EU: Bauernkriege gegen den Green Deal?

EU: Bauernkriege gegen den Green Deal?

Die Bauernproteste in der EU sind noch nicht zu Bauernkriegen ala Deutschland mit einem neuen Thomas Müntzer ausgeartet, doch eskalieren , wie die FAZ am Beispiel Polens heute zu berichten weiß:

PROTEST GEGEN EINFUHREN: Polnische Bauern blockieren Grenze zur Ukraine

Die polnischen Landwirte begründen ihre Blockade mit der zollfreien Einfuhr für ukrainische Produkte und dem „Green Deal“ der EU. Ukrainische Fuhrunternehmer kündigen ihrerseits eine Blockade polnischer Lkw an.

Polnische Landwirte haben am Dienstag den Güterverkehr an der Grenze zur Ukraine fast völlig zum Erliegen gebracht. Damit verschärften sie ihre Blockaden und Protestaktionen, die vielerorts schon seit Anfang Februar andauern. Nach polnischen Behördenangaben betrugen die Wartezeiten für Lkw an den vier großen Übergängen zum Nachbarland bei der Ausreise am Dienstag zwischen 100 und 270 Stunden.

„Es wird eine totale Blockade aller Grenzübergänge geben“, sagte ein Sprecher der Bauerngewerkschaft Solidarity gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Militärische Hilfsgüter würden durchgelassen, der Lkw- und Personenverkehr aber blockiert. Schon am Sonntag hatten Protestierer versucht, einen Personenzug von Kiew nach Chełm in Polen an der Einreise zu hindern. Am Grenzübergang Medyka wurde ukrainisches Getreide aus Güterwaggons verschüttet. Polens Landwirtschaftsminister Czesław Siekierski entschuldigte sich für den Vorfall, äußerte jedoch Verständnis für die Bauern, die in einer „schwierigen wirtschaftlichen Lage“ seien.

Protest gegen Einfuhren: Polnische Bauern blockieren Grenze zur Ukraine (faz.net)

Ukrainesolidarität eskaliert beidseitig.Ich schätze da steckt auchvdie PiS dahinter,die ja jetzt über Duda versucht gegen Tusk und die EU zu orientieren,wiexauchcdessen Justizreform zu verhindern.Aber Selensky hat schon recht,dass es da auch um Politik geht,wenn es nur um 5% Lieferungen geht.Die PiS hatte ja damals zum allgemeinen Erstaunen der NATO schon polnische Waffenlueferungen an die Ukraine stoppen wollen,obgleich da Duda nochmals das Ganze entschärfen wollte.Wobei man immer dachte,dass bei den Polen und auch der PiS das Anti-Russengen eigentlich zur DNA gehören würde. Aber wenig beachtet wurde bei den Wahlen in Polen dass rechtsradikal neben der PiS die Confederazione erstarkt ist, die vor allem für die Massaker der ukrainischen Banderafaschisten gegen Polen im 2.Weltkrieg Revanche wollen, worüber Putin sich freut. Da scheint Katyn schon  fast wieder vergessen.Aber auch interessant,dass sich jetzt die Bauernproteste gegen die EU und nun nicht nur wegen der Zollfreiheit, sondern auch deren Green Deal richten. Das scheint ja bisher bei deutschen Bauernprotest sich ja noch national gegen die Ampel und vor allem die Grünen zu richten und noch nicht so sehr gegen die EU, von der es ja noch Subventionen gibt, aber die ökologische Umgestaltung, die vielen Bauern nicht gefällt will ja auch die EU Kann daher noch kommen. Aber die AfD will ja keinerlei Subventionen, auch für Bauern nicht, die polnische PiS sehr wohl, sowohl national als auch von der EU, wenngleich nicht die ökologische Umgestaltung, den Green Deal. Ob es da eine Verallgemeinerung der Bauernproteste gegen die EU oder speziell den Green Deal geben wird? In Niederlande ging es ja zuerst um die Gülle- und Nitratmengen, also mehr eine ökologische Forderung. In Frankreich gibt es drei Bauernverbände. Einen von Le Pen, einen von den Konservativen und Gaullisten, dann noch einen linken Bauernverband. Wobei das auch noch zwischen ärmeren Kleinbauern und reicheren Großbauern, sowie nach Region und Sektor(Wein und Feinkostgourmetbereiche, die als luxuriöse Edelmarken durchaus an Teilen des Green Deals als Qualitätsware interessiert sein können, die bei ihren reichen Konsumenten eher den Snobeffekt bei Preisen bewirkt und Massenware differiert).Erstere beide wettern gegen die EU und wollen keinen Green Deal und mehr Protektionismus, letztere nur bessere Marktpreise und mehr Geld von den Nahrungsmittelkonzernen und Supermarktgroßhändlern. Der frühere Bauernprotest richtete sich zuvor noch gegen die von Franzosen schon historisch haß-geliebten USA, wie auch mögliche Freihandelsabkommen, damals TTIP, nun auch EU-Mercusor. Legendär damals jener französische Bauernführer, der mit seinen Traktoren Mc Donalds besetzte. Fast wie bei Louis De Fune „Brust oder Keule. Französische National-Gourmetküche gegen US-Fast Food mit Oberschurken Mr.Friksdelle, einem Industriefood-Agromultichef.

