Tschechien, später Südkorea, weil klar war, dass dies gegen sie gerichtet war. Putin bezog seine Popularität daraus, dass er Russland stabilisierte und die russische Stimme überhaupt wieder gehört werden musste. Insofern glaube ich, dass beide Seiten irgendwie recht haben. Das Problem ist, dass man aus diesem Faktum keine Konsequenzen gezogen hat. Mit dem Euro-Maidan und den für mich immer noch merkwürdigen Umständen, unter denen ein sicherlich nicht integrer, aber immerhin demokratisch gewählter Präsident verjagt wurde, weil er sich auf die russische Seite gestellt hatte, war der Konflikt dann ausgebrochen. Lese übrigens gerade im C.H. Beck Katalog, dass es da ein neues Buch von einer Frau Mary Elise Sarotte gibt mit dem Titel „Nicht einen Schritt weiter nach Osten“. „Not one inch“. Das hat der Baker wohl wirklich gesagt. Aber nach dem Tschetschenien-Krieg hat man das umgedreht: Nicht ein Fußbreit europäischen Bodens sollte der NATO versperrt bleiben. Not One Inch ist auch der Titel der amerikanischen Originalausgabe von 2022.“

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