„Alternativloser Euro“?Henkel, Spethmann und Plumpe widersprechen

„Alternativloser Euro“?Henkel, Spethmann und Plumpe widersprechen

Bundeskanzlerin Merkel erklärte den Euro als „alternativlos“. Widerspruch gibt es kaum. Nun hat sich aber aus Reihen der deutschen Wirtschaft Protest gemeldet.So kann sich der ehemlaige BDI-Chef Hans Olaf-Henkel angesichts der Griechenlandkrise 4 Szenarien vorstellen, wobei die Einführung eines Nord- und Südeuros eines, das der Rückkehr zur DM das andere wäre:

Frage: Wird der Euro das Jahr 2011 überleben?

Hans-Olaf Henkel:  Der Euro ist nicht in Gefahr, wohl aber die Wettbewerbsfaehigkeit Europas. EU-Kommissionspräsident Barroso hat gesagt, die Währung wird „at all cost“ verteidigt – koste es, was es wolle. Aber diese Verteidigung fuehrt ueber die Hintertuer zu einem europaeischen Zentralstaat. .

Frage: Inwiefern?

Hans Olaf-Henkel:  Es droht eine Transferunion. Das haben wir schon seit Jahrzehnten in der Bundesrepublik in Form des Länderfinanzausgleiches. In Deutschland gibt es nur noch drei „Geberländer“, alle anderen Bundesländer zahlen nichts oder bekommen Geld. Auf dieser Grundlage gibt es für die Defizitländer keinen Anreiz zum Sparen, da ja alle ihre Schulden von den anderen bezahlt werden. Auch nicht für die Geberländer, denn sie müssen ihre Überschüsse ja abfuehren, also ein perfektes System organisierter Verantwortungslosigkeit. Nun wird dieses System auf Europa übertragen, ohne dass der Bundestag das erkannt hätte.

Frage: Wie geht es weiter mit dem Euro? Welche Szenarien sind vorstellbar?

Hans-Olaf Henkel:   Ich sehe vier Möglichkeiten.
Möglichkeit eins wäre: Weitermachen wie bisher. Die Bundesregierung gibt immer weiter nach auf dem Weg zur Transferunion. Das tat sie bisher schon: Merkel wollte Griechenland eigentlich kein Geld geben – und stimmte schließlich zu; sie wollte automatische Strafmaßnahmen gegen Defizitsünder – und ließ schließlich davon ab; sie forderte eine Beteiligung von Privatbanken bei der Rettung überschuldeter Länder – und gab auch da nach, eine europäische Wirtschaftsführung kam fuer die Deutschen nie in Frage, jetzt soll es diese auch geben. Die nächsten Positionen, die geräumt werden, sind der deutsche Einspruch gegen eine Aufstockung des Rettungsschirmes und gegen die Kapitalbeschaffung über gemeinsame Euro-Anleihen, sogenannte Eurobonds, für die vor allem wir Deutschen haften würden. Interessanterweise gilt Frau Merkel, trotz allem deutschen Nachgeben, im Ausland als „Madame No“, die sich immer durchsetzt. Wenn in Spanien und Griechenland gegen die Krise demonstriert wird, wird auch immer gegen die angeblich von den Deutschen geforderten Sparzwänge demonstriert.
Möglichkeit zwei: Es kommt zu neuen verbindlichen Spielregeln in der Euro-Zone. Wichtig ist die Verbindlichkeit, das würde sich von den bloßen Absichtserklärungen unterscheiden, die im November zur Ergänzung des Lissabon-Vertrages eingefügt wurden und nur die Öffentlichkeit beruhigen sollen. Das ist Kappes. Hanns-Werner Sinn vom ifo-Wirtschaftsforschungsinstitut hat zwei gute Regeln genannt: Länder, die gegen die Stabilitäts- und Schuldenkriterien verstoßen, müssen raus. Die Entscheidung darüber treffen nicht Politiker, die allesamt selber potentielle Sünder sein können, sondern eine unabhängige Institution wie die Europäische Zentralbank. Und Länder, die die Eurozone verlassen wollen, können das aus eigenem Entschluss tun. Im Augenblick kann nämlich ein kleines Land wie Malta sein Veto einlegen, um den deutschen Austritt zu verhindern.
Möglichkeit drei: Die Rückkehr zu den nationalen Währungen. So, wie man die D-Mark abgeschafft hat, könnte man sie auch wieder einführen. Diese Alternative ist nicht meine Präferenz, aber sie ist auch längst nicht so gefährlich, wie von anderen dargestellt.
Möglichkeit vier: Die Teilung der Eurozone in Nord und Süd. Aus einer Währung zwei zu machen ist sicher einfacher als aus 17 eine. In diesem Szenario verlassen Deutschland und drei, vier weitere Länder die bisherige Eurozone. Griechenland und andere müssten dann nicht mehr die „deutschen Sparorgien“ ertragen. Die Diktate Brüssels sind ja tatsächlich vergleichbar mit der Brüningschen Sparpolitik Anfang der dreißiger Jahre, so wird die griechische Wirtschaft niemals aus dem Teufelskreis herauskommen und hat bei immer weiterer Schrumpfung null Chancen, die Schulden zurückzuzahlen.