Wobei ja Südländer mehr auf Essen achten als Deutsche und auch einen höheren Teil ihres Einkommens für Nahrungsmittel, auch mehr zum Feinschmecker neigen und die Generation Mikrowelle, Captain Iglo und Tiefkühlpizza noch nicht so verbreitet scheint. Dem oder der Deutschen wird nachgesagt ein gutes und genügsames Hausschwein zu sein , das alles frisst, auch aus Mülltonnen oder beim Containern von Supermarktabfällen und auch während der Corona-Pandemie wurde bei den Hamsterpräferenzen bei Deutschen Klopapier und Wasser angegeben, bei den Franzosen Rotwein und Kondome, bei den Italienern Pasta und deutsche blonde Frauen.

Giorgia Meloni hat zur Unterstützung der italienischen Bauern nun auch erstmals Anti-EU-Töne angeschlagen zumal sie nun auch die Pasta zum kulturellen Welterbe bei der UNESCO anmelden will, mit den USA um die Rechte für die italienische Pizza kämpft und auch der Kampf mit China um die Frage, ob Marco Polo die italienische Nudel ins Reich der Mitte   brauchte oder die chinesische Nudel nach Italien beim Kulturkampf um Mittelerde bei der Hobbit- Duca noch nicht ausgefochten worden ist, wenn gleich sie vorerst mal die chinesische Seidenstraße aus Italien und Europa verbannt hat und nun mittels des India- Middle East Economic Corridor nun die alte Seidenstraße des römischen Ägyptens bis ins indische Gujarat wiederbeleben will. Mal sehen, ob es dann auch noch Bauernproteste in Spanien, Portugal und anderen EU-Ländern gibt und sich das noch weiter ausbreitet .Zudem der Bauer auch mythologisch bis zur Blut- und Boden-Schollenmythologie des Nährstandes und damit auch schon Wehrstandes oder moderner zur systemrelevanten, strategischen Wirtschaftssektor auch in Sachen Kriegstüchtigkeit bis hin zu Derisking von internationalen und globalen Lieferketten und Autarkievorstellungen erhoben wird, zumal da auch regional und manchmal auch bio ja da auch im Interesse nationaler und lokaler Bauern ist.

