NATO: Russen raus! Der Kaukasus wird wieder unser!

NATO: Russen raus! Der Kaukasus wird wieder unser!

Nachdruck aus der Studentenzeitung Streitblatt Ausgabe Januar/ 1999

Zbigniew Brzezinski, hochranger US-präsidentenberater a.D. gab mit seinem Buch »Amerika- die einzige Weltmacht- Amerikas Strategie der Vorherrschaft« ein sehr ungeschminktes Bild von Überlegungen der US-Elite bezüglich der näheren Zukunft von sich. Der deutsche Ex-Außenminister Genscher befand diese strategioschen Überlegungen für ein Vorwort wert, wie auch der Bundeskanzler und Ostfrontkämpfer a.D. Helmut Schmidt löblich dem deutschen Volke empfahl : »Man muß dieses Buch zur Kenntnis nehmen, und man muß es ernst nehmen.« Durchaus. Grundüberlegung ist:

»Eurasien ist somit das Schachbrett auf dem sich auch in Zukunft der Kampf um die globaler Vorherrschaft abspielen wird.«

Eurasien= Europa- Russland- Asien und der »eurasische Balkan«: Kaukasus und Zentralasien.

Vor allem letzteres sei ein Machtvakkum und die Russen ohnehion ein Störfaktor.Klar gefordert wird, dass die Russen sich auf eine Art Reststück als Staatsgebiet zurückziehen und der NATO den Restkuchen überlassen sollen:

»Nichts destoweniger werden die Russen schließlich begreifen müssen, dass Russlands nationale Selbstfindung kein Akt der Kapitulation, sondern der Befreiung ist.«.

Zum Zwecke dieser Selbstbefreiung sollten sie gleich mal die Ukraine, Aserbeidschan, Georgien und Arnmenien abschreiben, bzw. diese aufzugebenden Ansprüche gleichsam der NATO zu überlassen- freilich selbstfreiwillig. Falls die Russen das nicht so sehen, nicht ihres Glückes Schmied werden wollen, müssen sie eben dazu beglückt werden, ja von sich selbst quasi befreit werden. Soll heißen: Nix Kapitulation, sondern: » Befreiung« von imperialem Balast.

» Trotz seiner Proteste wird sich Russland wahrscheinlich abfinden, dass die NATO-Erweiterung 1999 mehrere mitteleuropäische Länder einschließt (…) Im gegensatz dazu wird es russland unvergleichlich schwerer fallen, sich mit einem NATO-Beitritt der Ukraine abzufinden (…) Eine Anbindung oder irgendeine Form von Mitgliedschaft von Russland in den europäischen und den transatlantischen Strukturen würde denn wiederum den drei kaukasischen Ländern- Georgien, Armenien und Aserbeidschan-, die eine Bindung an Europa verzweifelt herbeiwünschen die Türen zu einem Beitritt öffnen(…) Tatsächlkich besteht das Dilemma für Russland nicht mehr darin, eine geopolitische Wahl zu treffen, denn im Grunde geht es ums Überleben (…) Im Kampf um dieVormacht in Europa winkte der traditionelle Balkan als geopolitische Beute. Geopolitisch interessant ist auch der eurasische Balkan, den die künftigen Transportwege, die zwischen den reichsten und produktivesten westlichen und östlichen Randzonen Eurasiens bessere Verbindungen herstellen sollen, durchziehen werden. Außerdem kommt ihnen sicherheitspolitische Bedeutung zu, weil mindestens drei seiner mächtigsten und unmittelbarsten Nacvhbarn von altersher Absichten darauf hegen, und auch China ein immer größeres Interesse an der Region zuerkennen gibt. Viel wichtiger aber ist der eurasische Balkan, weil er sich zu einem ökonomischen Filetstück entwickeln könnte, konzentrieren sich in dieser Region doch ungeheuere Erdgas- und Erdölvorkommen, von wichtigen Mineralien (…) ganz zu schweigen. Der weltweite Energiebedarf wird sich in den nächsten zwei oder drei Jahrzehnten enorm erhöhen. Schätzungen des US-Departments of energy zufolge steigt die globale Nachfrage zwischen 1993 und 2015 um vorraussichtlich mehr als 50% , und dabei dürfte der Ferne Osten die bedeutendste Zunahme verzeichnen. Schon jetzt ruft der wirtschaftliche Aufschwung in Asien einen massiven Ansturm auf die Erforschung und Ausbeutung neuer Energievorkommen hervor, und es ist bekannt, dass die zentralasiatische region und das Kaspische Becken über Erdgas- und Erdölvorräte verfügen, die jene Kuweits, des Golf von Mexikos oder jene der Nordsee in den Schatten stellen.«

