Ägypten–Aktueller Stand der Revolution
Nachdem die ägyptische Opposition die Geheimdienstzentrale gestürmt hatte und damit ein zentrales Staatsorgan tangiert hat,bekommt sie nun Unterstützung aus deutschen Landen. So hat der Leiter des Ägyptenbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung Andreas Jacobs den ehemaligen Experten der Gauck-Behörde Herbert Ziehm nach Kairo entsandt, um den Oppositionellen bei der Sichtung , Katalogisierung und Auswertung der Geheimakten zu helfen.
Jacobs Einschätzung zum Stand der ägyptischen Revolution ist bezeichnend:
„Das hier ist nicht Berlin nach dem Mauerfall“, sagt Jacobs, eher sei die Situation mit Ungarn im Sommer 1989 vergleichbar, alles sei noch möglich, auch ein Sieg der alten Kräfte.“Was ist das für eine Revolution, wenn der gestürzte Regent weiter in seiner Villa am Strand leben darf?““
(SPIEGEL 14/2011, S.37)
Inzwischen sieht dies auch die Opposition so und publiziert die Muslimbruderschaft auf ihrer Webseite den Aufruf des Gründungskomitees der revolutionären Jugend für den 15.April 2011 einen Millionenmarsch von Suez zur Villa von Mubarak in SharmEl-Sheik zu organisieren.
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Thursday, April 7,2011 11:05 | ||
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http://www.ikhwanweb.com/article.php?id=28355
Doch nicht nur Mubarak und der Geheimdienst stehen nun in der Kritik, erstmals versammeln sich wieder Oppositionelle am Tahrirplatz, um die Entlassung des Vorsitzenden des Militärrats Tantawi zu fordern.Erstmals kommt also das Miliär als Institution ins Visier der Kritik.Bezeichnend ist, dass sich dem Protest auch Militärs anschlossen, denen es offiziell untersagt wurde. Der demokratischen Opposition scheint es somit erstmals gelungen, demokratisch-säkulare Teile des Militärs auf ihre Seite zu ziehen, was wichtig sein kann, sollte Tantawi versuchen, andere Teile des Militärs gegen die Opposition zu nutzen. Wobei nicht klar ist, ob die 80 aktiven Offiziere in der Demonstration säkular-demokratisch sind oder aber Mitglieder von Zellen der Muslimbruderschaft im Militär, die sich erhoffen mittels einer panislamischen Renaissance Ägyptens auch wieder eine starke Rolle des Militärs, vielleicht sogar unter Aufkündigung von Camp David, zu erhalten. Zumindestens ist es wichtig, dass die demokratische Opposition Zellen im Militär hat, um einem Putsch von Seiten von Mubarakkräften oder einer Pakistanisierung ala Zia Ul-Haq oder Sudanisierung von Teilen des ägyptischen Militärs in Kooperation mit der Muslimbruderschaft zuvorzukommen.Immerhin hat das Militär in den letzten beiden Wochen erstmals auf Demonstranten geschossen, was ein klarer Indikator ist, dass es demnächst nicht mehr so friedlich zugehen könnte, sollte es um Machtpositionen des Militärs und innerhalb des Militärs gehen.
Die Demokratiebewegung zeigt sich zunehmend unzufrieden über die langsame Geschwindigkeit beim Übergang zu einer Demokratie. Am Freitag hatten mehr als Hunderttausend Demonstranten, unter ihnen 80 aktive Offiziere der Armee, denen ausdrücklich die Teilnahme an Kundgebungen untersagt ist, auf dem Tahrir-Platz ein Gerichtsverfahren wegen Korruption gegen den früheren Staatspräsidenten Husni Mubarak und dessen Familie gefordert sowie den Rücktritt Tantawis.(…)
Die Demokratiebewegung hatte am Freitag, den 1. April, erstmals offen gegen die Armeeführung protestiert. Tantawi, der Mubarak nahe stand, wurde erstmals als „Diktator“ bezeichnet, und die Demonstranten hatten einen schnelleren Übergang vom Hohen Militärrat zu einer zivilen Regierung gefordert. Auch an diesem Wochenende riefen sie wieder, „Tantawi ist Mubarak, und Mubarak ist Tantawi“. Das Militär stellt sich nicht offen gegen die Demokratiebewegung, versucht aber, diese auszubremsen, um möglich viel vom Status quo mit seinen Privilegien für das Militär zu retten.
Auch gibt es nun Aufrufe Jugendkomitees in allen Städten und Dörfern zu gründen, um die Reform der Institutionen voranzutreiben:
Diaa Rashwan, expert in Al-Ahram Political and Strategic Study Centre, stressed that the revolution is incomplete as we still have not had a vision for reconstruction of the institutions through legal procedures. He called on the national powers to form committees of youth in all cities,villages and centres to start the reconstruction, pointing out that the policy of Dr.Essam Sharaf is based on exchanging the people, who participated in the corruption,but are not well-known. He called for the formation of a committee that includes Egypt’s wise people to start writing a draft on which all political powers and segments of the society agree, before it is too late.
http://www.ikhwanweb.com/article.php?id=28353
Auch die Muslimbruderschaft erklärte, dass man sich gegen eine mögliche Konterrevolution organisieren solle, wobei sie Israel und westliche Kräfte hier im Hintergrund agieren sieht:
During a seminar entitled “Priorities of National Work to Face the Counter-Revolution Is a Current Duty”, Dr. Mohamed Morsi, media spokesman and member of the Executive Bureau of the Muslim Brotherhood (MB), called on all Egyptians to work together in order to save the revolution and its successes and to stand against the counter-revolution and prevent it from achieving its goals, by clearing Egypt from all corrupt people including Mubarak and his family.
He stressed that everyone who committed political corruption or stopped the advancement of Egypt should be brought to justice and must return the money belonging to the Egyptian people.
He stressed that members of the old regime are attempting to make the revolution fail and to cause troubles such as the events that happened in Cairo Stadium.
He also stressed that the revolution is facing a greater challenge with the Israelis and the large countries which know best that Egypt’s development and advancement is not in their interest. He stated that the US has sent tens of its journalists to discuss Egypt’s future and instil fear intheir heart about the future and to study the situation in Egypt under the pretext of media coverage in Egypt.
Die Muslimbruderschaft wiederum gab bekannt, dass sie sich bald schon als Partei „Freiheit und Gerechtigkeit“registrieren lassen werde und bald schon ein erstes Programm vorlegen werde.In ersten Andeutungen erklärte sie, dass sie sich zwar Kopten und Frauen auch im Kabinett vorstellen könnte, jedoch nicht als Präsidentschaftskanidaten.Die Partei solle breiten Segmenten der Bevölkerung offen stehen, aber Säkulare hätten sich den Parteistatuen der Muslimbruderschaft und dem Islam unterzuordnen.Ebenfalls erklärte die Muslimbruderschaft, dass sie für freien Marktkapitalismus eintrete, jedoch ohne Staatsmonopole und Tourismus zur Haupteinnahmequelle Ägyptens machen will.
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http://www.ikhwanweb.com/article.php?id=28362
Die nächsten wichtigen Ereignisse in Ägypten werden also sein, ob des der Opposition gelingt Militärchef Tantawi zum Rücktritt zu bewegen und ob es ihr gelingt, den Millionenmarsch zu Mubaraks Villa auch tatkräftig umzusetzen.Dabei wäre es aber wichtig, gleichzeitig die erstarkende Muslimbruderschaft zu isolieren.Wie es aussieht, stehen Ägypten weitere unruhige Wochen bevor.