Inwieweit jetzt der Green Deal eine reale Existenzvernichtung des Bauernstandes bedeutet oder nur von gewissen Teilen oder ob es mehr die Profitgier ist auf Teile davon verzichten zu müssen oder nur Teil eines seit Jahrzehnte laufenden Konzentrationsprozesses in der Landwirtschaft, wie es ihn auch in allen anderen Wirtschaftssektoren gibt, ist da die Frage, wie umgekehrt ob die grüne Landwirtschaftspolitik weg von Massentierhaltung und anderem eben auch realistisch ist zur Ernährung einer Massengesellschaft, zumal mit weiterem Weltbevölkerungswachstum. Sri Lanka hatte ja gerade seine gesamte Landwirtschaft auf Biolandwirtschaft im Hauruckverfahren umgestellt, was nun ein ökologisches, sowie wirtschaftliches Desaster wurde, was dann eben zu Sturm des Präsidentenpalastes samt Bad der Volksmassen im Präsidentenpalast- Swimmingpool führte- und diesmal war es nicht China mit seiner angeblichen Schuldenfalle für seinen Hafen in Sri Lanka.. Inzwischen neigen ja auch die Grünen dazu grüner Gentechnik ihr Biosiegel zu geben. Interessant in diesem Zusammenhang, dass es in Orban-Ungarn bisher keine Bauernproteste gibt und sich Orban in diesem Belang noch nicht als Magyaren-Müntzer gegen die EU gestellt hat, zudem in diesem Bereich sich auch ganz gut mit Macrons und dessen Vorstellungen von Landwirtschaftspolitik im Gegensatz zu Deutschland versteht.

01.02.2024

Die Bauernproteste in ­Frankreich werden wütender

Mal rechts, mal links

In Frankreich eskalieren die Bauernproteste. Organisiert werden sie vom konservativen Bauernverband FNSEA, der stramm rechten Coordination rurale und der linken Confédération paysanne.

Von

Bernhard Schmid

Paris. »Man antwortet nicht auf Leiden, indem man Bereitschaftspolizisten ausschickt.« Diese aus seinem Munde ­ungewöhnlichen Worte kamen am Donnerstag voriger Woche vom französischen Innenminister Gérald Darmanin. Er rechtfertigte damit in den Abendnachrichten des Fernsehsenders TF1, dass die staatlichen Ordnungskräfte bis dahin bei den Bauernprotesten nicht interveniert hatten, obwohl beispielsweise im südwestfranzösischen Agen am Tag zuvor ein Feuer mit brennenden Reifen vor der Präfektur – der Vertretung des französischen Zentralstaats im Département Lot-et-Garonne – entzündet worden war.

Am Montag hingegen war der Innenminister tunlichst bemüht, nichts anbrennen zu lassen, und schickte 15.000 Angehörige von Polizei und Gendarmerie in den Einsatz. Ab 14 Uhr wollten erzürnte Landwirtinnen und Landwirte, so hatten sie es im Laufe des Wochenendes angekündigt, »Paris blockieren«.

Vor allem geht es dabei um den Großmarkt von Rungis in der südlichen ­Pariser Vorstadtzone, den weltweit größten Frischmarkt, auf dem Grossisten aus dem Gastronomiegewerbe und dem Lebensmittelvertrieb sich mit Nahrungsmitteln eindecken. Eine Traktorkolonne aus Südwestfrankreich, wo die Proteste ihren Ausgang genommen hatten und im landesweiten Vergleich die bäuerlichen Einkommen am niedrigsten liegen, rollte seit Montag auf Paris beziehungsweise Rungis zu. In der Nacht zum Dienstag durchquerte der zu diesem Zeitpunkt sieben Kilometer lange Konvoi Limoges. Am Dienstagmorgen versuchte die Polizei, den Weg der Kolonne auf der Autobahn zu blockieren, doch die Landwirte drückten Leitplanken flach und rollten einfach auf anderen Straßen weiter Richtung Norden.

Landwirte der Confédération paysanne attackierten am Montag in Südfrankreich Lager der deutschen Supermarktketten Aldi und Lidl.