Nur bleibt da ein bisher noch unwilliges Russland, dass nach Kosovokrieg und neueren Gerüchten über eine zweite NATO-Erweiterungsrunde eben DESWEGEN den Krieg um Tschetschenien begonnen hat. Nicht nur um sein Territorium erhalten, sondern auch gegen die NATOambitionen im Vorfeld vorzugehen, d.h. z.B. Armenien hochrüstet, mit Weißrußland einen Pakt schließen will und mit Atomwaffen droht. Die missglückten Attentatsveruche Putschversuche in Armenien und Usbekistan sind weiterer Ausdruck dieser Auseineándersetzungen. Kleine Parodie am Rande. Wahrscheinlich hat Deutschlands BND Georgiens Prasident Schewardnadse als Weihnachtsgeschenk einen noch dicker gepanzerten Mercedes spendiert. Daß all diese Versuche so in die Hose gehen, zeigt da eher die mangelnde Schlagkraft und Kapazität eines zerfallenen KGBs, denn Willen hierzu. Der Wille ist stark, doch das Fleisch wird immer schwächer. Was die NATO-Staaten ermutigt. Wenn Russland schwach ist, können »wir« loslegen.

ABER: Russland ist halt ein »Obervolta mit Atomwaffen« (Helmut Schmidt). Ein wirtschaftlicher Zwerg, aber ein militärischer Riese- im gegnsatz zur BRD: Ein wirtschaftlicher Riese, aber »politischer Zwerg« (Strauß)- vor allem militärisch.. Denn in letzerem Felde gibt es im wesentlichen nur die NATO und den amerikanischen Atomschild.

Daher ist die BRD etwas zurückhaltender gegenüber Russland, zumal es auch nicht durch US-Vorstößein eine fatale Eskalationssituation kommen will. Solange die BRD nicht über eine eigene Atomstreitmacht verfügt, muß sie zwischen USA, Frankreich, Großbritannien und Russland ein ständiges Kompromissspielchen und Spagate vollziehen. Daher hörte man auch während des Kosovokrieges von Seiten der BRD sehr frühzeitig: Keine Bodentruppen und »Russland und China ins Boot holen«.

In der letzten Ausgabe des STREITBLATTs haben wir skizziert: Palmwedeln in der Mitte (Friedensprozeß zwischen Israel, PLO und Syrien) und Aufrüstung an den Flanken: Schröders Afrikakorps schon zusammen mit Ägypten, USA, England und Frankreich in Ägypten übt, der britische Verteidigungsminister hier schon die Vorstufe einer europäisch-ägyptischen Militärallianz sieht, eine Art WEU-Erstfallsoption UND an der anderen Flanke die Staaten im Golf und vor allem die Türkei für einen Waffengang im Kaukasus und im Golf aufgerüstet werden.Zumal Aserbeidschan und Georgien schon bei der NATO angeklopft haben. Die Debatte um die Waffenexporte an die Türkei und die geschehnisse in Pakistan sind da nur weitere logische Symptome des Gerangels um die Neuordnung der Neuen Weltordnung.

NATO – Agypten, Türkei, Pakistan: NEOCENTO gegen Russen

Wer einen Blick auf die Landkarte wirft, kann entdecken, dass der Raum zwischen Türkei und Pakistan vor allem von Turkvölkern besiedelt wird, wie auch der einzig verbliebene Restposten Russlands im Kaukasus Armenien ist. Afghanistan wird von den Taliban kontrolliert, die von den USA und Pakistan unterstützt werden, u.a. auch deswegen, um die Erdölpipeline von Turkmenistan nach Pakistan (Karatschi) zu sichern. Nachdem die USA mit ihrer Ägäis- Initiative gegenüber Griechenland und dem Friedensprozess bezüglich Syrien und der PLO, der Türkei den Rücken freimachen wollen, damit diese sich dem Kaukasus zuwenden kann, zeigte sich die Türkei auch vorerst willig: Nachdem schon türkische Plätze für tschetschenische »Freiheitskämpfer« umbenannt wurden, derartige Terrormenschen in BRD und Türkei wohlwollige Behandlung durch die Justitz erfahren konnten, wird nun Armenien ins Visir genommen.

In demonstrativer Blickweite und Grenznähe zu Armenien wurde in der Türkei ein sogenanntes Vertriebenendenkmal errichtet. Nicht etwa für die von der Türkei massakrierten Armenier (ca. 1 Millionen), nein, ganz im Gegenteil:

Für Angedenkenrevanche für bei den Armenienmassakern umgekommene türkische Schlächter. Nicht nur ein Denkmal von ein paar Ultrakebabs, nein, hochrangige türkische Politiker und Generäle weihten diese provokative Kampfansage gegen Armenien im Dezember 1999 ein (SZ). Nicht nur, daß momentan die Türkei von den USA hochgerüstet wird, nein sie bittet auch um deutsche Waffen.