http://juergenelsaesser.wordpress.com/2011/05/12/14-mai-elsasser-spricht-bei-anti-euro-kundgebung-vor-dem-bundeskanzleramt/#more-3225

Nachdem schon der ehemalige BDI-Chef Hans-Olaf Henkel in Bloomberg TV und anderen Medien sich für die Idee der Einführung eines Nordeuros für wirtschaftlich stärkere  europäische Länder und eines Südeuros für wirtschaftlich schwächere europäische Länder aussprach, schlug nun der Ex-Vorstandssitzende von Thyssen, Dieter Spethmann in einem FAZ-Interview vom 19.1.2011 in dieselbe Kerbe. Damit ist dies schon der zweite Grosskapitalvertreter, der sich für ein derartiges Modell als Exitoption ausspricht.

 

FAZ:Wie erklärt sich der Erfolg der deutschen Wirtschaft im Moment, spielt der Kurs des Euro eine Rolle?

Spethmann:Der heutige Außenkurs des Euro ist für Deutschland eindeutig zu niedrig. Die deutsche Volkswirtschaft müsste, nachdem sie Jahre lang Leistungsbilanzüberschüsse in Höhe von vier bis sechs Prozent des Bruttoinlandsproduktes geliefert hat, längst aufgewertet haben. Denn nur eine Aufwertung führt zu einem so großen Wohlstandszuwachs, wie wir ihn bis zum Fall der Berliner Mauer über 20 Jahre hinweg beobachten konnten.

FAZ: Ein tiefer Eurokurs ist schlecht für Deutschland – das widerspricht den meisten Argumenten, die man sonst hört – vor allem von der Exportindustrie?

Spethmann: Er ist für uns unangebracht, denn dadurch müssen wir Wirtschaftsleistung von bis zu zehn Prozent pro Jahr verschenken.

FAZ:Wie muss ich das verstehen?

Spethmann: Deutschland schenkt die Überschüsse, die es im Außenhandel erzielt, der Europäischen Zentralbank (EZB). Die EZB benützt diese Überschüsse, um damit die Defizite von Griechenland, Italien, Frankreich und so weiter zu bezahlen. Wir verschenken jedes Jahr im Abrechnungskreislauf der Zentralbanken fünf bis sechs Prozent unseres Sozialproduktes, Waren gegen Papier. Im Bereich der Geschäftsbanken verschenken wir noch einmal zwei bis drei Prozent. Dazu kommt ein Nettobeitrag an die Europäische Union (EU) in Höhe von einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Wir verschenken jedes Jahr zehn Prozent unseres BIP. Das sind 250 Milliarden Euro – und das hält keine Volkswirtschaft aus.

FAZ:Was ist der Umkehrschluss? Sollte sich Deutschland zurückziehen aus dem Euroraum?

Spethmann: Ja, natürlich müssen wir heraus aus dem Euro, so schnell wie möglich. Die Niederlande und Österreich befinden sich in einer ähnlichen Lage. Wir brauchen so etwas wie einen Nord- und einen Südeuro.