1950 war in Frankreich noch ein Drittel der Erwerbsbevölkerung in der Landwirtschaft tätig – in der BRD war es damals nur knapp ein Viertel –, zu Anfang der achtziger Jahre waren es immer noch über zehn Prozent. Heutzutage sind in Frankreich nur noch 2,5 Prozent der Erwerbsbevölkerung im Agrarsektor tätig, rund 700.000 Menschen, davon arbeiten 400.000 ausschließlich als Landwirte. Wesentlich größer, als dieser geringe Anteil es vermuten lassen könnte, ist allerdings die gesellschaftliche Bedeutung dieser Berufsgruppe. Die Nahrungsmittelproduktion ist die Grundlage aller weiteren Produktion, und wo die inländische Landwirtschaft nicht mehr ausreichend produziert, tut es eben die in anderen Staaten. Zudem weisen fast alle Franzosen, geht man zwei Generationen zurück, mindestens einen bäuerlichen Vorfahren auf, so dass die Identifikation allgemein stark ist.

In der Getreideproduktion, aber auch im Bereich der gehobenen Weinproduktion mit ihren bekannten Marken gibt es durchaus wohlhabende Produzenten. Zugleich wurden die weniger Wohlhabenden unter den Bauern wie auch den Winzer – vor allem in Südwestfrankreich – in materielle Verelendung getrieben. Im Jahr 2021 verdiente ein bäuerlicher Haushalt dem staatlichen Statistikamt INSEE zufolge durchschnittlich nur 17.700 Euro aus landwirtschaftlicher Tätigkeit, dagegen 30.100 aus dem Nebenverdienst – in Wirklichkeit mittlerweile Hauptverdienst –, den in der Regel die Ehegattin aus einer anderen Tätigkeit bezieht. ­Innerhalb von 30 Jahren ist das durchschnittliche Nettoeinkommen aus landwirtschaftlicher Tätigkeit um 40 Prozent gesunken.

Für Abhilfe sorgen und das Marktgeschehen regulieren sollte ein Gesetz vom Oktober 2018, die »loi Egalim«. Es erlaubt nach wie vor Einkaufspreise für Nahrungsmittel unterhalb ihrer Herstellungskosten – wie sie die Einkaufszentralen von Supermarktketten mitunter Landwirten aufzwingen, die mitspielen müssen, weil sie sich der Marktmacht ihrer Partner nicht entziehen können und in deren Vertriebsnetz bleiben wollen. Es beschränkt An- und Verkauf von Lebensmitteln unter dem Herstellungswert allerdings auf zehn Prozent des Gesamtvolumens. Ferner sollen Schulkantinen und andere öffentliche Einrichtungen mindestens 50 Prozent »nachhaltig« hergestellte Produkte, in der Regel aus regionalem Anbau, anbieten.

Mangels auch nur halbwegs ernstzunehmender Kontrollen werden die Vorschriften jedoch flächendeckend umgangen, wie inzwischen auch das Regierungslager einräumt. Selbst die Schulverwaltungen beteiligen sich daran, zwei Drittel des Rindfleischs in Schulkantinen sind Importfleisch. Und Supermarktketten umgehen Kontrollen ihrer Einkaufspolitik, indem sie beispielsweise ihre Einkaufzentralen im nahen EU-Ausland einrichten, wo es keine vergleichbaren Gesetze gibt: die Supermarktkette Carrefour beispielsweise mit Eureca in Spanien, die Ketten von Système U in Belgien mit Eurelec. Und dieser Prozess der Europäisierung des Einkaufs geht weiter, Einkaufskooperationen mit großen Ketten aus Deutschland und Italien sind in den vergangenen Jahren entstanden.

Auch aus diesem Grund attackierten Landwirte, in diesem Falle Mitglieder der linken Bauernvereinigung Confédération paysanne, am Montag in den südfranzösischen Städten Beaucaire und Cavaillon Lager der deutschen Supermarktketten Aldi und Lidl.