Bei einigen Teilen ihrer Elite bestehen jedoch noch Bedenken gegen einen Kaukasusfeldzug, da eine Eskalation dieser imperialistischen Klarstellung dort in direkten Konflikt mit Russland kommen könnte, wie auch die Reaktionen des Iran und Griechenlands noch unsicher sind. Wie sich dann NATOfreunde und Russland verhalten würden, ist ebenfalls die große Unbekannte.

PAKISTAN: DIE CENTO ist tot – es lebe die Cento

Zeitgleich wird die Türkei noch von anderer Seite umgarnt: PAKISTAN. Nachdem das Kaschmirabenteuer Pakistans nahe an den Atomkrieg mit Indien führte, die VR China solch riskanten Kriegsmätzchen die Unterstützung entzog, zog Ministerpräsident Sharif die Truppen zurück und setzte den hierfür angeblich »alleinig verantwortlichen General« Musharaf ab. Dieser ließ sich dies nicht gefallen und übernahm mittels eines Putsches die Macht in Pakistan. Wärend nun viele Pakistanis diesen Putsch als einen »Putsch des kleinen Mannes« gegen »Korruption und verfall der Moral« feiern, öffentliche Galgenorgien fordern, ja dem Kriegstreiber zu Kaschmir, Musharaf, zujubeln, werden bankrotöse Lage des Landes und die Neuausrichtung der pakistanischen Ausenpolitik vor lauter Pogrommoraleifer schon mal gleich übersehen:

Nachden der US- Botschafter Musharaf zu einem »gemäßigten und patriotischen Mann« kürte, gab dieser eine Pressekonferenz:

»In der Rolle des Reformers, der ein praktisch bankrottes Land – die Devisenreserven betragen nur noch 1,46 Milliarden Dollar – vor dem Zusammenbruch bewahren soll, präsentierte sich der General im Garten seines Hauses vor handverlesenen Journalisten. Geladen waren vor allem türkische Reporter (…) Muscharaf eischie mit den beiden Pekinesen Dot und Buddy unter den Armen, stellte seine Familie vor und unterbreitete dann in perfektem Türkisch ein Bekenntnis. Er sei ein Bewunderer von Kemal Attatürk, der enormes geleistet habe. »In meinem Bücherschrank steht seine Biographie, die Türken sind für mich wie Brüder. Bald werde ich das Land besuchen.«, plauderte Muscharaf und erinnerte an die gemeinsame Mitgliedschaft im fast schon vergessenen Cento-Pakt, einem strategischen Bollwerk gegen die Sowjetunion im Kalten Krieg der fünfziger Jahre«. (SPIEGEL 43/99)

Hier werden die alten Konzepte lebendig: Eine Kette Ägypten- Israel- Türkei- Pakistan, bzw. Ägypten- Israel-/ Bagdatpakt-CENTO. Damals machte Ägypten nicht mit. Heute wäre mit CENTO vor allem eine Achse Türkei- Pakistan gemeint – freilich ohne Iran und Irak, aber eventuell mit prowestlichen Kaukasusstaaten, ja vielleicht zentralasiatischen Anwärtern.

Anouar Abdel Malek beschreibt die strategische Konzeption der USA in seinem Buch: »Ägypten: Militärgesellschaft« derfolgt:

»Die Ziele der Vereinigten Staaten waren klar: das neue Regime [Nasser-Ägypten, ro], das seine Aversion gegenüber Kommunisten kaum verhehlte, in der einen oder anderen Form für einen Beitritt zu einer gemeinsamen militärischen Verteidigungsorganisation im nahen Osten zu gewinnen, einer Organisation mit direktem Anschluß an die NATO, durch die es möglich wäre, dem Vordringen der Sowjetunion nach Süden Einhalt zu gebieten, und zwar mit Hilfe von Militärbasen, die John Foster Dulles so sehr am Herzen lagen (…) nach Monaten geduldigen Sondierens und dem Abbruch der Gespräche am 6. Mai stimmte der ägyptische Verhandlungspartner grundsätzlich zu, die Basis im Falle eines Angriffs auf die Türkei zu »reaktivieren«. (…) Am 21. und 22. November wurde die erste Konferenz der Signatarstaaten des Bagdat- Pakts gehalten, zu denen die Türkei, der Irak, der Iran, Pakistan und Großbritannien gehörten, dazu die Vereinigten Staaten als Beobachter. Im Nahen Osten war der Kalte Krieg offen ausgebrochen; die neue Staatengruppe fand ihre Südbation in Israel, wobe die britischen und amerikanischen Geschwader die See absicherten.« (S. 146ff.).