FAZ:Wäre das politisch überhaupt machbar?

Spethmann:Ja, gemäß Artikel 50 des Lissabon-Vertrages, Aussatzklausel D, kann jeder heraus. Der Euro ist tot. Er ist eine politische Zwangsjacke. Er ist keine der Realwirtschaft dienende Währung, sondern ein Herrschaftsinstrument. Das zeigt sich unter anderem daran, dass José Manuel Durão Barroso den Euro um jeden Preis retten will.

FAZ: Wie soll und wird die Eurokrise denn weitergehen?

Spethmann: Solange ich zurückdenken kann, haben Staaten Moratorien erklärt. Es ist so normal wie der Alltag, dass ein Staat erklärt, ich kann nicht mehr. Darauf folgt dann in der Regel ein modifiziertes Rückzahlungsangebot an seine Gläubiger.

FAZ: Staaten wie Griechenland, Spanien et cetera müssen also ihre Schulden restrukturieren?

Spethmann: Wie sollen die Griechen oder die Spanier ihre Schulden bedienen können? Sie haben eine hohe Arbeitslosigkeit und sie kommen am Weltmarkt nicht mehr an, weil sie zu teuer sind. Ihr inländisches Kostenniveau ist zu hoch. Die Spanier müssen abwerten, um wieder eine ausgeglichene Handelsbilanz zu erhalten. Deswegen müssen sie heraus aus dem Euro. Dasselbe gilt für Griechenland, Italien, Portugal und andere auch.

FAZ:Selbst wenn die Deutschen zehn Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes verschenken, wie Sie sagen, scheinen sie doch recht geduldig zu sein.

Spethmann:Ich bin nicht so sicher. Nehmen wir als Beispiel die Deutsche Bundesbahn. Sie ist ausgeblutet, weil ihr sicherheits- und betriebserhaltende Investitionen vorenthalten worden sind. Die Autobahnen auf der anderen Seite werden durch starken LKW-Transitverkehr außerordentlich belastet, ohne kostendeckende Einnahmen zu erbringen. Irgendwann wird der Zustand der Infrastruktur so schlecht werden, dass sich der Eindruck verdichtet, es könne etwas nicht stimmen.

http://www.faz.net/s/Rub58BA8E456DE64F1890E34F4803239F4D/Doc~E59FA1EB7915C436582BA9E571CDBB5AB~ATpl~Ecommon~Sspezial.html

Desweiteren sekundiert die FAZ, die in linken Kreisen auch gerne als „das Zentralorgan des deutschen Grosskapital“ tituliert wird, die Äusserungen der beiden prominenten Wirtschaftsvertreter mit einem programmatischen Artikel von Werner Plumpe,Lehrbeauftragter für Wirtschaftsgeschichte an der Goethe-Universität Frankfurt a.M. , der zum einen feststellt, dass die Eurokrise bisher noch gar nicht so schlimm sei. Eine Eurokrise existiere nicht und es sei auch keine Spekulation gegen den Euro erkennbar. Man habe also noch Zeit, in Ruhe über Alternativen zum Euro nachzudenken, sollte sie sich doch verschärfen. Dennoch sieht auch er den Euro nicht als die alternativlose Variante an, gibt auch zu bedenken, wenn Europa nicht mehr zusammenhalte als eine Währungsunion, dann wäre dies bedenklich. Mit Rückblick auf die Geschichte schreibt er:

Der Euro ist nicht unser Schicksal

Der Frieden in Europa, so wird gesagt, sei in Gefahr, wenn der Euro scheitere. Aber das Schicksal Europas hängt nicht von seinem Währungssystem ab. Zerfallende Währungsunionen waren historisch nicht einmal ökonomische Katastrophen. Ein Plädoyer gegen das Krisengeraune.

http://www.faz.net/s/Rub117C535CDF414415BB243B181B8B60AE/Doc~E590EC41983954809BC056A038E4E0D37~ATpl~Ecommon~Scontent.html

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