Hinzu kommt, dass einige Umweltauf­lagen in Frankreich etwas strenger ausfallen als in vielen anderen EU-Staaten, seit die Grünen unter der Präsidentschaft des Sozialdemokraten François Hollande von 2012 bis 2017 mitregierten. EU-weit sind gut 300 Substanzen, darunter bestimmte Pestizide, verboten, in Frankreich gut 400 – was das EU-Recht zulässt, da EU-Normen nur einen Mindeststandard bilden. Nach Angaben der Verbraucherschutzorga­nisation Union fédérale des consommateurs (Motto: »Que choisir«, zu Deutsch: was aussuchen) sind Gurken aus französischer Herstellung zu 34 Prozent, Birnen bis zu 80 Prozent mit Pestizidrückständen behaftet, ­Gurken aus spanischer Produktion dagegen zu 83 Prozent und Birnen zu 100 Prozent.

Grundsätzlich sind mehrere Auswege aus der Misere möglich. Eine Option ist, Barrieren auf dem Weg zu günstigerer Produktion auch in Frankreich zu beseitigen, zum Beispiel Umweltnormen, und dadurch konkurrenzfähiger zu werden. Die fortschrittlichere Herangehensweise bestünde darin, zwar nicht einen generellen Protektionismus zugunsten sogenannter nationaler Interessen zu betreiben, wohl aber an Produktionsbedingungen orientierte Normen zu gezielten Importbeschränkungen und -verboten durchzusetzen sowie Mindestverkaufspreise für Lebensmittel festzulegen. Dies widerspricht allerdings der bisherigen Wirtschaftspolitik, denn diese läuft darauf hinaus, die Reallohnverluste vieler abhängig Beschäftigter zu kaschieren, indem vielerlei Konsumartikel zu Billigpreisen zur Verfügung gestellt werden.

Zu den ersten Zugeständnissen, die die französische Regierung am Freitag voriger Woche ankündigte, zählte der Verzicht auf die zuvor – wie in Deutschland – geplante Abschaffung der Steuervergünstigung für Agrardiesel. Dies stellte die Landwirte und ihre Verbände aber keineswegs zufrieden, handelt es sich dabei doch lediglich um die Aussetzung einer künftigen Verschlechterung. Für viele geht es bereits jetzt um die nackte ökonomische Existenz. Ferner stellte Premierminister Gabriel Attal, der am Vortag demonstrativ ein Interview auf einer Barrikade gegeben und sein Redemanuskript kamerawirksam auf Strohballen ausgebreitet hatte, eine »Schockwelle der Vereinfachung von Normen« in Aussicht.

Es ist daher zu befürchten, dass das Regierungslager letztlich die Proteste nutzen könnte, um die Verhandlungen mit den Bauernorganisationen dafür zu nutzen, ökologische Regulierungen abzuschaffen. Dabei könnte sie tendenziell auch die konservativen bis extrem rechten Bauernverbände in einen bedingten Konsens einbinden.

Zu den ersten Zugeständnissen, die die französische Regierung am Freitag voriger Woche ankündigte, zählte der Verzicht auf die zuvor – wie in Deutschland – geplante Abschaffung der Steuervergünstigung für Agrardiesel.

Unter diesen Organisationen ist die mit Abstand stärkste die FNSEA, die rund 55 Prozent der Stimmen in den Landwirtschaftskammern vertritt. Sie ist ein konservativer Interessenverband. Hier tritt man vor allem für das Schleifen von lästigen Normen wie Umweltvorschriften, für den sogenannten Bürokratieabbau und Exporterleichterungen ein. Ähnliche Forderungen mit besonderer Stoßrichtung gegen »bürokratische Normen« und ökologische Auflagen vertritt die Coordination rurale, die allerdings im Vergleich zur FNSEA weniger arrivierte, ökonomisch schlechter gestellte Segmente unter den Agrarproduzenten vertritt. Diese Vereinigung, die bei den jüngsten Landwirtschaftskammerwahlen 2019 gut 20 Prozent erhielt, gilt als stramm rechts und eng verbandelt mit dem Rassemblement national. Fast gleich stark ist mit 19 Prozent der Stimmen unter den Landwirten die linke und eher ökologisch orientierte Confédération paysanne.