So bleibt auffällig, daß wärend Pakistan sich der Türkei annähert, den alten CENTO-Pakt beschwört (freilich ohne Irak und Iran), die Türkei von den USA aufgerüstet wird und von der BRD aufgerüstet werden soll und die größten Manöver weltweit in Ägypten mit NATO- Staaten abgehalten werden – zumal erstmals mit deutschen Truppen.

Währenddessen wird in der BRD eine Menschenrechts- und Moraldebatte wegen Waffenexporten geführt, die sehr zielstrebig Zwecke und Zusammenhänge der hier geschilderten Ereignisse ausklammert.

GERANGEL ZWISCHEN EU, USA UND RUSSLAND: WAS IST LOS IN ANATOLIEN UND AM HINDUKUSCH? IN ARKTIS UND ÄGYPTEN?

Daß die Türkei aufgerüstet wird, ihr der Rücken von den USA bezüglich Irak, Syrien, Grichenland (Ägäis) freigehalten werden soll (unberechenbare Variable: Iran), um da jetzt mal die Bereinigungsschlacht im Kaukasus vorzubereiten, haben wir hinlänglich dargestellt. Daß die Deutschen, wie auch EU nichts dagegen haben, wenn die Russen mal auf ein Kerngebiet zurückgestutzt werden, auf das sie sich die nächsten Jahrzehnte begrenzen, ist ebenso klar.

DOCH: Bei der Ausgestaltung eines Minirußland haben die Europäer und die USA unterschiedliche Vorgehensweißen und Tempi.

Vor allen die USA wollen da mittels der Türkei, Kooptierung von Aserbeitschan und Georgien, Bereinigung in Sachen Armeniens da für relativ schnelle und klare Verhältnisse sorgen (ja vielleicht auch mit der Einbeziehung einer Achse Türkei-Pakistans, da das Angebot einer neuen CENTO, einer NATO-Angliederung des Kaukasus nutzen kann).

Die Europäer haben da Bedenken, daß die USA und die Türkei sie da in einen Konflikt bringen könnten, der ein verärgertes Russland zu unberechenbaren Reaktionen und Drohgebärden aktiviert, die eventuell die Europäer ausbaden müssten, wie auch die USA im eurasischen Balkan dann das Zepter führen würden. Obwohl man sich recht sicher ist, daß Russland, das »Obervolta mit Atomwaffen« wegen schierer NATO- Überlegenheit und ökonomischer Schwäche und anstehender Privatisierungswelle sich für die »rationalere Option« entscheidet. Doch sicher ist man sich dessen nicht, wie auch die EU und Deutschland die russische Reduktion lieber unter eigener Definitions- und Prozessgewalt hätten, statt sie amerikanisch- türkischen Schnellschüssen zu überlassen – zumal die Besetzung Pristinas während des Kosovokriegs durch die Russen und Marschbefehl durch US-General und NATO-Oberbefehlshaber Wesley Clark da noch in frischer Erinnerung ist (britischer Oberbefehlshaber: »Wegen den USA riskiere ich keinen dritten Weltkrieg mit Russland«). Daher haben Großbritannien und Frankreich nun auch die Initiative ergriffen, um die europäische Militärsäule zu stärken. Wärend des EU-Gipfels in Helsinki wurde nun ein Fahrplan vorrangetrieben zum »Aufbau einer Kriesenreaktionstruppe von fünfzig bis sechzigtausend Mann, die innerhalb von 60 Tagen eisatzbereit sein soll und unabhängig von Amerika mindestens ein Jahr operieren kann (…) Es waren der Brite Tony Blair und der Franzose Jaques Chirac, die nach dem demütigenden Erlebnis der fast totalen Abhängigkeit der Europöer von den USA im Kosovo-Krieg aufs Tempo drückten. Gerhard Schröder kam dazu. Erst als Briten und Franzosen sich auf den Ausbau autonomer europäischer Fähigkeiten verständigten, nahmen die USA die Emanzipationsbestrebungen ernst. Ihre Forderung nach formalen Beziehungen zwischen der künftigen europäischen Streitmacht und der NATO wurde auch von den Briten zurückgewiesen. Berlin macht sich vorerst klein in dieser Neubestimmung der atlantischen Partnerschaft.« (SZ v. 9. November 1999). Vorerst, aber wohl nicht lange.

