Patriots, Tornados und die türkische Pufferzone

Patriots, Tornados und die türkische Pufferzone

Die Patriotverbände der Bundeswehr aus der Türkei abzuziehen, wird offiziell damit begründet, dass ein Angriff seitens der syrischen Seite nicht mehr zu erwarten sei. Desweiteren wird gestreut, dass das Kontingent an den Grenzen seiner technischen Kapazitäten sei.Möglicherweise gibt es dafür aber auch einen anderen Grund: Zum einen, dass Deutschland die politische Zuverlässigkeit Erdogans zunehmend infrage stellt, auch ob ihm nun an einer Bekämpfung des IS gelegen ist oder nicht mehr an einer Auseinandersetzung mit der PKK/YPG und Assad-Syrien, wobei letzteres eben gerade den Einsatz der deutschen Patriots wahrscheinlich machen würde, weswegen man sie lieber jetzt gleich abzieht, bevor man in eine Eskalation reingezogen wird. Zudem, was in den Medien bisher noch nicht so im Zentrum der Berichterstattung steht , aber wahrscheinlich der Hintergrund des Patriotabzugs ist, ist, dass die Türkei ja vorhat in Nordsyrien eine Pufferzone von 60 mal 30 Kilometern zu errichten, die Flüchtlinge dort zurückzuführen und zumal auch eine No-Flyzone fordert. Letzteres würde sich aber nur gegen die syrische Luftwaffe richten, da Kurden, IS und sonstige Rebellen ja nicht über eine Luftwaffe verfügen.Ebenso bleibt abzuwarten, ob sich die US-Luftschläge aus Incirlik auch nur gegen den IS richten werden und man da vielleicht nicht auch einmal mit der syrischen Luftwaffe zusammenstößt (obwohl dies weniger wahrscheinlich ist, aber bei einer No-Fly- Zone schon).In der FAZ wurde dies einmal in einem Kurzkommentar angeschnitten, aber die sich daraus ergebenden Konsequenzen gar nicht angesprochen. In einem FAZ-Artikel wird die Idee einer Pufferzone kritiklos bejubelt, in einem anderen, darauf hingewiesen, dass diese möglicherweise nur eine Operation ist, um Nordsyrien kurdenfrei zu bekommen:

„Türkische Militäroffensive Will Ankara Kurden aus der Pufferzone verdrängen?“

http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/tuerkei/tuerkische-militaeroffensive-will-ankara-kurden-aus-der-pufferzone-verdraengen-13724137.html

Bei einer Pufferzone in Nordsyrien ist es sehr wahrscheinlich, dass das türkische Militär in direkten Kontakt mit der YPG und dem IS kommt. In der westlichen Berichterstattung ist als den wesentlichen Kräften in Nordsyrien nur von der YPG und der IS zu lesen. Völlig unterbelichtet bleibt die zunehmende Rolle der neugegründeten Jaysh al-Fateh in Nordsyrien, einer neuen islamistischen Gruppe, die schnell Mitglieder gewinnt und von Erdogan, Saudiarabien und Katar als Gegenpol gegen Assad, IS und die YPG aufgebaut wird–inwieweit es sich dabei im Kern um eine Formation der Muslimbrüder handelt, wenngleich auch die Al Nusra vertreten ist, bleibt noch unklar. Dazu kommen noch die marginaliserten Restbestände der dezentralisierten säkularen Freien Syrischen Armee (FSA), die im wesentlichen nur von den USA unterstützt werden, aber ihren Schwerpubkt vor allem im Süden Syriens haben und in Trainingslagern Jordaniens seitens der CIA ausgebildet werden, aber eine sehr unsichere Prognose haben.Auch ist die Obamanahe Brookingsinstitution der Anischt, dass es mindestens und bestenfalls 5 Jahre bräuchte, um die FSA auf eine Stärke von 15000 Kämpfern aufzurüsten, wobei die Einigkeit dieser mehr säkularen Formation und deren Loyalität selbst schon infrage gestellt wird.Werden YPG und IS  sich dann aus der Pufferzone heraushalten oder falls diese sich als Aufmarschgebiet der meistens türkisch unterstützten Anti-Assaddschihaddisten Rebellen wie der Jaysh al-Fateh unter Zuhilfenahme menschlicher Schutzschilde in Form von Flüchtlingslagern herausstellt, nicht auch als Kampfgebiet sehen und diese angreifen, was wiederum als Auftakt für einen humanitären Interventionismus seitens der Türkei und der von ihr unterstützten „moderaten“ Islamisten (ergo: die Türkei muss unschuldige Flüchtlings-/Dschihhadistenlager schützen und neue Flüchtlingsströme nach Europa oder Völkermorde wie an den Yessiden verhindern)und eine weitere Eskalation genommen werden kann? Ja, auch die Frage bleibt offen, ob sich diese vermeintlichen Anti-IS-Dschihhadisten, die momentan gegen den IS und Assad kämpfen, nicht auch Koalitionen mit dem IS machen, um mehr Assad zu bekämpfen.Auch bleibt die Frage, ob sich Assad hier angesichts dieser sich neu formierenden Nordfront zurückhalten wird, denn bisher kämpfte die kurdische  YPG gegen den IS und hielt gegen Assad still. Eine Pufferzone könnte aber vielen von der Türkei unterstützten Anti-Assadrebellen als Brückenkopf und Sprungbrett dienen, die dann mehr Assad als den IS bekämpfen könnten.Zu beachten bleibt auch, dass im August der Chef des türkischen Generalstabs Özel in Pension gehen will. Özel war bisher Vertreter einer minimalistischen Linie bezüglich einer Intervention der Türkei in Syrien und war misstrauisch gegen etwaig ambitioniertere Ziele Erdogans in Syrien, ja warnte auch davor, dass die Türkei militärisch in den Syrienkonflikt hineingezogen werden könne und vor einer Eskalation, an der ja vielleicht Erdogan gerade gelegen sein könnte. Denn während das türkische Militär und die türkischen Kemalisten von CHP bis MHP mit Erdogan übereinstimmen, dass eine Verdrängung der kurdischen YPG und Verhinderung einer staatenähnlicher Keimzelle eines Kurdistans in Nordsyrien durch eine türkische Militäroperation und die Rückkehr der syrischen Flüchtlinge und Antiassadrebellen dienen kann, so hat Generalstabschef Özel ebenso die Befürchtung, dass dies nur ein erster Schritt Erdogans zu einer wesentlich breiteren Intervention in Syrien, ja vielleicht einem Marsch auf Damaskus und erster Schritt hin zu seinem neoosmanischen Reich sein könnte. Interessant nun, dass deutscherseits Roderich Kiesewetter (CDU) nach dem Patriotabzug eine Beteiligung von deutschen Tornados bei Aufklärungsflügen gefordert hat:

„Nach der Entscheidung über den Abzug der Bundeswehr-Soldaten aus der Türkei wirbt der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter für eine andere Beteiligung Deutschlands in der Krisenregion.Sinnvoll wäre aus seiner Sicht der Einsatz deutscher „Tornado“-Aufklärungsflugzeuge gegen die Terrormiliz IS. Diese könnten an der Beobachtung von Bewegungen und Aufmarschgebieten des Islamischer Staats (IS) im westlichen und nördlichen Irak sowie im nördlichen Syrien mitwirken, sagte Kiesewetter am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur.Aus Unionskreisen hieß es, es sei nicht auszuschließen, dass die Anti-IS-Koalition von Deutschland demnächst mehr fordern werde. Mögliche Gespräche dazu seien aber vor September nicht zu erwarten.“

http://www.focus.de/politik/deutschland/konflikte-cdu-aussenpolitiker-will-deutsche-tornados-gegen-den-is_id_4883778.html

Inwieweit dies eine Sommerlochsmeldung ist, bleibt abzuwarten. Einige führende CDUler haben sich ja auch schon dafür ausgesprochen und auch die USA scheinen hinter den Kulissen Druck auf eine deutsche Beteiligung zu machen. Man fragt sich dann, was die nächste Stufe wäre: Dass deutsche Tornados auch IS-Stellungen bombadieren? Panzeruschi hat sich dazu noch nicht gemeldet. Ganz klar bleibt aber auch nicht die Sinnhaftigkeit des Kiesewetterischen Vorschlägs einer Tornadoaufklärung, da Flugzeugaufklärung heutezutage angesichts Drohnen- und Satellitenaufklärung ja eher steizeittechnologisch anmutet, wobei aber auch kein Eurohawk zur Verfügung steht und deutsche Drohnen noch Jahre der Entwicklung benötigen werden.Vielleicht ist dies auch nur ein Alibivorschlag, um einen Drängen der USA nach einer Beteiligung an Bombardements durch die deutsche Luftwaffe zuvorzukommen und Alibiaktivitäten- und engagement vorzuspiegeln wie schon einst die Kohlregierung während des Golfkrieges, als  Deutschland ein paar unnütze Alphajets in die Türkei verlegte, um dem Vorwurf der „Scheckbuchdiplomatie“zuvorzukommen. Bevor die deutsche Linke hier wieder eine Militarisierung der Außenpolitik, ein untrügliches Indiz für eine neue Weltkriegsgefahr und eines 4. Reichs an die Wand malt, bleibt auch die Frage, ob die ohnehin etwas lädierte Bundeswehr neben Konflikten in Europa und zumal an der Ostfront und um die Ukraine überhaupt in der Lage oder willens ist, sich noch einen zusätzlichen Konflikt aufzuladen, zumal auch der Terminus „Bedingt einsatzbereit“der SPIEGEL-Affärezeiten heute geflügeltes Wort bei der Beschreibung des Zustands des deutschen Militärs ist. Dennoch bleibt auffällig, dass die deutsche Regierung und auch die Opposition bisher noch keinerlei Positionierung zu der sich abzeichnenden Schaffung einer Pufferzone bezogen hat. Vielleicht ist aber der Abzug der Patriotverbände eine indirekte Antwort darauf und der Vorschlag deutsches Militär nur gegen den IS einzusetzen auch ein Statement.

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