Zunächst trugen vor allem die FNSEA und die Coordination rurale die Proteste, die sich daher nicht zuletzt gegen ökologische Forderungen richteten. Im westfranzösischen Saintes griffen protestierende, eher reaktionäre Landwirte am Freitag voriger Woche sogar ein Gebäude des Fischereiverbands an, weil dessen Mitglieder seit längerem gegen die Einleitung schädlicher Abwässer durch mehrere Landwirtschaftsbetriebe protestierten. Auch fanden an mehrere Orten gezielte Aktionen gegen ausländische Waren statt, zum Beispiel gegen spanisches sowie marokkanisches Obst und Gemüse, das Bauern bei LKW-Kontrollen wie in Montélimar aus den Lastwagen geholt und ausgeschüttet oder vernichtet hatten.

Mit erklärtermaßen anderen Zielen klinkte sich seit Ende voriger Woche die Confédération paysanne in die Bauernproteste ein. Ihre Mitglieder versäumen es vor laufenden Kameras nie, darauf hinzuweisen, dass nicht alle ihre Forderungen identisch mit denen der übrigen Bauernverbände seien. Die Confédération will vor allem die Einkommen der Landwirte verbessern, unter anderem durch garantierte Mindestabnahmepreisen.

jungle.world – Mal rechts, mal links

25.01.2024

Vor Ort bei der »Wir haben es satt«-Demonstration für »nachhaltige Landwirtschaft« in Berlin

Der andere Bauernprotest

Auch in diesem Jahr demonstrierte in Berlin ein großes Agrar- und Umweltbündnis für eine »nachhaltige Landwirtschaft«. Doch die alljährliche »Wir haben es satt«-Demonstration ist politisch mehr als harmlos und propagiert unreflektierte Naturromantik.

Grüner wird’s nichts. Auch die umstrittene Tierschutzorganisation Peta beteiligte sich am vergangenen Samstag an der Demonstration »Wir haben es satt!« in Berlin

Grüner wird’s nichts. Auch die umstrittene Tierschutzorganisation Peta beteiligte sich am vergangenen Samstag an der Demonstration »Wir haben es satt!« in Berlin

Von Roland Röder

»Wir haben es satt«, hieß es am Samstag zum 14. Mal bei der Demonstration für eine nachhaltigere und ökologischere Landwirtschaft in Berlin. Eingeladen hatte das Bündnis »Meine Landwirtschaft«, in dem sich 50 Organisationen aus der Agrarwirtschaft, dem Umwelt- und Tierschutz sowie entwicklungspolitische Gruppen zusammengeschlossen haben. Die Demonstration, die die zentrale Jahresveranstaltung des Bündnisses ist, findet seit 2011 immer im Januar zum Auftakt der größten deutschen Landwirtschaftsmesse, der sogenannten Internationalen Grünen Woche Berlin, statt. Sie grenzt sich inhaltlich von der dort propagierten wachstumsorientierten Agrarpolitik deutlich ab. Die Grüne Woche wird weitestgehend geprägt von konventionellen Agrarunternehmen und der Ernährungsindustrie.

Diesmal demonstrierten 7.000 Menschen, deutlich weniger als sonst. In früheren Jahren gingen bis zu 30.000 auf die Straße. Auch das Interesse der Medien hat deutlich nachgelassen. Das Problem ist, dass sich die Demonstration jedes Jahr wiederholt, inhaltlich wie politisch viel Richtiges bietet, aber nichts Neues, und so immer mehr zu einem Ritual verkommt. Zudem dominieren derzeit agrarpolitisch die Proteste des konservativen Deutschen Bauernverbands (DBV) und der Vereinigung »Land schafft Verbindung«, die Rechten Raum bieten und bei ihnen großen Anklang finden. Von solchen Tendenzen grenzte man sich bei »Wir haben es satt« erfreu­licherweise auf wie neben der Bühne klar ab.