Interessant auch, daß die diesjährigen »Bright Star«-Manöver in Ägypten schon in Zusammenhang mit einer »europäisch-ägyptischen Verteidigungsallianz« gebracht wurden:

»Die Militärpräsenz von NATO-Staaten in der ägyptischen Wüste habe wenig mit dieser neuartigen Doktrin zu tun, hieß es offiziell. Doch es gab auch offenere Worte, etwa die des neuen britischen Verteidigungsministers Goefrey Hoon. Er sprach von der Wichtigkeit einer europäisch-ägyptischen Verteidigungsallianz für eine weltweite Kriesenbewältigung.« (SZ v. 27. Oktober 1999).

Beteiligt bei dem Manöver in der ägyptischen Wüste waren auch erstmals deutsche Truppen. Ebenso mischen sich die Deutschen in den Friedensprozess in Mittelost zwischen Syrien, PLO und Israel ein. Die neuesten Angebote an die Türkei bezüglich EU-Mitgliedschaft sollen diese wohl mehr an Europa binden und von Abenteuern im Kaukasus abhalten.

Der Druck der USA, die Türkei in die EU aufzunehmen und mit Waffen zu beliefern, ist dazu gedacht zum einen die Türkei zu stärken, zum anderen die Deutschen und die Europäer vorzuführen. D.h. der Türkei klar zu machen, daß die USA für sie der eigentliche Garant sind, wie auch die Türkei nun ihre Position gegenüber dem Kaukasus einbringen soll. Dies wurde auch deutlich als die Türkei am Rande der OSZE-Konferenz in Istanbul mit Aserbeitschan das Abkommen für die Kaukasus-Ölpipeline unterzeichnete – unter Schirmherrschaft von Clinton.

Die Reaktion Russlands auf diese politische, wie auch ökonomische Herausforderung war recht heftig: Keine Einmischung in »innere Angelegenheiten«, demonstratiever Chinabesuch Jelzins mit dem dezenten Verweis auf die Atomwaffen Russlands und der Test der neuen russischen Interkontinentalrakete TOPOL. China verwis umgekehrt darauf, daß nach der Rückkehr Macaos Dezember 1999 die Wiedervereinigung mit Taiwan anstünde, die Taiwanfrage eine »innere Angelegenheit« Chinas ist und verkündete die Existenz von Atomwaffen, die sowohl die USA, als auch Westeuropa zu treffen imstande seien. Freilich wäre es zuviel von einer strategischen chinesisch-rußischen Achse zu sprechen, denn in der Foreign Affairs wird auch die Option einer künftigen Gegnerschaft Chinas mit Russland gehandelt, insofern es zu keiner Eskalation zwischen den USA und China z.B. wegen Taiwans kommt und Russland weiter an Einfluß verliert. Russland und China sind sich zwar einig, daß eine Schwächung der USA förderlich ist für eine multipolare Welt, wie sie auch betonen die chinesisch-rußische Freundschaft richte sich nicht gegen Dritte. Doch ob sich China im Falle eines Konflikts der USA, bzw. der NATO mit Russland auf die russische Seite schlagen würde, ist fraglich. Wie auch, ob Russland sich bei einem chinesisch-amerikanischen Konflikt um Taiwan auf die seite Chinas stellen würde. Zumal ja auch alle eine direkte militärische Konfrontation verhindern wollen.

Das Angebot Pakistans für eine neue CENTO ist zwar noch Zukunftsmusik und unsicher. Trotz allem wäre mit der Klarstellung, dass die Russen im Kaukasus nichts mehr zu melden haben, die Frage einer »Ordnungskraft« auf der Tagesordnung. Da wäre eine Achse Türkei-Pakistan sehr wohl denkbar.

Pakistan ist pleite, China hat es nicht mehr unterstützt beim letzten Gezündel um Kaschmir. Pakistan baut mit US-Unterstützung und mittels der pakistanisch-amerikanisch-gestützten Taliban eine Ölpipeline von Turkmenistan über Afghanistan zu Pakistans Hafenstadt Karatschi- zur Belieferung ganz Asiens.

Putschgeneral Musharraf stößt Lockrufe in Richtung Türkei aus – mit wohlwollender Unterstützung von Seiten der USA. Die Türkei unterschrieb am Rande des OSZE-Gipfels, bei dem Russland wegen Tschetschenien abgewatscht wurde, ostentativ eine Abkommen mit Aserbeidschan zur Öffnung einer Ölpipeline zwischen beiden Staaten. Clinton segnete dies demonstrativ ab und sprach sich für weitere Waffenlieferungen an Israel und die Türkei ab. Während der Kaukasus als Energiereservoir in Richtung Türkei und umgekehrt Zentralasien in Richtung China, Pakistan, Asien hergerichtet werden, stellt sich die klare »Notwendigkeit«: raus mit den Russen und Etablierung einer Ordnungsmacht. Das kann die von Pakistan vorgeschlagene neue CENTO (Achse: Türkei — Pakistan mit Aserbeidschan, Georgien, Zentralasien) oder halt die NATO. Wobei da die Mitwirkung der Europäer eher abwartend bleiben dürfte — wegen Reaktionen Russlands. Letzteres hat zwar nicht die Kapazität, den Kaukasus und/oder Zentralasien zu kontrollieren, geschweige denn zurückzuerobern. Aber Russland verfügt über die Option, dieses Gebiet so gründlich zu destabilisieren, dass es für westlich oder östliche Nutzung so gut wie unbrauchbar wird, insofern nicht vehemente Kriege vollführt werden sollen.

