Afghanistan: Vormarsch der Taliban und Tod Haqqanis

Afghanistan: Vormarsch der Taliban und Tod Haqqanis

Die Taliban haben bei ihrer neuesten Offensive einige Geländegewinne gemacht, weswegen die USA jetzt auch Gespräche mit ihnen erwägen, zumal inzwischen auch der Islamische Staat in Afghanistan aktiv geworden ist. Zeitgleich kürzen die USA Pakistans neugewählter Regierung unter dem Kricketspieler Khan 300 Millionen US$ Militärhilfe wegen Unterstützung afghanischer Taliban und Haqqanis Netzwerk.

Der ehemalige deutsche Botschafter in Afghanistan Dr. Seidt beschreibt die Lage so:

„Die Lage in AFG erinnert in frappierender Weise an die Spätphase der Regierung Najibullah 1990/91. Unsicherheit allerorten, Absetzbewegungen von Personen, die eigentlich für die Regierung Ghani und den afghanischen Staat arbeiten und kämpfen sollten.

Die Taleban sind auf dem Vormarsch, bemerkenswert auch, dass sie im Nordwesten erfolgreich gegen ISIS Verbände gekämpft haben. Die ISIS Leute sollen sich den Regierungstruppen, nicht den Taleban ergeben haben, weil sie von den Regierungstruppen besser behandelt werden.

Die Sperrung von 300 Mio USD, die für PAK vorgesehen waren, ist ein guter Schritt Washingtons. Aber er kommt sehr spät, vielleicht zu spät.

Jetzt geht die „Fighting Season“ in AFG langsam zu Ende. 2018 hat den Taleban erhebliche Positionsgewinne gebracht und die Regierung weiter geschwächt. Nächstes Jahr sollen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen stattfinden. Inschallah!

Nichts ist in Afghanistan unmöglich, auch nicht der Fall Kabuls in 2019 oder eine Regierung der nationalen Versöhnung oder was auch immer. Unsichere Perspektiven.“

Heute erklärten die Taliban, dass  Haqqani gestorben sei, seine Netzwerkorganisation aber weiter bestehen werde. Anders als Hektamajar haben sich Taliban und Haqqani niemals integrieren lassen. Haqqani wurde von CIA und Pakistan während der Sowjetinvasion in Afghanistan  unterstützt und ausgerüstet und sogar im Weißen Haus empfangen. Ronald Reagan nannte ihn einen „Freiheitskämpfer“, der damalige US-Kongreßabgeordnete Charlie Wilson (siehe Film „Der Krieg des Charlie Wilson“mit Tom Hanks und Julia Roberts) die „personifizierte Gütigkeit“. Nach dem Abzug der Sowjets und der Errichtung der Talibanherrschaft, wurde er Minister in der Talibanregierung. Nach 9-11 und der Invasion der USA in Afghanistan wandte er sich gegen seine Schöpfer und kämpfte in Kooperation mit der Taliban und anderen islamistischen Gruppen gegen die von den USA installierte Regierung und die NATO-Truppen.

https://www.fbi.gov/wanted/terrorinfo/sirajuddin-haqqani

 

So schreibt Radio Liberty/Radio Free Europe über Haqqani:

„The Haqqani network is notorious for its heavy use of suicide bombers in complex, urban attacks, indiscriminately killing civilians and Afghan and foreign security forces alike.

The group was blamed for the horrific truck bomb in the capital, Kabul, in May 2017 that killed around 150 people, although Sirajuddin later denied involvement.

The network was also blamed for some of the deadliest attacks carried out against foreigners, including a suicide bomb attack at a CIA base in the eastern province of Khost in 2009 that killed seven agents and wounded six.

„Haqqani helped the Taliban recalibrate after the U.S. invasion in 2001 because they had the setup and local support in Pakistan’s tribal areas to mount significant attacks across the border in Afghanistan,“ says Hameed Hakimi, a research associate at the London-based think tank Chatham House.

„By having a suicide brigade, Haqqani also helped the Taliban create a much fiercer image. The complexity of the insurgency and the complexity of the attacks would not have happened without the alliance with the Haqqanis,“ he adds.

During the 1990s, Haqqani was a minister in the Taliban regime, which took power in Kabul in 1996. The Taliban, which brought its own fundamentalist brand of Sunni Islam to the scene and emerged victorious from the Afghan civil war, embraced Haqqani for his military skills, according to a declassified 1998 cable from the U.S. Embassy.

He was the only major mujahedin leader to join the Taliban and forged a close relationship with the late Taliban founder, Mullah Mohammad Omar.

‚Close Buddies‘ With Arab Fighters

Al-Qaeda’s influence on the network materialized in the post-2001 insurgency.

„What made Haqqani unique was his special relationship with non-Afghan, foreign terrorist organizations, including Al-Qaeda,“ says Omar Samad, an analyst and former Afghan ambassador who has advised senior Afghan officials.

„This relationship played a role in sharing new tactics and cross-training with those who used and justified suicide attacks as part of what they consider ‚jihad,‘ or holy war,“ he says, describing the tactic as „an imported phenomenon that was not used in Afghanistan prior to 2001.“

During the Soviet occupation of Afghanistan in the 1980s, Haqqani used his Arabic language skills to forge close ties with Arab jihadists, including Al-Qaeda founder Osama bin Laden, who came to the region during the war.

With funds from bin Laden, Haqqani established dozens of radical religious schools along the Afghan-Pakistan border, spreading a fundamentalist Islamic ideology. Haqqani also established training camps for Arab fighters that were later used by Al-Qaeda during the Taliban regime.

Many of the Arab fighters that still remain in Afghanistan and Pakistan, including Al-Qaeda chief Ayman al-Zawahri, are believed to be protected by the Haqqani network in Pakistan’s tribal belt.