Seit Wochen protestieren der Bauernverband & Co. an vielen Orten gegen die Abschaffung der Subventionen für Agrardiesel, ohne dabei allerdings eine grundlegende politische Kritik an der herrschenden Agrarpolitik zu formulieren. Solche Kritik war jahrelang ein Alleinstellungsmerkmal der »Wir haben es satt«-Demonstration, die damit die agrarpolitische Debatte prägte, woran sich viele große Beteiligte – unter anderem Agrar­mi­nis­ter:innen von CDU und CSU und der DBV – abarbeiten mussten.

Wenn man die enge Kooperation zwischen dem Gros der NGOs und staatlichen Stellen sieht, liegt der Gedanke nahe, dass sich hier der Staat seine eigene Zivilgesellschaft schafft.

Somit war das Bündnis »Meine Landwirtschaft« Ausdruck einer positiven Veränderung in der deutschen Agrardebatte. Dies hat – ungewollt – etwas mit einer Entscheidung des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) aus dem Jahr 2001 zu tun. Als Reaktion auf die heftige Debatte über Massentierhaltung, die die Tierseuche BSE seinerzeit ausgelöst hatte, schob Schröder damals das unbeliebte Agrarministerium seinem grünen Koalitionspartner zu und Renate Künast wurde Agrarministerin. Sollen sich doch die Grünen an diesem heißen Eisen die Finger verbrennen, eingekeilt zwischen aufgescheuchten, hyperventilierenden Verbraucher:innen und dem DBV, dürfte sich die SPD gedacht haben.

Das war etwas komplett Neues: Zum ersten Mal übernahm eine Frau das Agrarministerium, und dann noch eine mit ungewohntem Parteibuch! Bis dahin hatte der Bauernverband faktisch festgelegt, wer von seinen Gnaden aus der Riege von CDU, CSU und FDP im Bund – und meist auch in den Bundesländern – Agrarminister wurde. Kurz zuvor hatte sich 1998 der Bundesverband deutscher Milchviehhalter gegründet, der ein paar Jahre später mit seinen spektakulären Milchstreiks einer größeren Öffentlichkeit bekannter werden sollte. Die meisten seiner Mitglieder kamen aus dem bis dato alles bestimmenden DBV, dessen Vertretungsmonopol dadurch brüchig wurde.

Damit gab es neben der kleineren und eher den Grünen nahestehenden Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) eine weitere kritische bäuerliche Gruppe.
Ende der nuller Jahre gründete sich das Bündnis »Meine Landwirtschaft«, das 2011 begann, alljährlich im Januar eine Demonstration unter dem Motto »Wir haben es satt« zu organisieren. Man entwickelte gute ökologische Positionen, propagierte eine Landwirtschaft, die sich an Kreisläufen orientiert, thematisierte die Kennzeichnung von Gentechnik, setzte sich für die Kontrolle von Bauern und Bäuerinnen über das von ihnen bewirtschaftete Ackerland sowie – von vielen in der Gesellschaft oft unbeachtet – für den freien Zugang zu Saatgut ein und benannte, dass »unsere« Agrarpolitik global Hunger produziert.

Damit wurde in Deutschland erstmals organisationsübergreifend über diese Themen diskutiert und eine Plattform zur Bündelung der diskutierten Alternativen geschaffen. Das Bündnis reicht über die Umweltverbände BUND und Nabu, die kirchlichen Hilfswerke »Brot für die Welt« und Misereor, die AbL, den Deutschen Naturschutzring, den Tierschutzverband, die Deutsche Umwelthilfe und Campact bis hin zu dem linken Exoten Aktion 3. Welt Saar.

Während man inhaltlich plausibel für eine Wende in der Agrarpolitik plädierte, blieb man ansonsten komplett dem Hergebrachten verhaftet: Man appellierte an Staat und Parteien, gab dort fachlich qualifizierte, wissenschaftlich hervorragend unterfütterte Inputs und wunderte sich, dass trotz des konstruktiven Diskurses die Welt weiter so eingerichtet blieb, wie sie war. Adressat:innen der Expertise waren und sind primär das Bundesagrarminis­terium mit seinen untergeordneten Behörden, die Agrarministerien der ­Bundesländer und die EU-Kommission.