Die Deutschen und die EU haben begrenzte Eigenmöglichkeiten. Nur mittels Einbindung Russlands, Chinas, der Türkei und Pakistan. Denn die Forderungsliste der Türkei hat nicht nur andere Waffensysteme, wie auch EU-Mitgliedschaftsbegehrlichkeiten:

»Die Türkei wünscht 200 Fuchs-Transportpanzer und dazu die Lizenz für 1800 Exemplare, 14 ‚Tiger-Helicopter’, sowie Granatwerfer, Gewehre und Munition«, nebst Waffenorderungen aus Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten, sondern auch noch weiterreichende politische Implikationen für den Kaukasus:

»Sollten die Vertragsverhandlungen wirklich beginnen, werde die Koproduktion und der Weiterverkauf an die turkmenischen Nachbarn schon bald als das zentrale Problem herausstellen, so die Analyse des Außenamtes. Für die unruhige Ex-Provinz gilt jedenfalls nicht die Ausrede, es handle sich um einen NATO-Partner.« (SPIEGEL 43/99, S.47)

Will heißen: Die Belieferung der Türkei könnte die ganz Asiens mit deutschen Waffen nach sich ziehen, was Russland recht unwirsch beantworten könnte.

Von daher agieren die Europäer zwar mit den USA in der NATO, haben jedoch Differenzen mit den USA und wollen sich eigene Optionen eröffnen. Die Atomwaffenstaaten Frankreich und Großbritannien nutzen dabei innerhalb der EU ihre militärisch harte Währung (A-Waffen, Flugzeugträger, internationale Eingreiferfahrung, u.a. ) gegenüber dem ökonomisch starkem, doch militärisch noch mittelmäßigem Deutschland — welches sich eben im Spagat zwischen USA und Frankreich, bzw. England in militärischen Fragen sieht.

Zwar agieren die europäischen Großmächte arbeitsteilig in der NATO und mit den USA, aber in dem Sinne, in keinen Konflikt mit den USA hineingezogen zu werden, den man selbst nicht will. Und daher das Bestreben nach einer eigenen Säule. Durch diese Ambivalenz entsteht für die EU-Staaten Druckmöglichkeit gegen Russland als auch Handlungsspielraum gegenüber den USA. Dies wird auch von Russland quittiert. Russland versucht seinen wesentlichen Devisenbringer (Energieträger) als Lockangebot der EU zu offerieren.

Auffällig ist, dass schon während des Kosovokriegs die »Einbindung« Russlands gleichzeitig mit dem Gazprom-BASF-Energieabkommen erfolgte und Ex-Gazprom-Chef Tschernomydin auch den Unterhändler spielte. Ein ähnliches Muster wiederholt sich nun im Falle des Kaukasus: Während es in Tschetschenien einmarschiert, Armenien hochrüstet, hat Russland die nächste Privatisierungsrunde eingeläutet wobei deutsche Berater hierbei tätig sind und als Delikatesse der Energieriese LUKOIL zur Teilprivatisierung freigegeben wird. An die Europäer ergeht damit einhergehend ein zukunftsenergetisches und großraumwirtschaftsplanerisches Angebot, das jedoch nicht sonderlich reizvoll ist.

»Der nördliche Seeweg — WERDEN Atomeisbrecher künftig den Öltransport sichern?

Interesse an der direkten Passage Europa und Asien/ Noch im strengen Griff der russischen Schifffahrtsbehörden:

(…) Hintergrund der zur Zeit sehr intensiv geführten Diskussion über den Nördlichen Seeweg sind gewaltige Lagerstätten von Erdgas und Rohöl in der südlichen Barentsee, rings um die Timan-Petschorabucht und um die Halbinsel Jamal. Lukoil hat vor kurzem angekündigt, bis Mitte 2000 vor Warandeil in der Timan-Petschorabucht eine erste Offshore-Verladestation zu errichten (…) Es gilt als sicher, dass Europa im kommenden Jahrhundert einen grossteil seines Energiebedarfs aus der russischen Arktis decken wird. Im April 1998 unternahm die Europäische Union daher eine Versuchsfahrt (…), um die Bedingungen und Kosten fürs Verladen und den Transport von Rohöl von der Ob-Mündung nach Rotterdam zu erkunden (…) Der Transport eines Barrels Rohöl (…) von Sabetta in der Ob-Mündung bis Rotterdam kostete 11 Dollar – ohne Förderzins, Investitionen und Produktionskosten. Das Nordseeöl liegt bei 12 Dollar, einschließlich Investitionen, Transport und Produktionskosten (…) Das Arktisöl ist also recht teuer (…) Verglichen mit den technischen Problemen sind die wirtschaftlichen und politischen Fragen sehr viel schwieriger (…) Das Öl und sein Weltmarktpreis werden der Motor des Nördlichen Seewegs sein (…). Ob die Transitstrecke je als Alternative zur Suezkanalpassage taugt, sit fraglich. Vertreter der Suezkanalbehörde verfolgten die INSROP_Konferenz recht gelassen, ja entspannt. Auch das gibt zu denken.«

(FAZ v. 14.12.1999)

Die Avancen einer europäisch-ägyptischen Verteidigungsallianz zeigen da auch, dass sich Großbritannien und Frankreich die Suezoption selbstsichern wollen- momentan mit den USA, aber auch schon als Keimzelle einer europäischen Säule, bei der schon BRD-Truppen mitüben. Italien durchbrach so ermuntert als erster europäischer und NATO-Staat die bisherige diplomatische Isolation Libyiens mittels eines Staatsbesuchs- was in Washington gemischte Gefühle auslöste. Ebenso finden die Kriege in Somalia, Äthiopien und Eritrea u.a. vor dem Hintergrund der Sicherung der Suezpassage statt.

Russland versucht Europäern und Asiaten somit eine alternative Energieanbindung zum Kaukasus und Nahen Osten, wie auch Schiffahrtsrouten EU-Asien, schmackhaft zu machen und seinem Staat da Einnahmen zu sichern. Jedoch unter recht wackeligen Bedingungen, zumal nun auch die EU da ihre Forderungen stellt: Liberalisierung von Routen und Logistik vorheriger russischer Sphäre:

» Die Routen und die Fragen der Eisbrecherbegleitung entscheiden je nach Eislage , die Maritime Operation Headquarters (MOH) (…) Schiffsführer haben also, vielleicht aus guten Gründen kaum Entscheidungsfreiheit (…) Ihre Schiffe fahren immer an der kurzen Leine der Russen . So war denn auch einer der strittigsten Punkte der Osloer Konferenz die Eisbrecherfrage, die dringend der Überarbeitung und Liberalisierung bedarf (…) Bei der Übertragung der Daten an die Schiffe klafft in der Mitte der Route eine Lücke (…) Ein Ausweg wäre eine dritte Bodenstation in der russischen Arktis, über welche die europäische Weltraumagentur ESA zur Zeit mit Moskau verhandelt (…) Russlands größter Ölkonzern Lukoil, der sich inzwischen eine kleine Flotte eisbrechender Tanker zugelegt hat, sit vor kurzem dominierender Eigentümer der Murmansk Shipping Company geworden, der Betreibers der Eisbrecherflotte. Das gibt zu denken, denn damit ist im Kern der arktischen Schifffahrt die Gefahr eines Monopols gegebnen. Es würde westliche Investitionen verhindern. » (FAZ v. 14.12.1999). Die Russen also auch hier ein Hindernis ohnesgleichen, weswegen die EU die NATO und die EU hier als Druckmittel wiederum recht sind.

Der Kampf um die Neuordnung der Neuen Weltordnung geht in die nächste Runde.

Die Präsidentschaftswahlen 2000 in USA und Russland, wie auch die Präsidentschaftswahlen 2000 und die schwelende innenpolitische und ökonomische Krise in der VR China können hier noch nationalistisch emotionalisierend wirken. An Drohgebärden mangelte es schon im Jahr des Kosovokriegs 1999 nicht.

Deutsche Waffenexporte in die Türkei & die Kritik: Deutsches Moralgeseier von wegen Profit und Menschenrecht