A declassified 1998 cable from the U.S. Embassy said Haqqani „is close buddies with many Arab and Pakistani Islamists.“

‚Veritable Tool‘ For Pakistan

The Haqqanis have long been suspected of links to Pakistan’s shadowy military establishment and its notorious spy agency, the Inter-Services Intelligence agency (ISI).

Much of the group’s ties with Pakistan were forged by Haqqani during the 1980s, when the guerrilla leader was one of the main beneficiaries of Pakistani and CIA money and weapons.

Haqqani’s prowess during the jihad against the U.S.S.R.’s occupation of Afghanistan earned him praise from Washington. Haqqani was hailed by the late U.S. congressman Charlie Wilson as „goodness personified.“ He also visited the White House, and President Ronald Reagan once described him as a freedom fighter.

The Haqqani network was described by U.S. Admiral Mike Mullen in 2011 as a „veritable arm“ of Pakistani intelligence that has provided safe havens for militant groups fighting foreign and Afghan forces in Afghanistan.

Designated a terrorist group by Washington in 2012, the Haqqanis are believed to have been operating from Pakistan’s restive tribal region since 2001. The Haqqani family hails from eastern Afghanistan, near the border with Pakistan.

„The Haqqanis have been a veritable tool and valuable asset for Pakistan in the past four decades,“ says Haroun Mir, a Kabul-based political analyst. „This is the reason why the Pakistani military has never abandoned them, even in the face of tremendous pressure from the United States.“

Mir says Haqqani will be remembered as a „resistance hero in the 1980s and later [as] someone who strictly followed the Pakistani directive against the interests of his own people.“

https://www.rferl.org/a/jalaluddin-haqqani-s-deadly-legacy-continues-to-shape-the-war-in-afghanistan/29471611.html

Gleichzeitig betonen aber Experten, dass sein Netzwerk und seine Wirkung weiter existieren wird, wobei schon die Frage ist, wer seine Nachfolge antreten und solch eine ähnlich integrierende Persönlichkeit sein kann. Dennoch muss man sehen, dass mit dem Erscheinen des Islamischen Staats Konkurrenz für die Taliban und das Haqqaninetzwerk aufkommt, zumal der IS auch viele der ausländischen Kämpfer des Haqqaninetzwerkes für sich gewinnen könnte. Abzuwarten bleibt, ob die Konkurrenz der Islamisten zu Kämpfen und Spaltungen untereinander führen wird oder diese sich gegen die Zentralregierung und die NATO koordinieren werden. Möglich aber auch, dass der Kampf gegen die Kabuler Regierung und die NATO unkoordiniert weitergeht, ohne dass sie sich in die Quere kommen und sie ihre Differenzen für den Tag nach dem Sieg aufsparen.

Die Frage ist, ob sich die Taliban überhaupt auf eine Regierung der Nationalen Versöhnung einlassen würden, da sie auf der Siegerstrasse sind. Zudem fragt sich auch, wie dann eine neue Versöhnungsregierung aussehen würde und wer diese anführt . Als Minimalkonsens könnte eine Anti-IS-Koalition dienen, wobei man die Taliban dann als das kleinere Übel akzeptiert.  Auch wie dann das Staatswesen aussehen würde–da würden wahrscheinlich die letzten säkularen Momente beseitigt und ein islamistischer Staat errichtet. Selbiges Problem dürfte ja auch in Syrien bestehen, falls man dort ein neues politisches System errichten würde, wobei Assad zwischenzeitlich ja mal den säkularen Charakter eines neuen Syriens zur Disposition gestellt hatte. Desweiteren wäre wohl die Bedingung einer Talibanbeteiligung der Abzug ausländischer Truppen, was der Taliban dann auch in die Hand spielen dürfte, da sie dann freie Hand hätten und zumal die afghanische Armee ähnliche Auflösungserscheinungen zeigt, wie die südvietnamesische Armee nach Nixons und KIssingers „Vietnamisierung“.

Ich schätze mal, das China sich da mittel- und langfristig als Vermittler einmischen wird, zumal auch schon Vertreter der Taliban in Peking weilten. China würde keine Rücksicht auf Menschenrechte, Säkularismus und Demokratie nehmen, könnte sich wohl auch eine Talibanregierung vorstellen, insofern diese folgende Bedingungen erfüllt: Erstens: Keine Unterstützung mehr für ausländische, vor allem zentralasiatische und uigurische Islamisten. Das könnte von der Taliban eher akzeptiert werden, aber diese dürften sich dann vermehrt am Haqqaninetzwerk und dem IS orientieren. Zweitens: Die Garantie, dass die Talibanregierung sich in die Neue Seidenstrasse eingliedert, vielleicht auch als Verlängerung des China-Pakistan-Economic-Corridor (CPEC), wobei da auch Pakistan und sein Geheimdienst ISI diplomatischen Druck auf die von ihnen unterstützte afghanischen Taliban ausüben könnten. Indien könnte dann damit beschwichtigt werden, dass man das Projekt der Turkmenistan-Afghanistan-Pakistan-Indien-Pipeline (TAPI) vorantreiben könnte, das diese Staaten energiepolitisch vereinigt und politisch annähert. Erst muss sich aber erst noch zeigen, ob die Taliban überhaupt an wirtschaftlicher Entwicklung und Moderne interessiert sind, sich vielleicht ähnlich wie das wahhabistische Saudiarabien verhalten würden oder ob sie strikt antimodernistisch bleiben. Auch hier also viele Unsicherheiten für eine chinesische Lösung, zumal Indien eine Talibanregierung als geostrategischen Sieg Pakistans und Chinas verbuchen würde und es für die USA und den Westen auch eine Niederlage und ein Imageverlust wäre.

 

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