Wenn man die enge Kooperation zwischen dem Gros der NGOs und staatlichen Stellen sieht, liegt der Gedanke nahe, dass sich hier der Staat seine eigene Zivilgesellschaft schafft. Es gibt keine politischen Impulse aus dem Bündnis, die auf einem weniger staats- und parteifixierten Politikverständnis fußen. So kommt es zu der bizarren Situation, dass seit Jahren inhaltlich weitestgehend die gleichen Redebeiträge von immer denselben Personen und Organisationen gehalten werden. Während man für Vielfalt auf dem Acker eintritt, herrscht bündnisintern in ­politischer Hinsicht eher Monokultur. So hat beispielsweise die Aktion 3. Welt Saar bis heute faktisch Redeverbot bei der Demonstration. Und auch ansonsten meidet man linke Positionen wie der Teufel das Weihwasser.

Dabei täten linke – oder zumindest eher linke – Positionen dem Bündnis gut und könnten helfen, die schlimmsten Kapriolen zu vermeiden: Beispielsweise die recht pauschale Kritik an der Industrialisierung und Massentierhaltung in der Landwirtschaft. Während diese Begriffe nicht klar definiert und emotional besetzt sind, stellt sich die Frage, wie denn Landwirtschaft in einer Industriegesellschaft anders funktionieren soll als industriell. Die Felder werden mit Maschinen bearbeitet, die industriell hergestellt werden. Die Stallungen werden nicht mit Zeltplanen und in Lehm eingewickeltem Stroh gebaut, sondern mit Beton, Zement und Stahl.

Die Rede von der bösen Industrie transportiert zugleich ein idyllisches und falsches Bild von der guten, heilen Natur. Dabei leben wir nicht in einer Naturlandschaft, sondern in einer Kulturlandschaft, die von Menschenhand gestaltet wird, inklusive Interessen­konflikten um die Nutzung. Wenn dann noch, wie bei der Demonstration geschehen, von agrarfremden Investoren die Rede ist oder ein Spekulationsverbot gefordert wird, dann klingt das nach jener personalisierenden Kapitalismuskritik, die schnell ins offen ­Antisemitische kippen kann.

Die Demonstration selbst war professionell durchdesignt, konform auf den Politikbetrieb ausgerichtet und wirkte wie der CSD der Agraropposition. Gutgelaunt und mit viel Öko-Habitus trommelt man im doppelten Sinne des Wortes für eine Veränderung in der ­Agrarpolitik, ohne die systemischen Grenzen des eigenen Tuns zu reflektieren. Grenzwertig und widersprüchlich war zudem, dass zwar dafür geworben wurde, die Agrarwende mit den Bauern zusammen zu gestalten, aber Tierrechtler mitgingen, die aus ihrer Antipathie gegen Bauern und Bäuerinnen, die Tiere halten, was nun mal Bestandteil von Landwirtschaft ist, keinen Hehl machten. Besonders negativ fiel auf, dass die Beteiligung der so­genannten Tierschutzorganisation Peta akzeptiert worden war, die in der Vergangenheit mit fragwürdigen Holocaust-Vergleichen auftrat und der Demonstration mittels metergroßer aufblasbarer Buchstaben, die sich zu »vegan« zusammenfügten, optisch ihren Stempel aufdrückte.

Leider ist es seit Jahrzehnten ein Defizit der Linken, dass Agrarpolitik in ihren Reihen kaum interessiert. Weil das so ist, kommt eben in der Konsequenz nicht viel mehr heraus als diese Demonstration.

Roland Röder ist Geschäftsführer der Aktion 3. Welt Saar, kennt die Arbeit von NGOs aus verschiedenen Perspektiven und nahm wie jedes Jahr an der »Wir haben es satt«-Demon­s­tration teil. Mit Dank an Audrey Biasucci und Tarek Strauch für ihre Impulse.

jungle.world – Der andere Bauernprotest

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