Nach dem Kosovokrieg ist es groß in Mode gekommen mit dem moralischen Zeigefinger wegen Waffenexporten bezüglich der Türkei sich aufzugebärden, ja, da Widersprüche und Doppelmoralien zusammenphantasieren zu wollen. Dieser Standpunkt blamiert die Zeigerfinger. Wenn sie schon nicht wussten, warum der Kosovokrieg geführt wurde, so zumindest, weswegen NICHT — nämlich NICHT wegen Menschenrechten. So kommen sich diese Moralwachteln jetzt toll vor, wenn sie endlich mal ihren bescheuerten Menschenrechtsmaßstab gegenüber der Türkei losbringen können. Das klärt zwar nix, aber besser fühlt man sich scheinbar schon. Spätestens bei dem Vorwurf, die pro-westliche Kemal-Attatürk-Türkei a lá Iran zu Fall zu bringen, w.g. Islamisten, werden diese Gemüter darüber hinwegsehen oder für alle Sauereien zu haben sein. Doch dem nicht genug: Kritische Menschen wollen da nicht nur neuerdings entdeckt haben, dass Menschenrechtsgeschwalle keine Kritik in Sachen Imperialismus sei, nein, dazu entdecken sie auch noch einen abgrundtief niedermähenden Zusatzvorwurf: PROFIT. Nicht nur nix Menschenrecht, nein: Profit wird gemacht! Das soll dann Kriege und Rüstung und Rüstungsexporte erklären. Daß es sich der Staat in letzterem Falle z.B. da vorbehält gewisse Staaten NICHT zu beliefern und andere schon, das wird da vor lauter »Profit« –Geschreie schon mal dezent übersehen. Vermutete MIKs (Militärisch-Industirelle Komplexe) sollen als Kriegstreiber und böse Menschen Kriege zur Verderbnis der Menschheit abzetteln und auslösen, um u.a. Nachkriegsboome auszulösen, usw., u.ä., usw, usf. Zumal: Als sei Profit ein alleiniges Realiserungsresultat militärischer Güter. Jeder Fall an den Nahrungsmittelbörsen killt mehr Menschen als eine Atombombe. Menschenrecht & Profit w.g. Waffenexport & Käuflichkeit w.g. Kiep/Kohl — das erklärt zwar gleich nichts, ja verharmlost so ziemlich alles, aber kommt allgemein gut an. Daß Kohl Rüstung an Saudi-Arabien liefern ließ entsprang politischem Kalkül. Daß er als NEBENEFFEKT auch Provisionen einstrich für die Stärkung seiner CDU, bzw. der ihm loyalsten Teile seines Haufens, verspinnen nun Kritiker konsequent zur URSACHE politischen Handelns. Das ist die Superschurkenschablone begnadeter Politthriller-Autoren, Kirchentagsmoralisten und Stamokap-Theoretikern: Rüstungsfirma besticht Politiker — Politiker lässt Waffen liefern.

Daß Politik und der Staat als »ideeller Gesamtkapitalist« agiert, wird dadurch schlicht geleugnet. Denn wenn jeder Thyssen, Krupp, Deutsche Bank, etc. wie derart ausgesponnen, kommandieren würde, Ökonomie = Politik wäre, ja dann bräuchte es letztere ja gar nicht. Daß der bürgerliche Staat eben mehr kalkuliert als die jeweilige Bilanz eines jeden Pfiffi-Großkonzerns, das heißt nämlich nationale Handelsbilanz, geostrategische, geopolitische, geoökonomische, militärisches, technologische und andere Standortbedingungen, das verbietet ja geradezu, Partialinteressen der Einzelkapitalien auch der »Großen« zur Grundlage seiner politischen Kalkulation zu machen.

Was da mit der sogenannten »Kritik« in Sachen Käuflichkeit gefordert wird, ist die totalitäre Vision der Herrschaft eines homogenen Volkskörpers mittels eines saubern Staates, der keinen »Dreck« am Stiel hat.

Als Hypermoralschwuchtel macht man sich so einen Namen, liegt man da auch voll im Trend — zumal die zuvor abfuckende SPD ihrem sogenannten linken Flügel und anderem Linksgerucke ohnehin nichts mehr zu bieten hat, als »Oscar lesen« und Kohl MORALISCH zur Sau zu machen — während selbst die Waffen in die Türkei gehen und Schröders Afrikachor unbemerkt schon mal in Ägypten probt. Wozu und weswegen wird da systematisch ausgeklammert. Die genannte »Kritik«palette offenbart also ein gehöriges Maß an Unwissenheit, Doofheit, Moralwachteltum, Opportunismus und Feigheit an der Basis, im Falle der Regierungsetagen kalkuliertes Ablenken und Verschweigen. Daß nun die CDU mittels Glogowski, Rau und Klimmt zurückschlug, war absehbar. Daß nun von einigen Seiten angemant wird, man solle jetzt »damit« aufhören, »Schlammschlachten und Dreckwäsche« zu vollführen, weil dadurch nur »wir alle« geschädigt würden und die Demokratie an Ansehen verliere ist die logische andere Seite dieser Sorte Saubermann-Kritik. Denn POLITISCH war diese Sorte Kritik nie gemeint, sondern eben primär nur MORALISCH und taktisch. (ro)

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